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Dr. 133. 26. Iahrgavg. 1. Kcilm te, Amiirls" Irtliirt Pollislilntt. kieüag, 11. loni 1909. Ge�eltnbundsprozeß gegen Milche Studenten. Dresden  , 10. Juni 1S0S. Zweit« BerhandlungStag. (Telegraphischer Bericht.) Die Verhandlung begann kurz nach 10 Uhr unter großem An« drang des Publikums. Im Zuhörerraum sind besonders viele russische Studenten zu bemerken. Der Staatsanwalt stellte zunZchst einige Beweis- antrage darübet, daß die angeführten Zeitungen nicht im öffentlichen Verkehr zu haben sind, sondern nur an bestimmte Empfänger unter Kreuzband oder als Paket versandt werden. Die Verteidiger da- gegen beantragen Beweiserhebung darüber, daß diese Zeitungen bei verschiedenen Zeitungshändlern in Berlin   öffent- lich zu kaufen sind, und überreichten eine Anzahl Nummern des.Golos", aus denen der Dolmetsch verschiedene Kassenabrechnungen übersetzte. Aus demProletarier" werden ebenfalls verschiedene Abrechnungen übersetzt. Verteidiger Dr. Cohn- Berlin überreicht eine Nummer des Vorwärts" vom 22. Dezember 1907, in welcher sich eine Erklärung des ausländischen Zentralbureaus der sozialistischen   ArbeiterparteiRußlands befindet. Es wird darin der Zusammenhang zwischen dem Wafsenfund in der P a n k st r a ß e in Berlin   mit dem ausländischen Zentral- bureau der sozialistischen   Arbeiterpartei Rußlands   abgelehnt. Unter- schrieben ist die Erklärung von U d a l c o t t. Der Verteidiger will damit beweisen, daß eS sich um keinen Geheimbund handle, wenn der Angeklagte v. U d a l c o t t eine derartige Erklärung unter- zeichnet und veröffentlicht hat. Hierauf wird nochmals der Brief deS Angeklagten PeSkin an den Schriftsteller A n a n j i n in Berlin   wegen Haltens von Bor  - trägen erörtert. Dieser Brief wurde bekanntlich bei der Verhaftung des Schriftstellers Ananjin von der Polizei vorgefunden und hat den Anlaß zur Einleitung des jetzigen Verfahrens gegeben. In dem Briefe heißt es, daß die Vorträge in Dresden  mit Genehmigung der Polizei abgehalten werden sollen. (Große Bewegung im Zuhörerraum.) Die Sachverständigen, Schriftsteller B u ch h o l z und Dolmetscher Höhne, stellen fest, daß der Berliner   Uebersetzer der Polizei aus dem Briefe Petkins gerade das Gegenteil von dem übersetzt habe, was darin st eh t. Rechtsanwalt Cohn er- klärt darauf, daß nach diesem Beweise P o l i z e i a k t e n kaum noch als Unterlage für die Verhandlung benutzt werden könnten, liege doch eine absichtliche falsche Darstellung vor. Hierauf wird nochmals der Kriminalkommissar P o s s e l t zur Frage des Zeitungsverkaufs vernommen. Er sagt aus, daß bei der Post, bei Zeitungshändlern und bei der russischen Lesehalle Nach- iorschungen angestellt worden find, die ergeben hoben, daß die in Betrocht kommenden drei Zeitungen.Golos",.Proletarier" und .Sozialdemokratie" dort nicht bekannt sind. Dann führte Staatsanwalt Dr. Minde aus: Die politische Frage hat die Polizei und die Regierung zu beschäftigen. Ich werde nur die strafrechtliche Seite behandeln. Es handelt sich nur darum, ob eine geheime Organisation hier vorliegt. Die An- geklagten haben sich zusammengetan, um die russische Arbeiterpartei in Rußland   zu unterstützen. Nach der Entscheidung des Reichsgerichts ist die Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten des Auslandes. um' auf die dortigen politischen Ereignisse Einfluß zu gewinnen, ausreichend, um den Begriff der Geheimbündelei zu rechtfertigen. Aus den vorgelegten Abrechnungen sei nur zu ersehen, daß in irgend einem Ort sich eine Organisation befindet, aber wer der Organisation angehört, geht daraus nicht hervor. Der Staatsanwalt geht dann die Straftaten der einzelnen Angeklagten durch und beantragt, be- züglich der Angeklagten v. Udalcott, Greven   und P e s k i n, falls Verurteilung erfolge, daß ihnen die Untersuchungshaft an- gerechnet werde. Bezüglich der Angeklagten Grinblatt, Ata« nasjew, Sobolett. Kruglikow und K r a g a n beantragte der Staatsanwalt Bestrafung, ohne jedoch das Strafmaß anzugeben. Der Verteidiger Dr. Liebknecht griff auf den Königs« berger Prozeß zurück, der damals so ungeheures Aufsehen er- kleines feuiUeton. Die Bcrkircitung des Islams. Die Kämpfe in der Türkei  zwischen den Alltürken und Jungtürken  , ebenso die Reformkämpfe i» Persicn und in Marokko   lauter Ländern, in denen die Bekenner der Lehre Muhammeds die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, haben das Juteresse an der Verbreitung dieser Lehre von neuem wachgerufen. In einem vor wenigen Tagen bei Rudolf Haupt in Leipzig   erschienenen Handbuch. Der Islam, Geschichte Glaube Recht" will der Dozent des Arabischen am Berliner   Seminar für orienla- tische Sprachen, Professor Martin Hart mann, aus Grund der Originalwerke das Vorstellungsleben kennen lernen, das den Staat und die Gesellschaft der Muslime   das übliche Muselmänner ist falsch beherrscht. Zu praktischen Zwecken hat er an den Schluß des Buches eine Statistik über die Ausbreitung des Islams gestellt. Wir entnehmen ihr, daß von der europäischen   Gesamibevvlkerung gegen 13 Millionen sich zumJslam bekennen. Bon diesen entsallen329ö000 auf die Türkei  , die im ganzen 6 130 000 Einwohner zählt, Rußland   mit Kaukasien hat bei 112 134 000 Einwohnern 8410 000 Muslime, Bulgarien   zählt 603 000, Bosnien und Herzegowina   649 000, Griechenland   60 200, Rumänien   46 000, Serbien   16 000. Die Gesamtbevölkerung Asiens   beläust sich auf rund 770 Millionen; die größte Beleuuerzahl hat in diesem Erdteil der Buddhismus  , aber der Islam   verfügt doch über mehr als 20 Proz., nämlich über 168 142 730 Menschen. Am stärksten ist der Prozentsatz in Persien  , von den neun Millionen Persern sind 8 900 000 Muslime, daraus folgen in der asiatischen Türkei   von rund siebzehn Millionen 11 190 000. Arabien   hat S'/j, Afghanistan   4%, China   23'/,(unter Söi1/, Millionen) und Siam(unter sechs Millionen) eine Million Muslime. In Afrika   zählt Marokko   unter acht Millionen Ein­wohnern 7 840 000, Aegypten   und der Sudan   unter 9 821 000 Ein- wohnern 8 644 300, der Kongostaat unter 19 Millionen rund eine Million, Abessinien unter 8 Millionen 800 000 und Liberia   unter 1>/, Millionen 460 000 Muslime. Die Gesamtzahl der Bewohner in den deutschen   Besitzungen AftikaS beträgt 11'/,« Millionen, von denen 8'/, Millionen sich zum JSlam bekennen, während von den 31'/, Millionen der französischen   Besitzungen nur 16 676 000, und von den 30'/, Millionen der englischen Besitzungen nur rund 7'/4 Millionen Muslime sind. Ihre Zahl in Amerika   ist nur 66 600, in Australien   und Ozeanien nur 18 000. Nach dieser vorsichtigen Statistik hat der Islam heut- zutage auf der ganzen Erde 223936780 Bekenner; unter ihnen zählen sich nur zehn Millionen, davon 8V,g in Pcrsien, zu den Schiiten, den einstigen Anhängern von Mohammeds Vetter und Schwiegersohn Ali, während alle Übrigen Sunniten sind, für die die Sünna  , die Hebung des Propheten in Wort, Handlung und Unter» laflung, eine dem Koran   gleichwertige Quelle zur Ermittelung der göttlichen Bestimmungen ist. Theater. Echiller-Theater 0:.Der Biberpelz' von Ger  - hart Hauptmann. Auch das Theaterpublikum erlebt sein Schick- sal bei dieser Diebeskomödie, die recht eigentlich eine ergötzliche Satire auf beamtete Dummheit ist. Es wurde viel gekichert und ge- lacht; aber es Lang doch zuweilen wie ein gedämpftes, verkniffenes regte und geißelt dieLiebedienereider preußischen Polizei vor Rußland  . Wenn er Russe wäre, schlüge er der Polizei soviel Schnippchen, soviel er nur könnte I Die.besseren Russen", von denen Kriminalkommissar Poffelt gestern gesprochen hat, seien viel- fach die Mitglieder der e ch t r u s s i s ch e n Leute. Es ist zu Anfang der Verhandlung vom Richtertisch aus gesagt worden, daß es sich hier nicht um politische Sensationen handeln solle. Wenn trotzdem eine Sensation hineingekommen ist. so hat man sich beim Berliner   Polizeipräsidium zu bedanken. Von einem Vorfall wurde gesagt, er liege sieben Jahre zurück. Im Laufe dieser sieben Jahre sind die Verhältnisse in Rußland   nicht besser geworden, dagegen sind Fortschritte in der Uebersetzung von Briefen gemacht worden. Durch die Uebersetzung des russischen Konsulats, wie sie damals im Königsberger Prozeß bekannt geworden ist, ist die deutsche   Justiz vor ganz Europa   blamiert worden. Der Anfang und daS Ende des Königsberger Prozeffes waren schlecht. Der Vorsitzende ersucht den Verteidiger, zm Sache zu kommen. Verteidiger Dr. Liebknecht fährt fort, man müsse bei den heutigen Angeklagten das Gesamtbild der Situation und die Motive in Betracht ziehen, die die Angeklagten zur Geheimhaltung ihrer Korrespondenz veranlaßt haben. Wir haben hier die Psychologie des gehetzten Wildes und man dürfe den Angeklagten daher die Geheimhaltung nicht als Staatsverbrechen aurechnen. Er wünscht, daß dem schlechten Anfang des Prozesses ein gutes Ende folgen möge. DaS würde der deutschen   Justiz nur zur Ehre gereichen. Vert. Rechtsanwalt Dr. Cohn- Berlin führt in längeren Aus- führungen aus, daß keine geheime Verbindung vorliegt. Die bloße Hingabe von Geld, die Unterstützungen von Zeitungen können nicht als Verfehlungen im Sinne des§ 128 St.-G.-B. m Betracht kommen. Bezüglich des Angeklagten PeSkin führt der Verteidiger aus, daß dieser als Führer nicht in Betracht kommen könne, da er nur Sekretär gewesen ist. Der Schriftführer könne doch nicht als Führer in Betracht kommen. Peskin sei deshalb Schriftführer geworden, weil er Mitglied des Baseler Kongresses war. Der An- geklagte A t a n a s j e w muffe freigesprochen werden, da gegen ihn absolut nichts festgestellt sei. Sollte bei einzelnen Angeklagten eine Verurteilung erfolgen, so möge ihnen die Untersuchungshaft' voll an- gerechnet werden, welche sie durch drei Monate ihrer Freiheit be- raubt hat. Schuld daran sei nur der Uebersetzer des Berliner   Polizeipräsidiums. Verteidiger Dr. H Ü b l er- Leipzig erklärte, der Angeklagte Kruglikow könne als Führer oder Vorsteher nicht in Betracht kommen. Wenn in seiner Wohnung eine Anzahl Schriftstücke und Zeitungen vor- gefunden worden ist, so komme das daher, daß in seiner Wohnung das Archiv aufbewahrt wurde. Bei dem An- geklagten Sobolett sei ein Zettel und einige Notizen ge- funden worden, die keineswegs als Beweise für die ihm zur Last gelegten Vergehen angesehen werden können? Dem Angeklagten Kalinis sei nichts nachgewiesen. Verteidiger Dr. Knoll ist im Gegensatz zu den übrigen Verteidigern der Ansicht, daß eS sich hier um eine Geheimverbindung handelt. Der Angeklagte v. Udalcott habe ein volles Geständnis abgelegt und er bittet deshalb, ihm die volle Untersuchungshaft anzurechnen. Bert. Rechtsanw. Giese, welcher die Angeklagten Greven   und Laiba Kragan verteidigt, er- klärt, daß daS borgelegte Beweismaterial zu einer Verurteilung nicht ausreiche. Dann zog sich der Gerichtshof zm Beratung zmllck. » Aus der Beweisaufnahme tragen wir in Ergänzung unseres Berichts noch einzelne intereffante Punkte nach: Der Wachtmeister der politischen Polizei in Dresden   P o f s e l t erklärt, die Organisation sei von der Polizei geheim gehalten worden. Ein Verdacht bestand allerdings schon, als sich bei der Reichstags wähl 1903 einige Russen beteiligten. Bei der Stichwahl 1907 in Dresden-Altstadt leisteten russische Studenten sogar Schlepperdienste. Als seinerzeit die russische Lesehalle aufgehoben wurde, habe man revolutionäre Schriften mit dem Stempel.Russische sozialdemo« kratische Arbeiterpartei" und eine jgroße Anzahl Broschüren mit dem Stempel.Zentralkomitee der Sozialrevolutionären Partei" gefunden. Immerhin hatte die hiesige Polizei noch keine Wahrnehmung vom Be- stehen einer geheimen Organisation. Dagegen habe er in Mittweida  Lachen. Wer sich auf die Ausdeutung der Verlegenheitsmienen versteht, die in so manchen Gesichtern saßen, dem mochte eS ein leichtes sein, den Beamten vom privaten Publikum zu unterscheiden. Wer irgendwie ein Pöstchen bei der Staats- niaschinerie bekleidet oder sonslwelche Verpflichtung verspürt, sich den Stützen von Thron und Altar beizugesellen, dem wird das Lachen über den Amtsvorsteher Wehrhahn doch ein wenig sauer; denn er ist.mit von der Partie" und fühlt die Pritschenschläge, die jenem zugedacht sind,«us dem eigenen Nacken. Georg Paeschke   weiß aber auch die hochfahrende Borniertheit dieses blaublütigen Rackers von preußischem Anitsvorsteher ausgezeichnet zur Geltung zu bringen. Dieser fein- geschniegelte Monoclejongleur erscheint prädisponiert für den Beruf des StaatSrelterS: er ist ein Patentfatzke, wie er im Buche steht, tipptopp mit einem Wort. Die ihm an Pfisfigkeit weit über« legcne Waschfrau Wolff kam bei Fanny Wolf in ganz verblüffender Weise zur Geltung. Ihre Töchter Leontine(Elise B a u m b a ch) und Adelheid(Gertrud G r ä b n e r) schlugen vortrefflich in die gleiche Kerbe. Den zappligen, nervösen Rentier Krüger brachte Ernst Legal   wirksam ins Gegenspiel, sowie Karl Stoppel den schlau- bedächtigen Schiffer Wulkow. Auch sonst wurden gute Charakter« typen geboten. MoteS und der Doktor Fleischer erhoben sich dagegen kaum über die traditionelle Farblosigkeit. e. k. LustspielhauS:.Der fesche Rudi", Schwank von A. Engel und I. H o r st. Schade, daß dieser nicht vielseitige, aber in seiner Spezialnote höchst originelle Wiener   Komiker seine Künste an so minderwertiges Material verschwendet I Die Pariser GertchtSburleSke, in der er am ersten Gastspielabend nach Absolvierung der abschreckend geschmacklosen AffenposseEin Kavalier der Damen  " auftrat, erscheint, bei aller Dünnheit ihres Witzes, aller Gewaltsam- keit der Frivolitäten, am Maßstab deS jetzt servierten vieraktigen Schwankes gemessen, beinahe nock als.Literatur". Ohne Pallen- b e r g wäre dies dilettantische Flickwerk von Unmöglich- leiten ganz unerträglich gewesen, und seine Drolerien ver« mochten das Defizit doch bestenfalls nur zu verringern, nicht zu begleichen. Das Publikum, in dem die Lands« leute des Schauspielers wohl stark vertreten waren, schien freilich anderer Ansicht. Ein unaufhörliches Gelächter begleitete die Auf- fühnmg. Einen einheitlich geschloffenen Philistertyp. wie in dem französischen   Stückchen, konnte Herr Pallenberg hier bei der hoff- nungslosen Zerfahrenheit des Textes natürlich nicht herausbringen. Die Abenteuer, die der hypochondrische, kränkliche, ewig räsonnierende Rendant Pimfinger w semer Maskerade als Don Juan und fescher Studio erlebt und durch die er dem jungen Amtsvorsteher imponieren will, fallen aus jedem psychologischen Rahmen heraus und bieten dem Darsteller nur Gelegenheit zu allerhand Grimaffenulk. Die wirkliche Bravour des Pallenbergschen Humors aber zeigte sich in dem ersten Akte, wo Pimfinger, noch unverwandelt, als gräulicher Griesgram in der Schreibstube mit dem scheel- süchtigen Kollegen zankt, vor allem aber am Schluffe, als der Brave, wieder zum Schreiberlein zurückverwandelt, plötzlich seine Ernennung zum Amtsvorsteber erfährt. Die hier zu- fällig fragmentarisch gebotene Möglichkeit grotesk parodierender Charakteristik ward glänzend ausgenützt. Wie in dem kleinen Gerne- groß, der immer auf die Streber schimpfte, nun auf einmal napoleonische Diltatorengelüste erwachen, wie et, ein brüllender Beweise für das Bestehen von Gruppen der sozialrevolutionären Partei und deS jüdischen Bundes gefunden. Der Zeuge erklärt aus Beftagen des Verteidigers Dr. Cohn, daß die hiesige politische Polizei wohl die deutschen sozialdemo- kratischen Zeitungen, aber keine russischen Zeitungen lese. Ver« teidiger Dr. Cohn: Sie haben die Mitteilung erhalten von Leuten, die Sie nicht namhaft machen wollten. Welche Leute sind das? Zeuge: Er werde diese Leute nicht namhaft machen. Der Ge- richtshof erklärt, es solle als wahr unterstellt werden, daß bei den Angeklagten Furcht vor Spitzeln bestand. Auf eine Frage der Verteidigung erklärt Zeuge P o s s e l t, er habe in Dresden   von keinem Russen etwas gehört, dagegen waren in Mittweida   gut« gesinnte Russen Über die Tätigkeit der Revolutionäre empört. Er wandte sich bei seinen Recherchen an sie und sie machten ihm alsdann Mitteilungen über ihre Landsleute. Vert. Dr. Cohn: Wollen Sie Ihre Behauptung, in Dresden   mit keinem Russen in Verbindung gestanden zu haben, wirklich auf- rechterhalten? Zeuge: Ich habe mit Russen hier nicht in Verbindung gestanden. Augekl. Grinblatt: Es wundere ihn sehr, daß die Polizei nichts von dem Bestehen von Gruppen in den verschiedenen Städten Deutschlands   wußte, da sie doch niemals einen Hehl daraus gemacht hätten. DerVorwärts" brachte seinerzeit einen ausführlichen Bericht über die Baseler Konferenz. Wenn die Polizei die sozialdemokratischen Zeitungen lesen würde, müßte es doch sonderbar zugehen, daß ihr das entging. Dazu wird von der Verteidigung noch festgestellt, daß der Bericht sogar die Städte erwähnte, die Delegierte zu der Konferenz geschickt hatten. Vert. Dr. Liebknecht: Haben die Leute denn kein Geld für die geheimen Berichte an die Polizei erhalten? Zeuge: Nein. Bert. Dr. Liebknecht: Warum wollen Sie denn eigentlich die Namen nicht genannt wissen? Bevor der Zeuge sich hierzu äußern kann, fährt der Borsitzende heftig auf und be- schuldigt den Verteidiger, daß er die Worte des Zeugen verdreht habe. Der Zeuge sprach nicht von geheimen Berichten. Durch dieses Verfahren des Verteidigers kommen derartige Wortverdrehungen dann auch in die Presse. Vert. Dr. Liebknecht protestiert gegen diese Verdächtigung, die er sich nicht gefallen lassen werde. Er nehme vorläufig an, daß der Vorsitzende dieses Wort nur zufällig, nicht ab« sichtlich gebraucht habe. Der Zeuge habe in den Akten erklärt und vor zwei Minuten diese Erklärung wiederholt, daß er die Namen der- jenigen Leute, die ihm von den Angeklagten berichteten, geheim halten wolle. Er nenne deshalb mit vollem Recht diese Berichte geheim, wie der Herr Staatsanwalt die Organisation der Angeklagten als Geheimbündelei bezeichnet wissen will. Zeuge P o s se l l erklärt. die Leute hatten Furcht vor den Mitgliedeni jener Organisatton und deshalb wollten sie ihre Namen nicht genannt wissen. Eine weitere Frage des Verteidigers, ob die Dresdener   Polizei dauernde Fühlung mit d« russischen Botschaft habe, wird vom Vorsitzenden abgelehnt. Bert. Dr. Cohn verliest nunmehr namenS der übrigen Verteidiger, außer Dr. Knoll, unter allgemeiner Spannung folgende Erklärung der Angeklagten mit beifolgenden Bewcisanträgen: Die Angeklagten behaupten, daß der Versuch nicht auf die'Geheimhaltung ihrer Beziehungen vor der deutschen   Staatsregierung gegangen sei, sondern daß sie, der« anlaßt durch ihre in Deutschland   und Rußland   gewonnenen Er» fahrungen, sich vor den Denunziationen von Spionen aller Art schützen wollten, die mit der russischen Polizeibehörde in Verbindung stehen und die Angeklagten in Deutschland   sowie bei den besonderen russischen Verhältnissen auch bei ihrer Rück« kehr nach Rußland   schädigen. Um diese Behauptung zu stützen, beantragen die Angeklagten die Erhebung folgender Beweise: 1. Die russische   Regierung unterhält in Deutsch  » land eine besondere organisierte Polizei» abteilung, die mit den deutschen   Polizeibehörden zur Uebcrwachung der in Deutschland   lebenden russischen Staats» angehörigen zusammenwirft. Beweis: Oberregierungsrat Bae recke, Vorsteher der politischen Abteilung des Polizeipräsidiums in Berlin  . 2. Auf sämtlichen deutschen Hochschule« und technischen Lehran st alten werden die Hörer der russischen Staatsangehörigkeit einer besouderen Behandlung und Beobachtung unterworfen. Sie werden nur aufgenommen, wenn die zuständige Polizei» Löwe, unter seinen alten Amtsgenossen dräuend einhergeht, das wirkte in dem Stil deS Spieles überwältigend komisch und echt zugleich, entschädigte durch eigenartige Ergötzlichkeit für vieles, dt. Musik. Die Gura-Oper bei Kroll, deren Eröffnung wir freundlich begrüßen konnten, verdient eS. daß wir aus ihren mannigfaltigen weiteren Gaben wieder eine auswählen. Am Mittwoch wurde die Oper.Salome  " von Richard Strauß   gegeben, lieber daS Virtuositätswerk selbst bleibt unS nichts zu sagen übrig, nachdem wir uns über den Komponisten, dem die Angst deS Publikums vor einer Wiederholung der einstigen Blamage vor R. Wagners Werken so bequem zugute kommt, mehrmals ausgesprochen haben. Um so mehr können wir Direktor Gura unsere An- erkennung bezeugen. Von Edith Walker an, deren berechtigter Ruf als einer der besten dramatischen Sängerinnen sich besonders durch eine präcbrige Ausgeglichenheit und Milde in allen Lagen der Stimme bewährte, gaüs eine weite Reihe trefflicher Leistungen, bis ins Orchester hinein. Nur eine rechte Opern- regie war das nicht. Zur Begründung besten müßten wir allerdings weit und mit Oftgesagiem ausholen. Und warum wird nicht doch der Versuch gemacht, billige Wieder« holungen   solcher Gaben zu veranstalten sei es im Osten ovrr im Westen der Stadt, nachmittags oder auch abends? ez. Notizen. Der»großePhilanthrop', wie die Pariser Bourgeois» preste den verstorbenen Warenhausbcsitzer Chauchard nennt, ist gerade kein besonders überzeugendes Beispiel vom sozialen Nutzen der kapitalistischen   Nabobs. Von seinem auf etwa hundert Millionen Frank geschätzten Nachlaß kommt nur die dem Louvre- Museum ge- stiftete überaus kostbare Gemäldegalerie, für die er sich die Ehren« legion erkauft hat, der Gemeinschaft zugute. Im übrigen kann man von Chauchards Verfügungen höchstens sagen, daß sie ein starkes Dank« barkeitsgefühl bezeugen. So hat er dem früheren Minister LehgueS, der dem eitlen Mann die Ordensbändchen verschaffte 16 Millionen vermacht, dem Direktor deS.Figaro", der gleichfalls seinen Salon zierte, zwei Millionen. Seine Diener erhalten jeder bis zu 600 000 Fr., ebenso viel ein Provinzspital. Für die Angestellten deS Louvre-MagazinS hinterläßt er drei Millionen und für die Pariser Armen 200 000 Fr.I DiesePhilanthropie", zu« sammengehalten mit dem Umstand, daß der Tote in seiner Lieblings» Weste, an der Perlen für mehr als 600 000 Fr. augebracht sind. bestattet werden soll, hat so skandalisiercud gewirtt, daß die Haupterbin, eine alte Freundin Chauchards, sich beeilt hat. auS Eigenem eine Million für die Pariser   Armen und ebenso viel für die Pensionskasse der Angestellten des Warenhauses zu widmen. Versuche mit drahtloser Telephonie. die in den letzten Tagen in Tonlon unternommen wurden, haben be» merkenswerte Resultate geliefert. Der KreuzerCoudö" erhielt von der im Arsenal   befindlichen Station noch auf eine Entfernung von 166 Kilometer deutlich vernehmbare Mitteilungen. Diese Entfernung kommt der von Nizza   nach Korsika gleich. Durch die Versuche ist überdies festgestellt worden, daß die drahtlose Telephonie von der atmosphärischen Elektrizität, die bei der Funkentelegraphie störend wirft, nur in sehr geringem Maße beeinflußt wird.