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§ 47 a bestimmt, daß die Erbschaftssteuer im Zeitraum von 20 fahren getilgt werden kann, wenn es sich um land- und forst- wirtichastliche Grundstücke handelt. Abg. Singer bekämpft diese rein agrarische Bevorzugung. Was man hier den Landwirten einräumt, das muß auch den anderen Erwerbsständen gestattet werden. Deshalb haben wir einen solchen Antrag gestellt. Dieser Antrag sowie auch andere AbänderungSanträge werden in der üblichen Weise abgelehnt. Auch der Nest des Gesetzes wurde abgelehnt. Damit war die erste Lesung erledigt. Mittwoch vormittag beginnt die Beratung der Stempelgesetze. cibersIKtmis und Sozialismus. n.(Schluß.) Bo» Freiheit und Gleichheit. Wir hatten nachgewiesen, daß das Recht der freien Persönlichkeit durch die von bürgerlicher Seite bewerkstelligte Zusammenballung der Kapitale notwendig in die Brüche geht und erst durch die Wer- gesellschaftung der Produktion wiederhergestellt werden kann. Dem- zufolge laufe die Tätigkeit der Sozialdemokratie gerade darauf hinaus, innerhalb der(wiederholt beschriebenen) ökonomischen Ent- Wickelung das Recht der freien Persönlichkeit zu schützen und über- Haupt zu ermöglichen. Darauf antwortet Herr Naumann: Genau dasselbe wollen ja die Liberalen auch, und er schließt daraus, daß Liberalismus und Sozialismus im Grunde alles eins sei, oder sogar, daß die Sozialdemokratie nichts weiter fei als»der zahlreiche linke Flügel der liberalen Gesamtbewegung'. Bekanntlich hat Herrn Naumanns Selbstbewußtsein schon innner im umgekehrten Quadrat zur wirklichen Bedeutung der Partei gestanden, die er vertrat. Er meint, die Rechte der Persönlichkeit zu vertreten, sei»eine liberal-demokratische Aufgabe, aber keine sozialistische'. Er be- hauptet, die Sozialdemokratie könne gar nichts anderes tun als was der Liberalismus auch tut. Der Gipfel aber ist folgender Satz: »Um was streiten sich denn heute in Wirklichkeit die liberalen und sozialdemokratischen Wähler untereinander? Beide Teile wollen Freiheit und Menschenrecht innerhalb der Verbands« und Shndikatsherrschaft vertreten. Die Sozialdemokraten tun dies mit mehr Geschrei und Getöse und mit mehr Beleidigung aller Mit- streitenden.' Es gab eine Zeit, da hätten wir Herrn Naumann diese Worte ge- glaubt. Das heißt, wir hätten geglaubt, daß dies seine persönliche Auf- fassung vom Liberalismus sei. Heute vermögen wir eS nicht mehr. Wie? Herr Naumann will uns einreden. der Liberalismus betrachte es als seine Aufgabe, die Rechte der Persönlichkeit zu vertreten, Freiheit und Menschenrechte zu schützen? Nur eine Erinnerung genügt, um diesen Wahn zu zerstören: daS Vereinsgesetz I Ist die Unterdrückung der polnischen Muttersprache. wobei doch Herr Naumann mitgeholfen hat, ein Schutz der Persön« lichkeit? Warum, wenn dies seine Auffassung vom Liberalismus war, warum kehrte er nicht den Leuten den Rücken, die unter dem Namen des Liberalismus das Gegenteil taten? Warum schloß er sich nicht dem kleinen Häuflein derer an, die es mit Freiheit und Menschen- rechten ernst nahmen? Herr Naumann, wir glauben ein- fach nicht mehr an die Echtheit Ihrer Begeisterung für Freiheit und Menschenrechte! Nun kommt es ja freilich auf die Person des Herrn Naumann wenig an. Aber der Fall, den wir zitieren, reicht dennoch zur Er- hellung des wahren Zusammenhangs völlig aus. Theodor Barth  und seine Getreuen verließen die liberalen Parteien, weil diese die freie Persönlichkeit nicht schützten, sondern unterdrückten. Wenn nun in der Tat die große Masse der Liberalen die Rechte der Persönlich- keit zu vertreten als ihre Aufgabe ansähen, weshalb folgten sie nicht in hellen Haufen und in heller Begeisterung der Fahne Barths? »Warum bleibt die Luft so still? Wo ist der Schritt der ehernen Sandalen?"-- so könnte man hier mit niehr Berechtigung fragen als Herr Naumann in seinem jüngst zitierten Artikel.   Aber siehe da, es regte sich nichts; Barth mußte bei seinem Tode den Schmerz erleben, daß nur etwa 5000 Anhänger sich um ihn geschart hatten; die Masse, die Hundertausende blieben bei Wicmer, Payer, Naumann und hießen gut. was diese Führer taten. Damit ist der Beweis erbracht, daß sie mit dem Verhalten dieser Männer ein- verstanden waren, daß diese also wirklich nur das getan haben, was die große Masse der Liberalen wünscht. Da ist eS denn doch ein starkes Stück, jetzt noch zu behaupten. eS sei eine liberal­demokratische Aufgabe, die Rechte der Persönlichkeit zu vertreten, und die Sozialdemokraten täten im Grunde auch nichts anderes als die Liberalen. Nein, das ist heute eine rein sozialistische Auf- gäbe geworden, und die Liberalen tun daS gerade Gegenteil davon. Freilich, das kann auch gar nicht anders sein, wie jedem sofort klar ist, der eine Ahnung vom historischen Materialismus hat. Gewiß war Freiheit und Gleichheit ursprünglich die Parole der liberalen Parteien. Sie brauchten diesen Schlachtruf in ihrem Kampfe für die Gleichberechtigung des Bürgertums gegen die Vorrechte des Adels. Sie haben also von vornherein bar- unter nichts anderes verstanden, als daß niemand größere Rechte haben solle als die Bourgeoisie, und daß kein Bourgeois im Ge- brauch seiner persönlichen Fähigkeiten gehindert werden dürfe. Genau das verstehen sie auch heute noch darunter. Man tut also in gewissem Sinne nnrecht, wenn man ihnen Abfall von ihren Prinzipien vorwirft. Sie waren von Anfang an die politische Wer- tretung der Bourgeoisie und sind es auch heute noch. Nur haben sich die Zustände geändert. Damals war oder eS schien wenigstens so Freiheit und Gleichheit für die Bourgeoisie gleichbedeutend mit Freiheit und Gleichheit für alle. Heute aber, wo der Klassenkampf zwischen Adel und Bourgeoisie beendet ist. wo die wirtschaftlichen Vorrechte des Adels tatsächlich aufgehoben sind, heute hat sich ein ganzes System neuer Ungleichheiten und neuer Unfreiheiten heraus- gebildet, aber diesmal zugunsten der Bourgeoisie, zum Nach- teil des Proletariats. Wollten jetzt die Liberalen ihren alten Schlachtruf Freiheit und Gleichheit ernst nehmen, wie Barth es tat, so würde das praktisch auf eine Schädigung der Bourgeoisie hinauslaufen, während die historische Aufgabe des Liberalismus umgekehrt die ist. die Bourgeoisie zu schützen. Auch das sind Zusammenhänge, die der einzelne liberale Wähler sich theoretisch vermutlich niemals klarmacht, aber auch ihn gerade wie den Proletarier leitet das instinktive Gefühl ganz richtig. Er tritt mit aller subjekttver Ehrlichkeit für Freiheit und Gleichheit ein. Aber er versteht darunter, wie von jeher, nur die Freiheit und die Gleichheit, die der Bourgeoisie zugute kommt, nicht solche, die ihr schadet. Es ist mithin zum mindesten eine arge Selbsttäuschung, wenn Herr Naumann glaubt, die Liberalen täten im Grunde dasselbe wie die Sozialdemokraten. Sie tun vielmehr das gerade Gegenteil. ein IMchnl der lothringischen Bergarbeiter. Wie es mit der»Sicherheit' für Leben und Gesundheit der Bergarbeiter auf den deutschen Gruben bestellt ist, dafür legen die jüngsten Ercigniffe in Lothringen   ein beredtes Zeugnis ab. ES wiegt um so schwerer, da diese Ereignisse sich abspielten, nachdem im größten Bundesstaat des Reiches eben ein Gesetz zurSicherheit' der Gruben angenommen worden ist und zurzeit dem Landesausschuß für Elsaß-Lothringen   ein ähnliches Gesetz vorliegt. Am 14. Juni verunglückten auf dem Schacht Merlenbach der Saar  - und Moselgrube drei Bergleute tödlich, und zwar nach Meinung der Bergleute dadurch, daß ein Schuß abgefeuert worden ist, obschon vor dem Stoß alles voll Wetter anstand, so daß diese angeschossen wurden. Der Schießmeister, wie auch die zwei in dem Ueberhau beschäftigten Hauer sind tot, die wahre Ursache wird man somit nicht erfahren, aber die Tatsache, daß seit Februar auf diesem Schacht allein schon siebzehn Mann tödlich verunglückt sind und daß die baupolizeilichen Vor- schriften sehr lax befolgt werden, brachte die Belegschaft in eine solche Empörung, daß sie am 17., dem Beerdigungstage der drei Verunglückten, nicht mehr anfahren wollte und erst auf Zureden des Bezirksleiters Berg vom Bergarbeiterverband sich zur Wieder- anfahrt bewegen ließ. Zwei stark besuchte Belegschaftsversammlungen beauftragten am 17. Juni den Genossen Berg  , eine Eingabe an das kaiserliche Staatsministerium für Elsaß-Lothringen   als das zu- ständige Oberbergamt zu richten, in welcher auf die Uebertrcwngen der bergpolizeilichcn Vorschriften hingewiesen und eine Befahrung der Grube durch das Oberbergamt gefordert werden soll, weil die zuständige Bergbehörde von Saargemünd   alle Beschwerden der Ar- beiter bisher unbeachtet gelassen hat, die Arbeiter zu dieser Behörde jedes Vertrauen verloren haben. Diese Eingabe ist am 21. Juni an das kaiserliche Staatsministerium nach Straßburg   abgegangen und lautet: »Die Unterzeichneten, beauftragt von den Belegschaften sämt- licher Schächte der Saar  - und Moselgrube ersuchen das kaiserliche Oberbergamt, eine gründliche Untersuchung aller Schachtanlagen genannter Grube vorzunehmen, da nach Meinung der Bergarbeuer die bergpolizeilichen Vorschriften nicht so beachtet werden, wie eS zur Sicherheit für Leben und Gesundheit der Arbeiterschaft er- forderlich ist, und da unsere Beschwerden von der zuständigen Bergbehörde in Saargemünd   nicht gehört wurden, bleibt uns nur noch das Oberbergamt, dem wir unsere Klagen unterbreiten können, hoffend, daß von dort aus Remedur geschaffen wird. Am 10. Juni standen auf Schacht 5(Merlenbach), Sohle 67, Flöz 24 und 25 eine ganze OrtS st recke so voll Wetter. daß der BetriebSsührer Schmidt die Arbeit stundete, aber der Obersteiger Trompeter ließ deSNach- mittags, als eine bergpolizeiliche Revision nicht mehr zu er- warten war, weiter arbeitenl Auf demselben Schacht, im Flöz 12 bis 24, Reviersteiger Lange, steht st än big noch zetztalleSvollWetter, ungeachtet dessen wird ununterbrochen weiter gearbeitetl Im.Keller', auf der 836. Metersohle desselben Schachtes, ist kein Anschläger angestellt, selb st bei der Seil- fahrt nicht, und müssen die an- oder abfahrenden Bergleute sich die Türen am Förderkorb selbst öffnen undschließen und der letzte, nichtmehr auf den Korb kommende Mann gibt dann da? Signal zur Abfahrtll Ein grober Verstoß gegen die Seil- fahrtordnung. Und auf diesem Anschlag fährt der größte Teil der Belegschaft an und abl Außerdem efindet sich hier nur eine Fahrtenauffahrt zu dem oberen Anschlag, so daß die Leute in der Auffahrt an- einander vorbei klettern müssenl Vorschrift ist, daß zwei Auffahrten, eine zum Aus- und eine zum Abklettcrn, vor- Händen fein müssen. Am 14. Juni kamen im Flöz 21 Revier 7 drei Kameraden durch eine Explosion umS Leben. Als Ursache gibt man an: ein .unglücklicher" Schuß. Durch Zeugen stellen wir fest, daß schon am 11. auf 12. Juni hier ein Bläser an- geschossen wurde und seit dem ständig Wetter angestanden haben; dennoch ließ man weiter- arbeiten, bis drei Menschenleben vernichtet wurden! I Schon im Streik vorigen Herbst haben die Bergleute nach- gewiesen, daß die von der Grubenverwaltung be- stellten Wetterkontrolleure nicht den wahren Wetterbefund melden und dadurch die Berg« behörde, aber auch ihre Mitkameraden täuschen, und das geschieht heute noch! Am 15. April kam der Wetter- kontrolleur N o e des Morgens gegen 4 Uhr in das Revier 2 und fragte den dort beschäftigten Hauer:»Steht Feuer in Deiner Arbeit?' Der Hauer bejahte die Frage, aber trotzdem schrieb Herr Noe auf die Wettertafel nein und machte eine falsche Meldung! Vielfach fehlen die Wettertafeln überhaupt. Der Wetterkontrolleur Franz Schmidt   meldete aus Flöz 2, Revier 3, Ort 2 der 335-MetersohIe, daß alles wetterfrei sei, während die Hauer das Gegenteil angaben. Wetter- steiger Arem untersuchte darauf das Ort, fand die Meldung Schmidt falsch und bestrafte ihn mit 5 M., ab er Wetterkontrolleur ist er heute noch!! Am 16. Juni stand im Flöz 20, Revier 7, Abteilung 2 immer noch Schacht 5 alles so voll Wetter, daß die Lampen ausschlugen, dennoch sollte gearbeitet werden!! Erst auf Protest der Bergleute wurde die Arbeit eingestellt 1 Auf der 335-Metersohle, Revier 1, Flöz 2, Ort 3 standen am 12. Juni auf der Moraenschicht die Wetter so stark an, d a ß d i e Lampen mehrfach ausschlugen; aber gearbeitet wurde trotzdem! AIS   der Betriebssührer später die Arbeit befuhr, rief er: Leute! habt Ihr denn keineKopffchmerzen?!' Die Leute klagten über Kopfschmerzen, worauf der Betriebs- führer ihnen sagte, sie sollten ausfahren, aber der Steiger Emmig gestattete die Ausfahrt nicht! Auf dem Schacht 2, im Flöz 7 nördlicher Berg, auf der 550- Metersohle stundete der Bergrevierbeamte im Dezember 1903 eine Arbeit, doch kaum war der Revierbeamte au» der Grube, ließ der Betriebs- führer Kündel wieder weiter arbeitenl! Ebenso wurde auf diesem Schacht am 17. Juni im Revier 4 Flöz? gearbeitet, trotzdem alles voll Feuer stand und der Wetter- kontrolleur Pötsch ausdrücklich warnte, dort hinein- zugehen! Am 6. Juni wurde auf Schacht 0 ein Schießmeister sofort entlassen, weil er sich weigerte, ab- zuschießen, da unmittelbar vorm Stoß die Wetterso starkanstanden, daß sieihmdieLampe elfmal ausgeschlagen hatten, das Abbrennen des Schusses eine Katastrophe herbeiführen mußte! Wir ersuchen daS Kaiserliche Oberbergamt nochmals, die beantragte Befahrung sofort anzuordnen, unsere Zeugen vorher zu vernehmen und die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherheit für Menschenleben notwendig sind. Spittel, den 2t. Juni 1909. Mit vorzüglicher Hochachtung J.Berg. P. Spieß. M. Thder.' pditffcke Qcbcrficbt. Verlin. den 22. Juni 1909. Annahme der Kotiernngsstener in zweiter Lesnng. AuS dem Reichstage. 22. Juni. Zunächst gab eS heute eine kurze Debatte bei der ersten Lesung des Gesetz- cntwurfs zurRcchnungsablage über den südwest- afrikanischen Krieg. Die Regierung bezweckt mit dieser Vorlage eine Vereinfachung und Erleichterung der Rechnungskontrolle über die während dieses Krieges gemachten Alisgaben, lleber einzelne Vorschläge läßt sich reden, so darüber, daß die Beamten des Reichs- rechnungshoses gleich zur Prüfung der Rechnungen mit herbei- gezogen werden. Wenn aber die Prüfung aufStichproben' beschränkt werden soll, so wird sie nahezu wertlos gemacht. In der Diskussion bekämpfte Genosse 91 o Sie die Vorlage und zog sich dabei einen Ordnungsruf zu, als er von der Schlamperei in Südwestafrika sprach. Schließlich wurde die Vorlage an die Rechnungskommission überwiesen. Die nunmehr fortgesetzte Debatte über die K o t t e r u n g s- st e u e r brachte neue Gesichtspunkte für oder wider nicht zum Vorschein. Graf M i e l z y n s k i verlas für die polnische Fraktion eine Erklärung, in der sie sich für die KotierungL- steuer ausspricht, da sie in ihr das kleinere Uebcl gegenüber der Erbschaftssteuer erblickt I Die Gründe, die da zusammengehänst wurden, waren fadenscheinig genug. Offenbar ist in der polnischen Fraktion das Großgrundbesitzerinteresse gegenüber dem Handelsinteresse zum Durchbruch gekommen. Im weiteren Verlauf nahm die Debatte einen leiden- schaftlichen Charakter an, als das Interesse des Groß- grundbesitzes und das des mobilen Kapitals in den Wortführern der liberalen und der konservativen Partei aufeinanderstieß. Als der freisinnige Abg. M o m m s e n den Ableugnungen der Agrarier gegenüber auf die niedrigen Steuereinschätzungen in Ostelbien zu sprechen kam, erreichte das Getobe der Agrarier seinen Höhepunkt. Herr R o e s i ck e erwiderte dem Ab- geordneten Mommsen, indem er dessen Behauptungen eine verwegene Verleumdung" nannte. Da er diese unparlamentarische Beleidigung aber lateinisch vorbrachte, wurde ihm vom Vizepräsidenten P a a s ch e der sonst hierfür fällige Ordnungsruf nicht erteilt. Da die freikonservative Partei, wie aus der Rede des Herrn v. G a m p hervorging, sich in der Frage gespalten hat, wurde das Ergebnis der namentlichen Abstimmung mit einiger Spannung erwartet. Sie ergab dennoch eine starke Mehrheit(203 gegen 155 Stimmen) für den entscheidenden ersten Paragraphen. Dagegen haben ge- schlössen die Sozialdemokraten, Freisinnigen und Rational  - liberalen gestimmt. Morgen wird mit der zweiten Lesung der anderen agrarischen Steuervorschläge fortgefahren. Sozialpolitische Erbweisheit. Die»geborenen" Gesetzgeber Preußens, die Herren, die schon im Mutterleibe zu Gesetzgebern im voraus bestimmt sind, waren am Dienstag von ihren heimatlichen Gefilden wieder nach Berlin   geeilt. um ihre Weisheit zu verzapfen und zwei wichtigen Borlagen, der Novelle zum Berggesetz und der Novelle zum Stempel st euergesetz ihren Segen zu erteilen. Was Herr v. Burgsdorff, einer der ärgsten Scharf- macher, über die Novelle zum Berggesetz sagte, ist nicht etwa die Ausgeburt einer Hundstagsphantasie, sondern es entspricht ganz der sozialpolitischen Anschauung, die dieser»Edelste und Beste' der Natten bei jeder Gelegenheit an den Mann zu bringen sucht. Auch unsere Genossen im Ab- geordnetenhause haben die Borlage bekämpft, aber gerade aus den entgegengesetzten Gründen wie Herr v. BurgSdorff. Wir haben uns gegen die.Sicherheitsmänner' gewandt, weil wir für sozialpolitische Quacksalberei nicht zu haben sind und weil wir eS verschmähen, den Arbeitern Sand in die Augen zu streuen. Wir fordern wirkliche Arbeiterkontrolleure, die nach jeder Richtung hin unabhängig find. Herr v. Burgsdorff dagegen erblickt in den Sicherheitsleuten den Anfang mit den Arbeiterkontrolleuren; er ist überzeugt, daß immer nur Sozialdemokraten gewählt werden, und zwar nur solche Leute, die am besten hetzen und aufwiegeln können I Für ihn steht eS weiter fest, daß mit dieser Novelle der erste Versuch ge- macht wird, die Leitung der Bettiebe in die Hände der Arbeiter zu liefern I Die preußische Negierung auf dem Wege zum Sozialismus! So törichtes Zeug kann auch wicklich nur ein»geborener' Gesetz- geber zutage fördern. Da hat der frisch geadelte Herr v. Schmoller schon eher recht, wenn er die Vorlage als ein Abwehrmittel gegen die Sozialdemokratie bezeichnet. In der Tat, einzig und allein auf die Bekämpfung der Sozialdemokratie kommt es dem Handels- minister Delbrück   an, aber das wird ihm ebensowenig gelingen, wie eS ihm möglich sein wird, den Weg in die Seele der Arbeiter wiederzufinden. Den Sozialismus in seinem Siegeslauf hält weder Herr v. Schmoller noch Herr Delbrück   oder gar ein BurgSdorff ans. Da die Vorlage gegenüber den Beschlüssen deS Abgeordneten- hauseS einige kleine Aenderungen erfahren hat, muß ste verfaffung?- mäßig noch einmal an die»zweite Kammer' zurück. DaS Gleiche gilt von der Novelle zum Stempel st euer- gesetz, deren Beratung sich zu einem Kampf zwischen den Ver- tretern deS mobilen und deS immobilen Kapitals, zwischen den Besuchern deS ZirkuS Busch und denen des Zirkus Schumann, gestaltete. Die Kosten werden schließlich zum guten Teil die minderbemittelten Schichten der Bevölkerung zu tragen haben, denen durch höhere MietSstcmpcl, durch die an Wahnsinn grenzende Besteuerung der Automaten und ähnliche Schönheiten neue Lasten aufgebürdet werden, unter denen namentlich die auch vom Reich als AuSbeuttmgSobjelte auSersehenen Gastwitte schwer zu seufzen haben werden. DaS einzig Vernünftige, waS das Herrenhaus getan hat, ist: daß eS die vom Abgeordneten- hause beschlossene Fahrradsteuer beseitigt hat. Der konservativ-klerikale Block und die Finanzreform. Aus parlamentarischen Kreisen erfahren wir über die Art, wie die konservativ-klerikale Mehrheit sich die Durchführung der Finanzreform denkt, folgendes: ES sollen zunächst einmal bewilligt werden, Z5S Millionen indirekte Steuern. Von der Kommission sind bisher an solche» bewilligt worden: Biersteüer 100 Millionen. Branntweinsteuer 80 Millionen, Tabaksteuer 45 Millionen, Schaumweinsteuer 5 Milli- onen, Kaffee- und Teczollerhöhung 35 Millionen, Parfumstcuer 8 Millionen, Zimdhölzersteucr 2S Millionen, Glühköipersteuer 20 Millionen, zusammen 318 Millionen. Wie der fehlende Rest aufgebracht werden soll, steht noch nicht fest. Der von der Rumpfkommission beschlossene KohlenauS- fuhrzoll und die M ü h l en u m s a tz st e u e r sollen fallen gelassen werden; dagegen wird an der KotierungSstouer festgehalten. Die Erbschafts   st euer wird auch in der Form der neuen Regierungsvorlage abgelehnt. Zwischen der zweiten und der dritten Lesung soll dann als Konzessionen an die Re- gierung die Kotierungssteuer auf 40 Millionen Ertrag ermäßigt werden, ferner soll eine Erbschaftssteuer aber lediglich für das mobile Kapital bewilligt und das dann etwa noch vorhandene Minus an Steuern soll durch eine Grund. stückSumsatz- und Wertzuwachssteuer gedeckt� werden. Die konservativ-klerikale Mehrheit rechnet damit, daß auf diese Beschlüsse hin Bülow und der Schatzsekretär Shdow demissionieren. Die Entscheidung über die Frage, ob diese Finanzrcform nun ohne und gegen Bülow und Sydow Gesetz werden soll, würde dann beiU Kaiser liegen.