aver gar noch auf andere Schriften verweist, worin er auch früher schon dasselbe verkündet habe wie jetzt, dann ist seine Konfusion, sein unllarcs Hin- und Herschwanken eben noch größer, als wir angenommen haben. Nun ist dies alleZ aber noch nicht einmal das wichtigste. Haupt- fache ist vielmehr, daß Herr Naumann sogar jetzt noch nicht einsieht, wie durch seine Anerkennung des wirklichcn sozialistischenGrundgedankens der Liberalismus — natürlich nur in der Theorie— glatt zu Boden geschlagen wird. Im Gegenteil, er bildet sich sogar ein, hier den Boden für seine berühlnte Verständigung zwischen Liberalismus und Sozial- demokratie gefunden zu haben. Er schreibt am Schluß: „Genau die Formel, daß es sich für die Sozialdemokratie darum handle, innerhalb einer von anderer Seite herbei- geführten aristokratischen Vergesellschaftung die Rechte der freien Persönlichkeit zu wahren, ist von mir seit Jahren gebraucht worden... Das Fordern der lvtenschenrechte innerhalb einer neuen Gesellschaftsordnung, die über unseren Köpfen entsteht, ist das greifbare Ziel der Arbeiterbewegung, das sich mit den Ideen des Liberalismus grundsätzlich deckt." Weit daneben geschossen I Wenn eS so wäre, wieso werden wir denn von den Liberalen so bitter bekämpft? Da müßte doch Eugen Nichter zum Beispiel, der gewiß den Liberalismus begriffen hat, Zeit seines Lebens ein eifriger Freund und Förderer der Sozialdemokratie gewesen sein, statt daß er ihr erbittertster Feind war! Die Sache ist eben die, daß Herr Naumann vom Liberalismus jetzt ebenso verkehrte Vorstellungen hat wie— vor acht Monaten— von der Sozialdemokratie. Erstens bestteitet der Liberalismus, daß durch das Anwachsen der Großbetriebe die Vergesellschaftung der Produktion herbeigeführt wird. Zweitens bestreitet er, daß durch eben diesen ökonomischen Vorgang die freie Persönlichkeit unterdrückt wird; er schiebt vielmehr, soweit er diese Unterdrückung überhaupt zugibt, die Schuld dafür einzelnen Personen, den Behörden, bös- willigen Unternehmern usw. zu. Drittens und vor allen Dingen bestreitet er, daß die Vergesellschaftung der Produktion ein Fort- schritt sei und daß sie erst, und zwar durch Beseitigung des Unter- nehmergewinns, die wahre Freiheit der Persönlichkeit möglich machen wird. Umgekehrt sieht er vielmehr in der Beseitigung des Unter- nehmergewinns und der damit verbundenen Aufhebung der Privat- betriebe den schwersten Schlag, der gegen die freie Persönlichkeit ge- führt werden kann. Also wohin wir blicken, nichts als schärfster Gegensatz zwischen Liberalismus und Sozialismus. Wenn nun jemand den Gedankengang des Sozialismus ausdrücklich als richtig anerkennt und trotzdem sich einbildet, daß er sich„mit den Ideen des Liberalismus grundsätzlich deckt", dann darf er eS auch nicht allzu übel nehmen, wenn man ihn naiv nennt. Vlnclwechiel. * Alles hat seine Ursache. Auch die bereits gestern von uns gemeldete schärfere Tonart der aus der Wilhelmstrahe durch die Vermittelung ganz- und halboffizöser Blätter in die Welt hinausgesandten Drohnoten findet jetzt ihre Er- klärung: Die einzelstaatlichen Regierungen, besonders die Bundesstaaten südlich der Mainlinie, haben dem Kanzler wieder das schwache Rückgrat gesteift. Sie sind unzufrieden mit der phlegmatischen Haltung des Kanzlers gegenüber den Steuerbeschlüssen der Rumpfkommission und fordern Fest- halten an der Reichscrbschaftssteuer sowie Ablehnung der Wertzuwachssteuer, der Wertpapiersteuer und der Mühlen - Umsatzsteuer. Zur Aussprache über die durch das Vor- gehen der Rumpfkommission geschaffene veränderte Lage soll zunächst am Dienstag, den 8. d. M., i n B e r l i n e i n e Z u- sammenkunft der FinanKminister der große- ren Einzel staaten stattflnden und bei dieser Ge- tegenheit die Grundbestimmungen der neuen Erbanfallsteuer festgelegt werden. Doch scheint nicht nur diese Unzufriedenheit der einzel- staatlichen Regierungen Bülow ein wenig aufgestachelt zu haben; auch der Kaiser ist, wie angedeutet wird, durch die Stimmung in den Einzelstaaten und durch Einflüsse aus den Kreisen der Finanz und der rheinisch-westfälischen Groß- industrie. Wer den Widerstand des Heydebrandschen Concerns zurzeit verstimmt. Kurz, in den allerhöchsten Regionen ist der noch vor wenigen Tagen aus dem Osten kommende Wind in eine leichte Südbrise umgeschlagen. Wie lange diese Windrichtung anhält, ist freilich zweifelhaft, da sie in solchen Höhen gar leicht umschlägt— vorläufig aber weht jedenfalls Südwind. Aus dieser Tatsache erklären sich auch die zuversichtlichen Meldungen einiger liberaler Blatter über den Widerstand der Reichsregierung gegen die Steuervorschläge der klerikal- lonservativ-polnischen Koalition. So schreibt die„Franks. Zeitung": „In den ersten Tagen der nächsten Woche werden wieder einmal die Finanzminister und leitenden Minister der Bundes- staaten in Berlin mit dem Reichskanzler und dem Schatzsekretär zu einer Beratung über die RcichSfinanzreform zusammentreten und werden, wie es sich aus der gegenwärtigen Lage ergibt, zu den Beschlüssen der F inanzko mm i ss i o n des Reichstags Stellung nehmen. ES unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Minister und damit die verbündeten Regierungen dasjenige, was die konservativ-klerikale Mehrheit der Finanzkommission als angebliche Besitzsteuern beschloflen hat, in allen wesentlichen Teilen als undurchführ- bar, als ungerecht, Handel, Verkehr und Industrie schädigend erkennen und verwerfen werden. Die konservativ-agrarischen Führer und ihre Blätter wollen daran immer noch nicht glauben, vielleicht weil sie über die letzte Wendung, die an den für die Entschließung der Regierung entscheidenden maß- gebenden Stellen seit einigen Tagen eingetreten ist, noch nicht unterrichtet sind, teils vielleicht, weil sie absichtlich die Naiven spielen, die gar nicht begreifen wollen, daß eine Regierung, der man angeblich 500 Millionen Mark mit einer festen Mehrheit bietet, dieses Anerbieten aus sachlichen, der Natur einzelner dieser Steuern entspringenden Gründen abweisen könne. Die Finanzminister werden natürlich auch beschließen, wie die Erbschaftssteuer aussehen soll, die nun dem Reichstage vor- gelegt werden soll, und welche anderen Besitz st euern zu ihrer Ergänzung vorgeschlagen werden sollen. Wir haben früher schon erwähnt, daß eine Erhöhung des Effektenstcmpels und gewisse Aenderungcn des Wechselstempels für Wechsel, die länger als drei Monate laufen, in Aussicht genommen sind, und daß man ungefähr einige 20 Millionen von den Banken und den Börsen einbringen möchte. Auch scheint noch die Wertzuwachssteuer für Immobilien erwogen zu werden. Ferner wird in den Beratungen der Finanzminister auch üuer die indirekten Steuern und Ergänzungssteuern Be- schluß gefaßt werden, so daß bei Wiederzusammentritt des ReichtsagS ein einigermaßen festes Programm der Regierung vorliegt." Auch die„Nationalzeitung" meldet frohlockend: „Ueber die Stellungnahme der Reichsregierung zu den Steuerplänen der Rumpfkommission erfahren wir von unter- richteter Seite, daß die Regierung entschlossen ist, die Kotierung«» steuer, die Mühlenumsatzsteuer und den Kohlenausfuhrzoll mit aller Schärfe zu bekämpfen." Doch auch auf der Gegenseite wird gearbeitet. Nach Mitteilungen der bayerischen Zentrumspresse haben zwischen dem Kammerpräsidenten v. Oerterer und anderen Mitgliedern der Zcntrumsfraktion geheime Be- sprechungen mit dem bayerischen Finanzminister stattgefunden, um diesen zu veranlassen, den Bundesrat für die Beschlüsse der ultramontan -konservativcn Mehrheit der Reichstagsfinanzkommission gefügig zu machen. Die Be- sprechungen scheinen aber auf den bayerischen Finanzministcr bis jetzt noch nicht den nötigen Eindruck gemacht zu haben, denn die Zentrumspresse droht der Regierung, daß sie sich politisch isoliere, wenn sie auf ihrer Vertretung der Erb- schaftssteuer und der Ablehnung der Produkte der Finanz- kommission beharre. Aber auch diese Drohungen werden wohl deswegen wirkungslos bleiben, weil— wie die„Münchener Post" sicher zu wissen glaubt bestimmte Abmachungen zwischen den süddeutschen Bunde sregie- rungen bestehen, von denen Bayern nicht zurück kann, ohne wortbrüchig zu werden. SinS lozialdetnoMilche vereine vereine? Ueber diese sonderbare Frage hatte am Freitag das Oberver- waltungsgericht zu Berlin zu entscheiden. Das Reichsvereinsgesetz hat die Versammlungen der Vereine von der polizeilichen Ueber- wachung befreit, in mehreren Orten hat indes die Polizei versucht, auch unter dem neuen Gesetz Versammlungen von Vereinen— natürlich immer von sozialdemokratischen Vereinen!— unter ihrer Uebertvachung zu behalten, indem sie diese Versamm- lungen schlechtweg für öffentliche erklärte. So machte sie es z. B. in Magdeburg und Breslau . In Magdeburg hatten die Genossen eine Generalver- sammlung des Sozialdemokratischen Vereins am 18. August 1903 geschlossen, weil zwei Polizeibeamte sie überwachen wollten. In der folgenden Versammlung vom 20. August erzwangen sich wieder zwei Beamte den Zutritt; als ein Genosse polnisch zu sprechen begann, löste einer die Versammlung auf. Der Polizeipräsident gab nachher die Weigerung, die Be- amten zuzulassen, als Grund der Auflösung an. Beschwerden des Genossen Klühs beim Regierungspräsidenten und beim Oberpräsidenten hatten keinen Erfolg. Die Ueber- wachung beider Versammlungen und die Auflösung der Versamm- lung vom 20. August wurde für berechtigt erklärt. Der Ober- Präsident stimmte folgender Ausführung des Regierungspräsidenten zu: Das Merkmal der O e f f e n t l i ch k e i t sei bei diesen General- Versammlungen gegeben gewesen, trotzdem nur Mitglie- der des Vereins gegen Vorzeigung des Mitglieds. b u ch s Zutritt erlangen sollten. Denn der Verein sei nicht als „geschlossene Gesellschaft" anzusehen. Seine Mitgliederzahl sei so groß, seine Organisation so lose, der Erwerb und Verlust der Mit- gliedschaft an so geringe Voraussetzungen geknüpft und so wechselnd. daß von ihm nicht gesagt werden könne, seine Mitglieder bildeten einen in sich abgeschlossenen, bestimmt abgegrenzten Kreis von innerlich miteinander verbundenen Personen.— Diese Gründe sind wörtlich abgeschrieben aus einem Urteil des Reichsgerichts, das in der Begründung des seinerzeitigen Entwurfs des Reichsvereins- gesetzes auf S. 30 angeführt wurde. In Breslau war eine Mitgliederversammlung de? Sozial- demokratischen Verein? am 12. Juni 1908 aufgelöst worden, als der Vorsitzende, Genosse Neukirch, zwei zur Ueberwachung er- schienene Polizeibeamte zum Verlassen des Saales aufgefordert hatte. Der Polizeipräsident erklärte ebenso wie der von Magde- bürg die Versammlung für eine öffentliche und gab dieselben Gründe an. Außerdem aber bezweifelte er. daß die in der Ver- sammlung erschienenen 100 Frauen schon Mitglieder des Vereins gewesen seien. Der Breslauer Bezirksausschuß, bor dem Ge- nosse Neukirch klagte, wies die Klage ab, stützte sich dabei aber fast ausschließlich auf die Anwesenheit der Frauen. Genosse Neukirch hatte den Beweis angetreten, daß sie am 12. Juni Mitglieder des Vereins waren, der Bezirksausschuß aber erklärte, sie seien nicht Mitglieder gewesen, denn sie hätten es nicht sein können, weil am 12. Juni das Statut von Frauen noch nichts gesagt habe und durch das Inkrafttreten des Reichsvereinsgesetzes nicht ohne weiteres eine Statutenänderung eintrete. Eine etwaige Aufnahme von Frauen wäre damals statutenwidrig gewesen. Die Versammlung sei daher eine öffentliche gewesen. Beide Fälle wurden vor dem Oberverwaltung?- gericht gemeinsam verhandelt. Genosse Rechtsanwalt Heine vertrat die Kläger . Er legte zunächst dar, daß die Annahmen des Breslauer Bezirksausschusses über die Mitgliedschaft der Frauen total verfehlt seien. Zur Hauptsache führte er dann auS, daß jene im Entwurf des Reichsvereinsgesetzes abgedruckte Reichsgerichts. entscheidung, auf die die Magdeburger und die Breslauer Polizei sich berufen, um die Versammlungen der sozialdemokratischen Ver- eine für öffentliche zu erklären, schon in den Verhandlungen des Reichstages und seiner Kommission über das Vereinsgesetz ab- getan worden sei. Als von Abgeordneten darauf hingewiesen worden sei, daß solche Auslegung es völlig in das Belieben der Polizei stellen würde, Vereinsversammlungen ihrer Ueberwachung zu unterwerfen, habe der Staatssekretär des ReichSamteS des Innern erklärt, er habe nur eine Möglichkeit angedeutet, aber keineswegs hätte die Polizei darauf hingewiesen werden sollen, daß sie auf Umwegen Vereinsversammlungen den für öffentliche Versammlungen gegebenen Vorschriften unterwerfe. Danach könne jene Auslegung also nurin ganz besonderen Ausnahmefällen getan. Und ohne die Erklärung des Staats- sekretärs und einige andere ähnliche wäre die Bestimmung über die öffentlichen politischen Versammlungen keinesfalls in der ge- gebenen Form angenommen worden. Nach alledem stehe fest, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Versammlungen der politi- schen Vereine in allen normalen Fällen als nichtöffentliche anzusehen seien. Anschließend daran hob Heine hervor, daß daS Kammer- gericht eine andere, bessere Definition des Begriffs Vereins- Versammlung gegeben habe, als daS Reichsgericht in der erwähnten Entscheidung. Es verlange von einem geschlossenen Kreise im Gegensatz zu einer öffentlichen Zusammenkunft, daß seine Teil« nehmer nach innen miteinander verbunden seien, und erkläre, daß die Verbindung auf persönlichen Beziehungen be- ruhen könne, die entweder schon vorhanden seien, oder erst durch die Vereinigung hergestellt würden, daß dieses innere Band aber auch in der Gemeinsamkeit deS Zwecks liegen könne. Bei den Sozial de mokrati- schen Vereinen in Breslau und Magdeburg liege der g e m e i n s a m e sachliche Zweck auf der Hand. Er be- stehe in der statutarisch und notorisch höchst energisch betriebenen Vertretung der politischen Ziele der Sozialdemokratie. Auch persönliche Beziehungen seien vorhanden und eine Abgrenzung der Mitgliedschaft nach außen, die noch schärfer werde durch die Aechtung durch die Behörden und gewisse Gesellschaftskreise, der in Preußen jeder verfällt, der sich der sozialdemokratischen Organi- sation anschließt. Der vom Minister des Innern als Kommissar ent- sandte Regierungsrat Rödenbeck trat bezeichnenderweise dem Verteidiger entgegen und wollte, daß der Magdeburger und Bres- lauer Polizei rechtgegeben werde. Seine Gründe waren die des Reichsgerichtsurteils. Das Obervrrwaltungsgericht kam nach langer Beratung in dem Streitfall aus Magdeburg zu einer dem Kläger g ü n st i g e n Entscheidung. Es gab der Klage des Genossen Klühs statt. In der B r e s l a u e r Sache entschied jedoch das Gericht zu Ungunsten des Genossen N e u k i r ch, indem es seine Berufung gegen das Urteil des Bezirksausschusses zurückwies. Da die Gründenicht publiziert, sondern dem schrift- lichen Erkenntnis vorbehalten wurden, so kann man nicht sagen, Welche Erwägungen für den Senat maßgebend waren. Es kann nur vermutet werden, daß sich der Senat in der prinzipiellen Hauptfrage dem Kläger angeschlossen hat, in dem Breslauer Fall aber vielleicht wie der Bezirksausschuß betreffs der Mitgliedschaft der Frauen Bedenken hatte. Indessen, hierüber werden erst die schriftlichen Urteile Klarheit bringen. poUtifebe Ocberflcbt. Berlin , den 4. Juni 1909. Der Kaiser und Ballin. Die Hamburg— Amerika-Linie , deren Generaldirektor be- kanntlich Herr Ballin ist. erläßt folgende, vom offiziösen Walffschen Telegraphcnbureau sofort in alle Welt hinausgesandte Bekanntmachung: „Dem Kaiser war Meldung davon gemacht worden, daß die Nachricht, Seine Majestät sei verhindert, in diesem Jahre Ham- bürg zu besuchen, hier(in Hamburg ) große Enttäuschung hervor- gerufen habe. Darauf ist jetzt vom Kaiser die Antwort ein- gegangen, er werde danach trachten, noch rechtzeitig zum Tage der großen Elbregatta in Hamburg einzutreffen. Der Kaiser wird, da er vermutlich in Danzig die„Hohenzollern " verlassen und die Reise nach Hamburg im Sonderzug zurücklegen wird, hier an Bord deö Schnell- dampfers„Deutschland " Wohnung nehmen, bis die„Hohen- zollern", die die Reise durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal macht, ein- getroffen ist." Es ist uns ziemlich gleichgültig, ob der Kaiser zur großen Elbregatta nach Hamburg fährt; aber als Beweis der guten Beziehungen, die neuerdings wieder zwischen Wilhelm II. und Herrn Ballin bestehen, ist das obige Telegramm von politi- schcm Interesse. _ Die idealen Motive der Steuerdrückeberger. Der Kampf um das„letzte Fünftel", daS heißt um die 1(K) Millionen Mark, die durch sogenannte Besitzsteuern gedeckt werden sollen, treibt die schönsten Blüten. Da die st a a tS erhaltenden Parteien sich nicht darüber zu einigen vermögen, welche Schicht der Besitzenden zu diesen 109 Millionen am meisten beitragen soll: die ländlichen Großgrundbesitzer, der Handel, die hohe Finanz, die Börse oder die Großindustrie, so beschuldigen sie sich gegen- seitig des krassesten materiellen Eigennutzes, wäh- rend sie für sich selbst die hehrsten idealen Motive in Anspruch nehmen. Und wie immer in solchen Fällen brüsten gerade jene Blätter sich am meisten mit ihrem Idealismus, die am einseitigsten die Interessen ganz bestimmter Erwerbskreise vertreten. So be- findet sich z. B. unter jenen Zeitungen, die am beweglichsten über oie„Politik der materiellen Interessen" klagen, die Bremer ..Weserzeitung", daS Organ der Bremer Exporteure und deS Nord- deutschen Lloyd. DaS hat die klerikale„Köln . Volkztg.", die übrigens auf keiner viel höheren politischen Zinne steht, wie es scheint, arg verschnupft, denn spöttisch antwortet sie:„DaS ist doch neu, daß die Mehrheit»- Parteien der Finanzkommission'eine„Politik der materiellen Jnter- essen" betreiben, die Liberalen aber nicht. Letztere sind wohl zu idealistisch dazu? Es hat eine Zeit gegeben, aber sie liegt schon lange hinter uns, wo man die Liberalen für Idealisten hielt. Man dachte bei einem Liberalen an einen„Marquis Posa" in der Westentasche mit seinem„Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!" Aber heute? Wer die Liberalen echter Rasse studieren will, der gehe in die Börse— natürlich, wenn Börsenstunden sind. Es ist geradezu wunderbar, so etwas aus einem Bremer Blatt zu hören. Der genius loci der alten Hansastadt muß sich dagegen empören. So viel materialistische Gesinnung, wie in dieser kleinen Handelsrepublik au fg«speichert ist. genügte fast, um ein großes Reich zu versorgen. Von den Handelsherren an der Weser und Elbe hat man gesagt. wo andere Leute das Herz hätten, sitze bei ihnen eine Rechen- Maschine. Und sowas rümpft die Nase über eine„Politik der materiellen Interessen"!„Csmt", sagt man in England," Das Kölner Blatt hat nicht unrecht; aber um die„idealen" vaterländischen Motive der Konservativen und des Zentrum» ist eS nicht besser bestellt. Beide stinken. Eine staatliche Wertzuwachsstener. Die Lippische Negierung hat dem Landtage eine Vorlage über die Besteuernng deS Wertzuwachses zugeben lassen. Nach der Borlage sind Stadt- und Dorfgemeinden befugt, unter Zustinimung der Regierung eine Abgabe vom Wertzuwachs der in ihrer Gemarkung gelegenen Grundstücke zu erheben. Der Staat ist berechtigt, von dem Ertrage der Wertzuwachsstener nach Abzug der Veranlagungskosten bis 2S Prozent für sich zu beanspruchen. DaS gleiche Recht steht den A m t S g e m e i n d e n gegenüber den Dorfgemeinden zu. Dafür sind Staat und Amts- gemeinden verpflichtet, diese vereinnahmten Beträge zugunsten der Gemeinden zu verwenden, aus denen die Beiträge kommen. Den Gemeinden ist Auskunst über die Verwendung zu geben. Die Steuer wird bei Wechsel im Eigentum eines Grundstücks oder Grundstückteiles erhoben. Bergwerke über oder unter Tag gelten als Grundstücke. EigentumSübergang, herbeigeführt durch EnteiguungS- verfahren, gilt als Eigentumswechsel. Tausch von Grundstücken gilt als doppelter Eigentumswechsel und die Steuer wird für jeden dieser Wechsel besonders gerechnet. Die Steuer»vird nicht erhoben: bei Erbfall oder bei Schenkung unter Lebenden im Sinne des Reichserbschaftssteuer- gesetzeS vom 3. Juni 1906. Bei Uebertragung von Grundstücken an Ehegatten und Abkömmlingen sowie beim Einbringen eines Grund- stücks in das eheliche Gelamtgut. bei Einbringung in eine Gesell- schaft, wenn diese auS dem Veräußerer und seinen Abkömnilingeil besteht, bei Teilung von Grundstücken unter Miteigentümer», bei Verkoppelunszen, be» gerichtlichen Zwangsversteigerungen, bei Ab- tretung zu öffentlichen, gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken._ Ein sehr schlechter Witz. Die vom Reichsverband bediente Presse hat tvieder ein- mal ein Beweisstück für die Vaterlandslosigkeit der Sozial- demokratie aufzuweisen. In der„Fränkischen Tagespost" zu N ü r n- berg stand vor einiger Zeit ein Artikel ihres Londoner Korrespondenten, in dem es hieß;' �
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