auf eine Mark erhöht. Für die Droschkenbesitzer eine nette neue Last. Die bisher stcmpelsteuerfreie Erlaubnis- erteilung von Gemeinden, Landwirtschaftskammern, Innungen, Gewerbevereinen und sonstigen Vereinen zum Betriebe des Stellungsvermittel ungs- und Arbeitsnach- Weisgeschäftes wird mit 20 M. besteuert. Für den gleichfalls bisher stempelstencrfreien Gewerbebetrieb der G e- sindever mittler und Stellenvermittler sollen fortan, wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrages und Kapitals von der Gewerbesteiier frei ist, 50 Mark und in den vier Gewerbesteuerklassen 100, 200, 350 und 500 M. für die Erlaubniserteilung zum Gewerbebetrieb gezahlt werden. Die Erlaubniserteilungen zum Betriebe des Gewerbes der Schauspielunternehnier, znni ständigen Betriebe der Ga st Wirtschaft oder des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus, zur gewerbsmäßigen öffentlichen Veranstaltung von Singspielen und dergleichen ist von 1,50, 5. 15, 50. 100 M. auf 5. 10. 50. 200 und 500 M. e r h ö h t. Erwähnt sei endlich noch, daß die Aufstellung von Auto- maten und Musikwerken mit 1—20 M. belegt ist. Automaten, die zu Betriebszwecken öffentlicher Behörden auf- gestellt werden oder die zum Betriebe von automatischen Restaurationen, zur Verabreichung von Speisen und Getränken oder zur Abgabe von Gas und Elektrizität, zu Hauswirtschaft- lichen Zwecken dienen, sind stcmpelfrci. Fürsorglich ist die Einführung einer Steuer für Pferde- Halter oder für Reiter von dem Junkerparlament ab- gelehnt, und während der Stempel für die kleinen Wohnungen so außerordentlich erhöht worden ist, ist der Stempel für Verträge über die Pachtung zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung in der bisherigen Höhe von Vio Proz. belassen worden. Diese Abwälzung aller Lasten auf die Arbeiterklasse und den Mittelstand nennt die Mehrheit des Jmckerlandtages„soziale Fürsorge" für die— Minderbemittelten. politische Cleberlicdt. Berlin , den 10. Juni 1909. Berwaltmigsreform in Preußen. _/ Die innere Verwaltung des preußischen Staate? ist ein der. ärtigeS fossiles Ueberbleibsel aus vergangenen Zeiten, daß ihre Reform selbst von einigermaßen einsichtigen Bureaukraten ge- fordert wird. Wilhelm ll. hat deshalb angeordnet, daß, um die Reform zu fördern und„die Eeinheitlichkeit des Werkes" zu wahren, zunächst eine Kommission zur Vorbereitung der Ver- waltungsreform zusammentreten soll. In der vom gesamten preußischen StaatSministerium gegengezeichneten Verfügung heißt eS: „Ich wünsche die als notwendig erkannte Reform der ge» samten inneren Verwaltung in jeder Weise gefördert und be° schleunigt zu sehen. Um die Einheitlichkeit dieses die ver- schiedensten Gebiete der Verwaltung unifassenden Werkes zu wahren, zugleich aber für feine Vorarbeiten den Rat und die Einsicht sachverständiger und erfahrener Männer aus weiteren Kreisen zu gewinnen, habe ich beschlossen, unter dem Vorsitz des Ministers des Innern eine besondere Jmmediatkommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform einzusetzen. Die Kommission hat in der Richtung des von mir nach Be- ratung im Kronrat in seinen Grundzügen gebilligten Reform. planes zu prüfen, welcher Aenderungen der gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften im Sinne der Vereinfachung und der Dezentralisation es bedürfen wird, um die Geschäftsformen, den Behördenaufbau, die Verteilung der Verwaltungsgeschäfte auf die Behörden und die Ordnung des Rechtsmittelwesens und der Jnstanzenzüge in der gesamten inneren Verwaltung den Anforderungen der heutigen EntWickelung des öffentlichen Lebens anzupassen. Das Ergebnis ihrer Feststellungen hat die Kommission mir mit ihren gutachtlichen Vorschlägen zu unterbreiten. Diese Vorschläge werden dann die Grundlage für die weiteren Ver- Handlungen im Schöße des StaatSministeriumS bilden." Wenn die„Vorbereitungen" in dem bisherigen Tempo weiter betrieben werden, darf man mit einiger Zuversicht darauf rechnen, daß bis zum Jahre 1S20 wenigstens die allgemeinen Grundzüge der Reform festgestellt worden sind. Der Dubrowinskandal. ' Während der Zar sich anschickt, seine Auslandsreise anzutreten. bei der er mit Wilhelm II. , dem französischen Präsidenten, dem englischen und italienischen König zusammentreffen wird, hat die Duma gestern Gericht gehalten über die Mörderbande, deren Chef und Beschützer der blutige Despot ist. Der Kadett M a k l a k o w schildert? in eindrucksvoller Rede, wie die echt- russischen Leute des Zaren Verbandsmitglieder ausgeschickt hätten, um die Kadettenführer Herzen st ein und JolloS zu er- morden, und der Kadett M i l j u k o w sprach eS offen aus, daß Herzenstein vom Verband im Auftrage der Regierung ermordet worden sei. Die Mitglieder des Verbandes Mör. der und Räuber, die jedes Verbrechen ungestraft begehen konnten, weil die Regierung Straflosigkeit zugesichert habe. Den Höhepunkt erreichte die Debatte in einer mutigen, un- erschrockenen Rede unseres Genossen Gegets chlor y. Er sagte ungefähr folgendes: Der Verband sei eine Verbrecherorganisation, aber eben deshalb habe er die Protektion der Regierung ge- Nossen . Ihm allein hätte die Regierung die Organisation und Agitation gestattet. So sei von Petersburg der Befehl ausge- gangen, daß alle Rekruten der Armee dieser Verbrecher- bände beitraten; das ganze Ministrrkabinett und die ge- famte Administration Rußlands fei an sämtlichen Verbrechen deS Verbandes der echt russischen Leute beteiligt oder wenigstens mit allen seinen Schritten im Prinzip einverstanden ge- Wesen.(Lauter Beifall der Opposition und des Zentrums.) Die Teilnahme der Regierung an dem verbrecherischen Treiben des Verbandes sei so weit gegangen, daß Stolppin und da? Polizeidepartement dem Verbände mehrfach sogar Geld zur Ausführung bestimmter Aufträge gegeben habe. Beamte zu besonderen Aufträgen bei dem Stadthauptmann von Petersburg hätten den Mitgliedern des Verbandes die Waffen ge- gegeben, um Herzen st ein zu ermorden. Außerdem behauptete Gegetschkorh in Besitz eines Briefes des bekannten Ab- geordneten Purischkewitsch zu sein, in dem die Administration bittet, den Mördern Herzensteins jeden Schutz zu gewähren. Der Verband, der sich der besonderen Protektion der Regie- rung erfreute und unter ihrem Schutze die �udenhetzen in Odessa , Kischinew und in anderen Städten veranstaltete, habe Ströme von Blut fließen lassen. Erst wenn die Autokratie in Rußland aufhöre und die Monarchie unter- gegangen sei, könne man auch darauf rechnen, daß diese Pestbeule am russischen Staatskörper verschwinde.(Laute Protestrufe von rechts.) Nach dieser wuchtigen Anklage deS Sozialdemokraten, der sich «icht scheute, die sch mutzige Schande deS Zaren und seiner Regierungsbande in der Herrenduma bor aller Welt zu entblößen, stammelte der Echtrusse Markow ein paar Lttteidigitugsworte. pjs u, Hohn und Spott untergingen, gste HäWävgeklaglen, StolhprN und seine KumpSve, WkiN gd- flehen. Der Ministertisch blieb leer. Die Duma nahm nach 14stündiger lebhafter Debatte die von 39 oppositionellen?lbgeordneten an die Minister des Innern uno der Justiz eingebrachte Interpellation betreffend die Tätigkeit des Verbandes des russischen Volkes mit 131 gegen 87 Stimmen an; es heißt aber, daß die neue Debatte bis zum Herbst vertagt werden soll. Doch auch so ist ihr Zweck erfüllt. So gebrandmarkt wie der Zar und seine Regierung ist noch selten ein Herrscher werden. Die Debatte hat ein Bild der Verworfenheit und Scheu säligkeit enthüllt, vor dem die Taten des roten Sultans erblassen. In den nächsten Tagen wird der„rote Zar" ehr- fürchtig begrüßt werden von den Repräsentanten der großen zivilisierten Nationen, deren Bourgeoisien in heißem Wettkampf sich bemühen« Nußland in ihren Concern zu bekommen. Keine Reichswertznwachsstener? Die„Deutsche Tageszeitung", das Organ des Bundes der Land- Wirte, weiß zu melden: „Wie man uns mitteilt, sind die Finanzminister der Bundes- staaten heute vormittag um 19 Uhr zu ihren Beratungen zu- fnmmengetreten, an denen auch die sonst in Berlin anwesenden BundeSralsmitglieder und eine Anzahl BundeSratskommissare sich beteiligen. Wie wir weiterhin hören, befindet sich entgegen !|estrigen Blättermeldungen eine R e i ch S w e r t z u w a ch s- teuer auf Immobilien nicht unter den Ent« würfen, die daS Reichsschatzamt denVertretem der verbündeten Regierungen bisher vorgelegt hat." Eine Straßendemonstration gegen die Agrarier. Für die von den kaufmännischen und in- dustriellen Organisationen geplante Kund- gebung gegen die Beschlüsse der Rumpf- k o m m i s s i o n erwartet der vorbereitende Ausschuß eine rege Teilnahme. In einer seiner letzten Sitzungen wurde darüber beraten, ob die Philharmonie für den er- warteten Besuch ausreichen werde oder ob es nicht besser wäre, den Zirkus Schumann zu mieten. Da hatte ein be- kannter liberaler Großkaufmann einen guten Ein- fall; er schlug vor, beide Lokale zu mieten; erwiese sich, wie ja zu erwarten, die Philharmonie als ungenügend, so solle man in geschlossenem Zuge zum Zirkus Schu- manu marschieren: so käme eine eindrucksvolle Kundgebung zustande. Man sieht, der Kampf um das Portemonnaie macht Helden. Im Kampf um das agrarische Portemonnaie kündete der grimme Januschauer an, er werde an der Spitze der Bauernscharen gegen die städtischen Proletarier in die Straßenschlacht ziehen. Noch mutigere Helden aber hat der Kampf um das Portemonnaie aus den Herren der Industrie, des Handels und der Börse gemacht, die sich das Recht auf dieStraße erobern wollen. Nicht gegen waffenlose Prole- tarier soll es diesmal gehen, sondern gegen— preußische Polizei, die revolverumschnallt und säbelgezückt der frechen Provokation entgegentreten wird. Wer, der sich der letzten Arbeiterdemonstrationen erinnert, kann noch daran zweifeln? Denn die Demonstranten, so fürchten wir, werden kaum Gelegenheit gehabt haben, sich jene ausgezeichnete Dis- ziplin zu erwerben, über die organisierte Arbeiter bei dem langjährigen, wenn auch nicht immer erfreulichen Umgang mit der Polizei verfügen. Es wird den Herren die Kalt- blütigkeit fehlen, jenen angenehmen Ton zu ertragen, den Beamte der preußischen Polizei Straßendemonstranten, also schweren politischen Verbrechern gegenüber anzuschlagen nun einmal nicht umhin können. Eine unvorsichtige Abwehr- .gebärde, die bei manchen der Herren ja nur ein notwendiger Reflex auch der leisesten Bemerkung wäre, ja nur eine etwas aufgeregtere Aeußerung eines lebhaften Temperaments— und die Säbel fliegen aus der Scheide, die Rosse reiten und die Herren der Industrie, des Handels und der Börse würden unbarmherzig— geräumt. Wie manches Leben, ja vielleicht das ganze deutsche Wirtschaftsleben käme in Gefahr I Und erst die liberale Presse. War es nicht ein liberales Blatt, das einmal meinte, die Straßendemonstration sei nur die Vorbereitung zur Revolution? In welche Verlegenheit würde die Demonstration der Herren ihre Presse bringen, die doch nicht gegen ihre Brotgeber schreiben, diesen revolutionären Schritt aber auch nimniermehr loben darf. Und deshalb müssen wir die Herren warnen, so wertvoll es uns wäre, so tatkräftige Unterstützung zu finden in unserem Streben, das Recht auf die Straße zu wahren. Aber in diesem Fall steht zu Hohes auf dem Spiel, als daß wir die Verant- wortung für diese Demonstration teilen möchten. Deshalb, meine Herren der Industrie, des Handels und der Börse, seien Sie vorsichtig, liefern Sie sich nicht den preußischen Polizei- säbeln aus, gehen Sie nicht auf die Straße und erhalten Sie Ihr Leben Ihrem, wenn auch durch agrarische Raffsucht etwas erleichterten Portemonnaie!_ Arbciter-Grubenkontrolleuve in Sachsen . Die sächsische Regierung hat an die Vorstandsmitglieder der Allgemeinen Knappschaftspensionskasse, Arbeiter wie Arbeitgeber, einen Entwurf betreffend Anstellung von„Sicherheits- männern" in den sächsischen Erz- und Kohlenbergwerken ge- sandt. ES soll am b. Juli eine Besprechung im Ministerium über die Frage abgehalten werden. In der Einladung dazu bemerkt die Regierung, daß sich die Hoffnung, daß die Grubenbesitzer freiwillig eine Kontrolle durch Arbeitervcrtreter einführen würden, nicht erfüllt habe. Nach dem Vorentwurf sollen auf Bergwerken, auf denen in der Regel mehr als 39 Arbeiter unter Tage arbeiten, Grubenarbeiter zur Kontrolle planmäßig zugezogen werden. Die näheren Bestimmungen über Wahl, Wählbarkeit, Kündigung usw. sind aber derart, daß dieser Entwurf lebhaft an daS Wort von der weißen Salbe erinnert. Die sogenannten Sicherheitsmänner bleiben völlig abhängig von den Werksbesitzern, in deren Dienst sie stehen. Wahlberechtigt sind nur volljährige Arbeiter, die mindestens ein Jahr ununter. brachen auf der Grube gearbeitet haben. Der zu Wählende muß 30 Jahre alt fein und darf seit fünf Jahren nicht wegen Ueber- tretung bergpolizeilicher Bestimmungen bestraft sein, ebenso muß er fünf Jahre als Bergmann unter Tage gearbeitet haben. Die Wahl erfolgt auf zwei Jahre, Wiederwahl ist für die nächsten zwei Wahlperioden nicht zulässig. Die sächsische Bergarbeiterschaft dürfte diesen sogenannten Grubenarbeiterschutz einmütig ab- lehnen.— Die Hau�elolammern gegen die Wertpapierstener. Eine Reihe Handelskammern und sonstiger kaufmännischer Korporationen, darunter die Handelskammern von Berlin , Bremen , Frankfurt a. M., Hamburg , München , Stuttgart , haben eine Denk- ichrift an den Reichstag gesandt, in der sie sich gegen die KotierungS- {teuer(Wertpapierstener) wenden.— Eulenburg kehrt heim. Der Skandal von Gastein soll ein Ende haben. Phili Eulen« bürg kehrt ins liebe Vaterland zurück. Die deutsche Justiz, der das Schauspiel, daS die Durchlaucht in dem österreichischtn Badeort der Welt lieferte, auf die Dauer etwas peinlich wurde, hat den Meineids- verdächtigen zurückgerufen und willig hat sich Eulenburg auf die Reise nach Berlin gemacht. Ein Kriminalbeamter, den man rücksichtsvoll zu seiner Beobachtung entsandte, begleitete ihn diskret im Nebeneoups— der hohe Herr darf nicht wie gewöhnliche Unter- suchungsgefangene durch die Anwesenheit eines Polizeibeamten be- lästigt werden. Heute soll Eulenburg hier eintreffen— nachdem er tags vorher in Salzburg Station gemacht— und in seinem hiesigen Palais oder einem Sanatorium Quartier nehmen. Aus der schnellen Rückkehr des Herrn geht hervor, daß er volles Vertrauen zur preußischen Justiz hat. Er hat von seinem Standpunkt aus dazu natürlich auch alles Recht I_ Staatliche Sparsamkeit. Mit der Sparsamkeit im Deutschen Reich verhält es sich genau so, wie mit der in Preußen: nur an ganz kleinen, nebensächlichen Ausgaben wird geknapst. Ein„um das Deutsche Reich hochver- dienter Diplomat", der mehr als zwei Jahrzehnte in der Umgebung des Altreichskanzlers wirkte, schreibt der„Rh.-W. Ztg.": „Man beobachte mal die Reisen, welche zum Zwecke vorüber- gehender Vertretungen diplomatischer oder konsularischer Aemtcr bewerkstelligt werden. Es geht z. B. der Generalkonsul in Kap- stadt auf Urlaub. Statt nun einen in der Nähe befindlichen Be- amten mit der Vertretung zu beauftragen, wird ein Beamter aus Nordamerika oder Ostasien für diese kurze Zeit nach dem enr- fernten Posten entsandt. Eine solche Reise kostet natürlich mehr, als die Ersparnisse einbringen würden, die bei Herabsetzung aller Kilometergelder zu erzielen wären. Mit anderen Worten: Die Rücksicht auf die Steuerzahler spielt bis jetzt eine sehr geringe Rolle bei diesen Delegierun- gen. Reicht der betreffende Etvtsposten nicht aus, so wird seine Uebcrschreitung später vom Reichstag einfach gutgeheißen. In dieses selbe Kapitel schlagen die großen Ausgaben, die das Um- herziehen unserer hohen Beamten mit sich bringt. Wenn z. B. der Reichskanzler wochenlang in Sorrent oder in Venedig zubringt, so erhalten die zahlreichen Beamten, die er mit sich führt, hohe Reise- und Tagegelder. Wir glauben, daß dieser Posten in keinem anderen Staate so hoch ist, wie bei uns im Reich. Da hier das Thema„Sparsamkeit." über das Fürst Bülow gelegentlich so schön im Reichstag zu reden verstand, in Frage steht, so wollen wir gleich auf einige andere Möglichkeiten auf- merlsam machen. Der Reichstag hat, wie bekannt, die in den letzten Jahren enorm gesteigerten Telegramm- kosten um mehrere tausend Mark herabgesetzt, als durch einen Zufall bekannt geworden war, welche Richtigkeiten auf dem kost- spieligen Seekabelwege berichtet worden waren, und zwar hau- delte es sich damals unter anderem um ein Telegramm aus Pe- king, worin der Dank der Gesandtschaft für den Empfang einiger Orden in byzantinischen Wendungen für 929 M. Telegramm- gebühren ausgedrückt war. Viel scheint die Streichung nicht ge- nützt zu haben. Denn dieser Tage berichteten die Zeitungen, daß der Reichskanzler dem Minister des Auswärtigen in Brasilien telegraphisch zum Geburtstage gratuliert habe." Znr Behandlung des Volkes in Waffen. Wegen schwerer Soldatenmißhandlungen und Mißbrauch der Dienstgewalt hatte sich am Mittwoch der Unteroffizier Otto Hansen von der dritten Eskadron des 17. HusarenregimcntS in Braun- schweig vor dem Kriegsgericht der 29. Division zu verantworten. Er wird beschuldigt, die Rekruten Pietsch und Knebel in der Zeit vom März bis August 1998 in mindestens 22 Fällen mit einemRohrstocke, demKarabinerschuh, demFeuer. haken, der Lanze und waS er gerade in die Finger bekommen hat. sowie durch Fußtritte körperlich schwer mißhandelt zu haben. Pietsch hat eine wahre Leidenszeit beim Militär durchgemacht. Mit Leib und Seele schwärmte er für das Soldatenleben und trat deshalb frei- willig bei dem 17. Husarenregiment ein. Er hatte eS schwer zu bereuen. Die Mißhandlungen wären Wohl nie unter Anklage gestellt worden, wenn Pietsch nicht jetzt als Invalide vom Militär ent- laffen und nun gezwungen worden wäre, sein Recht auf eine Rente geltend zu machen. Eines hochgradigen Nervenleidens wegen wurde er als dienstuntauglich entlassen. Diese? Leiden führt P. auf die vielen und harten Schläge auf den Kopf zurück, die er von Hansen erhalten hat.— Di« Beweisaufnahme ergab, daß Pietsch sehr oft mit Feuerhaken, Reitstock usw. a u f den Kopf geschlagen, mit dem Schemel gestoßen und ge» schlagen worden ist, daß er sieben Pferde putzen und Wochen. lang Stubendienst machen mutzte. Die Bitten des Mißhandelten, doch nicht immer auf den Kopf zu schlagen, da er sehr an Kopf- schmerzen leide, haben bei Hansen nichts gefruchtet. Ein Zeuge, der jetzt noch beim Regiment dient, sagt aus, daß die Miß- Handlungen des Pietsch durch Hansen wieder- holt das Mitleid der Stubenkameraden wach- gerufen haben. Der Mißhandelte wurde von seinem früheren Wachtmeister als ein gutmütiger und argloser Mensch, als ein fleißiger und williger Soldat geschildert. Auch bezüglich Knebels wird bewiesen, daß er oft von Hansen mißhandelt worden ist, jedoch nicht so oft wie Pietsch. Ein Stabsarzt und ein OberstabSgrzt bekunden, daß Pietsch an einem gewissen Grade von., Jugendirre", an großen Kopf- schmerzen und an starker Vergeßlichkeit leide. Daß diese Krank- heit aber von den Mißhandlungen herrühre, sei sehr unwahr- scheinlich. Hansen wurde wegen Mißhandlung Untergebener in 22 Fällen, wegen Körperverletzung mit gefährlichen Werk- zeugen in? Fällen und wegen Anmaßung einer Befehls- befugnis, sowie wegen Verleitung zum Ungehorsam zu drei Mo- naten Gefängnis verurteilt. Auf Degradation wurde nicht erkannt._ Ein kleiner Irrtum. Das„Berliner Tageblatt" wärmt sich an der Einbildung, daß der„Vorwärts" und die„Leipziger VolkSzeitung" sehr entrüstet über daS„Tageblatt" feien. Leider ist das ein Irrtum. Wenn die „Leipziger VolkSzeitung" es für nötig hält, wird sie dem„Tageblatt" selbst sagen, welches die Gefühle sind, die besagtes Blatt bei ihr auslöst. Wir fiir unseren Teil können ihm versichern, daß die unsrige beim Anblick solcher Leistungen, wie jener, die wir im gestrigen Leitartikel besprochen haben und solcher Unverschämt- heiten, wie sie die uns gewidmete Notiz in ihrer Donnerstagabend- auSgabe enthält, ganz andere sind denn die der Entrüstung frankmch. Vom Streik der Seeleute. Marseille , 9. Juni. Die eingeschriebenen Seeleute haben beschlossen, den Marineminister zu bitten, einen o b e r st e n Schiffahrtsrat zusammenzuberufen, dem daS Schieds- richteramt übertragen werden und dessen Entscheidung sofort durch eine ministerielle Verordnung bestätigt werden soll. Tie geschäftige Polizei. PariS , 19. Juni. Die Polizei nahm in der Wohnung von 23 Anarchisten oder Syndikalisten, unter ihnen Herbe und Grandjouan, Haussuchungen vor. weil sie in dem Verdachte stehen, eine Organisation zur Unbrauchbar- machung von telegraphischen und telephonischen Linien in die Wege geleitet zu haben. In den Wohnungen von 'ünf Anarchisten wurden Briefe gefunden, die zur Vergleichung von Handschriften und Druckschriften revolutionären Inhalt?
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