tmb wundert sich Mtt das Interesie der Anken am Zustande- kommen der Finanzreform. Abg. Gothein(frs. Vg.): Die Finanzreform ist jetzt die wichtigste Frage, die das Volk bewegt. Hier gibt es nur A u f l ö s u n g oder rasÄe Erledigung durch die neue Mehrheit. Abg. Basscrmann snatl.) schlägt vor, das Gerstengesetz zwischen der zweiten und dritten Lesung der Finanzreform zu erledigen. Wg. Sachse(So;.): Viel wichtiger als das Gerstengesetz ist, wenn schon die Finanz- reform unterbrochen wird, das Arbeitskammergesetz und die zur Erledigung reisen Petitionen.(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) Abg. Singer(Soz.): Ich mutz mein Erstaunen darüber ausdrücken, datz man jetzt von den Besprechungen im Seniorenkonvent abweichen will. Wenn vor Ablauf der Session noch Materien erledigt werden sollen, so kommen vor allem das Arbeitskammergesetz, die Strafprozetznovelle, Wahlprü'fungen in Frage. (Lebhafte Zustimmung links.) Abg. Dr. Arendt(Rp.) schließt sich dem Antrage Bassermann an. In der Abstimmung wird der Antrag Bassermann gegen die Stimmen der Linken und des Abg. Arendt abgelehnt) es bleibt also beim Vorschlage des Präsidenten. Schluß 7V8 Uhr. Der Geheimratsprozeß. Der MeineidSprozetz gegen den Wirklichen Geheimen Legs. kionLrat Dr. H am mann nahm gestern vor dem Schwurgericht seinen Anfang. Dr. Hammann hatte für antisemitische und kon- serdative Blätter Artikel geschrieben, 1888 eine Schrift über die Sonderrechte der deutschen Standesherren veröffentlicht, 1889 in einer Schrift unter dem Titel„Was nun" die sozialdemokratische Arbeiterpartei bekämpft und gegen die Arbeiterklasse scharf gemacht, 1899 durch eine durch totale Kenntnislosigkeit und überaus große Seichtbeutelei auffallende Schrift über„Die kommunistische Ge. sellschaft" sich unsterblich lächerlich gemacht. Dieser Mann erschien zur Korrumpierung der Presse geeignet. Bereits Caprivi bestellte rhu zur Leitung des offiziösen Pretzbureaus. Unter Bülow avancierte der Leiter des offiziösen Kübels zur Bearbeitung der öffentlichen Meinung durch eine servile Presse zum Wirklichen Geheimen Lcgationsrat. Dieser Gönner der„gutgesinnten" Jour- nalisten versorgte deren Zeitungen mit zum Abdruck fertigen po- litischen Ideen und Kritiken, die auf Glorifizierung des Bülow und Hochhaltung des Familiensinns hinausliefen. Die jetzige Anklage betrifft das eigene Familienleben des An- geklagten und das des Professors Dr. Bruno Schmitz. Mit der Frau Schmitz brach er die Ehe. Professor Schmitz verpflichtete sich nach Trennung seiner Ehe— auch er hatte die Ehe gebrochen und war für den schuldigen Teil erklärt— seiner Frau, der die Er- ziehung der Kinder oblag, 299 999 M. zu zahlen. Jedoch war die eigenartige Bedingung hieran geknüpft, vor der Heirat mit Ham- mann dürfe sie mit diesem nicht intim verkehren. In einem Pro- zeß über die Hinfälligkeit dieses Scheines soll Hammann einen Meineid geleistet haben. Er soll, wie unfern Lesern erinnerlich, in der Tat auch vor seiner Ehe mit Frau Schinitz und nach Aus- stcllung des Scheines über 299 999 M. Geschlechtsumgang mit der Frau gepflogen haben. Das soll durch Lauscher zu erweisen sein, die in Herrn Schmitz Auftrag durch eine durchgebohrte Decke der Wohnung, die unter der der Frau Schmitz lag, fleißige Observa- tionen gemacht haben sollen. Hammann will in seinem Eide nur einen Geschlechtsverkehr, nicht einen diesem ähnlichen abgeleugnet haben. Als Geschworene wurden folgende Herren ausgelost: Fa- brikant Gustav L i ß m e r, Fabrikant Karl V i e w e g, Verlagsbuch- Händler Hermann Mühlbrecht, Verlagsbuchbändler Ernst Vohsen, Fabrikant Friedrich Schindler , Architekt Wilhelm W o l f f. Hotelier Fritz Otto, Kunstmaler Gustav C o n r a d i, Prokurist Jonas Stahl, Prokurist Heinrich P a l l a st. Regie- rungsbaumeister Max G u t m a n n und Prokurist Max Voigt. Welcher Schlamm der feinen Gesellschaft in der Verhandlung zur Sprache kam, ergibt sich insbesondere daraus, daß auf Antrag der Staatsanwaltschaft in Uebereinstimmung mit sämtlichen Pro- ßbeteiligten die Oeffentlichkcit für die ganze auer der Verhandlung ausgeschlossen wurde. Gleichviel ob Hainmann schuldig oder unschuldig: der Prozeh zeigt eminent die Mißachtung der Frau, der Familien- und Freundschaftsbande(Hammann und Schmitz waren ehedem ebenso wie ihre Frauen Freunde) in denjenigen Kreisen, die die Stirn haben, der Arbeiterklasse Moral zu pauken und die sogenannten parteilosen und gutpatriotischen Zeitungen mit elendem Getratsch und mit Verhimmelungen der„guten Gesellschaft" zu versorgen. Das Urteil ist uns bis Mitternacht noch nicht zugegangen. Sollte es noch vor 1 Uhr morgens gefällt werden, so werden wir es im Hauptblatt unter„Letzte Nachrichten und Depeschen" unseren Lesern mitteilen._______ Huö der parte!. Einer heillosen Blamage der deutschen Justiz vorgcveugt hat der Erste Staatsanwalt am Landgericht Dortmund . Gegen den Genossen Beyer von der„Arbeiterzeitung" war. wie wir seinerzeit meldeten, ein Verfahren wegen Aufforderung zum Un- gehorsam gegen die Gesetze eingeleitet worden. Die unbezahlbare Konstruktion des strafbaren Tatbestandes war bekanntlich, daß in der„Arbeiterzeitung" zum Kontraktbruch, zum Verlassen der Arbeit ohne Kündigung aufgefordert worden sei durch den Auf- ruf zur Maifeier, in dem die Arbeitsruhe als die würdigste Form der Feier mit Nachdruck hervorgehoben wurde. Darin hatte ein strebsamer Beamter der Staatsanwaltschaft, nachdem 19 Jahre Aufrufe desselben Inhalts stets unbeanstandet geblieben, just dies- mal, im 29. Jahre der Maifeier, die Aufforderung zum Verstoß gegen die Gewerbeordnungsbestimmung gefunden, die für die Lösung des Arbeitsverhältnisses eine Kündigungsfrist festsetzt, falls nicht die Kündigung durch den Arbeitsvertrag ausgeschlossen wird. Die„Arbeiterzeitung" freute sich sehr auf diesen originellen Prozeß. Es hat aber nicht sollen sein, denn der Erste Staats- onwalt teilte dieser Tage dem Genossen Beyer mit, daß das V e r- fahren eingestellt worden sei. Es ist wirklich schade! RcichStagS-Kandidatur. Eine sehr stark besuchte Parteiversammlung de» IS. säch- fischen Wahlkreises, die am Sonntag in Stollberg tagte, stellte einstimmig den Genossen Schöpflin- Leipzig als Kandidaten auf._ BuS den Organisationen. Die Generalversammlung des Sozialdemokratischen Vereins des Wahlkreises Bochum fand am Sonntag in Bochum unter Anwesenheit von 96 Delegierten statt. Daö nur 9 Monate umfassende Geschäftsjahr weist eine Einnahme von 22 993,76 M.. eine Ausgabe von 18134,41 M. auf. Die Zahl der eingetragenen Mitglieder beträgt 6799, darunter 1382 weibliche. Zur Erbschaftssteuer wurde eine Resolution ein- stimmig angenommen, in der die Zustimmung der F r a k- t i o n zur Erbschaftssteuer gebilligt wird. Durch die Ab- lehnung der Vorlage hätte die Fraktion nur der konservativ-kleri- kalen Reaktion einen Dienst erwiesen und zugleich eine Waffe preis- gegeben, die uns in den kommenden Wahlkämpfen gute Dienste leisten wird. Als Reichstagskandidat wurde Genosse K il K Mit allen gegeg eine Stimme miede? Süfgestellt, Die An Sonntag in Plaue tagende Jahresversammlung der Sozialdemokratischen Partei des Wahlkreises stimmte dem Entwurf deS Organisations- statutes zu. Der Monatsbeitrag wurde von 29 auf 39 Pf. erhöht. Als Delegierter zum Parteitag in Leipzig wurde der Genosse Wilhelm Bärwinkel-Arnstadt gewählt. Eine außerordentliche Konferenz des italienischen Parteivorstandes ist für den 5., 6. und 7. d. Mts. nach Rom einberufen. Auf der Tagesordnung steht u. a.: Die finanzielle Lage des Vorstandes und des»Avanti". Die Reise des Zaren nach Italien . Die Propaganda und die Richtlinien der sozialdemokratischen Fraktion in der Kammer und im Lande, mit Bezug auf die gegenwärtige politische Lage. Der internationale Kongreß. Die Partei- und die Jugend-Organisation. Der erste Parteitag der Sozialdemokratie Bosniens . In Serajewo tagte am 28. und 29. Juni der 1. Parteitag der jungen Sozialdemokratie Bosniens und der Herzegowina. Die deutsch -österreichische, die tschechisch«, die südslawische, die ungarische, die kroatische, die serbische Sozialdemokratie hatten Vertreter ge» fandt. 87 Delegierte waren erschienen. Es lag ein Programm- entwurf vor, dessen prinzipieller Teil mit dem Erfurter Programm der deutschen Sozialdemokratie identisch ist. Bei der Debatte wurde besonders eifrig und eingehend die Agrarfrage er- örtert. Und schließlich eine präzise Fassung der Forderung nach Ablösung der Kmeten(Bauern, die den großen Grund- Herren abgabepflichtig sind) von Staats wegen formuliert. Das Parteiorgan,„Glas Slobode", hat eine Auflage von 2599 Exemplaren— es erscheint dreimal im Monat und wird sehr gern gelesen, so daß sich allenthalben der Wunsch kundgibt, es möchte bald öfter erscheinen. Die Erfüllung dieses Wunsches wird leider noch durch die berüchtigte Kautionspfkicht hintangehalten. — Der Parteitag fordert in einer Resolution Preßfreiheit und Beseitigung der Kaution, Soziales. Anfechtung von Gemeindevertreterwahlen durch einen Berein. Gemeindevertreterwahlen, die in Zabrze stattgefunden hatten, waren vom Haus- und Grundbesitzerverein Zabrze angefochten worden. Nach Verwerfung seines Einspruchs durch die Gemeinde- Vertretung klagte der Verein beim Krcisausschuß Kattowitz. Die Klage wurde abgewiesen. Der Bezirksausschuß verwarf die Be- rufung des Vereins. Das Ober-Vcrwaltungsgericht verwarf dieser Tage die Revi- sion. Begründend wurde ausgeführt: Es sei davon auszugehen, daß der Verein als solcher geklagt habe. Demzufolge seien nicht seine Mitglieder als Kläger anzusehen. Der Verein aber sei nicht legitimiert zur Anfechtung der Wahlen. Das Recht zum Einspruch und zur Klage stehe nur denen zu, die ein Wahlrecht hätten. Da der Verein nicht wahlberechtigt sei, so sei er auch nicht berechtigt gewesen, Einspruch und Klage zu erheben. Wie der Landwirtschaft geholfen wird. Aus Blumenthal, Regierungsbezirk Stade , wird über die Er- laubnisfcheine zum Pflücken von Waldbeeren in den königlichen Forsten u. a. folgendes gemeldet: Der Preis des Erlaubnis- fcheincs, für eine Person gültig, beträgt 1 M. mit der Ausnahme, daß 1. für Waldarbeiter und ihre Angehörigen, 2. für schulpflich- tige Kinder unter 12 Jahren, 3. für Bedürftige(Arme) Zettel zum Preise von 5 Pf. ausgegeben werden. Wird von einem Zettel- nehmer Bedürftigkeit behauptet, so hat er eine Bescheinigung der Ortsbehörde beizubringen. Ferner wird bemerkt, daß allen über 16 Jahre alten Personen, die zur landwirtschaftlichen Arbeit be. fähigt sind und nach ihren Berhältnissen dafür in Frage kommen, Erlaubnisscheine zum Sammeln von Beeren und Pilzen nicht mehr ausgestellt werden." Vor einigen Tagen berichteten wir, daß die Königliche Re- gierung zu Stettin einen ähnlichen Erlaß produziert hat, bei dem die Pointe jedoch schamhaft versteckt war. Mit einer Erhöhung des Preises der Erlaubnisscheine auf 3 M. glaubte man dort den Zweck, den Agrariern billige Feldarbeiter zu verschaffen, erreichen zu können. Nur Krüppel und Kinder dürfen Beeren suchen. Wa» darüber ist, gehört unter die Knute der Agrarier. �lus Industrie und ktandel. DaS Trifolium der Brotwucherei. Im Bewußtsein ihrer Stimmenzahl haben die konservativ- klerikalen Blockgenossen auf die sozialdemokratische Interpellation über des Volkes Not mit Spott und Hohn reagiert. Sport und Hohn für die Entbehrungen und Nahrungssorgen in Hunderttausenden Arbeiterfamilien I Das läßt die ganze Frivolität und den durch kein Not- geschrei zu mildernden Arbeiterhaß der Lebensmittelwnchersippen er- kennen. Die„Deutsche Tageszeitung" treibt den Zynismus so weit. des Volkes Klage über Hungersnotpreise zu beantworten mit der zweifellos einer Ulkstimmung erwachsenen Berechnung, in welcher sie zeigte, daß. wenn man Weizen aus Wien , Pest und Rotterdam beziehen würde, oder Roggen aus— Paris , dann die Kosten die Berliner Notierungen vielleicht noch überschritten würden. Aber selbst bei solchen höhnenden Scherzen muß das Blatt auch noch schwindeln. Die„Bank- und Handels-Zeitung" bemerkt dazu: „Um zu den gefälschten und irreführenden Zahlengruppierungen kommen zu können, rechnet man aus, daß der Roggen in Paris an- geblich 159 M. kostet und 30 M. die Fracht von Paris nach Berlin . Es scheint, daß der betreffende Sachverständige die Tonne Roggen per Post nach Berlin sendet, um zu diesen 39 M. Fracht zu kommen. Er wird aber vergeblich nach einem Korn Roggen aus Paris in Berlin suche». Wie töricht müßten die Landwirte sein, die aus solchen .Mumpitz" reinfielen I Die Fracht von Berlin nach Odeffa kostet bei den Agrarsachverständigen 17 M.. obgleich jeder Lehrling im Getreide« geschäst schon weiß, daß zu 11 bis IL M. eine Tonne Weizen diesen Weg jahraus, jahrein macht."— Da sieht man, mit welchen Mtteln die Vertreter der organisierten VolksauSplünderei arbeiten. Tatsache ist, daß die inländischen Getreidepreise um den vollen Zollbetrag über den Weltmarktpreis hinausgehen. Regierung, Großgrundbesitz und Zentrum arbeiten zusammen, um diesen Zustand der Hungersnot- preise zu erhalten— und das ist die Repräsentation des christlich- agrarischen Staates Preußen-Deutschland . Die Aktiengesellschaften im Jahre 1908. Ende 1998 gab es(ohne die in Liquidation und in Konkurs befindlichen Gesellschaften) 5184 Aktienunternehmungen mit einem Nominalkapital von 14 634 589 999 M., gegen 5147 mit 14 213 329 999 M. im Jahre 1997. Der Unterschied zwischen dem Nominal- und dem eingezahlten Kapital ist meist nur bei den Ver- sicherungsgesellschaften nennenswert, bci welchen das eingezahlte Kapital in der Regel das gesetzliche Viertel des Nennbetrages kaum übersteigt. Die Ueberschuß der Kapitalserhöhungen über die Her- absetzungen belief sich auf 493,8 Millionen Mark. Neu enfftanden sind 151 Gesellschaften(1997: 217) mit einem Nominalkapital von 160 Millionen Mark(1907: 260). Im ganzen haben 289 Gesell- schaften(1997: 392) Kapitalserhöhungen vorgenommen; in 252 Fällen(1997: 263) waren Kapitalserhöhungcn ohne Sacheinlagen zu verzeichnen. Nominalcrhöhungen wurden um 437,8 Millionen Mark(1997: 423) vorgenommen; Herabsetzungen um 26 Millionen bei 15 Gesellschaften(1997: um 75 Millionen bei 89 Gesellschaften). Den größten Zuwachs an Gesellschaften hat die Industrie der Ma- schincn, Instrumente und Apparate erfahren; dann folgt(mit 23) die Industrie der NahrungS - und Genußmittel(Brauereien und Mälzereien) und das Handelsgewerbq(23), das Verkehrswesen, die Industrie ver Steine und Erden (10). die chemische Industrie (7) und der Bergbau(7). Anders ist die Reihenfolge unter Zu- grundeleguna der stattgehabten Kapitalsändcrungen. Zwar be- houptet die Maschinenindustrie den ersten Platz, dann aber kommt gleich das Handelsgewerbe, in weiterer Folge der Bergbau, die chemische Industrie, das Verkehrswesen, die Brauereien und Mäl- zereien. In der Maschinenindustrie betrug der Ueberschuß der ueuenfftandenen über die aufgelösten oder sonst gelöschten Unter- nchmungen 17 mit einem Kapital von 19,5 Millionen Mark. Das. Handelsgewerbe hingegen zählte trotz der 23 Neugründungen Ende 1998 um 2 weniger, weil 19 Unternehmungen in Liquidation, 7 in Konkurs traten und 8 in anderer Weise beendigt wurden— eine deutliche Wirkung der Krise. Noch deutlicher zeigte sich dieser Ein- fluß in dem Ueberschuss« der neuen Gesellschaften über die G-e- snmtsumme der aufgelösten: 1997: 97 mit einem Kapital von 99.939 Millionen Mark und 1998 nur 37 mit 12,419 Millionen Mark. Was natürlich die kapitalistischen Soldschreiber gegebenen- falls wieder nicht abhalten wird, darüber zu klagen, daß die Pro- duktion in der Großindustrie dem„Bedarf«" voraneile. Denn als „Bedarf" kommt für den Kapitalismus zunächst nur der Export in Betracht, die Not der eigenen Volksgenossen, deren Konsumfähigkeit mit allen Mitteln, die Gesetzgebung, politische Verwaltung, Justiz, Schule und Kirche liefern, niedergehalten wird— der wirkliche Bedarf also, der kümmert den kapitalistischen Unternehmer nicht. Denn um den inländischen Markt absatz- und aufnahmsfähig zu machen, müßten sie ihn gehörig durch eine gute Wirtschaftspolitik, durch eine ehrliche Sozialpolitik düngen und besäen; aber die in- dustriellcn Groß- und Kleinherren sind nur gewohnt zu ernten, und sie treiben mit der Arbeitskraft lieber Raubbau, als daß sie sie konsumfähiger machen würden. IZus der Frauenbewegung» Ländliche Parias. Der Sommer, insbesondere die Ernte, ist für die ländlichen Lohnsklavinnen die Zeit der schwersten Mühen und größten Eni- behrungen. Die Landarbeiterin ist gezwungen, vom ersten Hahnen- schrei an, während der Mittagssonnenglut hindurch bis"in die finkende Nacht hinein im Dienste des Agrariers zu fronden. Weder eine Gesetzesvorschrift noch Gcwissensskrupel können diesen be- stimmen, der Proletarierin größere Ruhe zu gönnen. Die Tage- löhnerinnen auf den ostelbischen Gütern sind, neben den in der Heimindustrie tätigen Frauen, die gesetzlich am ungeschütztesten Arbeiterinnen. Die gesetzliche Frist der Nichtbeschäftigung vor und nach der Schwangerschaft hat hier einfach keine Geltung. Wer achtet daraus, wenn die Arbeiterin hochschwanger sich in der Sonnenhitze auf den Feldern abmüht? Niemand! Höchstens das rohe„Scherz"wort eines Inspektors oder eines jungen Eleven verrät zynisch die Kenntnis von dem unter solchen Umständen bedauernswerten Zustand der Frau. DaS ist ostelbische Agrarier- Wirtschaft! Und die Bezahlung steht in einem geradezu schreienden Widerspruch zu der Abrackeret!— Ein Arbeiter, der ein solch länd- liches Idyll genossen hat, schreibt uns: Noch erinnere ich mich meiner Kindheit. Meine Mutter mußte sich täglich aus den Feldern eines schlesischen Dominiums von früh bis abends abmühen für 59, 69, im Sommer 79 Pf. Dazu gab es auch nicht die geringste Nebenvergütung. Des Morgens um drei Uhr kam der Gutsvogt durch das Dorf und klopfte an das Fenster der auf dem Dominium arbeitenden Frauen. Dabei sagte er jeder an, wo sie sich hinzu- begeben habe. Wir Kinder wurden natürlich auch aus dem Schlaf geweckt und mußten aufstehen, obwohl es noch Stunden bis zum Schulbesuch waren. Die Mutter besorgte erst uns Kinder und ging dann im Laufschritt zur Arbeit. Dann saßen wir da mit schläfrigen Augen und nickten ein, dabei oft die Schule verpassend. Wollte eine Frau, die auf die Gutsarbeit angewiesen war, infolge häuslicher Arbeit einmal einen Tag fortbleiben, so drohte ihr der Vogt an. daß sie überhaupt keine Arbeit mehr erhalten werde, falls sie ausbleibe. Um einer solchen Maßregel zu entgehen, unterblieb dann zumeist die Hausarbeit. Selbst kranke Kinder entbehrten der dringend notwendigen Wartung. In den Nachtstunden und am Sonntag wurde geschneidert, geflickt und die Wäsche besorgt usw. Einmal hatte eine arme Frau aus lauter Not einen starb Kar- toffeln entwendet. Sie durfte deshalb ein Jahr lang nicht mehr auf das Gut ihres Heimatdorfes zur Arbeit kommen. In der Folgezeit ging sie Tag für Tag auf das benachbarte, eine Stunde entfernt liegende Gut; sie hatte also jetzt täglich noch zwei Stunden weniger zu ihrer kargen Nachtruhe. Eine andere arme, alte Frau wurde im Walde, weil sie heruntergefallenes Holz gesammelt, vom Förster mit einem Peitschenstock bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen; kurze Zeit darauf starb sie. Ich habe nie etwas davon gehört, daß der Peiniger zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Daö war vor 29 Jahren. Jetzt, zu Pfingsten, besuchte ich mein Heimatdorf wieder und fand alles genau noch so wie damals. Immer noch gehen die Frauen, die Arbeiter und Handwerker auf das Dominium zur Arbeit, immer noch für 69 Pf. im Winter und 70 Pf. im Sommer den lieben langen Tag. Der Stundenlohn ist über 6 Pf. noch nicht hinaufgestiegen. Eine Zeitlang hatte man es mit Galiziern versucht; doch die waren nicht so zahm, dafür bedeutend kostspieliger als die frommen Dörfler. Deshalb bekehrte man sich wieder zur„nationalen" Arbeit. Und immer noch wie damals hört man deS Sonntags von der Kanzel den Segen sprechen zu all den robustesten agrarischen Sünden. Das große Gut ist schuldenfrei. Es wurde 1811 bei der Ein- ziehung der Klostergüter den Cistersiensermönchen abgenommen und von dem Prinzen der Niederlande für ein Spottgeld erworben. Später kam es als Morgengabe der Prinzessin an den Fürsten von Wied zu Neuwied . Der Herr selbst hat wohl nie seinen Fuß in jenes Dorf gesetzt. Der Besitz wirft jährlich Hunderttausende ab und doch herrscht da eine so geringe Entlohnung, wie sie eben nur auf einem schlesischen schuldenfreien Gut sein kann. Die Eni- lohnung auf den brandenburgischen und mecklenburgischen Gütern ist durchweg' höher, und hier ist sie schon miserabel. So schuften die ländlichen Parias jahraus, jahrein. Seit 29 Jahren sind die Löhne um keine 19 Pf. gestiegen. Währenddem kultivieren die Besitzer in einem übel beleumundeten Parlament immer noch mehr Agrarierschutz und Arbeitertrutz. 16 090 organisierte Textilarbeiterinnen in Oesterreich . Die Union der Textilarbeiter konnte aus ihrem letzten UnionStag be- richten, daß sie 16 999 weibliche Mitglieder zählt. Männerlogik. In einem Orgänchen, so sich„Volkserzieher" nennt, liest man dieses belustigende Bekenntnis: Die politische Frauenbewegung muß verworfen werden, weil sich(wunderbare Zusammenstellung) Roosevelt in Amerika . Münsterberg hier und ASquith in England dagegen ausgesprochen.=- Und solche Trottelei nennt sich„Volkserzieher". eingegangene Druchrcbrlften. ReclamS ttniverfal-Bibliothel Nr. 5901-5093. K.<S. Ritter von Leitners Gedichte. Bon A. Schlossar. Geb. 1 M. Nr. 5094—95. Küustlerrhe. Roman von M. Böttcher. Nr. 5096. Kinder. Theater. Don O. R. Kruse. Nr. 5097. Schwedische Dorfgeschichte». Von A. Bendeson. Nr. 5008—99. Friedrich der Grosse bci Kolin. Von K. Bleibtreu. Nr. 5100. Lustige Tiroler Geschichten. Von N. Greinz. Geb. 60 Ps. Einzelnummer 20 Ps. PH. Reclam, Leipzig . Künstler und Knoten. Roman von K. E. Schmidt. 370 Seiten, M. Lande. Berlin NW. 23. Was muss der Mustkswdiercnde von Berlin wissen? Von Dr. R. Stern. Selbstverlag Berlin , Schillftr. 9. Sechs Jahre gesund interniert. JrrcnhauSdrama der Irrenanstalt Erlangen . Von H. Hlrschmann. 50 Ps. Selbstverlag Zürich . Der moderne Mensch. Versuche über Lebenssührung. Bon B. Carneri. 1 M. A. Kröner, Leipzig . Das deutsche Theater in Berlin. Herausgegeben von P. Legband . Verlag: O. Müller, München . Mutterbriefe. Leitsaden zur Pflege und Enwbrung deS SänglingS. Bon Lilie Oberwarth. 83 Seiten. Th. Grieben(L. Ferna»), Leipzig .
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