, GewerklcbaMicbes. Berlin und Umgegend. Der Ausstand der Berliner Baullempner deendet. Nachdem am Montag, den 2t. Juni, die Berliner Bauklempner den Schiedsspruch des Einigungsamtes des Gewerbegerichts ab« gelehnt hatten, fanden am 25. Juni nochmals Verhandlungen auf dem Gewerbegericht statt. Im Verlaufe dieser Verhandlungen konzedierten die Arbeitgeber noch folgendes: Es soll an den letzten Arbeitstagen vor den hohen Festen zwei Stunden früher Feierabend sein und diese zwei Stunden sollen im Lohn bezahlt werden. Außerdem soll es nicht erst bei einer Entfernung von 4 Kilometer, sondern bereits nach S'/z Kilometer Entschädigung für Fahrgeld geben. Die Vorschläge wurden am Sonnabend der Versammlung der Streikenden unterbreitet und nach lebhafter Debatte mit 221 gegen 43 Stimmen abgelehnt. Sodann aber wurde weiter debattiert über die Frage, ob in absehbarer Zeit durch Fortführung des Streiks noch wesentliches zu erreichen sei. Diese Frage wurde von den meisten Rednern verneint und der Vorschlag gemacht, den Streik abzubrechen. Dieser Vorschlag ist mit 136 gegen 125 Stiinmen angenommen wurde und ist da- mit der Kampf der Berliner Bauklempner beendet. In einer allgemeinen Klempnerversammlung, die gestern abend in den Andreassälen stattfand, berichtete Cohen über diesen Aus- gang der Bewegung. Große Aufregung und Unruhe entstanden und manche Unzufriedenheit gab sich kund. Von dem Beschluß der Streikenden wurde Kenntnis genommen und ihrer Haltung während der 13 Wochen des Kampfes Anerkennung gezollt.— Der Vertreter der Christlichen trat auf und empfahl— Mäßigung bei künfsigen Lohnkämpfen. Der Vertreter der Hirsch-Dunckerschengab zu bedenken, ob es nicht besser wäre, den Schiedsspruch anzunehmen, aber er begegnete starkem Widerspruch in der Versammlung, die ziemlich stürmisch verlief. Die Lohnbewegung der Staker. Die außerordentliche Mitgliederversammlung der Stakersektion veS Bauhilfsarbeiterverbandes, die am Sonntag im Gewerkschafts- hause stattfand, beschloß nach einem Referat Raaks und gründlicher Diskussion, die im vorigen Jahre gestellten Forderungen den Unter- nehmern von neuem vorzulegen. In der Hauptsache werden ge- fordert: 65 Pf. Stundenlohn für beide Gruppen des Berufs, Holz- arbeiter und Schütter; neunstündige Arbeitszeit mit der Ein- schränkung, daß Sonnabends eine Stunde, am Dage vor den Feier- tagen zwei Stunden früher Feierabend gemacht wird. Für Ueber- stunden werden 10 Pf. Zuschlag verlangt. Daran schließen sich noch einige Forderungen über Festsetzung der Akkordlöhne, Vergütung der Lauf- und Fahrzeit usw. In der Diskussion trat die Meinung hervor, daß die Unternehmer sich kaum sträuben werden, die 65 Pf. Stundenlohn zu zahlen, und daß, wenn heute vielfach weniger ge- zahlt wird, es hauptsächlich daran liegt, daß die Staker in ihrer allzu großen Bescheidenheit sich damit meist stillschweigend zufrieden gaben. Alle Redner verlangten dringend, daß die Durchführung der Forderungen so viel wie nur möglich beschleunigt werde. Ein- stimmig nahm die Versammlung eine Resolution an, in der, mit der Begründung, daß die jetzigen Löhne nicht ausreichen, den Pflichten gegen Familie, Staat und Kommune gerecht zu werden, die Einreichung der Forderungen beschlossen, und im übrigen erklärt wird, daß die Staker in die zu wählende Lohnkommission das Ver- trauen setzen, daß sie sich bemüht, die Angelegenheit auf schnellstem Wege zu erledigen. Auf die am Montag an die Unternehmer abge- sandten Forderungen wird bis spätestens Montag, den 5. Juli, um Antwort ersucht. In die Lohnkommission wurden Noak.Zupke, Lutz und Ochmann gewählt. 0eutfd,eo Reich. Schon wieder schwarze Listen! Sechs seiner berüchtigten Verrufserllärungen versandte der Gesamtverband Deutscher Metallindustrieller am 15., 18. und IS. Juni, durch die 187 Arbeiter und 12 Arbeiterinnen an frei- williger Arbeit gehindert werden sollen. Vom Kieler Kriegsschauplatz berichtet die bürgerliche Presse, daß in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend gegen Arbeitswillige Exzesse verübt worden sind. Zwei Arbeitswillige sollen durch Messerstiche übel zugerichtet sein. Der Tischler Buck soll irrtümlich als Arbeitswilliger angesehen und durch einen Schuß in den Hals verletzt worden sein. Was an der Verletzung der Arbeitswilligen wahr ist, läßt sich im Augenblick nicht ermitteln, da die Arbeitswilligen abgeschlossen sind, die bürgerliche Presse ihre Berichte aber durch die Polizei erhält. Der Tischler Buck ist tatsächlich in den HalS geschossen und liegt im Krankenhause. Auch hier ist noch nicht festgestellt, wer den Schutz abgegeben hat. Anzunehmen ist aber, daß Buck. der abends an dem Straßen- reinigungsdepot vorbeiging, den Schuß von Arbeitswilligen erhalten hat, denn nur diese sind mit Revolvern bewaffnet. Die Arbeitswilligen werden jetzt nach Feierabend im Depot fest- gehalten. Die Revolver haben sie auf endlich gestelltes Verlangen freiwillig ihren Vorgesetzten abgeliefert— so berichtet der Magistrat den bürgerlichen Blättern. Man beachte wohl: Die Revolver sind ihnen nicht abgenommen, sondern sie haben sie freiwillig ab- geliefert I Damit ist also gar keine Gewähr gegeben, daß nicht noch mancher Arbeitswillige Besitzer eines Revolvers ist. Die Polizei- behörde hat ihren vielen willkürlichen Maßnahmen eine neue hinzu- gefügt: Vier Restaurationen in der Nähe des Stratzenreinigungsdepots ist durch polizeiliche Verfügung bis auf weiteres die Schließung der Wirtschaft von 16 Uhr abends angeordnet worden. Die Polizeistunde tritt sonst erst um 1 Uhr nachts ein; ferner find drei Stehbierhallen in der Nähe des Depots Sonntag nachmittag bis auf weiteres ge« schlössen worden. Gründe für diese Maßnahmen hat die Polizei bis- her nicht angegeben. Wie verlautet, sind auf Bitte des Kieler Polizeipräsidenten vierzig Berliner Schutzleute zur Verstärkung der Kieler Polizeimannschaften in Kiel eingetroffen. Lohnbewegung im Töpfergewerbe. Der Abwehrkampf der Töpfer in E l b i n g ist nach sechswöchent« sicher Dauer mit gutem Erfolg beendet. Es gelan nicht nur, die Angriffe der Unternehmer auf den bestehenden Tarif zurückzuweisen, eS wurden vielmehr auch noch recht annehmbare Verbesserungen deS Lohnverhältnisses erreicht. Diesen Erfolg haben trotz mangelhafter Konjunttur die Töpfer Elbings vor allem ihrem eigenen geschlossenen Zusammenhalten und der guten Organisation zu verdanken. Der neue Tarif wurde auf zwei Jahre festgelegt.— In Rathenow , wo die Unternehmer den bestehenden Ofensetzcrtarif gleichfalls zwecks Abzugs gekündigt hatten, wurde dieser Unternehmertartf eben- falls auf der ganzen Linie gewährt. Es gelang nicht nur, die alten Positionen zu erhalten, es wurde auch die altdeutsche Arbeit, die bisher nicht tarifisiert war, mit guten Verbesserungen dem alten Tarif als Anhang einverleibt. Die neuen Abmachungen haben bis znm 1. Mai 1911 Gültigkeit. In Sommerfeld(Lausitz ) wird es in der Tonwarenfabrik von Roll u. Kreutz am 1. Juli zu einem Abwehrkampf kommen. Hier hatte die Firma den Tarif gekündigt und ist zwar nunmehr von Abzügen zurückgetreten, will aber den alten Tarif partout auf weitere 3 Jahre ohne jede Verbesserung festgelegt wissen. Hierauf konnten aber die Töpfer angesichts der notorisch niedrigen Löhne und der sonstigen mangelhaften Einrichtungen nicht eingehen, so daß sich verantw. Redakteur: Haus Weber» Berlin . Inseratenteil verantw.; die Verhandlungen zerschlugen. Es werden also am t. Juli zirka 40 Töpfer dieser Sommerfelder Firma in den Kampf eintreten. Die Holzarbeiter in Rheinland-Westfalen nützen ihren Erfolg über den Arbeitgeberbund für das Baugewerbe aus. Nachdem in der vorigen Woche die abgeschlossenen Verträge auf dem Gewerbe- gericht Essen deponiert waren, wurde mit dem Arbeitgeberbund zunächst vereinbart, daß das Bezirkseinigungsamt seinen Sitz in Essen haben soll. Als Vorsitzender desselben wurde Beigeordneter Rath gewählt. Die Schlichtungskommissionen in den Vertrags- orten sollen bis zum 1. Juli gewählt sein. In Dortmund , Gelsen- kirchen, Wanne, Rotthausen, Eikel, Röhlinghausen haben die meisten dem Arbeitgeberbund nicht angehörenden Firmen nun ebenfalls den Vertrag anerkannt. Die Streikenden sind bis auf zehn Mann in Dortmund , die in den nächsten Tagen Arbeit erhalten dürften, überall sofort wieder eingestellt. Jetzt haben die in Frage kommenden Arbeiterorganisationen den Unternehmern in Hagen und Recklinghausen Forde- rungen unterbreitet. Verlangt wird in Hagen an Stelle der 56stün- digen die 54stündige Arbeitszeit und 6 Pf. Lohnerhöhung. In Recklinghausen wird verlangt: 56stündige, bisher 60stündige, Arbeits- zeit und 7 Pf. Lohnerhöhung. Außerdem soll der in Dortmund usw. durchgeführte Vertrag anerkannt werden. Da die Unternehmer in Hagen bis zum 23. dieses Monats nicht geantwortet hatten — denselben war bei Einreichung der Forderungen drei Tage Bedenkzeit gegeben>—, wurde an diesem Tage von den Tischlern die Kündigung eingereicht und wird nach Ablauf derselben die Arbeit eingestellt werden, wenn sich bis dahin die Unternehmer nicht eines besseren besinnen und die Forderungen bewilligen. In Recklinghausen boten die Unternehmer Verhandlungen an. Diese finden gegenwärtig statt. Es scheint, als ob auch hier durch Einreichung der Mndigung erst nachgeholfen werden muß. Dieses wird geschehen, wenn in den nächsten Tagen eine Einigung nicht erzielt wird. Zuzug ist nach beiden Orten fernzuhalten. Eine Mitgliederversammlung der Verwaltung Dortmund des Deutschen Metallarbeiterverbandes erklärte, der auf der Hamburger Generalversammlung angenommenen Resolution zur Maifeier nicht zustimmen zu können, da sie gegen Beschlüsse früherer Ar- beiterkongresse verstößt. Die Versammlung mißbilligt desgleichen entschieden die Verhöhnung der Maifeier, wie sie in der zur Generalversammlung herausgegebenen Ulkzeitung enthalten sei. Die Versammlung sprach weiter die Erwartung aus, daß die Generalkommission der Gewerkschaften und der Parteivorstand sich über eine brauchbare Grundlage zur Unterstützung der aus Anlaß der Maifeier Gematzregelten einigen, desgleichen erwartet die Ver- sammlung, daß auf der nächsten Generalversammlung des Metall- arbeiterverbandes die Maifeieresolution wieder aufgehoben wird. Aus dem Hamburger Aussperrmtgsgeviete. Wie wir schon berichteten, erwartet man am 1. Juli eine Wendung im Kampfe. Ob diese Anyahme sich als richtig erweisen wird, mutz vorläufig abgewartet werden. Aus den Reihen der ausständigen Maurer und Bauhilfsarbeiter sind bei dem Gewerbegerichte eine Anzahl Klagen anhängig gemacht, weil die Unternehmer widerrechtlich das AkkordvcrhältniS durch die Aussperrung aufgehoben haben. In Arbeitcrlreisen er- wartet man mit Spannung das Urteil, da es sich vielfach um große Summen handelt. Wenn das Urteil für die beklagten Unternehmer ungünstig ausfällt, werden hunderte anderer Klagen folgen. Das Gewerbegericht hat den Verhandlungstermin schon mehrfach vertagt, was in Arbeiterkreisen zu allerlei Mutmaßungen geführt hat, man fragt sich verwundert, warum das Gewerbegericht diesmal so un- schlüssig ist. Die Aussperrung in Harburg ist nicht so umfangreich, wie man zuerst angenommen hat. Es sind von zirka 400 Mitgliedern des Maurerverbandes 104 ausgesperrt. Zimmerer sind 120 ausgesperrt Bauhilfsarbeiter 115, und andere Arbeiter, die hauptsächlich als Bauhilfsarbeiter am Bau arbeiten, aber als Mitglieder anderen Organisationen angehören(Fabrikarbeiter, Transportarbeiter usw.) sind zusammen 96 ausgesperrt, so daß in Harburg insgesamt 435 Arbeiter ausgesperrt sind. Bei diesen Zahlen ist zu beachten, daß die Zimmerer nach erfolgter Aussperrung eine Anzahl ihrer noch in Beschäftigung stehenden Kollegen aus taktischen Gründen veranlaßte, die Arbeit einzustellen. Die Mitglieder der christlichen Organisation, ebenso die vom Bochumer Verbände(polnisch), sind nicht von der Aussperrung be- troffen. In der Gemeinde Wilhelmsburg gehören die Unternehmer des Baugewerbes der Harburger Innung an. Diese haben ebenfalls einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeiter ausgesperrt. Einige Unter- nehmer in Wilhelmsburg haben sogar ihre Lehrlinge aussetzen lassen. Im ganzen sind in Wilhelmsburg 165 Arbeiter ausgesperrt. Christliche und freie Gewerkschaft im Lithographie-Steingebiete. Bekanntlich hat die Unternehmervereinigung der Sollenhofener Lithographie-Steinindustriellen alle christlich-organisierten Arbeiter ausgesperrt, weil sie eine Verschlechterung des vor zwei Jahren mit dem christlichen Verbände abgeschlossenen Tarifes nicht annehmen wollten. Die übrigen Arbeiter wurden weiter beschäftigt. Unter diesen befindet sich auch ein kleiner Teil in der freien Gewerkschaft organisierter Steinarbeiter, die in einer Versammlung zu der Frage Stellung nahmen, ob sie etwa den Streik der Christlichen durch einen Sympathiestreik unterstützen sollen. In der Versamm- lung wurde eine Reihe von Bedenken gegen eine solche Sympathie- bekundung an die Christlichen geltend gemacht; vor allem wurde darauf hingewiesen, daß die Christlichen seit Jahren die Frei- organisierten durch Denunziationen und Verdächtigungen aus dem Betriebe hinauszubringen suchten. Die vor der Aussperrung er- hobene Forderung, bei den Verhandlungen mit den Unternehmern auch die Freiorganisierten zuzulassen, wurde von den Christlichen schroff zurückgewiesen. Außerdem wurde der Gauleiter des Stein- arbeirerverbandeS, als er wenige Stunden vor der Aussperrung in einer christlichen Versammlung, die sich mit der Bewegung be- faßte, das Wort ergreifen wollte, in der empörendsten Weise be- handelt. In der gleichen Versammlung hob der christliche Zentral- Vorsitzende mit Pathos hervor, die Unternehmer dürften froh sein, daß die Bewegung nicht in die Hände der Sozialdemokraten ge- kommen sei, sonst ginge es den Unternehmern noch schlechter. Alle diese und andere Vorkommnisse erschienen der Versammlung nicht geeignet, Vertrauen in die Standhaftigkeit der Christ- lichen zu setzen. Die Zcntralleitung des Steinarbeiterverbandes hatte es daher ihren Mitgliedern freigestellt, ob sie in den Streik mit eintreten wollten oder nicht. Nach lebhafter Debatte beschloß die Versammlung in geheimer Abstimmung, den Sympathiestreik nicht zu proklamieren._ Polizeiliche LrveitSwilligenfürsorge. Der Arbeiter der Düngerfabrik Silbermann inLudwigs- Hafen a./RH. sind feit 10. Mai ausgesperrt, weil sie sich weigerten, den seitherigen Lohntarif weiterbestehen zu lassen. Es ist jetzt der Firma gelungen, durch Vermittlung eines Agenten Heßberger aus Altona , 16� Arbeitswillige aus Essen zu bekommen, die aber die Fabrik wegen der ihnen ungewohnten mörderischen Arbeit verlassen wollen. Die Arbeitswilligen werden innerhalb der Fabrik durch Polizei genau so beschützt wie außerhalb der Fabrik. Zu diesem Zwecke haben die Schutzleute Torschlüssel; wird ein Waggon heraustransportiert, so ist polizeiliche Begleitung dabei. Sonst sind alle Tore verschlossen. Ein Arbeitswilliger wollte durch das geöffnete Fenster mit den Streikposten sprechen, die Polizei befahl jedoch, das Fenster zu schließen. Vier Mann haben aber über die Umzäunung hinweg der gastlichen Stätte Valet gesagt, obgleich die Polizei die Arbeitswilligen so fürsorglich bewachte._ »h, Glocke, Berlin . Druck u, Verlag: Vorwärts Buchdr. u. VerlagSanstal» Busland. Der gesamte Straßenbahnverkehr von Pittsburg ist eingestellt worden, da die Wagenführer und Schaffner in den Ausstand ge- treten sind. Für den Fall, daß Streikbrecher herangezogen werden, wird der Ausbruch von Unruhen befürchtet. Gerichts-Zeitung. Klassenjustiz gibt es weder im Süden noch im Norde». 1. Die Strafkammer des Landgerichts Offenburg verurteilte vor einigen Wochen den Herausgeber eines Faschingsblatles in Horn- berg zu etlichen Monaten Gefängnis wegen der angeblich sittlich anstößigen Art seines faden Witzes. Vor demselben Gericht erschienen am Donnerstag der 41jährige Hofbauer B. Lehmann und sein 27jähriger Dienstknccht von Ob erharmersbach(Schwarz- wald) als Angeklagte. Beim Hofbauern dient ein 17jähriges Mädchen, das einen jungen Säger zum Schatz hat und ihm öfters, zuletzt in der Nacht vom 23. zum 29. März ein Schäferstündchen in ihrer Kammer gewährte. Die Mißgunst veranlaßte die beiden Angellagten zu folgender Brutalität: Als der Sägerbursche Herrmann sich in dem Schlafzimmer befand, wurde zunächst die den einzigen Ausgang bildende Tür mit einem Strick zugebunden und Wache gehalten, daß der Ge- fangene nicht entkommen konnte. Als nach einigen Stunden die Tür von innen geöffnet wurde, drangen Lehmann und Schilli ein und mißhandelten den Eindringling mit Fäusten und Füßen schwer. Nachdem ihm noch die beiden Hände mit einem Draht zusainmengebunden und ihm die Schuhe hinten an der Hosenschnalle befestigt worden waren, bewachten die beiden Angeklagten den Herrmann bis morgens fünf Uhr und ließen ihn erst jetzt, so wie er war, laufen, vermutlich. um ihu bei den Begegnenden lächerlich zu machen. Der Gerichtshof erkannte wegen erschwerter Körper- Verletzung und Freiheits beraubung auf eine—— Geldstrafe von 30 bczw. 10 Mark gegen den Hofbauern bezw. seinen Knecht. 2. Am Freitag saßen vor dem Leipziger Schöffen« gericht sieben Studenten auf der Anklagebank, nein, auf Stühlen, um sich gegen die Anklage des gemein- schaftlich verübten Hausfriedensbruchs und groben Unfugs zu verantworten. Am Abend des 28. Januar hatten die An- geklagten in dem„Intimen Theater" Radau gemacht. Vergeblich wurden sie zur Ruhe ermahnt und sSließlich des Lokals Verlviesen. Die Aufforderung, das Lokal zu verlassen, blieb unberücksichtigt. Die„ Studenten wurden schließlich von dem Wirt und den Kellnern gewalt- sam aus dem Lokal entfernt. Die Angeklagten suchten dann wieder in das Lokal zu dringen und wurden erst durch Prügel zum Weitergehen veranlaßt. Sie behaupteten in der Verhandlung, sie seien nicht sofort weggegangen, weil sie so roh behandelt und mit„Lausejungen" beschimpft worden seien. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt die Anklage nicht im vollen Umfange aufrecht, vielmehr meinte er, die Studenten hätten ein Recht gehabt, sich zu wehren, da sie grob behandelt worden seien I Der Verteidiger sprach sogar von Notwehr, in der sich die Radaubrüder befunden hätten. Das Gericht sprach die Angeklagten von der Anklage des gemeinschaftlich ver« übten Hausfriedensbruches frei, obwohl sie dessen „sehr verdächtig" seien, aber man habe von der Schuld der An- geklagten„nicht die volle richterliche Usberzeugung" ge« habt. Durch die Beschimpfung und Bedrohung hätten sich die Herren veranlaßt gesehen, noch einmal zurückzukommen, aber es sei nicht erwiesen, daß sie bewußt und in gewolltem Zusammenwirken gehandelt hätten. Wegen groben Unfugs dagegen wurden die„Herren Angeklagten" mit fünfzehn Mark Geldstrafe oder fünf Tagen Haft belegt.— Unmittelbar nach dieser Verhandlung mußte sich ein Arbeiter auf die Anklagebank fetzen. Er hatte sich auch flegelhaft be« nommcn, war betrunken in einen Barbierladen gekommen und hatte den Barbier beleidigt, so daß dieser ihn hinauslvics und die Tür hinter ihm schloß. Von draußen schlug der betrunkene Arbeiter eine Scheibe ein. Der Arbeiter wurde mit zwölf Tagen Ge- fängnis bestraft._ Jähzorn und Alkohol haben den Maurer Wilhelm Kaiser und seine Familie ins Unglück gestürzt.- Unter der Anklage der Körperverletzung mittels gefähr» lichen Werkzeuges mußte sich K. gestern vor dem Strafrichter ver- antworten.— Am Solinabend, den 13. Februar d. I. hatte der bis- her völlig unbescholtene Angeklagte sich von unverheirateten Arbeits- kollagen verleiten lassen, einen Teil seines Wochenlohnes in einer Schankwirtschaft in Bier und Schnaps umzusetzen. Schon auf der Heimfahrt kam es zlvischen ihm und dem Bauarbeiter Bork in dem Stadtbahncoupö zu Streitigkeiten, die sich später auf der Straße fortsetzten. Als ihm Bork ein Schimpfwort zurief, stürzte der An- geklagte mit einem offenen Messer auf ihn zu und brachte ihm mehrere Stiche in den Kopf und die rechte Brustseite bei. Bork stürzte blutüberströmt und besinnungslos zu Boden. Er wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht, wo er nach etwa drei Wochen ver- starb. Der Angeklagte st eilte sich sofort nach der Tat freiwillig der Polizei. Das Verfahren gegen ihn lautete erst aus Körperverletzung mit tödlichem Ausgang. Da sich später aber herausstellte, daß als eigentliche Todesursache Magenkrebs in Frage kam, wurde gegen Kaiser nur Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben.— Vor Gericht erklärte der Angeklagte, daß er selbst nicht wisse, wie er zu der Tat ge- kommen sei. Der Staatsanwalt beantragte zwei Jahre Gefängnis, das Gericht erkannte auf ein Jahr und sechs Monate Gefängnis. Letzte JVacbricbten und Depefcben. Erloschenes Mandat. Koblenz , 28. Juni. (W. T. B.) Der„Koblenzer VolkSzeitung" zufolge ist der Reichstags- und preußische Landtagsabgeordnete Well st ein, Vertreter des Wahlkreises Koblenz 3, zum Senats- Präsidenten in Hamm i. Westf. befördert worden. Damit sind feine Mandate erloschen. Der Wahlkreis gehört zum sicheren Besitzstande der Zentrums- Partei. Bei der letzten Reichötagswahl erhielt der dem Zentrum angehörende Wellstein 19 232 Stimmen von 27 386 insgesamt ab- gegebenen Stimmen. Unser Kandidat, Genosse Hüttmann, er« hielt 2172 Stimmen._ Erfolgreicher Streik. Breslau , 23. Juni. (B. H. ) Eine Versammlung der Berg- arbeiter der Fürstlich Pleßschen Brabe-Grube in Oberschlesien be- schloß, nachdem die Schichtlöhne um 70 Pf. erhöht wurden, heute die Arbeit wieder aufzunehmen. Lievcsdrama in einem Eifenbahnzuge. München , 23. Juni. (B. H. ) In einem Borortzuge gab heute nachmittag ein Telegraphenarbeiter wegen verschmähter Liebe auf ein 19jShrigcs Mädchen einen Revolverschuß ab, der sie leicht ver- letzte. Darauf brachte er sich selbst eine lebensgefährliche Schuß- Verletzung bei._ Ein gemütliches Spielchen. Madrid , 28. Juni. (B. H. ) In einer Spielhölle zu Marin forderte ein unglücklicher Spieler mir dem Revolver in der Hand die beiden Bankhalter auf, ihm sein Geld zurückzuerstatten. Die Be- drohten zogen sofort ebenfalls ihre Revolver, worauf zahlreiche Schüsse gewechselt wurden. Als die sckilcunigst herbeigerufene Polizei eintrat, wurden drei Tote und fünf Verletzte aufgefunden. Die Polizei be« schlagnahmte eine Summe von 125 000 Frank._ Mgul Singer Li Co.. Berlin LVV. Hierzu 2 Beilagen u.Unterhaltungsbl.
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