sondern betrieben eine erzrealtionarS.VersöhnüngSpolitik" mit der zarischen Knute; aber auch dies half ihnen nichts. Die echt russischen Leute wollen eS nicht leiden, dah die Vertretung eines Landes, das sie als rein russisch betrachten, obwohl dort das russische Element nur durch die Bureaukratie vertreten ist, aus polnisch sprechenden Junkern besteht. Sie fordern, daß die russische„Bevölkerung" eine eigene Vertretung bekomme. Nach einer zustimmenden Rede Stolypins wurde der Antrag einer Kom- Mission zugewiesen: seine Annahme ist sicher. Für die Interessen des polnischen Volkes ist zwar die Geschichte ziemlich belanglos, aber für die Richtung der Politik Stolypins doch sehr charakteristisch. Der zweite Feldzug gegen die Polen soll in kurzer Zeit in der Duma geführt werden. Aus einigen polnischen Gouverne- ments soll ein Gouvernement(Holm) ausgeschnitten werden. In diesem Gouvernement würden 350 000 Polen aller Rechte beraubt werden, die sie in den polnischen Gouvernements selbst unter dem Regime Stolypins genießen; sie werden gänzlich der Rufst- fikation in nationaler und religiöser Hinsicht preisgegeben sein. Aber nicht durch solche Mittel sucht Stolypin die„Rechte" zu versöhnem Um dies Ziel zu erreichen, gibt er dem Abschaum der russischen Bureaukratie das unbegrenzte Recht zu stehlen. Wie in allen anderen größeren Diebesnestern sollte auch in Warschau eine Revision stattfinden. Aber der Selbstherrscher Russisch-Polens , Skalon, protestierte dagegen. Eine Auf- deckung selbst des kleinsten Teiles der Korruption würde die russische Verwaltung vor den Augen der polnischen Bevölkerung bloßstellen. Stolypin wich vor diesem Argument sofort zurück. Während die Regierung einen neuen Kreuzzug gegen die Polen vorbereitet, berät in Petersburg der Vertreter der in Polen herrschenden Partei, Herr D n o w S k i, mit den Panslawisten, den Schleppenträgern Stolypins, ein widerliches Treiben,. Nur Hunde küssen die Hand, die sie schlägt. Eine Polendcbatte in der Duma. Petersburg » 1. Juni. Der Beschluß der Dumakommission. die Verschiebung der Wahl der Re i ch S r ats mi t g li e d er der neun Westgouvernements abzulehnen, bedeutet gleichzeitig die Ab- lchimng der entsprechenden Wahlrechtsänderung für den ReichSrat, da die Verschiebung des Termins der Neuwahlen von der Regierung gefordert worden ivar, um Zeit zur Ausarbeitung deS neuen an t'i polnische„Wahlgesetzes zu gewinnen. Die heutige Plenarsitzung der Reichsduma brachte heftige Zusammen st öße der Russen und Polen bei der Be- ralung deS Gesetzentwurfes über die Lostrennung des Cholmgebietesvom Zartum Polen. Nach einem scharfen Protest deS Sozialisten Gegetschkoti gegen den Entwurf erhob sich der Pole J aryscinski namens des Polenklubs und führte aus, das Gesetz verletze die Grundlagen des OktobennanifesteS und sei nicht nur die Fortsetzung, sondern eine Verschärfung der alten Vergewaltigungspolitik gegen die Polen und Katholiken. Die Vertreter der Kadettenpartei und der Volksfreiheitler erklärten sich lediglich wegen der Bestimmungen der Geschäftsordnung für Ueberweisung der Vorlage an eine Kommission. In diesem Sinne wurde mit großer Majorität beschlossen. Die Dobrowiu- Interpellation. Das erdrückende Bcweismaterial, das die Opposition wegen der .meuchelmörderischen Tätigkeit der echtrussischen Bundesgenossen des Zaren der Kommission unterbreiteten, zwang diese, die Interpellation fast einstimmig anzunehmen. In der Interpellation wird Aufklärung verlangt über folgende verbrecherische Taten, an welchen Personen teilnahmen, die zu gleicher Zeit Mitglieder des russischen Volksverbandes und Agenten der Regierung waren: 1. Die Organisation vom Kampfgenossenschaften. welche mit Wissen und Unterstützung der Lokalbehörden mit Waffen versehen wurden. 2. Die Vorbereitung von politischen Morden durch Mitglieder des russischen Volksverbandes, die in einigen Fällen zu gleicher Zeil Agenten der politischen Schutzabteilung waren. 3. Die Organisation der E r m o r d u n g deS Mitgliedes der ersten Reichsduma H e r z e n st e i n. 4. Die Organisation der Ermordung deS Mitgliedes der ersten ReichSduma I o l l o S. 5. Die Organisation des Mordversuches gegen den früheren Vorsitzenden des Ministerrats Grafen Witte. 6. Die Verbergung einer Reihe von Personen, welche an diesen verbrecherischen Taten teilgenommen hatten. Abgesehen von diesen tatsächlichen Feststellungen betont die Kom- Mission die Notwendigkeit,.volles Licht auf eine Reihe von Erschei- nungen verbrecherischen Charakters zu werfen, welche die öffentliche Meinung im höchsten Grade beunruhigen und bis jetzt ohne autori- tative Einmischung und energische Bekämpfung der Staatsgewalt ge- blieben sind, wenn man nicht die schwachen Versuche der finnländischen Rechtsprechung in Betracht zieht". Man kann sich keine ärgere Brandmarkung der Politik des Zaren und der Regierung denken als diese Anklageschrift seitens der treu- ergebenen dritten Reichsduma. OrKei. Die arabische NuabhängigkeitSbewegnng. Konstantiiwpcl, 2. Juni. Die geflüchteten Anhänger des alten Regimes, die eine lebhafte Tätigkeit in Aegypten ent- falten, sollen beabsichtigen, eine Bewegung zugunsten einer U n- abhängigkeitSerklärung Arabiens zu organisieren. TurquiS zufolge bereisen in ihrem Auftrage zahlreiche mit be- deutenden Geldmitteln versehene Agenten Syrien , Arabien und Jemen . Die Regierung trifft Gegemnaßnahmen. Hinrichtungen in Adaua. Konstantinopel , 1. Juni. Nach Verurteilung durch da» Kriegs- gericht in Ldana sind neun Türken und sechs Armenier gehenkt, sechs Türken find zu lebenslänglichem Kerker verurteilt worden. Hus der Partei. Der diesjährige Parteitag wird vom 12. bis 18. September in Leipzig tagen. Partei- vorstand und Kontrollkommission haben die borläufige Tage?» o r d n u n g wie folgt festgesetzt: 1. Geschäftsbericht des ParteiborstandeS. Berichterstatter: H. Molkenbuhr. A. Gerisch. 2. Bericht der Kontrolleure. Berichterstatter: A. Kaden. 3. Parlamentarischer Bericht. Berichterstatter: G. Ledebour. 4. Bericht der Kommission wegen Senderung des Orgaui« sationS-StatutS. Berichterstatter: Fr. E b e r t. S. Maifeier. Berichterstatter: 9J. Fischer. 6. Reichsverflchcrungsordnung: a) Allgemeine und Krankenversicherung. Berichterstatter: G. Bauer. b) Unfallversicherung. Berichterstatter: Robert Schmidt. o) Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung. Bericht- erstatterin: Luise Zietz . 7. Internationaler Kongreß in Kopenhagen . Berichterstatter: Paul Singer. 8. Sonstige Anträge. S. Wahl des Parteivorstandes, der Kontrollkommission und deö OrtcS, an dem der nächste Parteitag stattfinden soll. Ein Tendenzprozch gegen„Appeal to Reason". Vor kurzem wurde ein Prozeß gegen den Herausgeber des „Appeal to Reason", des in Kansas (Nordamerika ) erscheinenden sozialistischen Wochenblattes, zu Ende geführt. Dieser Prozeß, der über zwei Jahre gedauert hat, erinnert sehr an die bekannte Affäre Moyer, Hahwood, Pettibone. Der Herausgeber Genosse Warren war vor zwei Jahren unter Anklage gestellt worden, weil er im„Appeal " eine Belohnung von 1000 Dollar für die Entführung des Exgouverncurs Taylor aus Indiana aus- gesetzt hatte. Taylor, der an der Ermordung des Gouverneurs G o e b e l von Kentucky beteiligt war, hatte sich nach Indiana ge- flüchtet und befand sich dort auf freiem Fuße unter dem Schutze der Behörden, die sich verschiedentlich geweigert hatten, ihn an den Staat Kentucky auszuliefern. Warren bewies in seinem Blatte, daß man seinerzeit gegen Moyer, Haywood und Petti- bone im Staate Kolorado ganz anders vorgegangen sei und zeigte, daß diese Arbeiterführer ohne einen Schatten von Recht aus Kolorado entführt wurden. Gegen sie lag damals noch keine An- klage vor und sie unterstanden der Gerichtsbarkeit von Kolorado . Man entführte sie aber gewaltsam nach Idaho , wo man Ge- schworene zu finden hoffte, die dem Wunsche der Grubenbarone nachkommen und die verhaßten Arbeiterführer verurteilen würden. War ihre Entführung gesetzlich, so könne auch Taylor aus Indiana entführt werden. Die Anklage behauptet, daß Warren sich mit der Aussetzung der Belohnung einer öffentlichen Beleidigung und der Versendung von verleumderischen Artikeln durch die Post schuldig gemacht habe. Eugen Debs weift im„Appeal to Reason" durch zahlreiche Beweisstücke nach, daß die ganze Aktion einen Tendenz- Prozeß schlimmster Art darstellt. Es galt, das von den herrschen- den Klassen gehaßte sozialistische Blatt„Appeal to Reason", das bekanntlich eine ungeheure Verbreitung hat, möglichst zu ruinieren. Das wird aber natürlich nicht gelingen. Der Prozeß hat zwar, was nicht anders zu erwarten war, mit einem Schuldspruch der Geschworenen geendet. Das Urteil ist indes noch nicht verkündet, da Warren auf einen neuen Prozeß angetragen hat. In ihm werden die Verteidiger Warrens beweisen, daß die Geschworenen schon vor der Verhandlung mit ihrem Urteil fertig waren, daß man überhaupt nur politische Gegner des Angeklagten zu Geschworenen ausgelost hatte. Jugendbewegung. Die JugendanSschüsse, die bisher ihre Adresse noch nicht bei der Z e n t r a l st e k l e f ü r die arbeitende Jugend Deutschlands , Berlin SW. 08, Lindenstraße 09, gemeldet haben, werden dringend ersucht, das umgehend nachzuholen, weil in der nächsten Zeit den Jugend« auSschüffen wichtige Materialien zugestellt werden. Soziales. Ein Prinzipalsverband. Einl verband der Kaufleute-Beisitzer der KaufmannSgerichte wurde von Unternehmern in Berlin gegründet. In der Gründungs- Versammlung nahin man entschieden Stellung gegen diejenigen Kaufmannsgerichte, die den ß 03 des Handelsgesetzbuches als zwingendes Recht anerkennen und entscheiden, daß der Gehilfe im Falle seiner Erkrankung selbst dann Anspruch auf Gehalt hat, wenn er durch Vertrag auf dieses Recht ausdrücklich verzichtet hat.— Die Regierung wollte, um diese verschiedene RechtsauSlegung zu beseitigen, den Anspruch deS Gehilfen auf Gehalt in Krankheitsfällen aus- drücklich festlegen, wollte dafür aber dem Prinzipal das Recht zu- gestehen, daS Salär um die Höhe des Krankengeldes zu kürzen. Die ReichstagSkommission lehnte diese Verschlechterung des heutigen ZustandeS ab und gab dem§ 03 eine Form, die der von einigen Kaufmann»- und andere Gerichten zuungunsten der Handlungs- gehilfen beliebten falschen Auffassung einen Riegel vorschieben soll. Der PrinzipalSverband will die Situation ausnutzen; er hat beschlossen,„seitens des Verbandes soll darauf hin- gewirkt werden, daß jede Anstellung von Gehilfen schriftlich zu erfolgen habe. Der Vorstand übernimmt eS, ein einheit- licheS Formular auszuarbeiten." Die Herren wünschen ferner, daß bei Abstimmungen in den Ausschüssen die Stimme des Vor- sitzenden ausscheiden soll. Der neu gegründete Verband dokumentierte seine Scharfmachcrneigungcn auch durch seine Stellungnahme gegen eine Vertretung der Gehilfenschaft in Arbeiterlammern oder in Kaufmannskammern. Sie halten daS nicht nur für überflüssig. sondern auch für„sehr bedenklich", weil.der beabsichtigte Zweck. Frieden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herbeizuführen, nicht erreicht werden könne, namentlich wenn Angestellte der Organisation der HandluiigSgehilfen Sitz und Stimme m ihnen erhalten würden". «Mehr Offiziere im Gemeinbedienst"! Unser MilitänsmuS weiß nicht mehr wohin mit der großen Zahl verabschiedeter Offiziere...... Täglich werden neue Vorschläge in den bürgerlichen Zeitungen gemacht, diesem„Mißstand" abzuhelfen und„verdienten" Herren, die aus allerlei Gründen von dem Kasernendienst„befteit" werden mutzten, auch ein„standesgemäßes" Unterkommen zu sichern. Seither sind manche Offiziere Direktoren von Privatbetrieben geworden. Doch haben manche Aktiengesellschaften auch ein Haar darin gefunden und ist man vorsichtiger damit geworden. Mit schnauzigem Ton allein läßt sich heute keine moderne Fabrik mehr leiten. Neuerdings ging man sogar dazu über, die neue Reichs. Versicherungsordnung als Hilfe für diese Zwecke anzusehen. Statt der 1000 neuen Assessoren sollten 1000 ehemalige Offiziere den Titel eines„Versicherungsamtmannes" erhalten. Ob die Herr- schaffen auch eine Ahnung von der Versicherungsgesetzgebung haben. ist eine Nebenfrage. Werden doch auch Landräte befördert, die wenig oder gar nichts von ihrem Amt verstehen. DaS genügt aber noch nicht. Der Minister des Innern selbst muß da einschreiten und den Offizieren helfen. Ein Runderlaß an die Regierungs- Präsidenten erklärt: „8 8 Ziffer 2 der Grundsätze für die Besetzung der mittleren Kanzlei- und Untcrbcamtenstcllcn bei den Kommunalbehörden usw. mit Militäranwärtern und Inhabern des Anstellungsscheines vom 20. Juni 1007 ist die Berücksichtigung der Bewerbungen verab- schicdeter Offiziere um die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen nur eine fakultative. Indessen haben sich vor allem größere Kommunen vielfach bereit gezeigt. Offizieren verschiedene, und zwar auch den Militäranwärtern nicht vorbehaltene Stellen, z. B. die Stellen der Standesbeamten, zu übertragen. Es würde nun zur Förderung des Unterkommens verabschiedeter Offiziere im Zivildienst erwünscht sein, wenn sich die 5iommunen, und zwar in erster Linie die größeren Stadtgemeinden, zur Bezeichnung einzelner Stellen verständen, die sie für geeignet zur Besetzung mit verabschiedeten Offizieren halten, und die mit solchen zu besetzen im allgemeinen bereit wären. Es würde sich hierbei in keinem Falle um eine Bindung der betreffenden Gemeinden handeln, vielmehr soll auf diese Weise nur der Erfolg angestrebt wrden, daß Offiziere mehr als bisher zu Bewerbungen um der» artige Stellen ermutigt werden. Ueber die Berücksichtigung der Wewerbungen würden die Gemeindebehörden die freie Ent- schließung behalten. Ew. ersuche ich. an die größten Stadtgemein- den Ihres Bezirks mit einer entsprechenden Anregung heranzu- ' treten und mir über das Ergebnis der Anregung gegebenenfalls unter Beifügung der von den betreffenden Städten geliefcrtn Stellenverzcichnisse, demnächst Bericht zu erstatten." „Gibt der Herr ein Amt, so gibt er auch den Verstand". Anders ist die Sache nicht zu erklären. Welch eine Lust zu beiraten, mit dem Standesamt zu ver- kehren, wenn künftig ein schneidiger Offizier dort den Dienst ver- sieht. Man sieht, daß ein Minister die Tätigkeit eines Standes- boamten einer Großstadt sehr niedrig einschätzt. Gnädigst wird auch den Kommunen gestattet, unter den Bewerbern selbst zu wählen. Schade, daß auch nicht kommandiert werden kann. Viele Gemeindeverwaltungen werden sich natürlich jetzt bemühen, den Wünschen der Regierung nachzukommen und die Herren Offiziere werden in den Gemcindcdienst einziehen. Die Gemeinden gehen also einer„herrlichen Zukunft entgegen". Die Errichtung einer RcchtSanskunftsstelle beschäftigt den Nürnberger Magistrat schon längere Zeit, nachdem die Staatsrcgierung die Gemeinden seit Jahren fortgesetzt zur Schaffung solcher Einrichtungen animiert. Jetzt ist endlich der Satzungsenlwurs für dieses Institut endgültig zustande gekommen. Die RechtSauS- kunftsstelle soll von einem rechtskundigen Beamten geleitet werden und Anskunft erteilen: an jedermann in allen Fragen des öffent- lichen Rechts(Versicherungsgesetze, Handworlergesetzgebung, Militär-, Polizei-, Stenersachen usw.), dagegen nur an Minderbemittelte in Fragen de? bürgerlichen Rechts einschließlich deS Strafrechts und des Strafprozesses._ Hus Industrie und Kandel . Knffeezoll. Daß der Kaffeezoll die unteren Schichten der Bevölkerung ver« hältnismäßig weit stärker als bester Situierte belastet, hat Wilhelm Gerloff 1903 in den„Jahrbüchern für Nationalökonomie und Sta- tistik" auf Grund der Untersuchungen von 180 HaushaltungSbudgds festgestellt. Danach hatten die höchsten Einkommen denselben Kaffee- verbrauch wie die niederen, und nur die Schicht mit weniger als 800 M. Einkommen konsumierte ein geringeres Quantum. Gerloff berechnet weiter, daß, da ja auch der von den oberen Klassen der Bevölkerung konsumierte teure Kaffee demselben Zollsatz unterliegt wie die minderwertigen Sorten, von je 100 Mark Einkommen die Neichen 14 Pfennig an Kaffee- zoll entrichten, die Wohlhabenden 18 Pf., der Mittelstand 40 Pf. und die Arbeiter 70 Pf. Diese soziale Ungerechtigkeit würde durch eine Zollerhöhung, der eine Verteuerung der Surrogate folgte, natürlich noch verschärft werden. Jetzt wird die Einfuhr im Hinblick auf die drohende Gefahr forciert, aber die Konser- vasiven fordern, daß nach dem Inkrafttreten des Gesetzes auch der Kaffee, der sich im freien Verkehr in Deutschland befindet, einer Nachverzollung von 20 M. linterzog eg werden soll. Nur Kaffee im Besitze von Haushaltungsvorständen, die weder Kaffee verarbeiten, noch mit Kaffee Handel treibeiO Üptirliegt dem Nachzoll nicht, wenn die gesamte Menge nicht meU tzlS 10 Kilogramm be- trägt. Den Konservativen ist eS bei der Frage des KaffeezolleZ nicht nur um die„nationale Tat", sondern zum guten Teile auch um ihren Profit zu tun. Ihnen ist viel lieber, wenn statt Kaffee Branntwein getrunken wird, und wenn im übrigen der deutsche Zichorienbau eine höhere Rente abwirft. Opfer bringen auf Kosten der Konsumenten und dabei selbst ein Geschäft machen, daS ist die Tendenz konservativ-ultramontaner Finanzreform. Zum Fall Eyck und Strasser. Von einem Beteiligten wird uns geschrieben: Die Delegation der Arbeiter in der Generalversammlung der Aktionäre hatte aller- dings den Auftrag, die Aklionäre zu bitten, einen Zusammenbruch des Unternehmens zu verhindern, aber sie sollten auch die Ansicht der Arbeiter über die Ursachen der Kalamitäten vortragen. Und das geschah auch durch Protest gegen die Auslassung des Direktors Wölpe, immer höhere Lohnforderungen der Arbeiter hätten ihn zur Anschaffung don Maschinen gezwungen— die sich nicht be« währten.— Mit solcher„Rechtfertigung" bekundet der Direktor noch mehr Genialität, als mit der Anschaffung unbrauchbarer Maschinen. Bon den Arbeitern wurde darauf hin- ewiesen, daß selbst dann, Ivenn sie sonst gearbeitet hätten, bei der cstehenden— Wirtschaft die Kalamitäten unvermeidlich gewesen wären. Hätte man die praktisch erfahrenen Arbeiter bei den ver- schiedenen Experimenten zugezogen, wäre der Gesellschaft manche unnütze Ausgabe erspart geblieben.— Wie weiter berichtet wird, haben sich die SanierungS-Schwierigkeiten noch nicht beheben lassen, indem von der Handelskammer noch besondere Garantien gefordert werden, die über die in der Generalversammlung zugesicherten hinausgehen._ Von der Handschuhindustrie. Zu den Industriezweigen, die der Konsuulturrückgang besonders empfindlich traf, gehört auch die Hand- fchuherzeugung. Verschärft wurde die Situation überdies durch einen Unischwung in der Mode, indem sich eine Abkehr von den halb- und dreiviertellangen Aermeln einstellte. Eine Erholung zeigt sich zu- nächst nur bei der Herstellung von Lederhandschuhen; in Stoffhand- schuhen ist daS Geschäft nach wie vor unbefriedigend. Im Chemnitzer Bezirk arbeiten zahlreiche Betriebe mit erheblichen Einschränkungen, da die Borräte den laufenden Bedarf bei weitem übersteigen. Die niedrigen Preise halten die Fabrikanten von Verkäufen zurück; sie warten auf Preiserhöhungen. Besonders schlecht ist der Absatz seidener Handschuhe, im In- wie im Auslande. In de» ersten drei Monaten dieses JahreS ging der Export um nicht weniger als 1,0 Millionen Mark(das ist um 50 Proz.) gegenüber dem erste» Vierteljahr 1008 zurück. In Baumwollhandschuhcn betrug der Ab- fall 8 Millionen Mark. Die erwähnte Belebung der Lederhandschuh- Produktion beschränkt sich auf das Inland; der Export hat sich zwar gegenüber 1003 gehoben, aber nicht in dem Maße wie in früheren Jahren. Handschuhe sind eben für die große Masse der Bevölkerung noch immer ein Luxusartikel. Die französische Zolltarifbetvegung hat neuerdings eine neue Nuance erhalten durch den Eindruck, welchen die Beschlüsse der Finanzkommission deS Deutschen Reichs- tages in Frankreich gemacht haben. Man scheint in Frankreich allenthalben diese Beschlüsse aufzufassen als den Anfang indirekter Repressalien gegen die speziell unsere Exportartikel bedrohenden Zollerhöhungen, die in Frankreich geplant werden. Vor allem er» heben die sogenannten„Chambres Syndicales" der Champagner- und der Kog Irakinteressenten lebhafte Proteste gegen die Beschlüsse. Sie haben am 18. d. M. in einer Audienz dem Handelsminister Cruppi ihre Beschwerden vorgetragen und dabei eine am 13. d. M. gefaßte ausführliche Resolution unterbreitet, in welcher die fran- zöjische Regierung dringend ersucht wird, bei der deutschen dahin vorstellig zu werden, daß sie den Beschlüssen der Finanztommission des Reichstages nicht oder doch nicht in der beschlossenen Höhe ihre Genehmigung gebe. Man solle, statt durch Zollerhöhungen hüben und drüben einen Zollkrieg heraufzubeschwören, lieber„Ver- Handlungen über eine für die Prosperität der beiden Völker gleich wertvolle Entente einleiten, unter Verständigung über Zollermäßigungen auf der Basis einer loyalen Reziprozität." Sollten freilich diese Vorschläge keinen Wiedcrhall bei der deut- schen Regierung finden, so rechne man darauf, daß die französische Regierung Energie genug haben werde, um Zug um Zug mit einer Erhöhung der Zölle auf die wichtigsten deutschen Exportartikel nach Fvagkreich zu antworten,
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten