|r.l22. 26. Iahrgaag. 3. KcilM Ks Lswiick" Kerlim AldsdlÄ. Freitilg, 28. Mai 1969. Partei- Etagdegetibeiten. Zur Lokalliste. Anläßlich der jetzt stattfindenden Spreewald- Partien weisen wir nochmals darauf hin, daß alle diesbezüglichen Anfragen an den Genossen H. Hinze, Lübbenau , Recklinstraße, zu richten sind. Derselbe ist zu jeder gewünschten Auslunft sowie zur Vermittelung von Fährleuten gern bereit. Wir ersuchen speziell die Vereine, Vorstehendes zu beachten. Für Freienwalde a. O. erteilt Auskunft der Genosse Otto Mechaelis, Freienwaldr a. O.» Uchtenhagener Straße 19. Die Lokalkommission. Berliner JVadmcbten. Die moderne Pythia . Auf metallenem Dreibein, über dem aus dem unter- irdischen Hexenkessel Aufsteigenden, von geschäftsschlauen Priestern genährten Feuer, wie im alten Griechenland, sitzt sie nicht mehr. Sie hat sich gemausert, die gerissene Zukunsts seherin, die nach dem Grundsatz jongliert, daß alles ausstirbt in der Welt, nur nicht die Dummheit. Ihr Reich ist in der Großstadt, in der„Stadt der Intelligenz", gewöhnlich eine obskure Hinterwohnung, absichtlich im dunkelsten, entlegensten Teile des Gebäudes gewählt, um die mit einem halben Sinn zu wenig bedachten Besucher und noch mehr die abergläubischen Besncherinnen gruselig zu machen. Die Sybille öffnet selbst. Ein altes Weib, das mit lauerndem Blick sich in Gestalt und Seele des willkommenen Gastes bohrt, blitzschnell seine Zahlungsfähigkeit taxierend. Durch die unsaubere Küche gehts in den muffigen Wohnraum. Erstaunt sieht man sich um und bemerkt nichts Uebernatürliches. Nur die grünschillernden Augen des schwarzen Katers auf dem Fensterbrett flößen Leichtgläubigen und Aengstlichen Respekt ein. Mit schlurrenden Tritten rückt die Alte zwei wackliche Stühle am wurmstichigen Tisch zurecht, schleppt Eidotter, Kaffeesatz, ein unglaublich schmutziges Karten� spiel herbei... Wohl, nun kann der Hokuspokus be� ginnen. Es ist immer das alte abgeleierte Spiel, dasselbe einträgliche Geschäft. Ehe noch die im Banne der Beschränktheit befangene Besucherin dazu kommt, ihr heikles Anliegen vorzutragen, hat die schlaue Frau ihr an der Nasenspitze abgesehen, wo der Schuh drückt. Und wenn die Sybille im Dustern tappt, bringen zwei, drei geschickte Fragen sie auf den richtigen Weg. Nummer Zwei von der Sorte ist ein anders koloriertes Bild im geheimnisvollen Buch mit den sieben Siegeln. Sie erweckt Vertrauen, zu ihrer eigenen ehrentverten Persönlichkeit und zu ihrer Umgebung. Ein nettes, behäbiges Frauchen, in den besten Jahren, so zwischen dreißig und vierzig. Wittib natürlich oder mindestens, was niemanden angeht, separiert. Nein, sie versteckt sich nicht. Und ihre Kunst erst recht nicht. Wohnt im Vorderhäuse, im zweiten oder gar ersten Stockwerk. Wie zu Hause fühlt man sich in der guten Stube mit dem großgeblümten Sofabezug, den Familienbildern an den Wänden, dem Blumentisch und dem Kanutten vogel am Fenster. Dafür fehlt der Kaffeesatz und die Eidotter. Frau Schulze weissagt nur aus den Linien der Hand, selten auch mal aus der Karte. Behauptet sogar steif und fest, daß sie glaubt an die Untrüglichkeit ihrer Kunst. Warum sollen denn nicht begnadete Erdenkinder existieren, die in die Zukunft blicken können? Beweist ihr doch mal erst das Gegenteil! Und pathetisch deklamiett sie, wenn man sich Zweifel erlaubt, das alte Hamlet- wort, daß es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, von der unsere Schulweisheit sich nichts träumen läßt. Jawohl, sie glaubt an Zeichen und Wunder. Sie schwört darauf. Und das gibt ihr Rückgrat gegen die Polizei, die heute die Nase in alles steckt und auch den modernen Hexen des zwanzigsten Jahrhunderts den Prozeß machen möchte. Im vornehmen Westen haust die Gettebenste der Zunft. Sie münzt Gold, wo die anderen, die Stümperinnen, sich mit Markstücken begnügen. Draußen, im eleganten Enttee, spielt sich nüchterne Prosa ab. lTi donc— Madame ist viel zu durchgeistigt, um sich persönlich mit Geldgeschäften abzugeben. Madame blickt nur in die Zukunft—. die nied- liche Kammerkatze ins Portemonnaie. Erst hinterm silber- bestickten, schwarzsamtnem Vorhang wirtt die Poesie des— faulen Zaubers. Matt nur dttngt das Tageslicht durch die dichten Fensterbehänge. Betäubende Düste durchwehen den Bannkreis der von der vornehmen Welt, die für ihr Geld immer neue Aufregung haben will, viel in Anspruch genommenen„Sehettn". Ein winziger runder Tisch mit nachtdunkler Decke, zwei niedrige Taburetts. ein weicher Teppich— das ist alles. Wie aus der Wand gewachsen, steht plötzlich Madame mitten im Gemach, ernst und streng, fast nonnenhaft einfach gekleidet. In leisen Tönen singt und klagt nebenan eine Spieluhr. Und mit seltsam vibtterender Stimme plaudett Madame zu der Besuchettn, die noch kein Wort gesagt hat. von ihrem Schicksal, zeigt sich völlig vettraut mit Nam' und Art. mit ihren intimsten Verhältnissen. Ist's wirklich ein Spuk, ein Zauber? Hat Hamlet , der Dänenpttrn des großen englischen Dichters, recht mit unserem Schulwissen? Tausende werden hier in der schwülen Luft des raffiniett ein- fachen Hexensalons von der noch raffinierteren Schönen hinterS Licht gefühtt. Taufende gehen fort mit der Ueberzeugung. daß es Menschen mit übernatürlichen Kräften gibt. Und auch der Zweifler, der Denker, der wirklich Wissende schwankt. wird stutzig— nur eine Sekunde. Dann siegt die Vernunft und man weiß wieder. daß alles natürlicher, echt menschlicher Spuk ist. Lug und Trug, ausgeklügelt von geschäftskundigen, geldgiettgen, über die Dummheit triumphierenden Menschenköpfen. Schade, daß nicht die moderne Pythia, ob sie nun in der Dachstube oder im Salon ihre gemeingefährliche Schwindelkunst treibt, jedem Kunden ein sinniges Andenken mit auf den Weg gibt: einen eisernen Ring, mit Eichenlaub und Schwertern an der Nase zu tragen!_ Warnung vor giftigen Pilzen. Da mit dem Eintritt der wär- meren Jahreszeit die Pilze wiederum in der allgemeinen Ernäh- rung eine Rolle zu spielen beginnen, wird darauf hingewiesen, daß auch anerkannt genießbare und bekömmliche Sorten geeignet sein können, die menschliche Gesundheit zu schädigen, sobald sie eine teilweise Zersetzung erlitten haben. Es ist daher beim Ein- tauf und beim Sammeln von Pilzen darauf zu achten, daß nur junge, durchaus gesunde Exemplare als Nahrungsmittel Verwen- dung finden dürfen, während die alten, ausgewachsenen, sehr wässerigen oder in Zersetzung befindlichen Pilze zu verwerfen sind. Ein sicheres Merkmal, giftige Pilze von unschädlichen zu unter- scheiden, gibt es außer der genauen Kenntnis der einzelnen Sorten Vicht . Die hierfür empfohlenen Wittel— Eintauchen eines silbernen Löffels, Mitkochen einer Zwiebel oder ähnliche— sind nur geeignet, Irrtümer Herbeizuführen und daher zu verwerfen. Es mutz deshalb davor gewarnt werden, unbekannte Sorten von Pilzen zu genießen. Besonders wird darauf hingewiesen, daß in der Umgebung Berlins ein dem Wiesen-Champignon ähnlicher Pilz, der„Knollenblätterschwam m", vor- kommt, der stark giftig ist, sich vom Champignon aber durch den am Grunde knollig verdickten Stiel, das Fehlen des würzigen Geruches und die Farbe der Lamellen unterscheidet. Während diese nämlich beim Champignon in der Jugend rosa, später bräunlich und dunkelbraun gefärbt sind, zeigen sie bei dem Knollenblätter- schwamm stets eine weiße Farbe. Da dieser Pilz nur wild wächst, besteht die Gefahr einer Verwechselung bei den künstlich gezüchteten Champignons nicht. Der vielfach verkaufte„St e i n p i l z" ist in hiesiger Gegend gefahrbringenden Verwechselungen nicht ausgesetzt, doch empfiehlt es sich, alle ähnlich aussehenden Pilze vom Genuß auszuschließen, sobald sie an der Bruchfläche in kurzer Zeit blau anlaufen. Ferner wird bemerkt, daß die Unschädlichkeit der gelegentlich auf den Markt gelangenden sogenannten„T r ü f f e l", eines nutz- bis kartoffel - großen knolligen und ungestielten, der echten Trüffel ähnlichen Pilzes, der aber außen gelblich-weitz gefärbt und häufig warzig- schuppig ist, noch nicht erwiesen ist, so daß sein Genuß besser unter bleibt. Im allgemeinen kann empfohlen werden, alle Pilze— auch die getrockneten— nach dem Reinigen mit kaltem Wasser zunächst einmal mit Wasser aufzukochen, dieses Wasser fortzugießen und die Pilze alsdann erst weiter zu verarbeiten. Vorzüglich gilt dies für die„M o r ch e l n". unter welchem Namen hier fast ausschlietz- lich die„Lorcheln" verkauft werden, die einen gesundheitlich nicht unbedenklichen, aber durch das Abkochen nach bisherigen Erfahrungen zu entfernenden Stoff enthalten. Im übrigen bemerkt der Polizeipräsident, der diese Warnung erläßt, daß im Verlage von Julius Springer, Hierselbst, Monbijou- Platz Nr. 3, ein Pilzmerkblatt erschienen ist. Dieses Merkblatt, welches im Kaiserlichen Gesundheitsamte bearbeitet und zum Preise von 19 Pf. leinschlietzlich Porto und Verpackung 15 Pf.) von dem genannten Verlage zu beziehen ist, enthält eine Beschreibung der wichtigsten etzbaren Pilze, sowie derjenigen giftigen, welche am leichtesten mit solchen verwechselt werden können. Es gibt außer- dem einen Ueberblick über die Bedeutung der Pilze als Nahrungs- mittel sowie über die Erkennung und die erste Hilfe bei Pilzver- giftungen. Die Berliner StadtvSter in London . Die offiziösen Nachrichten über den Verlauf der Besuchsfahrt der Berliner Stadtväter gipfeln im wesentlichen darin, daß vornehmlich zahlreiche Diners stattfinden, auf denen immer wieder„herzliche Reden" über das gute Ein- vernehmen zwischen Deutschland und England gehalten werden. Dabei ergänzen sich der Oberbürgermeister Kirschner, der seine Reden deutsch hält, und der stellvertretende Stadtverordnetenvorsieher Cassel, der englisch spricht. Am Dienstag gab die Korporatton der Tuchmacher, am Mittwoch die der Fischhändler ein Fest. Angesichts der vielen Festessen sprach der„Daily Expreß " bereits von einer Eß-Entente. Nebenher gingen auch verschiedene Besichtigungen, so die eines Flotten- und Heeresschauspiels, wobei die Stadtväter von bettttener Polizei eskortiert wurden. Damit sie keinen Schaden leiden. Am Mittwoch wurde das Unterhaus besucht. Hoffentlich kommen unsere Stadtväter nicht mit kranken Mägen zurück. Zum KirchenauSttttt. Die Synode Berlin Stadt II ersucht das Konsistorium, bei den betreffenden Staatsbehörden dahin zu wirken, daß Personen, die ihren Austtttt aus der Landeskirche zwar an- melden aber nicht vollziehen, von den Gettchtskosten befreit werden. Jetzt müssen Gettchtskosten selbst dann bezahlt werden, wenn der seinen Austritt Anmeldende aus irgend einem Grunde nicht persönlich auf dem Gettcht erscheint, um seine Willenserklärung zu Protokoll zu geben. Dieser Antrag ist im Interesse der Kirche gestellt, um Leute, die ihren AuSttttt angemeldet haben, noch in letzter Stunde zu ver- anlassen, bei der Kirche zu halten und ihnen in einem solchen Falle nicht noch Kosten zu machen. Berfrommung mit Hilfe der Polizei verlangt ein von dem Po sttiven Pastor Günther auf der Kreissynode Berlin II gestellter und angenommener Antrag,„an das Polizeipräsidium die Bitte zu richte», politische Versammlungen an den Sonntagvormittagen im Interesse der Heilighaltung und Ruhe des Sonntags zu verbieten". Wie genügsam unsere Mucker doch eigentlich sind. Nur für den Sonntagvormittag verlangen sie Versammlungsverbote, nicht einmal für den ganzen Tag. Oder soll mit diesem Anttage erst nur der Anfang gemacht werden, um später für den ganzen Sonntag die politischen Versammlungen polizeilich verbieten zu lassen? Die Polizei soll eben alles machen, wobei es ganz gleich ist, ob Reichs gesetze verletzt werden oder nicht. Das ficht unsere Ordnungsleute nicht weiter an. Die Polizei im Dienst der Religio«. Im„Vorwärts* wurde kürzlich(in Nr. 109) mitgeteilt, daß in Nette, einem Dorf des Kreises Dortmund , die Polizei sich zur Dienerin der Kirche gemacht habe. Von der dortigen Polizeiverwaltung wurde ein Bergmann aufgefordert, für seine Tochter schleunigst das im Kommunionsunter- rieht zu benutzende Gebetbuch auf seine Kosten zu beschaffen. Gleich- )eittg wurde ihm angedroht, daß nötigenfalls die Polizeiverwaltung elber im Zwangsverfahren das Buch beschaffen und die Kosten von ihm eintreiben werde. Dieser Fall hat ein Gegenstück in— Reinickendorf bei Berlin . Auch hier hatte ein Vater keine Lust gehabt, noch Geld auszugeben für ein Religionsbuch, mit dessen Inhalt seine Tochter sich das Gedächtnis vollpfropfen mutzte. Er war erst im Januar von Berlin nach Reinickendorf übergesiedelt und hatte damals für seine beiden Kinder neue Bücher gekauft. Zu Ostern wurden beide Kinder versetzt, mithin mußten sie schon wieder andere Bücher haben. Seufzend griff der Vater nochmals in die Tasche und gab das Geld her; aber als er auch wieder für ein Religionsbuch zahlen sollte, wurde ihm die Sache zu arg. Was tat gegenüber diesem passiven Widerstande die Schule? Sie gab die Angelegenheit weiter; gegen den renitenten Vater wurde die Polizei in Bewegung gesetzt, und so kam ihm eines Abends ein Polizeisergeant in die Wohnung und kündigte ihm an, das Neligionsbuch werde im Zwangsverfahren beschafft werden, wenn nicht er selber es gutwillig beschaffe. Der Vater fragte erstaunt, was denn das die Polizei angehe. Schließlich er- klärte er kurz und bündig, die wohllobliche Polizei solle tun. was sie wolle, er selber werde das fehlende Buch nicht beschaffen, ein Religionsbuch sei schon das allerletzte, wofür er noch Geld aus- geben möchte. Der Beamte ging— und der Vater wartet nun auf das Zwangsverfahren, das ihm angedroht worden ist. Die Pastoren und ihre Frommen werden mit Genugtuung vernehmen, wie hier die Polizei im Dienste der Religion zum Kampf gegen den Un- glauben verwendet wird. Ob die Ungläubigen sich dadurch„bessern" lassen werden»? Parade-Absprrrungen- Der Polizeipräsident erläßt folgende Bekanntmachung: Aus Anlaß der am 29. Mai d. I. vormittags 8 Uhr auf dem Tempelhofer Felde stattfindenden Parade wird die Tempelhofer Chaussee von etwa 7 Uhr an bis zur Beendigung der Parade für jeden Verkehr gesperrt. Die Belle-Alliancestraße und die Lichterfelderstratze dürfen von Lastwagen während der Zeit vom Ausrücken der Truppen bis nach deren Einmarsch in die Stadt nicht befahren werden. Nur den mit Passierscheinen versehenen Personenwagen ist das Be- fahren der Belle-Alliancestraße bis zum Steuerhause gestattet. Alle übrigen Personenwagen haben bei der Kreuzbergstraße in die Lichterfelderstratze einzubiegen und durch diese auf das Tempel- hofer Wd wxjtlich der Chaussee zu fahre.«, Der Betrieb der Straßenbahnlinien wird auf der Tempelhofer Chaussee und den aus Berlin nach dem Tempelhofer Felde führenden Straßen mit dem Beginn des Ausmarsches der Truppen (etwa von 6 Uhr ab) bis zur Aufhebung der Sperre abgelenkt, eingeschränkt oder ganz eingestellt. Der Betrieb der Omnibus- linien wird erst mit dem Beginn des Einmarsches der Truppen eingeschränkt oder abgelenkt. Der Frachtbriefschwindler auf dem Güterbahnhof. Ein Fracht- briefschwindler treibt seit einiger Zeit auf dem Lehrter und Ham- burger Güterbahnhof sein Unwesen. Der Betrüger muß ein Mann sein, der im Speditionswesen Bescheid weiß und wahrscheinlich in dieser Branche gearbeitet hat. Er stiehlt Kulschern, die be- schäftigt sind, die Benachrichtigungsscheine, läßt sich auf diese die Frachtbriefe herausgeben und schafft dann die Sendungen weg. Er hat ans diese Weise schon mehrere Kolli erbeutet, ohne daß es gelang, seiner habhaft zu werden. Der Schwindel kommt immer erst an den Tag, wenn die Empfänger die Absender an die ver« sprochene Sendung erinnern. Den Geschäftsleuten ist aus diesem Treiben schon ein Schaden von mehreren Tausend Mark erwachsen. Der Betrüger ist ein mittelgroßer, etwa 35 bis 49 Jahre alter Mann mit blondem Haar und ungepflegtem blonden Schnurrbart mit einem verkrüppelten Daumen. Verhaftung einer Einbrccherbande. Der Kriminalpolizei gelang es gestern, eine berüchtigte Einbrecherbande unschädlich zu machen. Der Anführer war der„Uhrmacher" Hugo Schäfer; sein Bruder, der HandlungSlehrling Ernst Schäfer und seine Mutter, die Witwe Lina Schäfer, ferner der„Schriftsetzer" Paul Gogszat und der Händler Ferd. Brunn standen ihm treu zur Seite. Vor einiger Zeit mietete der 17jährige Ernst Schäfer bei dem Wirt des Hauses Friedrich- straße 163 angeblich im Auftrage eines Baumeisters aus einem Vorort, eine Wohnung über dem Laden des Juweliers Groß. AlS sich die Verhandlungen hinzogen, erkundigte sich der Wirt bei dem Baumeister und erfuhr, daß er mit der Sache nichts zu tun hatte. Man kam deshalb auf den Verdacht, daß ein Einbruch durch die Decke geplant sei. Im Einvernehmen mit der Kriminalpolizei stellte der Wirt den Mietsvertrag aus und gab dem Vermittler die Schlüssel. Die Mieter zogen eines Abends vier Mann hoch ein. Kriminalbeamte hielten das Haus besetzt. Die Diebe gttffen in der Nacht mit kleinen Bohrern, deren Geräusch nicht zu hören war, die Decke an und setzten am nächsten Abend ihr Werk fort. Sie wurden aber durch die Heim- kehr einer Mieterin aus dem ersten Stock, die ihren Schlüssel ver- gessen hatte und stark pochte, gestört und ergriffen die Flucht. Ihre Einbruchswerkzeuge mußten sie zurücklassen. Kurz darauf wurde die Familie Schäfer in ihrer Wohnung in der Kochhannstraße fest- genommen._ Noch einmal die durchbrochene Bluse. Wir nahmen kürzlich von einem Zitat Notiz, daS auch durch andere Blätter ging, und ulkten darüber, wonach das Aufkommen der durchbrochenen Bluse, wie statistisch bewiesen sei, ein rapides Emporschnellen der Geburtsziffer in Deutschland bewirkt habe. Wir meinten im Anschluß hieran, daß die Flotten- und Militärfexen so- wie die Junker ob dieser großartigen Wirkung jubeln würden, da die Wunderbluse ihnen geeignetes Menschenmaterial in Hülle und Fülle bringen könnte, und wir empfahlen auch die Anschaffung dieses VolkSvermehrungömittels in unbeschränkter Anzahl. Weil daS Zitat nun nicht aus dem„L.-A." stammt, wie wir geschrieben, sondern aus der„Berliner Morgenpost ", hat.Gottlieb' im„Tag" Ver- anlassung genommen, ferne poetische Ader fließen zu lassen. Ob daS Zitat nun von dem einen oder anderen der genannten Blätter kommt, ist an sich gleichgültig, der Inhalt spricht für sich selbst. Und wenn Alfred Kerr („Gottlieb") sein Poem damit schließt: „Tragt getrost durchbrochene Blusen, wachse, blühe, Vaterland!" so freuen wir uns über seine vaterländischen Gefühle. Dem Dichter verzeiht man vieles. Der Volköwirtschaftler und Soziologe aber wird den Kopf schütteln ob dieser seltsamen Geistesprodukte. Ueber Neuerungen in der Architektonik an Berliner Bauten machte am Mittwoch abend in der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg der bekannte Keramiker Dr. Fiebelkorn interessante Mitteilungen gelegentlich eines Lichtbildervortrages über die Entwicklung der Fassadenbaukunst. Seit dem Jahre 1899, so führte der Referent aus, hat der Ziegelstein seine Rolle als alleiniges Baufabrikat ausgespielt. Der Zementstein und der Kalistein drängen ihn zurück, sie bieten den Baukünstlern neue Anregungen, bis schließlich der Verblendziegel zeigte, welche eigenartige Reize und Farbenspiele durch ihn erzielt werden können. Im Bilde führt der Redner mehrere Berliner Bauten vor, so u. a. das Kühlhaus in der Luckenwalderstratze, das Rektoren- Wohnhaus in der Samariterstraße, das Verwaltungsgebäude des städtischen Irrenhauses zu Buch und verschiedene Schulen, welche abwechselnd neuartige Typen, Putz mit Ziegelbau zeigen. Die neuere Baucpoche dagegen hascht nach Farben und diese bietet die Verblendstein- und Terrakottafabrikation. Im Bilde passierten in ihrer buntfarbigen Pracht die Häuser Augsburgerstraße 199, Ritterstraße 11, die Gemeindeschule am Stephansplatz sowie das Geschäftshaus Raddatz u. Co. in der Leipzigerstraße. Interessante Farbenspiele zeigen auch die Höfe Alexanderstraße 41 sowie der Neumannschen Festsäle in der Rosenthalerstraße und zahlreiche Schaufensterumrahmungen, so Wilsnackerstraße 8 und Unter den Linden 53. Jeder Freund von Licht und Leben kommt bei einem Gange durch die inneren Stadtteile Berlins auf seine Kosten, denn allenthalben herrscht das Streben, das Straßenbild durch Farbeneffekte an den Fassaden zu beleben und zu heben. Für die Berliner ist alles gut genug. Zu den im Gerichts- bericht gebrachten Enthüllungen wird aus Heiligensee geschrieben: Die Einwohner von Heiligensee sind aufs äußerste erregt über die jetzt öffentlich bekannt gewordenen Enthüllungen des Ernst Zieckowschen Restaurants, weil sie von dem Bekanntwerden in Berlin eine Schädigung des Ortes befürchten, der auf den Aus- flüglerverkehr angewiesen ist wie keiner. Heiligensee hat erst durch den Ausflugsverkehr eine Bedeutung erlangt und hängt ausschließlich, man kann sagen, von den Berlinern ab. Berichtet wird ferner, daß die Aufsichtsbehörde auf die unglaublichen Zu- stände in dem Lokal schon des Oefteren aufmerksam gemacht worden ist. Unbegreiflicherwoise ist eine Aenderung aber niemals eingetreten. Die Schuld daran wird dem Verwaltungsapparat in Tegel zugeschoben, der oft vollständig versagt. So war es auch bei einer Beschwerde über sanitäre Mißstände in dem Hause des Vaters des verurteilten Gastwirts. Entgegen der Bauordnung besitzen die Abgußanlagen kein bis übers Dach hinausragendes Dunstrohr, so daß die Wohlgerüche des ausgegossenen Schmutz- Wassers in die Wohnräume zurückfluten. Wiederholte Beschwerden auch beim Landratsamte— hatten keinen Erfolg, denn der Bericht der Gemeindeverwaltung lautete stets zuungunsten des Beschwerdeführers. Auch der Uebelstand, daß die Schmutzwässer direkt neben dem das Trinkwasser liefernden Hofbrunnen in den Erdboden versickern, fand bisher keine Abhilfe. Uebrigens ist die Frau des verurteilten Zieckow die Schwester des Gemeindevorstehers Bartel. Charakteristisch für den Z.'schen Betrieb ist es, daß Arbeiter. Handwerker usw. dort nicht geduldet werden. Nur für„erstklassiges Publikum" ist das Lokal berechnet, das sich möglichst nur an den Genüssen der dortigen Küche delektiert. Hoffentlich führt die etzige Aufdeckung des schweren Vergehens gegen das Nahrungs- mittelgesetz auch dazu, daß die Wasserversorgung untersucht wird, denn der Hofbrunnen liefert ein Wasser, das geradezu gqundheitS- 'chädlich ist." Wir möchten hierzu bemerken, daß aufgeklärte und organisierte Arbeiter das oben genannte Lokal mieden, weil der Wirt seine Räume für Arbeiterversammlungen nicht hergab. Betonen möchten vir aber npchyialS,. daß daA Lokal von Wilhelm Ziekow.„Heiligen-
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