Steuer eine ganz ungerechtfertigte Belastung— ihre Versicherungum ungefähr ein Drittel teurer bezahlen. Denn gerade dieseSteuer wird voll abgewälzt werden. Je lleiner aber dasGcsamtverniögcn, desto größer der Teil, der versichert werden mußund so trifft diese Steuer die lleinen und mittleren Gewerbetreibendenund Landwirte weitaus stärker als die Großen. Mit Recht nenntdie»Köln. VolkSztg." diese Steuermache der Regierung eine»unglaubliche Dilettanterei". Nur daß Klerikaleund Konservative gerade durch ihren Widerstand gegen aus-giebige Besitzsteuern diese Dilettantereien provozieren geholfen haben.Im übrigen kündet das Hauptorgan des Zentrums der Regierungden schärfsten Kampf an. Es schreibt:„Die neuen Vorschläge sind zum Teil Ivomöglich nochschlechter als die bereits abgelehnten Vorschläge der Regierung.Die Ersatzsteuern auf den Besitz, die angeblich das ni o b i I eKapital treffen sollen, sind so lächerlich gering, daß sieden Spott herausfordern. Sie zeigen so deutlich dieAbsicht der verbündeten Regierungen, das Großkapital,besonders die Börse in jeder Weise zu schonen, daß sieden Widerspruch der Rechten im Reichstage in verschärfterWeise herausfordern müssen.... Im Zentrum ist man ent-schlössen, keine Reichssinanzreform zu bewilligen,die nicht eine entsprechendeBelastung des Großkapitals und der Börse bringt. Die Vorschläge derRegierung aber lassen die Leistungsfähigkeit auch diesmal wiedervöllig außer acht."Die letzten Sätze scheinen uns besonderer Beachtungwert. Danach würde das Zentrum jede Finanzreform vereiteln, dienicht völlig nach seinem nnd der Konservativen Diktat gemachtIvürde. Damit ist aber der Konflift innerhalb der besitzendenKlassen und der sie repräsentierenden bürgerlichen Parteien aufsäußerste getrieben und für die immer aufs neue versuchten Kam-promißverhandlungen werden die Aussichten stets schlechter.So ist denn die Lage verworrener als je, und es istlein Wunder, daß aufs neue Krisengerüchte-- Reichstags-a u f l ö s u n g oder Rücktritt BülowS— auftreten. Aber fürdie Arbeiterklasse steht der Streit der Besitzenden untereinander nichtin erster Linie. Für sie handelt es sich vor allem darum, dieSituation auszunützen, um die Last, die alle Besitzendenvereint ihr zuwälzen wollen, nach Möglichkeit zu verringern.Der Lärm der Streitenden darf die Stimme des Protestes nichtübertönen, die sich gegen die unerträgliche Belastung desarbeitenden Lölkes durch die neuen indirekten Steuern erhebt.Dem iiockeaken(Hermann GoMileinswidmen die„Dresdener Volkszeitung" und die..Leipziger Lolkszeitung" ehrende Traucrartikel.In dem unseres Dresdener Parteiorgans werden folgende nähereAngaben über Goldsteins Wirksamkeit in Dresden gemacht:„Aus ärmlichsten Verhältnissen heraus hat sich unser Göldsteinvom Laufburschen mühsam, aber mit jener zähen Ausdauer, die ihmeinen war, eniporgearbeitet. Durch Besuch von Sonntags- undAbendschulen rang er sich zum Kaufmann durch. Sein reger Geist,sein lebendiges Temperament duldeten aber keine Selbstgenügsamkeit.kein Aufgehen in einseitigen Berufsarbeiten. Schon alö Zwanzig-jähriger beschäftigte er sich lebhaft mit wiffenschastlichen Dingen.Die freireligiöse Bewegung, die vor 35 Jahren in Dresden recht leb-Haft war, zog ihn in ihren Kreis. Bald war er Redner in den Ver-sammlungen dieser Vereinigung und Mitarbeiter ihrer Zeitschriften.Von hier aus fand er leicht und bald den Anschluß an dieArbeiterbewegung. Der alte ArbciterbildungSverein war sein erstesTätigkeitsgebiet. Hier belebte er die Diskussionen mit seinem Wissenund seinem Witz. Bald stand er selbst als Vortragender auf demPodium. Und nun beginnt eine reiche vielseitige Tätigkeit Goldsteinsfür die Arbeiter, ihre hohen Ziele und ihre aufstrebend» Bewegung.In kleinen und großen Versammlungen, zur WahlagitationIvie zu wissenschaftlichen Diskussionen mit den Gegnern, vertrater mit Geschick und ebenso mit Erfolg den Standpunkt der Partei.Zur Zeit de» Sozialistengesetzes war Goldstein der gefürchtetste undder populärste Mann in der Dresdener Ardeiterbewegung. Jede freieStunde benutzte er zu seiner Weiterbildung. Mit Recht galt er alsgründlicher Kenner deS Marxschen Kapitals. Daneben interessierteihn aber auch die klassische Literatur und Geschichte außer-ordentlich. Von seiner großen Velesenheit legten oft seine LaudtagS-reden Zeugnis ab. Im VolksbildungSverein zu Dresden, demNachfolger des alten ArbeiterbildungSvercinS, der dem Sozialisten-gcjctze zum Opfer fiel, war Genosse Goldstein der beliebtesteDebatteredner. Mit Wurm und Wittich zusammen erzeugte Gold-stein eine geistige Regsamkeit und Lehendigkcit an den Vortrags-abenden, die hunderte strebsamer Arbeiter anlockten und den BildungS-verein zum Sammelpunkt intelligenter und bildungsdurstiger Ge-nosfen machten. Hier bildete Goldstein auch kleinere Zirkel fürspeziellere Ausbildung. Sein dramatischer Klub und seine Rede-Übungsabende sind bei vielen älteren Genossen noch in bester Er-innerung. In vielen jungen Herzen hat er hier Begeisterung fürunsere Ziele und Lust zur Weiterbildung geweckt. Hunderte habenAnregungen von ihm enipfangcn. Heute steht eine Anzahl Genossenin den vorderen Reihen der Arbeiterbewegung, die dem GenossenGoldstein als Lehrer dankbar ein ehrendes Andenken bewahren.Mehrere Jahre nährte er sich schlecht und recht durch ein Anti-quariat, das er auf der Kleinen Kirchgasse und später auf der GroßenBrüdergasse betrieb. Hier fand er auch Muße und Gelegenheit zu»veiteren Studien. Doch wurde sein Lädchen bald ein AuÄkunflö-bureau. Wer von den Genossen einen Rat in Rechtsstreitigkeitenbenötigte, wandte sich an Goldstein: vielen hat er so den Weg ge-wiesen, viele aus Verlegenheiten befreit.Die„L e i p z i g e r V o l k s z e i t u n g" teilt über dieJugend und den Werdegang Goldsteins mit:..... In seiner frühesten Jugend mußte er als sogenanntesHütekind, als Hirtenjunge, mit erwerben. Später, als die Eltern»ach Dresden verzogen waren, besuchte er dort von 1853 bis 1868die Volksschule. In seiner freien Zeit, da andere Kinder am Spielesich vergnügten, muhte Goldstein in einer Zigarrcnfabrik Tabakblätterrippen. Daß das dem Knaben, der schon ftüh ein auffallendesTalent verriet, nicht sonderlich behagte, läßt sich denken. Nach seinerSchulentlassung war er bis 1876 bei einem Advokaten alsSchreiberlehrling tätig. In seinen Mußestunden schmiedete er Verse,dichtete Couplets und zeichnete Karikaturen. Später war Goldsteini» mehreren kaufmämiischen Geschäften tätig, daneben in den DreS-dener DiSkutierklubS und im Fortbildung-Sverein. Wiederholt hat erin Stellvertretung am„Dresdener Volksboten" und späteran der»Sächsischen Arbeiterzeitung" neben MaxKahler und Georg v. Volkmar als Redakteur gewirkt. Unterdem Schandgesetz gründete Goldstein in Dresden eine antiquarischeBuchhandlung, die ihn schlecht und recht ernährte. Natürlich mußteer auch wiederholt Haussuchungen und allerlei gerichtliche Scherereienüber sich ergehen lassen...."*».*Das Begräbnis des Genossen G o l d st e i n finder am TonncrS-tagnachmittag um S Uhr auf dem Sankt Pauli-Fricdhofe inDresden statt._Immer wieder fflaffenmißhandlangeDbei der Garde.Mit einem umfangreichen Rekruten mißhandlungs-Prozeß hatte sich am Montag das Kriegsgericht derI. Gardedivision zu beschäftigen. Unter Anklage stand derUnteroffizier Waldemar Heise von der 8. K o in p. d e S Garde-FüsilierregimentS. Die Anklage legte ihm fortgesetzteMißhandlung Untergebctlcr, zum Teil unter Mißbrauch derWaffe, vorsätzliche körperliche Mißhandlung, vorschriftswidrigeBehandlung und Beleidigung Untergebener zur Last. Heise ist einganz junger Unteroffizier von 26 Jahren. Er war den Anforde-rungen, die an ihn gestellt wurden, nicht gewachsen. Nicht alleindie Leute'seiner Korporalschaft mißhandelte er, sondern auch dieMannschaften anderer Abteilungen. Die Anklage führte nichtweniger als 16 Füsiliere auf, die von dem Beschuldigtengeschlagen worden sind.Bei seiner Vernehmung gab der Unteroffizier die ihm zur Lastgelegten Straftaten, von denen die Anklage mindestens 54 Fälleannimmt, zu. Er räumte auch ein, daß er niemals Ver-anlassung zu den Mißhandlungen gehabt habe undkonnte keine Erklärung darüber abgeben, was ihn eigentlich zu denStraftaten getrieben hat. Er mußte zugeben, daß seine Leute stetsihre Pflichten getan und niemals Anlaß zum Einschreiten gegebenhaben. Eine Liebhaberei von ihm war es, die Mannschaften m i tSporen zu drangsalieren. Er hatte einen Sporen voneinem Feldwebel erhalten und sich einen zweiten von einem Schuh-macher erbeten. Oft zog er die Sporen an die Stiefel und stol-zierte dann auf den Korridoren der Kaserne umher. Tie Rekrutenbearbeitete er mit den Sporen �Manchmal derartig, daß Haut-abschürfungen und kleine Wunden entstanden. ZumTeil hat sich Heise sehr schwere Mischandluugen zuschulden kommenlasse». So versetzte er dem Füsilier Schillinger einen derben Faust-schlag gegen die Stirn, faßte ihn dann am Kragen und würgteihn, daß ihm die Luft ausging. Als Sch. äußerte, erwerde sich dies nicht gefallen lassen, nahm ihn der Angeklagte mithinter den Bettschirm und würgte ihn dort noch einmal.Der Füsilier Winter hatte eines Tages Zahnschmerzen und bliebdeswegen auf der Stube. Als H. herauskam, r i ß er dem Unter-gebenen sämtliche Sachen aus dem Spind, faßte ihnam Hals und stieß ihn gegen Spind und Bett. Einanderes Mal mußte W. eine Viertel st unde hindurch inder Stube herumrennen, bis er vor Erschöpfungan zu weinen begann.Der Füsilier Michaleck wurde dreizehnmal von dem Angeklagtenmißhandelt.»Ich werde Sie spornierenl" mit diesenWorten begann Heise seine Mißhandlungen mit den Sporen. MitVorliebe nannte er seine Untergebenen„Idiot" oder„Halunke".Den Füsilier Brand hetzte der Angeklagte ohne jede Veranlassungso lange im Zimmer umher, bis er schwindligwurde und zusammenbrach. Einen anderen Füsilier hat H. mitdem Seitengewehr geschlagen und Faustschläge ins Gesicht versetzt,daß das Blut aus Mund und Nase floß. Füsilier Pietsch erlittbei einem Faust schlag ins Gesicht eine Hautabschür-fung am Mund.Einer der als Zeugen vernommenen Füsiliere erwiderte aufdie Frage des Verhandlungsführers, Kriegsgerichtsrat Jager, waser eigentlich von den Mißhandlungen des Angeklagten gehaltenhabe:»Das Quälen und Drangsalieren hat ihmSpaß gemacht I" Ein anderer Füsilier bekundete, daß er dasVorgehen deS Unteroffiziers oft für recht kindisch gehaltenhabe.Auf die immer von neuem erhobenen Vorhaltungen des Ver-Handlungsleiters erwiderte der Angeklagte, er könne sich keineErklärung dafür geben, weshalb er seine Leute geschlagenhabe. Ter als Sachverständiger geladene StabsarztD r. Krause führte aus. daß der Angeklagte bei der Ausführungder Mißhandlungen zweifellos in einem Zustand außer-ordentlicher Gemütserregung gewesen sei. Unter-offizier H. sei von Jugend an geistig nicht vollwertiggewesen und als Hauptursache seien wohl die angeborenen Mängelund Schwächen anzuführen. Der Angeklagte sei wohl höchstreizbar und nervös, doch könne bei ihm der Z 51 desReichs-StrafgesetzbucheS keine Anwendung finden. Das Gerichtbeschloß, noch ein Obergutachten über den Geistes-zustand des Angeklagten einzuholen und die Verhandlungzu vertagen..'Der Prozeß wirft wieder einmal auf die Verhältnisse in denGarderegimentern ein sehr übles Licht. In kurzen Zwischenräumenwiederholen sich immer wieder diese Anklagen gegen Vorgesetzte.die lange Zeit ihre Untergebenen geschunden haben, die Mißhand-lung auf Mißhandlung häuften, ohne daß einer derhöheren Vorgesetzten etwaS davon bemerkte, ohnedaß— und das ist noch trauriger— einer der Mißhandelten den Mut fand, sich zu beschweren! Hier,wo ein noch sehr junger Unteroffizier der Gewalthaber über zahl»reiche Rekruten war, wäre eine scharfe Aufsicht der höheren Vor-gesetzten dringend erforderlich gewesen. Daran scheint eS sehr zumangeln. Besser wird es damit auch nicht werden, solange nichtdie Herren Offiziere bestraft werden, die eS nicht verstanden haben.Mißhandlungen zu entdecken, die sich monatelang und jahrelanghinziehen!_poUtifche Ocbcrficbt.Berlin, den 15. Juni 1909.Vom Junkerparndies Mecklenburg.AusdemReichstag,15. Juni. Einer Erörterungder mecklenburgischen Versassungsfrage widmete der Reichs-tag seine erste Sitzung nach den Ferien. Seit dem Jckhre1875 sind derartige Verhandlungen von Zeit zu Zeit gepflogenworden. Auch diese wird nicht die letzte ihrer Art sein.Noch immer ist Mecklenburg das alte Junkerparadiesgeblieben, und da nicht nur die mecklenburgischen Junker,sondern auch die beiden Regierungen in Schwerin undStrelitz sich in ihre inneren Landesangelegenheiten nichtdreinreden lassen wollen, so ist an keine Besserung zu denken,ehe nicht ein entscheidendes Machtwort von außen eine Mo-dernisierung Mecklenburgs erzwingt. Dieses Wort zusprechen, sind aber weder die verbündeten Regierungen nochdie Mehrheitsparteien des Reichstags gewillt. Die von denliberalen Parteien eingebrachte Interpellation konnte deshalbauch keine andere Wirkung ausüben, als aufs neue im Landedie Aufmerksamkeit auf die UnHaltbarkeit der mecklen-burgischen Zustände zu lenken.Um diese Wirkung im vollsten Maße zu erzielen, hätte esallerdings eines schärferen Tones bedurft, als er aus derBegründung der Interpellation'durch den freisinnigen Abg.P a ch n i ck e herausklang. Von Ingrimm war da nichts zuspüren, höchstens von Bedauern. Selbst der nationalliberaleAbgeordnete Linck, der in der Diskussion sprach, ging schärferins Zeug als sein freisinniger Kollege.Wenn es trotz dieser übervorsichtigen Behandlung derFrage bei Begründung der Interpellation später dennochzu erregten Szenen kam, so rührte daS von der Konflikts-stimmung ber, die im Hause herrschte. Es wetterleuchtete inden Gewitlcrwolken der Finanzreform, die am Horizontelagern.Die zarten Anfragen, die Herr Pachmcke an den Bundesrat gerichtet hatte, wurden von Herrn v. Bethmann-H v l l W e g mit nicht jntndec zartfühlendem Wohlwollen dahin beantwortet, daß dör-Bundesrat aus verfassungsrechtlichenBedenken jedes Eingreifen in mecklenburgische Angelegen-heiten ablehne, aber genau wie schon im Jahre des Herrn1875„hoffen zu dürfen glaub c", daß Regierungund Landtag in Mecklenburg selbst etwas fertig bringenwerden. In die Heiterkeit, die diese Verkündung bundesrät-licher Hoffnungslosigkeit ans der Linken erregte, stimmteHerr v. Bethmann-Hollweg selbst ein.Dann verlas der Bundesratsbevollmächtigte für beideMecklenburg, ein Herr v. B r a n d e n st e i n, eine Erklärung.die jedwede Einmischung des Reiches ablehnte. Es folgte mitVerlesung einer ablehnenden Erklärung der Vorsitzende derkonservativen Fraktion, Herr v. Normann. Als daraniauch der freikonservative Herr v. O e r tz e n seinen gleichartigen Spruch vom Blatt gelesen hatte, ersuchte der Vize-Präsident Paaschs die folgenden Redner, sofern sie derdeutschen Sprache mächtig seien, ihre Reden nicht abzulesen,was stürmische Heiterkeit erzielte. Darob erhob sich tosende.Unwille auf der Rechten. Paasche suchte später in wenig ge-schickler Weise den Unwillen seiner agrarischen Blockbrüderzu besänftigen.Genosse F r o h m e hatte Gelegenheit, nachdrücklich dieganzen kulturwidrigen Zustände im Lande des Ochsenkopfszu geißeln, und er betonte besonders, daß der Geist der ReichsVerfassung jedenfalls bedinge, daß alle Bundesstaaten aufGrund des allgemeinen gleichen Reichstagswahlrcchts zu ver-fassungsmäßigen Zuständen gelangten.Herr v. B r a n d e n st e i n versuchte sich nachher noch infreier Rede, lieferte aber nur den Beweis, daß die mecklenburgische Regierung gut daran tun wird, ihn immer nur vomBlatt ablesen zu lassen, was sie für ihn aufgesetzt hat.Eine heftige Szene produzierte noch der mecklenburgischeJunker v. Treue nfels, indem er solche Interpellationenals„Mätzchen" verunglimpfte. Sein Spezialkollegev. M a l tz a h n war in der Forni rücksichtsvoller, in der Sackebestritt aber auch er dem Reiche jedwedes Recht der Em-Mischung.Da Anträge bei Interpellationen nicht gestellt werdenkönnen, so ging auch diese Debatte klanglos zu Ende. Alsdann der Präsident eine sozialdemokratischeJnter-pellation wegen der Lebensmittelverteuerung ankündigte, johlten die Junker im Bewußtsein derMacht.— Morgen kommt zunächst die c r st e Lesung derneuen Negierungs steuern auf die Tagesordung.Eine neue Auflage des Falles Baare.Vierzehn Tage sinds nun reicklich her. daß die Dortmunder„Arbeiter-Zeitung" die unerhörten Manipulationen auf dein großen„gemischten" Werke Phönix in Hörde(früher Härder Verein)—von denen wir auch Notiz nahmen— aufdeckte und mit Tatsachen-Material belegte. Obwohl llipp und klar bewiesen wurde, daß diesesgroße Werk den preußischen Staat durch jahrelange falscheGewichtsangaben sowie durch unglaublich leichtfertigeUeberladungen der Waggons in ganz hanebüchener Weiseübervorteilte und damit gleichzeitig eine große Gefahr fürdie Sicherheit der Verkehrswege heraufbeschwor, wardie Kritik der bürgerlichen Presse an diesen lieblichen Geschichtenkaum der Rede wert. Nur im Handelsteile einiger großer Blätterregte sich's zaghast, so daß die Phönixverwaltung doch nicht umhinkommen konnte,„Aufklärungen" zu veröffentlichen. ES warenfreilich typische BcrlegenheitSprodukte, die zwischen den Zeilen nurzu deutlich die Wahrheit verrieten. Sowohl im»BerlinerTageblatt" als auch im Dortmunder Amtsblatt, der»Dort-munder Zeitung", ließ die Verwaltung erllären, e? hantelesich um den»Racheakt eines wahrscheinlich wegen Unbotmäßigkeitgegen Vorgesetzte entlassenen Arbeiters", der der.Arbeiter-Zeitung"jene Angaben gemacht habe. Die Direlüon habe sofort bei derEisenbahndirektion in Essen eine Revision der Frachtdeklaratione» inden letzten Jahren beantragt, bei der festgestellt werden solle, in-wieweit das angegebene Gewicht von dem verladenen abweiche. Essei allerdings vorgekommen, daß Waggons einhöheres Gewicht enthalten hätten, als auf dem Fracht-briefe angegeben gewesen sei. Nach der Ansicht der Verwaltung desPhönix aber glichen sich diese Unterdcllarationcn mit Uebcr-dcklarationen aus, so daß eine Strafe den Phönix dafür nicht treffenkönne. Was die vorschriftswidrige Verwendung von Waggons inner-halb des Werkes anbelange, so beruhe das auf einer Vereinbarungmit der Eisenbahn. In der„Dortmunder Zeitung" wird dann amSchlüsse der glorreichen„Widerlegung" wörtlich gesagt:„Ebenso haben wir dieser Behörde(dem Eisenbahnpräsidium)alsbald Kenntnis von dem betreffenden Artikel und der von unseingeleiteten Untersuchung gegeben, damit dieselbe in der Lage ist,durch Kenntnisnahme von unserem UntersuchungSergebmS und,falls gewünscht, durch eigene Enniltelungen die tatsächlichen Ver-hältnisse festzustellen. Mehr zu tun. halten wir für un-nötig, weil wir sonst dem genannten Blatt zuviel Ehre antun würden."Die Herren vom Phönix scheinen also genau zu wissen, wessen„Ehre" hier einzig und allein auf dem Spiele steht, sonstwürden sie schon.mehr tun"! Die.Arbeiter-Zeitung" istnämlich in der Lage, durch Herbeischaffung neuen Ma-terialS ihre ftühcren Behauptungen nicht nur zu erhärten, sondernauch die.Erklärung" der Phönixverwaltung schlagend abzu-fertigen. In ihrer Dienstagnummer tut sie daS ausführlich.Sie legt dar, daß die Behauptung, ein wegen Unbotmäßigkeit e»t-lassener Arbeiter komme in Frage, eine Unwahrheit ist. daß ein Au-?-gleich zwischen Unter« und Ueberdeklaraiionen nicht vorhanden istund die Angabe der Verwaltung über die Vereinbarung mit derEisenbahn nur die Tatsache vertuschen solle, daß auch innerhalb desWerkes in ganz unverantlv ortlicher Weise mit denWaggons gewirtschaftet wurde, was infolge der vergrößerten EntglcisungS- und Zusammenbruchsgefahr eine erheb-liche Gefährdung der Sicherheit derSchienenwegehervorrufen mußte.Außerdem führt die.Arbeiter-Zeitung" von einem einzigenTage, dem 17. April 1669, folgende Ueberladungen vonmehr als 8666 Kilogramm an, die nur die sogenanntenAschewagen betreffen:Wagen 61 694 Essen von Hagenbeckmit 5366 Kilogramm überladen.Wagen 25 961 Bromberg von Nordsternmit 4666 Kilogramm überladen.Wagen 236 323 Essen von Nordsternm i t 3266 Kilogramm überladen.Wagen 38 756 Köln von Nordsternm i t 3666 Kilogramm überladen.Wagen 32997 Essen von Nordsternmit 3566 Kilogramm überladen.Wagen 376266 Essen von Hasenwinlelmit 6666 Kilogramm überladen.Diese Feststellungen werden den Patrioten vom Phönix wiedergroße Freude bereiten I Man hat nun abzuwarten, ob man ihnennun auf den Leib rücken oder es mit der berühmten Totschweige-taktik versuchen wird. Hier liegen Manipulationen von einerGemeingeföhrlichkeit vor, daß die Oeffentlichkeit ein Recht