GewerftfcbaftUchc� Der Fabrikarveiterverband hatte im Krisenjahre 1908 ebenfalls einen Mitgliederrückgang zu ver- zeichnen. Die Mitgliederzahl sank um 32S0 Mitglieder gegenüber dem Vorjahre, sie betrug am Jahresschlüsse 133 ö3S. Immerhin war der Rückgang diesmal prozentual bedeutend geringer als im Krisen- jähre 1902. Während damals der Mitgliederrückgang 6 Proz. aus- machte, betrug er diesmal nur L'/z Proz. Beachtenswert ist übrigens, daß der Rückgang nicht auf Vermehrung der Austritte, sondern auf Verminderung der Eintritte zurückgeführt werden muß. Der beste Beweis dafür, daß die schlechte Wirtschaftslage die gewerkschaftliche Agitation erschwert. Trotzdem bietet die Finanzlage deS Verbandes ein erfreuliches Bild. Die Einnahmen sind um 50 000 M. gestiegen. Unter den Ausgaben zeigen die für Unterstützungen— mit Ausnahme der für die Streikunterstützung— eine starke Zunahme. Die Steigerung des Ausgabepostens betrug 250 000 M. Für die Erwerbslosenunterstütznng wurden allein 295 473 M. mehr aus- gegeben. Wie nachhaltig die Krise noch in diesem Jahre wirkt, geht daraus hervor, daß die Ausgaben allein für die Erwerbslosenunter- stiitzung im ersten Quartal dieses Jahres höher sind als die gesamten Einnahmen des Quartals. Das Gesamtvermögen des Verbandes betrug am Jahresabschluß 1 697 053 M., das sind rund 385 000 M. mehr als im Borjahre. Einen freudigen Ausblick für die EntWickelung des Verbandes in diesem Jahre gibt die Mitteilung, daß der Verband allein in der letzten Woche eine Zunahme von 1000 Mitgliedern zu verzeichnen hatte._ Berlin und Umgegend. Die Aussperrung der Mützenarbeiter bei der Firma S. Gärtner u. Co. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung, die der Deutsche 5lürschnerverband am Mittwochabend im Allen Schützen- Hause veranstaltet hatte, wurde die Aussperrung in der Mützensabrik von S. Gärtner u. Co. besprochen. Der Referent R e g g e legte dar, wie die Firma schon seit längerer Zeit bestrebt war, den Zu- schneidern die K o n t r o l l b ü ch e r aufzuzwingen. Die Zuschneider hatten schon früher dagegen opponiert, weil die Firma diese Bücher benutzen wollte, um die Arbeiter mehr als bisher anzutreiben und die Leistungen der Arbeiter gegen einander auszuspielen, wodurch man eine Art Akkordsystem einführen konnte. Aus nichtiger Ursache wurde am Freitag wieder das Verlangen gestellt. Kontrollbücher zu führen, die Zuschneider lehnten es ab und alle sieben Leute wurden entlassen. In einer Werkstaltsitzung erklärten sich die Angestellten der Firma mit dem Verhalten der Ausgesperrten einverstanden; sie nahmen ihre eigene Arbeit aber wieder auf und verpflichteten sich nur, keine Arbeiten der ausgesperrten Zuschneider zu übernehmen. Den eingeleiteten Verhandlungen folgte sehr schnell die Aussperrung sämtlicher Arbeiter und Arbeiterinnen, 86 Personen, darunter 65 weibliche. Herr Gärtner glaubt, seinen Willen mit Gewalt- maßregeln durchsetzen zu können. Er sprach die.fürchterliche" Drohung aus, daß er sich zur Ruhe setzen werde und seinen Betrieb auf 15 Wochen schließen wolle. Zugleich aber bittet er seine Kunden, da verschiedene eilige Aufträge vorliegen, um Nachsicht unter dem Vorgeben, daß die Arbeiter bei ihn,„streiken", während er doch eine Aussperrung vorgenommen hat. In einer Resolution sprachen die Versammelten ihre Entrüstung darüber aus, wie Herr Gärtner den Herrenstandpunkt einnimmt, sie sehen in der Verweigerung der Führung von Kontrollbüchern durch die Zuschneider keine Veranlassung zu einer Aussperrung und be- auftragen die Ortsverwaltung des Verbandes, der Firma S. Gärtner zwecks Beilegung der Differenzen folgende Forderungen zu unter- breiten: 1. Die Zuschneider arbeiten unter dem alten System weiter. 2. Die Firma hat die Kontrollbücher, die jetzt von den Arbeiterinnen geführt werden müssen, einzuziehen. Tie Ausgesperrten hatten zuerst die Absicht, auch eine Lohn- forderung geltend zu machen, sie haben aber darauf ver- zichtet, um die baldige Erledigung des Streits wegen der Kontrollbüchcr nicht zu erschweren. In der Diskussion wurde die Schädlichkeit wie auch die Zwecklosigkeit der Kontroll- bücher von verschiedenen Rednern beleuchtet. Man ist der Ansicht. daß die Kontrolle vom Kontor aus in einheitlicher Weise vor- genommen werden sollte, ohne die einzelnen Arbeiter und Arbeiterinnen damit zu drangsalieren, und man nimmt die Ge- legenheit wahr, zugleich die Abschaffung der Kontrollbücher für die Arbeiterinnen zu fordern._ Deutfches Reich. Im Malergewerbe zu Magdeburg ist eS zum Abschluß eines neuen Lohntarifes gekommen, der dem seit drei Jahren zwischen dem Zentralverband der Maler und dem Arbeitgeberverband be- stehenden Kriegszustand ein Ende machte. Weil während dieser drei Jahre ein Tarifvertrag des Arbeitgeberverbandes mit dem Hirsch-Dunckerschen Gewerkverein bestand, lehnte ersterer zunächst jede Verhandlung mit den freiorganisierten Gehilfen ab unter der fadenscheinigen Begründung, diese hätten durch ihr späteres passives Verhalten den anfangs strikte abgelehnten Tarif still- schweigend anerkannt. Diese Auffassung wurde selbst vom Gau- vorstand und vom Hauptvorsitzenden des Arbeitgeberverbandes nicht geteilt. Unter Mitwirkung der Hauptvorstände beider Organi- sationen kam dann schließlich ein neuer Tarif zustande, der den Gehilfen einige Lohnaufbesserungen bringt. Der Tarif sieht eine 91� stündige Arbeitszeit vor bei einem Minimallohn von 51 Pf. pro Stunde für Maler über 20 Jahre, 44 Pf. für Maler unter 20 Jahre und 43 Pf. für Anstreicher, die vier Jahre im Beruf tätig sind Für Ueberstunden von morgens 5 bis 7 Uhr und und abends 6 bis 9 Uhr sind 25 Proz. und für Arbeit von abends 9 Uhr ab sowie an Sonn- und Feiertagen 50 Proz. Zuschlag zu zahlen. Bei Arbeiten, die über drei Viertel Stunden von der Werkstatt entfernt sind, ist das Fahrgeld oder die Laufzeit und bei Arbeiten, bei denen übernachtet werden mutz, der notwendige Mehr- aufwand zu vergüten. Mit diesem Tarifvertrage ist der mit dem Gewerkberein ab- geschlossene gegenstandslos geworden. Mit derfreienJnnung konnte eine Einigung bisher nicht erzielt werden; sie will nur Vereinbarungen ihre Zustimmung geben, die eme Verschlechterung des bestehenden Zustandes bedeuten. Der Metallarteiterverband als Grundbesitzer. Der Metallarbeiterverband besitzt schon an mehreren Orten Grundstücke. Jetzt hat die Ortsgruppe Bielefeld des Deutschen Metallarbeiterverbandes ein Wald- und Wiesengrundstück m einer Größe von 35 000 Quadratmetern käuflich erworben. Das Grund- stück ist eine halbe Stunde vor der Stadt gelegen und soll vor- läufig zu Sommerausflügen für die Arbeiter sowie als Spielplatz für Kinder benutzt werden. Später ist beabsichtigt, ein Genesungs- heim für Verbandsmitglieder auf demselben zu errichten. Geächtet. Einen neuen Aechtungsgrund hat die Breslauer Firma Schlüter u. Comp. lJnh. Ingenieur Adler) ausgeheckt. Die Firma, die ein Baugeschäft für Gas- und Wasseranlagen betreibt. versendet an sämtliche Breslauer Firmen derselben Branche folgendes Schriftstück: Vertraulich. Breslau I. den 17. Mai 1909. Herren.... �. Breslau . Wir erlauben uns ganz ergebenst, Ihnen folgenden Vorgang zur gefl. Kenntnisnahme zu unterbreiten:_______ Verantw. Redakteur: Hans Webet, Berlin . Inseratenteil vergntw-: Der bei uns beschäftigt gewesene Monteur D. I s, wohnhaft zu Breslau , war beauftragt, am 14. dieses Monats bei Herrn Guttmaun, Nikolaistadtgraben 19, eine Lampe auf Undichtigkeit zu untersuchen. Er führte diese Arbeit gegen 5 Uhr nachmittags aus. Abends um 9Vz Uhr wurden wir von Herrn Guttmann angeklingelt, daß nur durch die Vorsichtigkeit seiner Familienangehörigen eine schwere Explosion vermieden worden sei. Der Monteur hatte den Hahn der Lampe offen gelassen, so daß Gas ausströmte. Hochachtungsvoll Schlüter u. Comp. Also wegen eines lächerlich kleinen Versehens wird der Mann bei allen Breslauer Geschäften geächtet.„Schwerste Strafe dem, der andere an freiwilliger Arbeit hindert." Die„gesicherte Existenz bis ins hohe Alter." In der Brauerei Landsperger in Eilenburg erlitt ein Arbeiter P. einen Unfall, wodurch er sich den linken Knöchel und das rechte Schulterblatt verletzte. Nach zirka einvierteljähriger Krankheit erhielt er die Kündigung vom Braumeister mit folgendem Schreiben zugestellt: „Infolge ihrer Arbeitsunfähigkeit für den Brauereibetrieb kündige ich Ihnen hiermit per 21. Mai die Arbeit." Der Mann ist 57 Jahre alt und war 29 Jahre in dem Be- triebe beschäftigt. Die Arbeitskollegen des P. und die Zahlstelle des Brauereiarbeiterverbandes waren mit dieser Lösung der Existenz- frage nicht einverstanden und ersuchten um leichtere Beschäftigung für den alten Mann beim Braumeister nach, da er von seiner Unfall- rente nicht leben könne. Der Braumeister stellte das unmögliche Verlangen, P. solle ihm ein ärztliches Zeugnis beibringen, daß er vollständig arbeitsfähig sei, dann könne er jeden Augenblick an- fangen. Als eine andere Lösung der Frage nicht möglich war, legten die Brauereiarbeiter die Arbeit nieder und erzielten nach einstündigem Streik die Wiedereinstellung des P. Ernste Differenzen sind bei der Firma Weiß u. Co., Feilenfabrik in Remscheid , entstanden. Wiederholte Lohnabzüge haben die Arbeiter zum äußersten gereizt und es ist nicht ausgeschlossen, daß es, wenn die Firma nicht noch ein Einsehen hat und einer ftied- lichen Einigung mit den Arbeitern aus dem Wege geht, zum offenen Kampfe kommt. Zuzug ganz besonders von Ma- schinenhauern ist strengstens fernzuhalten.-� Alle Arbeiterblätter werden um Abdruck dieser Notiz gebeten. Der Wiesbadener Schuhmacherstreik wurde am Donnerstag durch einen für die Arbeiter günstigen Vergleich beendet. Die Innung hatte sich hartnäckig geweigert, mit dem Streikkomitee zu verhandeln. Schließlich gründeten eine Anzahl Meister eine neue, freie Vereinigung. Und diese freie Innung erklärte sich bereit, mit den Arbeitern in Verhandlungen einzutreten. Es wurde dann ein neuer Vertrag auf drei Jahre festgelegt. Jetzt müssen nun auch die Meister, die der alten Innung angehören, in den sauren Apfel beißen und sich ebenfalls dem Vertrage an- schlietzen, den die freie Innung mit den Arbeitern abgeschlossen hat. Eine Scharfmachergrünbung. Auf Veranlassung des Generalsekretärs Rasse-Berlin ist ein „Kartell des Bauhandwerks in der Kreishauptmannschaft Dresden" gegründet worden. In einer am 11. d. M. in Dresden stattgefundenen Versammlung von Vorstandsmitgliedern der Arbeit- geberverbände im Baugewerbe sind die Satzungen und die Ge- schäftsordnung des Kartells aufgestellt und angenommen worden. Zweck des Kartells ist:„Bei gewerblichen Kämpfen den kartellierten Verbänden für die im Geltungsbereich des Kartells vorhandenen Betriebe mit Rat und Tat zur Seite zu stehen; den als un- berechtigt erkannten Forderungen der Arbeitnehmer in wirksamer Weise entgegenzutreten; allgemeine Einführung der Streikklausel; Bekämpfung von Sympathiestreiks; gegenseitige Unterstützung bei Streiks oder Aussperrungen; Förderung der Organisation der Arbeitgeber durch Gründung weiterer Arbeit- geberverbände usw. Am Schlüsse heißt es:„Es ist allen Arbeit- gebern dringend zu empfehlen, sich zusammenzuschließen. E in i g- keit macht stark!"_ Ein christlicher Kronzeuge von der Nemesis ereilt. Ende Januar wurden in Düsseldorf acht frei organisierte Hafen- arbeiter wegen angeblicher Exzesse gegen christlich organisierte Streik- brecher zu insgesamt 58 Monaten Gefängnis verurteilt. Einer der Führer dieser christlichen Streikbrecher, die unsere Genossen auf lange Zeit ins Gefängnis brachten, war der Hafenarbeiter Peter Schmitz aus Neuß bei Düsseldorf , ein Bruder des christlichen Arbeiter- sekretärs. Jetzt mußte dieser Peter Schmitz vom Neußer Schöffen- gericht zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt werden, weil er am 19. April den frei organisierten Hafenarbeiter Josef Kleinkorst und einen anderen Arbeiter mit Totschlag und mit dem Revolver bedroht hatte. Kleinkorst war in jenem Januarprozeß ebenfalls auf Grund christlicher Zeugenaussagen zu 3 Wochen Haft verurteilt worden. Der Kampf der Tischler in Nürnberg scheint sich zu einer Machtprobe mit dem neugebackenen„Arbeitgeberschutzverband für das Holzgewerbe in Bayern r. d. Rh." auswachsen zu sollen. Rund 300 lcdige Schreiner haben darum die Stadt bereits verlassen und werden anderweitig gern eingestellt. Die Unternehmer pöbeln kräftig in den bürgerlichen Blättern. Es beweist dieses, daß si- tief in der Patsche sitzen. Auf die in großer Anzahl los- gelassenen Arbeitswilligew-Jnserate ist bisher noch niemand hinein- gefallen._ Christliche Lügenpeter. Das Mitglied Johann Klebl des christlichen Holzarbeiter- Verbandes in Rosenhelim glaubte durch gemeine Verdächtigung des Deutschen Holzarbeiterverbandes seinen Nebenkollegen leichter für seinen Verband kapern zu können. Unter anderem behauptete dieser edle Christenbruder, der Kassierer der Rosenheimer Zahl- stelle hätte Gelder unterschlagen. Vor das Vermittelungsamt des Stadtmagistrats geladen, knickte der tapfere Christ zusammen und erklärte sich zur sofortigen Zurücknahm der Beleidigung unter dem Ausdrucke des Bedauerns und zur Zahlung einer Buße von 10 M. an die städtische Armenkasse bereit. Die eigentlichen Schuldigen sind dabei der verdienten Strafe trotzdem entronnen, denn auf die Frage des Richters, ob er sich denn solche schwere Beleidigungen aus den Fingern gesogen, da meinte der junge Mann, er hätte dieses von einem ihrer Referenten in der Versammlung gehört, könne sich aber dessen Namen nicht mehr erinnern. Infolgedessen mutzte also ein christliches Mitglied für die Lügenbeuteleien ge- wissenloser christlicher Hetzapostel büßen. Solches alteriert letztere allerdings nicht im mindesten, es wird immer wieder feste darauflos gelogen nach dem schönen Grundsatze:„Verleumde nur fest darauf los. es bleibt doch etwas hängen."/ Hud Induftrie und Handel* Die Schwierigkeiten der Firma Eyck und Strasser scheinen aus dem Wege geräumt zu werden. Fünf Mitglieder des Aufsichtsrates haben sich bereit erklärt, nicht 500 000 M., wie die Bank fordert, wohl aber 300000 M. ä konäs peräu aufzubringen. Es hängt nun alles davon ab, ob noch 400 000 M. Aktien von anderer Seite gezeichnet werden. Gelingt die Aufbringung auch dieser Summe, dann dürfte die Sanierung gesichert sein. Die Mehl- uud Brotpreise. An der Berliner Produktenbörse ist der Preis für Weizen von 204 M. pro Tonne zu Beginn des Jahres auf 258 M. xh,'Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr, u. VxrlagsgnstaU Mitte Mai oder um rund 26,4 Proz. in die Höhe gegangen. Der Preis für Weizenmehl ist nach den Notierungen an der Berliner Produktenbörse von 250 M. pro Tonne auf 315 oder um rund 26 Proz. gestiegen. Das heißt also: die Preise für Weizen- mehl haben sich nach der Börsennolierung im nämlichen Grade' ge- hoben wie die Weizenpreise. Allerdings haben sich die Börsen- Notierungen für Mehl im Verkehr noch nicht in der genannten Höhe durchgesetzt, aber das wird noch kommen. Auch im Detailvcrkehr ist der Mehlpreis der Hausse am Getreidemarkt noch nicht gefolgt. Die Bäcker decken noch aus Mehlabschlüssen zu niedrigeren Preisen als den Börsennotierungen ihren Bedarf. Wenn nun auch bisher die Preishausse am Getreidemarkt die Brotpreise weniger tangiert hat, so ist doch als sicher anzunehmen, daß eine stärkere Wirkung der hohen Getreidepreise fernerhin nicht ausbleiben wird. Schon die Verteuerung des Brotes um nur einen Pfennig fällt für den Brotkonsum ganz erheblich ins Ge- wicht. Nehmen wir nur an, daß auf den Kopf der Bevölkerung wöchentlich eine Brotration von 5 Kilogramm Roggenbrot zu rechnen ist, so würde sich der Gesamtkonsum an Brot bei einer Brot kaufenden Bevölkerung in Höhe von 45 Millionen auf 225 000 Tonnen stellen. Ein Pfennig Aufschlag pro Kilogramm macht dann schon bei gleich- bleibendem Verbrauch eine Mehrbelastung von rund 2,25 Millionen Mark oder im Monat annähernd eine solche von 10 Millionen Mark. Da von Januar oder Februar sich im Durchschnitt von 55 Städten der Brotpreis um einen Pfennig pro Kilogramm erhöht hat, so sind in den vier Monaten dieses Jahres schon mindestens 40 Millionen Mark mehr für Roggenbrot verausgabt worden, als wenn der Brot- aufschlag nicht gekommen wäre. Kaffeezoll. Um die starken Schultern zu schonen, sind die Konservativen ja auch auf den Gedanken gekommen, den Kaffeezoll erheblich zu er- höhen. Die Folgen würden diese sein: stärkere Brandschatzung der Aermsten, bei denen der Kaffee einen Hauptbestandteil der Ernährung bildet, Rückgang des Konsums und Steigerung des Alkoholgenusscs, was wiederum vermehrte Liebesgaben für die junkerlichen Schnaps- brenner bedeutet. So saugen die Edelsten und Besten der Nation aus dieser Blume zweimal Nahrung. Sie wälzen die Steuerlasten auf andere ab und heimsen dafür mehr Liebesgaben und höhere Gewinne ein. Daß die Zölle den Konsum beeinflussen, kann man an der Verbrauchsbewegung in Italien lernen. Der Kaffeekonsum hat sich in Italien in den letzten 10 Jahren bemerkenswert vermehrt, was auf die im Jahre 1900 erfolgte Re- duktion des Einfuhrzolles zurückgeführt wird. Von 126 834 Zentner in 1899 stieg der Import auf 227 608 Zentner in 1908. Vom Jmportquantum des letztgenannten Jahres entfielen allein 154723 Zentner auf Brasilien . Im Erntejahre 1906/07 betrug der Export der in Frage kommenden Kaffeeländer total 23 732 337 Sack a 60 Kilogramm. Hiervon entfielen auf Brasilien .......... 20 137 387 Sack Mittelamerika und Mexiko .... 1745 000„ Venezuela , Columbia, Eguador u. Peru 650 000„ Java............ 500000„ Portoriko .......... 375 000, Diverse Länder........ 325 000„ Total... 23 732 387 Sack Man überzeugt sich also, daß der weitaus meiste Kaffee, der konsumiert wird, aus Brasilien kommt. Und daher hat die be- antragte Zollerhöbung auch noch eine andere Bedeutung. Brasilien ist nicht nur exportierendes, sondern importierendes Land. Aus Deutschland bezieht Brasilien vorwiegend: Eisenbahnmaterial, Glas- waren, Kabel, Farben, Textilerzeugnisse, Draht, Küchengeschirre, Kleineisenerzeugnisse, Metall- und Edelmetallwaren usw. Eine Kaffeezollerhöhung in Deutschland würde naturgemäß Repressalien in Brasilien gegen deutsche Jndustrieerzeugnisse provozieren und so käme zu den übrigen Folgen der Zollerhöhung auch noch eine Beschränkung unserer Ausfuhr, das heißt: Verschlechterung des Arbeitsmarktes. Schutzzollwirkunge»/ Die Firma Zwillingswerk I. A. Henckels in Solingen hat sich zu einer Betriebseinschränkung entschließen müssen. Die Firma hatte für die etwa 1000 Arbeiter ihres Etablissements sowie für ihre zahlreichen selbständigen Heimarbeiter immer noch aus- reichend Beschäftigung. Der Rückschlag wird hauptsächlich auf die letzten Senatsbeschlüsse im Weißen Hause in Washington zurück- geführt, wo der Einfuhrzoll für bessere Rasiermesser um 50 Prozent erhöht wurde. Die Einfuhr von besseren. Rasiermessern nach den Vereinigten Staaten wird dadurch fast unmöglich gemacht. Die größeren, kapitalkräftigen Firmen werden, wie es heißt, wenn die Zollsätze Gesetz werden, dazu übergehen, in Amerika Zweiggeschäfte zu errichten._ Letzte JNfacbnchten und Depefcben. Blutdürstige Parlamentarier. Wien , 27. Mai. (W. T. B.) Infolge eines Zwischenfalls in der heutigen Sitzung des Budgetausschusses sandte der tschechische Abgeordnete von Rolsberg dem Alldeutschen M a l i k seine Zeugen, die Abgeordneten U d r z a l und Staue k. Malik nominierte die Abgeordneten F r o und Roller. Wie es heißt, wurde ein Duell unter schweren Bedingungen vereinbart. Paris , 27. Mai. Im Laufe der heutigen Verhandlung der Deputiertenkammer warf Labori der Regierung vor, daß sie kapituliere. Zwischen ihm und dem Unterstaatssekretär de? Krieges. Cheron, fand ein heftiger Wortwechsel statt. Nach Schluß der Sitzung schickten sich Cheron und Labori gegenseitig ihre Zeugen. Bulgarien protestiert. Sofia , 27. Mai. (Meldung des Wiener k. k. Telegr. Corr.- Bureaus.) Wie in matzgebenden Kreisen verlautet, hat der Ministerrat beschlossen, an die Pforte eine Itote zu richten, in welcher gegen eine weitere Verzögerung der Angelegenheit der Entschädigung der Orientbahnen Einspruch erhoben und hinzu- gefügt wird, die bulgarische Regierung werde sich im Falle weiterer Verzögerung aller Verpflichtungen für enthoben und berechtigt halten, die Maßnahmen zu treffen» die sie angesichts der Haltung der Pforte für gut finde. � Bom Streik der Seeleute. Paris , 27. Mai. (W. T. B.) Der Marineminister und der Minister der öffentlichen Arbeiten und des Postwesens hatten heute eine Besprechung über die durch den Ausstand der eingeschriebenen Seeleute hervorgerufenen Schwierigkeiten. Minister Barthou wird die Frage prüfen, welche Land- beziehungsweise Seewege zur Be- förderung der nach China , Japan , Australien und Amerika be- stimmten Post benutzt werden sollen. Für Algerien würde eine längere Fortdauer des Ausstandes großen Schaden bedeuten, da betrö»«>ichr Mengen von Erstlingsgemüsen und Früchten, die der Beförderung nach Frankreich harren, dem Verderben preisgegeben wären. Uaul Singer Lc Co., Berlin 2 W. Hierzu 3 Beilagen u.NnterhaltungSbl,
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