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Gewerbfcbaftlfcbee� Konkurrenz für dengelben Bund". Im Zeitungswesen überholt eine Neuerung und eine Gründung die andere. Neu ist es daher auch nicht, wenn Unternehmer großer Betriebe für das Personal ihrer Fabrik besondere Zeitungen drucken lassen, in denen dieMilch der frommen patriarchalischen Denkungsart" gegendas ein- dringende sozialdemokratische und gewerkschaftliche Drachen- gift" wirksam verzapft werden soll. Das ist noch ein Feld der Tätigkeit für die edle Zunft der Schmocks, und sie bieten daher den Unternehmern ihre Dienste gefälligst an. Einen solchen Schützling der Unternehmer konnte das Hamburger Echo" namhaft machen und seinen Plan der Oeffentlichkeit preisgeben. Ein Schriftsteller Georg H a a s e versendet an Großindustrieetablissements Zirkulare, in denen er sich zur Anfertigung solcher Betriebszeitungen anbietet, die je nach dem Namen des Betriebes den Titel als:Be- triebszeitung für die Angestellten und Arbeiter von tragen soll. Alsvertraulich" teilt er mit: Diese Zeitschrift soll nun außerdem von einem Geiste durchweht sein, welcher dem bekannten zersetzenden Geiste der sonst von den Arbeitern gelesenen Blätter unauffällig, aber sicher entgegenwirkt. In vorsichtiger Weise, ohne daß der Leser die Absicht merkt, also in der Regel auch ohne daß die Sozialdemokratie genannt wird, soll den vermeint- lich wissenschaftlichen Fundamenten der sozialdemokratischen Parteilehre entgegengearbeitet werden. In einer RubrikTages- fragen",Wirtschaftliches " oderZeitstimmen" kann jedoch zuweilen offen der Standpunkt des Unternehmers erläutert und begründet werden, wenn auch vielleicht nur durch bemerkens- werte Zitate aus Unternehmerblättern, welche Auslassungen der Arbeiterpresse korrigierend gegenübergestellt werden. Durch diese Betriebszeitungen wird dann erreicht, daß der Arbeiter nicht mehr einseitig informiert bleibt. Man hat ja schon oft beklagt, daß der Arbeiter nichts anderes zu lesen bekommt als die sozialdemokratische Presse und daß diese Einseitigkeit zu der vollkommenen Verranntheit führt, in welcher die meisten Ar- beiter dem Unternehmertum gegenüber befangen sind." DieseBetriebszeitung", die 8 bis 12 Seiten stark pro Stück 3 bis 4 Pf. kosten würde, könnte, so meint Herr Haase, der Unternehmer als eine dem Arbeiter in diesem geringen Betrage gewährte wöchentliche Lohnzulage betrachten, wäh- rend der Wert des erstrebten Zieles überhaupt unschätzbar sein wird. Wie ersichtlich, schätzt der Herr seinneues" Unternehmen gar nicht gering ein. Ob aber das neue Heil, das er den Ar- beitern bringen will, bei diesen Anklang findet, ist billig zu bezweifeln. Nach unseren Erfahrungen wissen die Arbeiter dergleichen durch die Unternehmer ihnen aufgedrungene lite- rarische Erzeugnisse durch Benutzung an einem stillen Ort wohl zu würdigen, sie schätzen aber ihre Arbeiterzeitungen, deren Lesen ihnen kein Unternehmer verbieten kann. Für Herrn Haases Zeitung als Lohnzulage werden sich die Ar- beiter übrigens bestens bedanken, selbst wenn sie wöchentlich 3 Pf. ausmacht._ Berlin und illmzcgend. Wo bleibt die Stadtverwaltung? Die Bauarbeiten auf den städtischen Gasanstalten der Stadt Verlin , die von der Baufirma G. Müller in Tegel ausgeführt werden, stocken infolge der Stellungnahme der bauausführenden Firma den Arbeiterorganisationen im allgemeinen und den im Beruf bestehenden Tarifverträgen gegenüber. Obgleich im Berliner Baugewerbe neben der Frühstücks« und Mittagspause eine Vesperpause üblich ist, die auch infolge ihrer hygienischen Berechtigung seit 1899 im Tarifvertrage enthalten, diktiert die Firma Müller den bei ihr beschäftigten Maurern: Es wird von Mittag bis Feierabend ohne Pause gearbeitet.Was geht mich der Tarifvertrag an; bei uns gilt unsere Arbeitsordnung." Unter dem Druck der wirtschaftlichen Depression ging dies bis zum Frühjahr. Als aber schließlich an einem Tage seitens des Poliers an dem Bau des Gasbehälters in der Danziger Straße ver« langt wurde, es sollte noch über diese Zeit hinaus gearbeitet werden und diejenigen entlassen wurden, die dies verweigerten, kam es zur Sperre. Ob diese im Jnteresie der Stadt Berlin lag. ist zweifelhast. Es gibt Leute, die der Ansicht sind, daß es der städtischen Verwaltung ein leichtes gewesen wäre, hier vermittelnd einzugreifen. Aber auch in Tegel führt die Firma Müller auf dem Grund- stück der Berliner Gasanstalt etliche Bauten aus, darunter ebenfalls einen Gasbehälter. Diese Arbeiten müssen fachmännisch äußerst sauber und gewissenhaft ausgeführt werden und stehen darum unter ständiger Kontrolle der städtischen Vauverwaltung. Diese Bor - ficht wird auch dem Nichtfachmann verständlich, wenn man bedenkt, daß der Gasbehälter nur aus der Ringmauer besteht und jede innere Versteifung durch Querwände fehlt. Seitens der Firma G- Müller wurde an diese Arbeit ein junger Polier namens Behrendt als Beauftragter hingestellt, der sich weniger durch Erfahrung und große Kenntnisse im Beruf als durch schneidiges Borgehen gegen die Arbeiter auszeichnete. Bei den dort beschäftigten Maurern hatte er keinen besonderen Stein im Brett. Hinzu kam. daß er über die Ausführung der oben skizzierten Arbeiten andere Anschauungen vertritt wie der städtische Bauftihrer. Verlangte dieser jede Mauerschicht sauber mit dünnflüssigem Mörtel ausgegossen, um jede Fuge vollkommen zu dichten, so meinte der Polier dagegen:Pinselt nicht so viel; es kommt noch mehr Mauerwerk rauf I" Nebenbei liefen willkürliche Entlassungen solcher unbotmäßigen Maurer, die sicherfrechten", i» d e n P a u s e n für ihre Organisation zu wirken. Aber alle? hat seine Grenze. Als am Montag, den 14. d. M., der Herr Polier Behrendt wiederum einen Maurer um 10 Uhr vormittags entließ, der in der Frühstücks« pause für die Organisation agitiert hatte, sprang der Bogen und alle übrigen Maurer legten sofort die Arbeit nieder. Durch den städtischen Bauführer wurde die Sache noch einmal bei- gelegt, indem er den Maurer wieder an die Arbeit schickte. Jedoch wurde um 12 Uhr mittags die Entlassung des Maurer auf­recht erhalten und damit auch die Sperre perfekt. Kommt man jetzt auf die Gasanstalt in Tegel , so gewährt der Bau einen eigentümlichen Eindruck: in die Lüfte ragende Bogen« konstruktionen, halbfertige Pfeiler, kurz, liegengelassene Arbeit. Der Schaden, der an diesem Zementmauerwerk angerichtet wird, ist ziemlich bedeutend. Es läge unseres Erachtens im Jnteresie der Berliner Stadt« Verwaltung, wenn in solchen und ähnlichen Fällen von dem Unter- nehmer verlangt würde, daß er die tariflichen Bedingungen innehält und die berechtigten Forderungen der Arbeiter erfüllt. Auch ei» Erfolg der Vertrauensseligkeit! In demAmtlichen Publikationsorgan der Großen Berliner Straßenbahn", datiert vom 19. Juni, ist ein Bericht von einer Ver- trauenZmännervcrsammlung enthalten, die am 15. Juni stattfand. Der Bericht verschweigt gänzlich einige interessante Begebenheiten ml? dieser Versammlung. Es wird zum Beispiel nichts davon er« zählt, daß Direktor Meyer gegen dieRoten " vom Leder zog. Direktor� Meyer ließ erkennen, daß sich die Gesellschaft kräftig gegen diePartei der Roten" wenden müsse. Daß die An­gestellten mit den bestehenden Verhältnissen sehr un- zufrieden sind, wird in dem Bericht selbst hervor- gehoben. Die(gelben) Vertrauensmänner erzählten, welche große Unzuftiedenheit unter den Leuten herrsche. Dabei müssen die Vertrauensmänner sehr vorsichtig sein mit ihren Berichten, wie ein Vorfall aus der Versammlung beweist, der ebenfalls nicht in dem� offiziellen Bericht verzeichnet steht. Ein Vertrauensmann fragte nämlich gleich bei der Eröffnung an, ob e s g e st a t t e t sei, frei über die bestehenden Verhältnisse zu sprechen. Nach der vorigen Konferenz seien über einige Vertrauensmänner Geld st rasen ver- hängt worden, weil sie sich mit ihren Redengegen d ie D is zi p li n" v erg a n g en hätten.(!) Direktor Meyer wünschte auch diesmal, daßdie Disziplin" nicht verletzt(!) werde, sonst aber(I) köune jeder reden wie er wolle. Die Ver­trauensmänner hatten Auftrag, eine allgemeine Erhöhung der Gehälter zu verlangen, was die Direktion aber ablehnte. Gewünscht wurde: Bei Anstell, p. M. 105 M. Jetzt bestehende Lohnskala: nach 1 Jahr 3. 5 7 9 11 12 15 110 115 120 125 130 135 140 150 Bei Anstell. Im 1. u. Kilometergeld für Fahrer pro Tag 75 Pf. . p. M. Jr.,» 95 M. 100 103 110. 113 115, 118. 120, 125, 130. Kilometergeld für Fahrer pro Tag 50 Pf. Direktor Meyer wollte nichts von einer Erhöhung der Löhne wissen, damit sollten die Angestellten warten, bis die Direktion es für gut befindet, dieser Frage einmal näher zu treten. Die Gelben werden von dieser Antwort wenig erbaut sein, müssen sich aber damit abfinden als den Erfolg ihrer bisherigen Taktik. Die Ver- trauensmänner sprachen ihr Bedauern darüber aus, daß sie eine ab- lehnende Antwort mit nach Hause nehmen müßten,zumal sie der Ansicht sind", so heißt es in dem offiziellen Bericht,daß die Ge- sellschaft wohl in der Lage sei, ihre Bitte zu gewähren". Ob sie bald einsehen werden, daß man mit Bitten und Seufzen bei einer kaltblütig rechnenden Gesellschaft nichts er- reichen kann? I_ Der Tarifvertrag der Rahmenvergolber läuft, wenn er recht- zeitig gekündigt wird, mit dem 30. September dieses Jahres ab. Er besteht in seiner jetzigen Form seit dem 18. Oktober 1907. Damals wurde eine Lohnerhöhung um 7 Proz. erreicht und der Minimalstundenlohn auf 65 Pf. festgesetzt, die tägliche Arbeitszeit auf 8l4 Stunden. Am Montag fand nun bei Merkowski in der Andreasstraße eine allgemeine Versammlung der Rahmenvergolder statt, um über den Tarif zu beraten. Der Obmann Ott? Schulze schilderte die bestehenden Lohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die allgemeine Lage und überließ es den Versammelten, ihre Meinung über die Tariffrage zu sagen. Er gab auch das Resultat einer Statistik bekannt, das jedoch nicht voll- kommen war, da ein Teil der Fragebogen nicht an die rechte Adresse gelangt oder nicht rechtzeitig ausgefüllt worden war. Soweit das statistische Material vorlag, was für ungefähr der in der Branche Beschäftigten der Fall war, zeigte es, daß die Rahmenvergolder sehr gut organisiert sind und daß die verein- harten Lohn- und Arbeitsbedingungen mit wenigen Ausnahmen allgemein durchgeführt sind, allerdings so, daß ein großer Teil der Rahmenvergolder nur den Minimallohn von 65 Pf. erhält, obwohl dieser eigentlich nur für minimale Leistungen gelten sollte und der Tarifvertrag ausdrücklich bestimmt, daß tüchtigen Arbeitskräften höhere Bezahlung zusteht. Im übrigen hat die Statistik er- geben, daß über% der Beschäftigten im verflossenen Jahre von niehr oder minder langdauernder Arbeitslosigkeit betroffen waren, also um so mehr unter den unzureichenden Löhnen zu leiden hatten. In der Diskussion trat denn auch allgemein die Meinung hervor, daß eine Erhöhung des Minimallohnes unbedingt erforderlich ist und daß besonders auch für Aushilfsarbeit mehr als sonst ver- langt werden muß. Hinsichtlich der Arbeitszeit hielt man es für besonders wünschenswert, daß für den Tag vor den hohen Festen der Feierabend um zwei Stunden ftüher festgesetzt wird. Die Versammlung kam jedoch zu keinem Beschluß über die ver- schiedenen Vorschläge. Sie sollen zunächst in den Werkstatt- sitzungen besprochen werden und dann in einer über 14 Tage statt- findenden neuen Versammlung zur Entscheidung kommen.., veutkedea Reich. Der Terrorismus der Hamburger Bauunternehmer zeitigt nachgerade wunderbare Blüten, versagt aber im Kampfe gegen die Arbeiter. In den letzten Tagen ist vom Baugewerbe - verband ein umfangreiches Zirkular an die Unternehmer und Bau- Materiallieferanten in ganz Deutschland verbreitet worden. Das Zirkular ist überschrieben:Arbeits- und Materialsperre im Bau- gewerbe des Vierstädte-Bezirks". In diesem Zirkular versucht der Vorsitzende des Baugewerbeverbandes zu Hamburg die Tat- fachen einfach auf den Kopf zu stellen. Herr Lummert schreibt: Die Veranlassung zu der Aussperrung sind die Forde- rungen der Maurergesellen, Zimmergesellen, Bauhilfsarbeiter, Betonarbeiter und Zementierer auf Lohnerhöhung. Ursprüng- lich waren die Forderungen auch auf Arheitszeitverkürzung, daneben aber auf eine ganz Undefinierte Lohnerhöhung gerichtet. Diese dreisten Forderungen wurden später allerdings ermäßigt.,.." Den eigentlichen Grund verschweigt Herr Lummert wohl- Weislich; wollte er die Tatsachen wahrheitsgemäß berichten, dann müßte er eingestehen, daß die Unternehmer zunächst den Beton- arbeitern und Zementierern 5 10 Pf. am Stundenlohn abge­zogen haben, wodurch sie sich eines Vertragsbruches schuldig ge- macht haben. Interessant ist, was Herr Lummert weiter schreibt: Der Verlauf von uns ausgesprochener Arbeitssperre ist demnach für das ganze deutsche Baugewerbe von weit- gehender Bedeutung." Auch wird das System der schwarzen Listen in dem Rundschreiben besprochen und seine Wirkung in Verbindung mit noch anderen Kontrollvorschriften verherrlicht; die Einstellung der in Hamburg ausgesperrten Arbeiter soll dadurch verhindert werden. Der Schreiber oder Unterzeichner des Zirkulars preist sodann den Terrorismus. Den Erfolg dieser Gewaltmaßregeln nennt er einegute erzieherische Wirkung", wie aus dem nach- folgenden Satz hervorgeht: Wir haben gegen unsere Kollegen die härtesten Maß- regeln getroffen, die in Verbindung mit unseren fort- gesetzten Ermahnungen einb recht gute erzieherische Wirkung ausgeübt haben." Das Rundschreiben schließt: Unsere Arbeitssperre steht Unter dem günstigen Zeichen der Solidarität der Baumaterialienlieferanten. Die Lieferanten haben die Materialsperre mit aller Energie und mit lobens- werter Einmütigkeit zur Anwendung gebracht, so daß binnen kurzer Zeit auch die Betriebe der Abtrünnigen und Außen- stehenden stilliegen werden. Im übrigen dürfen wir schon jetzt unfere Arbeitssperre als eine radikale bezeichnen! Nichtsdestoweniger werden die Arbeiterverbände auf ihren Forderungen bestehen, da ihnen reichliche Geldmittel zur Streik- Unterstützung zur Verfügung stehen. Darum fordern wir noch- mals dringend die Anwendung der äußersten Mittel, um die hier abgeschobenen und zureisendcn Gesellen von der Arbeit in den Betrieben unserer auswärtigen Kollegen fernzuhalten. Mit kolleg. Gruß! Waugewerbe-Verband zu Hamburg . W. Lummert, Vorsitzender." Der letzte Satz enthält sicher eine Wahrheit, denn daß vpr- läufig reichliche Geldmittel hei den Arbeitern des Baugewerbes vorhanden sind, ist richtig. Trotz der gewaltigen Anstrengungen, die der Vorstand des Baugewcrbe-Verbandes macht, um die Aus- sperrung zu vergrößern, will ihm dieses nicht gelingen. Teilweise hat sich die Zahl der zu unterstützenden Arbeiter im Laufe der letzten Woche sogar verringert; so hatten z. B. die Maurer Sonn- abend, den 12. Juni, 3126 Mitglieder zu unterstützen, wohingegen am 19. Juni nur 2780 Personen zu unterstützen waren, inkl. Betonarbeiter und Plattenansetzer. Diese Tatsache geht den Leitern des Arbeitgeherverbandes wider den Strich, weshalb sie nun zur Anwendung eines forcierten Terrorismus greifen. Die Asphalteure und Dachbecker in Leipzig sind ausständig geworden, weil die Unternehmer es verstanden haben, die Ver- Handlungen über den schon im April eingereichten Tarif zu ver- schleppen. Sie fordern die 9�>stündige Arbeitszeit, für Vor­arbeiter 65 Pf., für sonstige Arbeiter 55 Pf. und für Neueintretende 52 Pf. Stundenlohn. Ausständig sind etwa 200 Mann Tie Maler Nürnbergs treffen Vorbereitungen für eine Tarif- bewegung, da in diesem Jahre der Tarif abläuft. Bei den Ver- Handlungen, die vereinbarungsgemäß vor Ablauf über Ver- längerung oder Neuabschluß zu führen sind, sollen einige neue Forderungen geltend gemacht werden. Die Verwaltung der Filiale hat diese Forderungen in einem neuen Tarifentwurf formuliert, der in einer Versammlung der Arbeiter einstimmig gutgeheißen wurde. Ein sozialdemokratischer MißbilligungSantrag. Im Würzburger Gemeindekollcgium stellte Genosse Rausch den Dringlichkeitsantrag, das Verhalten des Magistrats hei der gegen- wältigen Aussperrung der Tischler und Bauarbeiter zu miß- billigen, insbesonder die Abgabe von gemeindlichem Eigentum zur Versorgung der Streikbrecher. Der Magistrat solle aufgefordert werden, sich in dem wirtschaftlichen Kampfe neutral zu verhalten und nicht den Unternehmern einseitig Begünstigungen zuteil werden zu lassen. Die große Mehrheit der liberalen und ultramontanen Stadtväter wendete sich scharf gegen den Antrag und zog gegen die organisierten Arbeiter los. Nur ein paar weiße Raben er- klärten sich für Annahme des Antrags, da er geeignet sei, die Ruhe unter den Ausgesperrten wieder herzustellen. Der Antrag wurde aber mit allen gegen 7 Stimmen abgelehnt. ». In der Tischleraussperrung ist ein vorläufiger Waffenstill- stand erzielt worden. Nach langen Verhandlungen vor dem Ge- Werbegericht kam eine Einigung dahin zustande, daß die Arbeits- zeit auf 56 Stunden pro Woche verkürzt und der Stundenlohn jetzt um 1 Pf. und nächstes Jahr wieder um einen Pfennig erhöht wird, außerdem werden für eine Reihe von Arbeiten Zulagen gewährt. Der Tarif soll bis 1. April 1911 laufen. Die Abmachungen gelten als angenommen, wenn bis 23. Juni von keiner Seite Einspruch erhoben wird.'___'_ Hualand. Immer noch Rache für den Generalstreik von 1903. In Amsterdam ist ein neues Reglement für die Gemeinde- arbeiter eingeführt, das die bei steigendem Dienstalter eintretenden Lohnzulagen regelt, die im allgemeinen von drei zu drei Jahren gewährt werden sollen. Bürgermeister und Magistrat haben jedoch die Anordnung getroffen, daß für die Arbeiter, die schon 14 und mehr Jahre im Dienst der Stadt tätig sind, statt der drei- jährigen eine zweijährige Lohnerhöhungsperiode gelten soll. Diese Bestimmung soll jedoch denjenigen, die sich an dem Generalstreik von 1903 beteiligt haben, nicht zugute kommen. Die Folge davon ist, daß diese Arbeiter ihr Lohnmaximum erst 5 Jahre später als sonst erhalten, soweit sie, wie das bei mehreren der Fall ist, 15, 20, ja 31 Jahre im Gemeindebetricb arbeiten. Das bedeutet für sie eine Einbuße von 250 bis 300 Gulden. Unsere Genossen im Stadt- Parlament hatten den Antrag gestellt, diese Ausnahmebestimmung zu beseitigen. Er kam am Mittwoch zur Verhandlung, wurde aber mit 27 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Außer den 6 Sozial» demokraten stimmten nur 3 Freisinnige dafür; dagegen aber stimmten sämtliche Klerikalen und Liberalen sowie 2 Freisinnige. Die Rache der Bourgeoisie für den Generalstreik der holländischen Arbeiterschaft, der doch nur ein Abwehrkampf gegen Zwangsgesetze war, kennt offenbar keine Grenzen. Letzte JVacbrlchtcn und Depefeben. Die Kirche gegen die Satire. Stuttgart , 22. Juni. (B. HJ Nach demDeutschen Volks» blatt" hat das bischöfliche Ordinariat in Rothenburg bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den verantwortlichen Redakteur desSimplicissimus" wegen des Bildes in Nr. 10 Strafantrag gestellt._ Verunglücktes Militärautomobil. München . 22. Juni. (W. T. B.) Das Auwmobil des Tele- graphenbataillons mit vier Offizieren und zwei Soldaten geriet heute in der Nähe von Menterschweige in einen Straßengraben. Tie Insassen wurden herausgeschleudert und die Leutnants Gras Tpreti und Krieg dabei schwer verletzt. Gegen die Organisation der Postbeamten. Paris , 22. Juni. (W. T. B.) In der Deputiertenkammer wurde ein sozialistischer Antrag, die Regierung möge die Maß. nahmen gegen das Syndikat der Postbeamten bis nach der Ab- stimmung über das Beamtenstatut aufschieben, mit 466 gegen 122 Stimmen abgelehnt. Eigenartige Streiktaktiker. Paris , 22. Juni. (W. T. B.) Eine Abordnung der Stall» burschen hat heute dem Ministerpräsidenten Clemenceau er- klärt, die Stallburschen seien entschlossen, während der Woche des Grand Prix und am Tage deS Grand Prix selbst nicht in den Aus- stand zu treten. Zunahme der Eholera-Erkrankuugen. Petersburg, 22. Juni. (W. T. B.) Seit gestern find<« Cholera 61 Personen erkrankt und 15 gestorben. Lerantw. Redakteur: Hans Weber, Berlin . Inseratenteil verantw.: Uh. Glocke» Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. Verlagsanstall Paul Singer& Co., Berlin S W, Hierzu 2 Beilagen u. Untcrhaltungsbl.