It. 154. 26. JalMvg. cilage des Jarmärts" Kali« Diesstsg, 6. Juli 1909. Reichstag* 875. Sitzung vom Montage den 5. Juli, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstische: Sydow, v. Rheinbabe». Erster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Beratung eines Gesetzes wegen Acnderung des Schanlgefäß- gcsetzcs. Der Entwurf schlägt vor, Schankgefäße zuzulassen, deren Soll- inhalt vom halben Liter abwärts durch Stufen von Zwanzigteilen (statt bisher Zehnteilen) des Liters gebildet wird. Ferner soll die höhere Verwaltungsbehörde befugt sein, den Mindeslbetrag des Ab- standes zwischen Fiillstrich und Rand von einem Zentimeter auf zwei Zentimeter zu erhöhen. Abg. Neuner(natl.) beantragt die Ueberweisung des Entwurfs an eine Kommission, damit Uebergangsbestimmungen geschaffen werden. Abg. Zubeil(Soz.): Es muß Klarheit geschaffen werden, ob die nur auf Zehnteile eines Liters geeichten Gefäße der Nacheichung bedürfen. Wie soll es ferner mit den Weißbiergläsern gehalten werden? Auch eine Ueber- gangszeit zur Ermöglichung der Nacheichung muß geschaffen werden. Dem Gastwirt, der in gutem Glauben Gläser kauft, werden sie von der konwollierenden Polizei konfisziert und außerdem wird er gerichtlich bestraft. Es müssen Kautelen geschaffen werden, daß nicht der Gastwirt, der die unrichtig geeichten Gläser in gutem Glauben kauft, bestraft wird, sondern der Fabrikant, der sie fabriziert. Aus allen diesen Gründen verlangen wir die Ueberweisung des Entwurfs an eine Koinmisston von 14 Mitgliedern.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Geheinirat v. JonquidreS: Die auf Zehntelliter geeichten Gläser sind nach diesem Gesetzentwurf auch in Zukunft zulässig; daneben sollen auch in Zwanzigstelliter geteilte Gefäße gestattet sein. Das Gesetz soll die Abwälzung der Kosten der Branstcuer auf die Kon- sumenten ermöglichen. Deshalb ist es praktisch, wenn es ohne Uebergangszeit zugleich mit dem Brausteuergesetz in Kraft tritt. Der zweite Teil des Gesetzes bezieht sich im wesentlichen auf Mißbräuche beim Einschenken in Süddeutschland . Abg. Dr. Pachnicke: Auch wir schließen uns dem Wunsche auf Kommissionsberatung an. Hoffentlich arbeitet die Koinmisston sehr schnell. Abg. Zubeil(Soz.): Wenn nach dem zweiten Teil des Gesetzes baS Schaumraummaß größer wird, so werden fast sämtliche Gläser einer Nacheichung unterzogen werden müssen. Schon deshalb ist eine Uebergangszeit nötig. Es mutz also in der Kommission gegen willkürliche Schädigung der Gastwirte durch das Gesetz Sicherheit geschaffen werden. Damit schließt die Diskussion. Der Entwurf wird a» eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen. Dagegen stimmen die Rechte und das Zentrum, die nur schwach besetzt find. Es folgt die zweite Beratung über daS Erbrecht deS Staates. Die Kommission beantragt, den Entwurf abzulehnen. Abg. Dr. Junck(natl.): Wir müssen Verwahrung dagegen ein- legen, daß eine Gesetzgebung, die diesen Entwurf vorschlägt, etwa den Familiensinn zerstört. Es kann gar keine Rede davon sein, daß dieses Gesetz etwa einen kommunistischen Gedanken fördert. Wir stimmen seinem Grundgedanken, der im Volle populär ist, zu. Wenn eS einmal zur definitiven Finanzreform kommt, werden wir auch den Gedanken der Erbschaftssteuer, der ebenso gesund und populär ist. wieder aufnehmen.(Bravo I links.) Abg. Dove(frs. Vg.): Auch wir halten den Grundgedanken der Borlage für einen gesunden sozialen und stimmen dem Gesetze zu. Wir halten die Vorlage für weit besser als manches der Hundstags- Produkte, die uns in den letzten Tagen vorgelegt sind.(Sehr gut! links.) Abg. Ulrich(Soz.): Ein angesammeltes Vermögen ist nicht daS alleinige Produkt eigener Arbeit des Besitzers, sondern der gemeinsamen Arbeit aller in Frage kommenden Faktoren. Aus diesem prinzipiellen Grunde meinen wir, daß das Erbrecht des Staates an sich eine gesellschast- liche, soziale Berechtigung hat. Deshalb dreht eS sich für uns bei dieser Vorlage lediglich darm», diesen sozial berechtigten Gedanken festzulegen. Aber ich will von vornherein auS- drücklich erklären, daß wir mit der Vorlage, wie sie von den Ver- kündeten Regierungen gemacht ist, im einzelnen nicht einverstanden sind. Für ein wirklich erfolgreiches Erbrechts des Staates genügen die gemachten Vorschläge keineswegs. Wir weichen in unserer Auffassung über die Bedeutung der zur Finanzreform vor- kleines feuiUeton. Wie Peter der Große in Rußland „reformierte". Die Zwei- Hundertjahrfeier der Schlacht bei Poltawa , die auf den 8. Juli fällt, gibt dem„Journal des DebatS " Anlaß, zu erinnern, wie viele Schlachten anderer Art Peter der Große schlagen mußte, um seinen halb barbarischen Untertanen die feinen Sitten Westeuropas auf- zuzwingen. Es lag ihm vor allem daran,„Salons" nach Pariser Art zu'schaffen und die Frauen, die bis dahin in einer Art Klausur gelebt hatten, in die Welt einzuführen: sie sollten in der Gesellschaft erscheinen, sich mit den Männern unterhalten, scherzen, tanzen, kurz alles tun, was die verschüchterte russische Frau bis dahin zu tun vermieden hatte. Um seinen Zweck zu erreichen, erließ er einen Ukas nach dem andern, und wehe der vornehmen Frau, die dem kaiserlichen Befehl zu trotzen wagte: sie wurde ohne weiteres „in Behandlung genommen" und mit der Knute zur Einsicht gebracht. Die Herren bekamen den strikten Befehl, bei den Gesellschaftstänzen ihren Damen schallende Küsse zu applizieren. Die langen Röcke, die zur Nationaltracht der Russen gehörton, wurden von der Polizei auf offener Straße kurzerhand zerschnitten oder wenigstens kürzer gemacht; ein UkaS vom 29. August 1699 verurteilte das Nationalkostüm der Männer zum Tode und befahl die Einführung von Kleidern nach französischem und ungarischem Schnitt. Auch den langen Bärten wurde der Krieg erklärt, und Leute, die sich ihren struppigen Vollbart nicht wegrasieren lassen wollten, mußten eine Ergänzungssteuer vvn 1<X1 Rubel zahlen. Iwan Naumow, der Furcht vor dem Rasiermesser hatte, wurde im Jahre 1704 auf offenem Markte gepeitscht. An den Kirchentüren standen Soldaten, die rebellischen Bartbesitzern in grausamer Weise die Bärte ausrissen. Die Bauern waren folgsan,er als die vornehmen Herren; sie schnitten sich seufzend den Bart ab, bewahrten jedoch die abgeschnittenen Haare sorgsam auf. um sie sich bein, Tode in den Sarg legen zu lassen und dem Heiligen Nikolaus im Jenseits zu Leweisen, daß sie des Mannes Zier ganz gegen ihren Willen geopfert hatten. Trotz aller Neuerungen blieben die russischen Sitten noch viele Jahrzehnte im argen. Am Geburtstage Katharinas II. sprang einmal ein Senator mitten auf den gedeckten Tisch und stieg mit den Juchtenstiefeln in die Schüsseln. Im Jahre 1721 noch konnte es vorkommen, daß man an der kaiserlichen Tafel Ohrfeigen verteilte und dann vor Rührung und Besoffenheit laut schluchzte. Peter der Große selbst goß einmal in übermütiger Laune den Inhalt seines Suppentellers auf den Kopf und auf den üppigen Busen der Fürstin Galitzin. Der Scharfrichter von Haarlem . Einen besonder? schauerlichen Ruf besaß in Holland immer der Scharfrichter von Haarlem . Es gelegten Gesetze von der Auffassung aller anderen Parteien ab und werden uns bei diesem Gesetz lediglich von dem in ihm liegenden sozialen Gedanken treiben lassen und bei unserer Abstimmung in der zweiten Lesung lediglich dem sozialen Prinzip zustimmen. Was wir in der dritten Lesung tun werden, hängt im wesentlichen davon ab. wie dieses von uns als richtig erkannte Prinzip zum Durchbruch gelangt. Zur Vorlage selbst meine ich, daß der Antrag der Kommission nur eine durchaus konsequente Handlung ist im Hinblick auf das, was wir von der Mehrheit bereits gesehen haben. Der neue schwarz- blaue Block, der Schnapsbrüderblock(Heiterkeit), hat als ausgesprochenes Prinzip für seine ganze Finanzreform tatsächlich den Satz aufgestellt: die Besitzenden zu schonen und nur die Nicht- besitzenden zu belasten.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Es kann doch niemand leugnen, daß die Biersteuer, die Tabak- belastung, die Belastung des Branntweins im wesentlichen die Genuß- mittel der ärmeren Volksklassen belasten. Nachdem es den Konservativen mit ihren Verbündeten, dem Zentrum und den Polen , gelungen ist, diese Belastung durchzudrücken, halte ich es nur für durchaus folgerichtig, daß die Herren nun ver- langen, dieses Erbanfallrecht des Staates soll beseitigt werden. Ich sehe eigentlich nicht recht ein, woher die gewaltige Aufregung der Herren rührt, welche den Entwurf pure ablehnen wollen. Die von den Herren angegebenen Gründe treffen meiner Auffassung nach keineswegs zu und können wohl von der Mehrheit selbst nicht erust genommen werden.(Sehr richtig I links.) Schon die Geschichte mit dem Familiensinn ist mehr als fadenscheinig. Wie kann es den Familiensinn zerstören, wenn Familienmitglieder dritten, vierten, fünften, sechsten, siebenten Grades, an die der Erblasser gar nicht mehr gedacht hat, die vielleicht selbst nicht gewußt haben, daß sie noch einen reichen Onkel oder etwas Derartiges haben, nicht mehr erben dürfen und an ihre Stelle der Staat tritt? Wenn die Herren den Familiensinn retten wollten, so hätten sie Gelegenheit dazu gehabt bei der Belastung der Lebens- und Genußmittel. Nichts zerstört den Familiensiim mehr, als wenn der Lohn zum Haushalt des Arbeiters nicht mehr ausreicht. Brot, Mehl, Fleisch teurer werden und die Frau am Ende der Woche fragen muß, wie sie mit dem Lohn des Mannes den Haushalt bestreiten soll.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Und diese Zerstörung des Familiensinns wird gerade am besten mit Ihrer(nach rechts) Be- steuerung der notwendigsten Lebens- und Genußmittel in wirk- samster Weise erreicht.(Lebhaftes Sehr richtig I bei den Sozialdemo- kraten.) Was will nun der Entwurf? Er will ganze 5 Millionen Mark aus diesem Erbrecht des Staates. Bei den 500 Millionen, die im ganzen für die Finanzreform verlangt werden, ist das eine Summe vou ganz geringer Bedeutung. Diese bescheidene Forderung der Re- gierung, die uns absolut nicht befriedigt, ist in der Kommission mit Argumenten bekänipft worden, die unmöglich auch von denen, die sie gebraucht haben, im Ernst für stichhaltig gehalten werden können. Die Herren der Mehrheit lehnen eben alle wirklich den Besitz treffenden Steuern, d. h. solche, die nicht abgewälzt werden können auf die wirtschaftlich schwachen Schultern, ab.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Man muß wirtlich den Kopf schütteln über die Argumente, die in der Kommission vorgebracht wurden. Der eine meinte, die Vorlage verletze das Zusammengehörig- keitsgesühl der Familien und den Gerechtigkeitssinn I In der Tat ist es ein Hohn auf jede Gerechtigkeit, wenn die bürgerlichen Parteien die Lebenshaltung der Arbeiter durch die 400 Millionen indirekter Steuern verteuern und dann bei einer solchen Besitzsteuer so tun, als wenn die Gerechsigkeit verletzt werde.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ein anderer meinte in der Kommission, das sei nicht mehr ein Ebrecht, sondern ein Erb raub des Staates I Run, das Raubrecht haben ja die Vorfahren derer, die sich heute gegen diese Steuer wenden, sehr gut auszuüben verstanden, und damals hat fteilich mancher von ihnen auch am Baume gebaumelt, wenn er bei seinen Raubzügen erwischt wurde. Das haben die Herren heute nicht nötig. Sie halten die Klinke der Gesetzgebung in der Hand und rauben so das Volk systemattsch aus.(Sehr war b. d. Soz.) Präsident Graf Stolberg: Wenn Sie von Räubern, Raubzügen und dergl. sprechen, so nehme ich an, daß Sie damft nicht Mitglieder dieses Hauses meinen.(Große Heiterkeit.) Abg. Ulrich(fortfahrend): Die Annahme deS Herrn Präsidenten ist durchaus richtig, aber deswegen bleibt doch das, was ich gesagt habe, historisch richtig und rechtlich unanfechtbar. Erbraub, meine Herren! Ich sehe heute noch den Herrn Schatzsckretär, wie er kreide- bleich wurde, als dieser Ausdruck fiel.(Heiterkeit.) Er sah sich auf der Anklagebank als Erbräuber.— Ein anderer Herr meinte in der Kommission entrüstet, das Gesetz enthalte einen unsozialen Zug, indem es die Allerreichsten begünstige. Das trifft ja auf all die Gesetzentwürfe zu. die die Mehrheit bisher verabschiedet hat!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ein vierter Herr fand eS sogar kam das daher, daß die größeren Städte Hollands zeitweise keinen Scharfrichter hatten und er nach den verschiedensten Plätzen des Landes kommen mußte, um dort seinen blutigen Beruf zu erfüllen. So kommt es, daß man den„Scharfrichter von Haarlem " noch heute in Holland als Schreckensnamen anführt. Die Kopie einer Henkers- rechnung, die Zeugnis für die Berechtigung dieses Namens ablegt, veröffentlicht das„Algemeen Handelsblad". Sie lautet: Copie aus der Rechnung des mütoUNUL äs VOGEL Scharfrichter von Haarlem und Umgegend verrichtet in Amsterdam am 17. Dec. 1712. Gulden Eine Enthauptung.............. 6.00 Für das Schwert............... 8.00 Für daS Tuch................ 3.00 Für den Sarg...............- 3.00 Einen erdrosselt............... 6.00 Abgenommen und eingesargt........... 3,00 Einen gerädert. 9 Schläge, 8 Gulden pro Stück... 27.00 Für das Erdrosseln.............. 6.00 Abgenommen und nach draußen befördert...... 9.00 Zwei gehängt und das Schwert überm Kopf(angedroht) 18.00 Einen abgenommen und nach draußen befördert.... 9.00 Einen abgenommen.............. 3.00 Vier an den Galgen gehängt, 6 Gulden pro Stück... 24.00 Einem das Schwert überm Kopf(angedroht)..... 3.00 Zwei öffentlich an den Pranger gestellt....... 12.00 Vierundzwanzig gegeißelt, 3 Gulden pro Stück.... 72.00 Dreien das Schwert überm Kopf(angedroht)..... 9.00 Einem den Kuhfuß und an den Pranger...... 6.00 TageSgeld................. 12.00 Meilengeld................. 12.00 Für Stricke................. 12.00 Für die Gehülfen............... 12.00 Eine ganz hübsche Tagesleistung. Summa. 276.00 für angebracht, zu sagen, daß dieser Gesetzentwurf mehr noch als die Fahrkartensteuer die Wut in der Masse entflammen werde; das Gesetz fei „der erste Schritt zur Verwirklichung der sozial» demokratischen Ideen." Die Junker und Junkergenossen taten so, als ob ein Grauen vor dem Znkunftsstaat sie bei diesem Gesetz befiele, während sie doch in Wirklichkeit genau ivissen, daß mit dieser Vorlage der Zukunftsstaat noch lange nicht kommt. Wenn wir einmal dazu kommen, das Erbrecht des Staates in unserem Sinne auszubauen, dann würden wir etivas anders vorgehen. Mit LS Millionen kämen Sie dann nicht weg. Dann würden wir vor allem uns das Erbrecht der toten Hand und der Fideikoinnüsse etwas genauer ansehen, um endlich der Anhäufung von Millionen und Milliarden in verhältnismäßig wenigen Händen wenigstens nach einigen Generationen ein Ende zu macheu.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wenn ein Reichsschatzsekretär eine Vorlage einbringt, die nach Sozialdemokratie riecht, dann müßte wirklich sein letztes Stiindlein geschlagew haben.(Heiterkeit bei den Sozial- demokraten.) Nun, wir lassen uns in unserer Haltung nicht dadurch beeinflussen, ob durch sie irgend ein Staatssekretär in den Geruch kommt, einmal einen vernünftigen Standpunkt einzunehmen, sondern wir handeln nach unserer Ueberzeugung und stimmen im Prinzip dieser Vorlage zu. Der Reichtum, der von der Masse geschaffen wird, muß auch der Masse wieder zugute kommen. Wir fehen im Erbrecht des Staates ein Korrelat gegen die Ansammlung der ProduktionS- mittel in den Händen der Besitzenden und werden versuchen, den Gedanken der Vorlage derart auszubauen, daß sie wirklich eine Be- lastung der Besitzenden bedeutet. Die Vorlage könnte ein Mittel sein, den Reichsdalles zu beseitigen. Unter der unvernünftigen Finanz- gebarung, die tausende Millionen für Heer, Marine und Kolonien ausgibt, leidet das Reich wie die Einzelstaaten. Dadurch werden immer neue Steuern nötig, und solange man nicht anfängt, dieser Finanzgebarung ein Ende zu machen, wird das Reich nicht aus dem Dalles herauskommen.(Bravo I bei den Sozialdemokraien.) Reichsschatzsekretär Sydow: Die ersten Redner haben für die Regierungsvorlage Gründe angeführt, denen ich mich nur anschließen kann; der dritte Redner hat zwar auch für die Regierungsvorlage gesprochen, seine Begründung aber war jedoch geeignet, die Vorlage zu diskreditieren.(Sehr richtig! rechts.) Präsident Graf Stolberg: Der Abg. Ulrich hat den NeichSschatz- sekretär einen Kommis der Mehrheitsparteien genannt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich rufe ihn dafür zur Ordnung! (Heiterkeit links.) Abg. Gröber(Z.): Warum soll man an die Stelle deS lachenden Erben den lachenden Bureaukraten setzen?(Heiterkeit bei der Mehr- heit, Lachen bei der Minderheit.) Wir wollen das Erbrecht der Familie nicht von den wechselnden Mehrheiten des Bundesrates und des Reichstages abhängig machen.(Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum, Lachen bei der Minderheit.) Abg. Ablaß(frs. Vp.): Es liegt gar kein Grund vor, daß Leute erben, die nur durch Adam und Eva mit dem Erb- lasser verwandt sind(Große Heiterkeit), wenn sich auch gemein- hin der Stammbaum nicht soweit zurückverfolgen läßt.(Er- neute Heiterkeit.) Welche innere Gemeinschaft besteht zwischen dem Erblasser und einem Cousin xteu Grades, den er vielleicht nicht einmal kennt?(Sehr gut! links.) An der Testierfreiheit halten wir allerdings im Gegensatz zur Sozialdemokratie entschieden fest.— Der durch die ewige Betonung geradezu komisch gewordene „Familiensinn" ist nur die Maske der Steuerscheu.(Lebhafter Bei- fall links.) Ab. v. Oertzen(Rp.) gibt die Erklärung ab, daß seine Fraktion prinzipiell für den Gedanken des Erbrechts des Staates sei, aber diese Vorlage, als zu weit gehend, ablehnen werde. Abg. Stadthagen (Soz.): Im Kommissionsbericht sucht man vergeblich nach Gründen für die Ablehnung des Entlvurfs, wenn man nicht etwa allgemeine Rede- Wendungen für„Gründe" ansehen will. Freilich ist das Scheitern der Vorlage in erster Linie auch der Regierung selbst zuzuschreiben. Wenn eine Regierung von vornherein die Absicht hat, nur zum Schein einige kleine Lasten auch auf die Schultern der Besitzenden zu legen, aber von vornherein 400 Millionen Mark unter allen Um- ständen aus den Taschen der Nichtbesitzenden zu ziehen, so ist es verständlich, daß eine Vorlage wie diese von der Negierung nur sehr schwach und zag vertreten werden kann. Man spricht von der Einschränkung des Familiensinnes durch dieses Gefetz. Aber gerade die Herren rechts und vom Zentrum haben in dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch durch die Neservatrcchte über die Fideikommisse den Familiensinn sehr erheblich eingeschränkt. Was ist denn ein Fideikommiß anders als eine Ent- erbung der jüngeren Familienmitglieder?(Sehr richtig! b. d. Soz.). Und genau so steht es mit dem Höferecht. und mit dem Anerbenrecht: und gerade für diese Ausnahmen, für diese Beeinträchtigung des Humor nnd Satire. Hansabund. Es sitzen geheime und bloße Kommerzienräte im Saal; Sie repräsentieren das große GewerbS- und Betriebskapital. Denn im Angesichte der Steuern Geht jedem der Hintern mit Eis. Die gierigen Junkern verteuern Jetzuuder die Spesen mit Fleiß. Es sind Dividenden in Frage, Da fällt es den Nobligen ein, Man könnte bei drohender Lage Auch trotzig und bürgerlich sein. Es wurde von Hansa gesprochen Kommerzieurätlicherseits; Indessen nach lvenigen Wochen Verliert diese Sache den Reiz. Der König wird mehrere adeln, Und mancher wird bei der Reserv' Ein Leutenant, der nichts mehr tadeln Und's Maul nicht mehr aufreißen derf. (Peter Schlemihl im„SimplizissitnuS.") Notizen. — Neues von G orki und Andrejew. Maxim Gorki ist Von Capri nach Neapel übergesiedelt und arbeitet dort an einem Roman aus dem heutigen Italien. — Andrejew hat ein Drama „Der Fluch der Kirche" vollendet, zu dem er durch den in der russischen Kirche üblichen Kirchenbann angeregt wurde. — E r st die Sensation— dann das andere. Den Entschluß Zeppelins, daS von ihm verbesserte Luftschiff in den Dienst der Polarforschung zu stellen, hatte die Scherlsche Depeschenfnbrik zu einer graulichen Sensation mißbraucht. Wir hatten alsbald darauf hingewiesen, daß die ernste Wissenschaft an der bloßen Eroberung des Nordpols wenig Interesse habe. Prof. Hergesell, der wissenschaftliche Leiter des geplanten Unternehmens, sieht sich denn auch bereits genötigt, die Entstellungen der Schcrl-Presse zu berichtigen, die nunmehr einen neuen Fixigkeitsrekord schafft, indem sie sich selbst zuerst berichtigt. Professor Hergescll stellt fest, daß der Hauptzweck nicht die Erreichung des Pols, sondern die wissenschaftliche Forschung in den arktischen Regionen ist, Ivobei das Polarluftschiff vor allem zu BerinessuugS- zwecken dienen soll.— Bei der Gelegenheit möchten wir im übrigen an das verehrliche Wolffsche Bureau die Anfrage richten, warum es über diese Angelegenheit nicht berichtet hat und die Ausbeutung inter - essanter Nachrichten Scherl überläßt. Oder kann dies achtbare Monopolunternehmen, das doch den Nachweis seiner Unfähigkeit schon genügend oft erbracht hat, nicht unterscheiden zwischen höfischem Quark, der niemand interessiert, und wichtigen Vorgängen, die zu» fällig in d« Nähe Wilhelms II. sich ereignen?
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