ffcuef tfhlVr dem Druck d'er Konservativen in die Viel schlechtere Erbanfallsteuer verwandelt, danach haben sie, als die Zufallsmajori- tät des Reichstags selbst diesen geringen Rest einer glücklichen Be- sitzsteuer abgelehnt hatte, als gehorsame Diener der Junker sich der Diktatur der Herren von Hehdebrand und Spahn gebeugt: jetzt sind sie entschlossen auch das letzte zu tun und die neuen Ersatz- steuern des schwarzen Blocks ruhig zu akzeptieren trotz aller feier- lichen Verwahrungen gegen einseitige, Verkehr und Handel schädi- gende Steuern. Umgefallen ist auch das Z e nt r u m. Solange die Liberalen bereit waren, 400 Millionen neuer Steuern zu bewilligen, da konnte sich das Zentrum nicht genug entrüsten über die schreiende Ungerechtigkeit der Verteilung der neuen La st en. Es forderte, daß mindestens die Hälfte der neuen Steuern vom Besitz aufgebracht werden müsse. Das hinderte das Zentrum natürlich nicht, seine eigene Forderung sofort zu verraten und auf Kosten der Arbeiter und deS Mittel st andes das Schachcrgsschäft mit Herrn von Hehdebrand abzu- schließen. Aber immer noch beteuerte es, daß mindestens derselbe Betrag, den die Erbschaftssteuer liefern sollte, vom mobilen Kapital bezahlt werden müßte. Jetzt weiß man, daß das Zentrum auch dieses Versprechen unbedenklich gebrochen hat, daS freilich von Anfang an nur ein elender demagogischer Kniff ge- Wesen ist, berechnet auf die Täuschung derer, die nicht alle werden. Die neue Steuer auf die Gewinnanteilscheins und Zinsbogen, die an Stelle der Kotierungssteuer tritt, wird anstatt der S 0 M i l» lionen, die die Kotierungssteuer dem mobilen Kapital auferlegen wollte, nur 20 Millionen bringen. Solange es um die Steuerfreiheit der reichen Erben ging, blieb also diese „VolkSpartci" fest, aber für die Bedürfnisse deS großen Besitzes hat das Zentrum sofort Verständnis. Da wird ihm der Umfall leicht. Nicht umgefallen sind die Konservativen. Denn denen tvar nur die Steuerfreiheit der Junker, die Sprengung des ihnen unbequem gewordenen Blocks und die Beseitigung seines Urheber? von Wichtigkeit. Seitdem der Milliardensegen der Wucherzölle über sie gekommen ist, haben sie ja auch vermehrtes Verständnis für die Börse und das mobile Kapital, an dessen Gewinnen sie in immer rascher steigendem Maße teilzunehmen wissen. Die preußischen Konservativen fallen nicht um. die muß man stoßen. Aber an Stoßkraft läßt daS Bürgertum auch jetzt alles zu wünschen übrig. Die liberalen Zeitungen sind im allgemeinen ganz froh, daß es dem mobilen Kapital noch so gut gegangen ist und haben nicht mehr viel dagegen einzuwenden, daß nächsten Mittwoch im Reichstag Schluß gemacht werden soll. Die Liberalen sind zu feig und zu schwach, um auch nur die Durch- peitsch ung dieser elenden Steuern zu vereiteln. So oft die sozialdemokratische Fraktion in den letzten Tagen den Versuch gemacht hat, sich dagegen zu wehren, daß der Reichstag in eine Abstimmungsmaschine für den schwarzen Block umgewandelt wird, ebenso oft haben die Freisinnigen und National- liberalen mit ganz wenigen Ausnahmen unsere Fraktion imStichegelassen.inden meisten Fällen noch dem schwarzen Block geholfen, unsere Anträge niederzustimmen. Wären die Liberalen Männer, der schwarze Block hätte nie die Früchte in seine Scheuern eingeheim st. Nie noch hätte ein energisch und rücksichtslos geführter Kampf einen solchen Widerhall in den Volksmassen gefunden, wie der Kampf gegen den Schnapsblock. Der Sieg des Schnapsblocks ist yur die Schuld der liberalen Feigheit. Politische CTeberlicHt. Berlin . den 7. Juli 1909. Der Seniorenkouvent des Reichstags beriet am Mittwoch über die Behandlung der Vorlagen bis zum Schlüsse der Session. Man war allgemein der Meinung, daß die zweite Lesung der Finanzreform am Donnerstag abend fertiggestellt wird. Dann sollen am Freitag kleinere Sachen(Gewährung von Beihilfen an Kriegsteilnehmer, Gesetzesvorlage über die zollwidrige Verwendung von Gerste, Wahlprüfungen) auf die Tagesordnung.gesetzt werden. Von sozialdemokratischer Seite wurde gewünscht, daß die Wahl- Prüfungen an erste Stelle kommen: Man sei am Schlüsse einer Session nie auseinandergegangen, ohne daß die von der Kommission fertiggestellten Berichte über Wahlprüfungen erledigt wurden. Aber die Mehrheit entschied sich dafür, daß die Reihenfolge bestehen bleibe wie oben angegeben.— Am Sonnabend soll dann die zweite Lesung der Besoldungs- Vorlage vorgenommen werden, mit der ein Nachtragsetat vcr- bunden sein wird, und in den ersten Tagen nächster Woche wird dann die dritte Lesung der Finanzreform und die Be- soldungsvorlage folgen, so daß am Mittwoch die Session -„vertag t" werden kann.> Von freisinniger Seite wurde die Frage angeregt, ob die Regierung beabsichtige, die Session zu vertagen oder zu schließen. Ein Abgeordneter des Zentrums nahm die Gelegenheit wahr, zu erklären, daß die Mitteilungen der Presse, wonach das Zentrum den Schluß der Session wünsche, um bei Wiederzusammentritt des Reichstags eine Präsidenten- wähl vorzunehmen, nicht richtig seien. Darauf wurde fest- gestellt, daß, um die noch übrig gebliebenen Gefetzesvorlagen nicht unter den Tisch fallen zu lassen, alle Parteim wünschen, daß die Session vertagt wird. Die Verscharrnng der Mühlenumsatzsteuer und der Kohlenauöfuhrsteuer. Aus dem Reichstag, ?. Juli. Heute wurden ein- mal ausnahmsweise keine Steuern angenommen, sondern nur Steuerprojekte verscharrt, wie das übrigens den Ab- machungen hinter den Kulissen zwischen Regierung und Schnaps- block entspricht. Doch nachher gab es noch eine für jene Bundesgenossen unerwartete und unerwünschte Auseinandersetzung über die Mißachtung des Fremdenrechts durch die preußische Regierung. Bei der Beratung des Handelsvertrages mit Venezuela griff Genosse Stadthagen das Wort, um die Regierung zu der Erklärimg zu provozieren. daß die zwischen beiden Staaten den Staatsangehörigen gegen- seitig zugestandenen Vergünstigungen auch für Arbeiter be- stimmt seien. Er begründete das mit dem Hinweis auf die von der preußischen Regierung vertragswidrig gegen fremde Arbeiter erlassenen Vorschriften wegen Lösung von Aufenthalts- karten, welche Maßregel er gebührend brandmarkte. Dem Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg war dieser Hinweis offenbar höchst unbequem. Er zog sich aus der Affäre durch die Erklärung, daß„selbstverständlich" der Arbeiter die gleichen Rechte habe wie der Unternehmer, unterließ eS aber vorsichtig, die preußische Regierung zu recht- serttgen. Dann trat das Haus in die Erörterung der Mühlen - Umsatzsteuer, die der preußische Minister Delbrück von vornherein im Namen des Bundesrats für un- annehmbar erklärte. Trotzdem verteidigten zum Schein die Konservativen und das Zentrum dieses Machwerk. Genosse Molkenbuhr wies an der Hand statistischen Materials die ganze Gemeinschädlichkeit des Vorschlags nach, und der freisinnige G o t h e i n lieferte durch Verlesung von Stellen aus dem Kommissionsbericht den Beweis, daß der Referent Erzberger nur eine höchst ungenügende Scheren- arbeit geliefert hat. Bei der Abstimmung fiel das Gesetz. da sich hierbei die Polen und die Freikonservativen vom Schnapsblock trennten. Völlig preisgegeben wurde vom Schnapsblock selber der Kohlenausfuhrzoll. Eine Debatte entspann sich nur, da der preußische Handelsminister Delbrück sich beikommen ließ, auf eine abgekartete Aufrage des Konservativen v. Richthofen hin zu erklären, daß er persönlich für einen K a l i ausfuhrzoll sei, wenn ein Kalisyndikat nicht zu stände kommen sollte. G o t h e i n rügte zutreffend dieses absonderliche Verfahren, und Genosse Hue knüpfte an seinen Nachweis der Gemeinschädlichkeit des Kohlenausfuhrzolles eine wuchtige Verurteilung der gesamten Steuerpolitik der Ne- gierung und ihrer Schnapszollverbündeten. Auch der nationalliberale Bergrat a. D. Vogel zeigte an Beispielen aus der Praxis, wie verderblich der Kohlen- ausfuhrzoll wirken würde. Das Kommissionsprodukt wurde einstimmig ab- gelehnt. Dann wurde die'Weitererörtenmg der Steuervorlagen auf Donnerstag vertagt._ Der Prozest Eulenburg ist am Mittwoch wieder auf unbestimmte Zeit vertagt worden, nachdem die ärztlichen Sachverständigen den Angeklagten, der im Gerichtssaal einen schweren Anfall von Herzschwäche erlitt, für verhandlungsunfähig erklärt hatten. Da er auch Haft- unfähig ist, so wird man ihn wieder nach Liebenberg reisen lassen. Wenn ein Kranker durch die Gerichtsverhandlung am Leben gefährdet ist, so darf der Richter nicht gegen ihn ver- handeln. Angesichts der Gutachten der Sachverständigen mußte also der Prozeß abgebrochen werden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Wir haben nur zu fordern, daß dieselbe Rücksicht, die gegen Eulenburg geübt wird, indem man ein halbes Dutzend Professoren als Gutachter bestellt, auch gegen Proletarier geübt werden möge. Wir können die Vermutung nicht ganz unterdrücken, daß ein Arbeiter, der sich in ähnlicher Lage wie Eulenburg befände, schon längst im Zuchthaus ge- storben wäre._ Die neuen Steuern. Der Abschluß des neuen Steuerkompromiffes läßt jetzt den Wert des Schnapsblocks in seiner ganzen Schönheit über- blicken. Bis jetzt wurden folgende Steuern bewilligt: � Grundstücksübertragungen... 40 Gliihkörper........ 20 Kaffee- und Teezoll.. 87 Wechselstempel-...... 2 Bier.......... 100 Tabak......... 43 Branntwein...... 80,' Schaumwein........ 5 Zündwaren... Insgesamt 852 Millionen. Ferner sollen bewilligt werden: Quittungen über Schecks... 20 Kuxen- und Effektenftempel.. 22'/, Talonsteuer........ 27'/, Erhöhung der Matrikularbeiträge 23 95 Millionen Es bleiben ferner die Fahrkarten st euer mit 20 Millionen und die Zuckersteuer in bisheriger Höhe mit 55 Millionen erhalten. Von all diesen Steuern sind höchstens die Effektenstempel- und Talonsteuer als einseitige Besitzsteuern mit schädlichen Nebenwirkungen zu bezeichnen, die zusammen 50 Millionen Mark bringen sollen. Dazu kommen als Steuern, die das Proletariat nicht be- rühren, noch die 40 Millionen von Grundstücksübertragungen, falls sie nicht in den Städten auf die Mieter überwälzt werden, und die 5 Millionen der Schaumweinsteuer. Die Er- höhung der Matrikularbeiträge wird in den Einzel- staaten durch Steuererhöhungen aufgebracht werden müssen und nach den bisherigen Erfahrungen hauptsächlich das kleine und mittlere Einkommen auss neue be- lasten. Die Scheck st euer vollends ist nichts als ein dummes Verkehrshindernis, das den erst beginnenden Scheck- verkehr schädigen, die Hartgeldzahlung wieder ausdehnen und damit in letzter Instanz die dauernde Ermäßigung des Zins- fußes, die für die Belebung der Industrie von Vorteil wäre, verhindern wird. Das Ganze ist ein volksfeindliches Machwerk schlimmster Sorte, aus der Feind- schaft der Agrarier gegen die i n d u st r i e l l e Fort- entWickelung und vor allem gegen die Hebung der Lebenshaltung der arbeitenden Massen entsprungen. Liberale Feigheit. Die demokratische„Volkszeitinig" fragt:„Was werden nun die Liberalen tun? Nach der„Lib. Korr." herrscht unter den Freisinnigen starke Neigung, an den Beratungen deS— Seniorenkonvents nicht mehr teilzunehmen. Da die dort gepflogenen Verhandlungen von der Mehrheit nicht mehr gehalten werden, so sei diese Institution eigentlich über- flüssig geworden. Das ist ja ein hervorragend heroischer Entschluß, der beim schwarzen Block stürmische Heiterkeit erwecken wird. Merken die Freisinnigen wirklich nicht, wie lächerlich sie sich durch derartige Kundgebungen machen? Gegen den Raub- zug, den daS beutelustige Agrariertum nach mittelalterlichem Muster auf die Taschen des Volkes unternimmt, gibt es nur eine Abwehr» auf die wir wiederholt hingewiesen haben: Ver» eitelung der agrarischen IPiläne mit allen Mitteln, auch mit der schärfsten Obstruktion! Wer freilich, sich hierzu aufzuraffen, sind die Freisinnshelden nicht imstande!" Der freigeistig-reaktionär-radikal-sozialistisch-agrarische Professor. SlS Herr Professor v. Wenckstern, Leutnant der Reserve. ehemals Dozent an der Berliner , jetzt an der Breslauer Universität, bei der Enthüllung deS Hardenberg- Denkmals die Festrede in— Offiziersuniform halten zu müssen glaubte, hat sich alle Welt köstlich amüsiert und das auf- geblasene Männchen gehörig ausgelacht. Der Herr Professor meinte daraufhin, feine empfindliche Ehre fei lädiert, und er langt sich aus den Hunderten von Blättern, die ihm den Text ge« lesen hatten, ein Blatt in Greifswald heraus, daS damals gerade von einer Dame, Frau Koch-Hesse, redigiert wurde! Diese Dame schrieb dem uniformierten Professor ein paar kräftige Worte über Streberei und so'was ins Stammbuch. Herr v. Wenck- stern heulte, lief zum Kadi und erlebte den Triumph, daß die tapfere Redaktrice letzten Dienstag wegen Formal-Beleidigung zu 50 M. Geldstrafe verurteilt wurde. Frau Koch-Hesse konnte den GreifSwalder Gerichtssaal mit größerer Befriedigung verlassen als der siegreiche Professor, dem die Beklagte ins Gesicht erklärte, es sei ihr nicht darauf angekommen, den Kläger zu beleidigen, sondern sie habe„nur" deS Herrn mangelndes Standesbewußtsein kritisieren wollen! Diese Erklärung ist bitter, weil sie auf den Professor v. Wencksteru gemünzt war, sie ist aber ungerecht, weil der Reserveleutnant und der preußische Junker v. Wenckstern sich auf dem Berliner Dönhoffplatz durchaus„standesgemäß" blamiert hat. Und vor den Richtern zu Greifswald ging'S ihm nicht besser. Nicht etwa, als ob er auch da in Helm und JnterimSrock, mit Schärpe und Plempe, die Schuppenkette unterm Kinn, angetreten wäre, aber die Verlesung der Aussagen kommissarisch vernommener Zeugen erzielte hier denselben Effekt wie damals die Abbürstung in der Presse. Die Bekundungen des Stettiner Stadtrats und freisinnigen Reichstags- abgeordneten Dr. Dohrn vor allem sind geeignet, der Leuchte der Wissenschaft von dem bißchen Glanz, daS ihr geblieben ist, noch da- letzte Rcstchen zu nehmen. Dr. Dohrn sagte auS: v. Wenckstern, der aus dem Gleise geratene adelige Offizier, habe sich erst a u S- geprägt f r e i g e i st i g und auf dem Gebiete der Politik radikal und„sozialistisch" gegeben. Man schaffte Herrn v. Wenckstern nach Sumatra . Dort kam er nicht vorwärts. Nun ließ Dr. Dohm den guten Mann Nationalökonomie studieren. Als— japanischer Beamter machte Wenckstern Krakeel; er wurde von der japanischen Regierung aus dem Lande gewinkt und büßte den letzten Kredit bei Dr. Dohrn ein. der ihn für leichtsinnig erklärte, ihm Mangel an Pflichtgefühl attestierte und die Hoffnung aufgab, ihn noch auf gutem Wege zu sehen I Zur allgemeinen Ueberraschung ging Herr v. Wenck - stern. der.Freigeist", der„Radikale", der.Sozialist", nun bald zu den— Agrariern über und schrieb für die �streuz-Zeitung". DaS berührte die alten Freunde peinlich... Professor v. Schmoller und Geh. OberregierungSrat Elster vom preußischen Kultusministerium suchten Balsam in WencksternS Wunden zu träufeln, doch sie haben nicht verhindern können, daß Frau Koch-Hesse zwar die Geldstrafe, der klagelüsterne Professor aber die Zeche zu zahlen hat. Als Herr v. Wenckstern noch in Berliner Versammlungen ging, um die Sozialdemokratie mausetot zu schlagen, dix war er nicht so zimperlich wie jetzt. Und daS war sein Glück. Sonst hätte man ihn schon damals noch herzlicher ausgelacht, als eS ohnedies schon geschah und als in diesen Tagen von neuem geschieht. Die Konservativen drohen. In einer Notiz über den Austritt der Abgg. Lehmann und Oriola aus der nationalliberalen Partei antwortet die.Kreuz-Zeitung " auf die an Lehmann ergangene Aufforderung, sein Mandat nieder-. zulegen, mit folgender Drohung: .Wie wäre eS denn, wenn jetzt von konservativen Wahlversammlungen ähnlich verfahren würde? Die konservativen Wähler, die bei den letzten Reichstagswahlen in so zahlreichen Fällen nationalliberalen und freisinnigen Kandidaten zum Siege verHolsen haben, würden jetzt vollauf berechtigt sein, von Ab- geordneten wie Bassermann, Mommsen, Gyßling und fast von allen im Königreich Sachsen gewählten Liberalen die Niederlegung ihrer Mandate zu fordern. Wozu aber diese heute ganz nutzlose Emotion? Bei den nächsten Wahle» wird es noch Zeit zur Abrechnung fein." Was ist's mit der Radbod-Katastrophe? Die ,, Bergarbeiterzeitung" stellt fest, daß der neueste Bericht der Sektion II der Knappschaftsberufs- genossenschast(Bergbauunternehmer des Ruhrreviers) sich in scharfem Gegensatz zu der Mitteilung befindet, daß der Vc- triebsführer der Zeche Radbod wegen Verschuldens an der Katastrophe angeklagt werden soll. Die Knappschafts- berufsgenossenschaft zählt nämlich unter den 5299 Getöteten und Verletzten, die im Jahre 1908 in den Gruben des, Ruhr- reviers zu verzeichnen waren, nur gauze 14, die infolge Mängel des Betriebs den Unfall erlitten. Die Radbod-Katastrophe ist also nach der Knappschaftsberufs- genossenschast nicht wegen Mängel des Betriebs entstanden, denn auf Radbod blieben allein 348Tote und 21 Verletzte. Aus weiteren besonderen Angaben des Berichts der Berufs- genossenschast geht überdem hervor, daß nach den Erwitte - lungen der untersuchenden Behörde die Radbod-Katastrophe auf„Gefährlichkeit des Betriebs an sich" zurück- zuführen ist. Ein Verschulden der Zechenleitung liegt nur vor, wenn die Untersuchung„Mängel des Betriebs im be- sonderen" konstatiert hat. Es ist aber ausgeschlossen, wenn„Gefährlichkeit des Betriebs an sich" die Ursache der Katastrophe war. Wie kann denn nun aber der Betriebsführer der Radbod-Zeche angeklagt werden, wenn die Berufsgenossenschaft für die Katastrophe als Ursache«Gefähr- lichkeit des Betriebs an sich" angibt? Die„Bergarbeiter- zeitung" fragt mit Recht: ..... Ist die Angabe im Bericht der Knappschaftsberufs. genossenschast auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen Unfall- Untersuchung gemacht, warum dann noch ein Strafverfahren zwecks Ermittelung der oder des Schuldigen? Sie sind ja schon festgestellt, es sind die„unabwendbaren Gefahren des Berg- baueS"; so wenigstens behauptet der Bericht der Knappschafts- berufsgenossenschaft. Ist so die Unfallursache durch irgendeine Behörde ermittelt worden, warum wird das der Oeffentlichkeit nicht mitgeteilt, wie es der Minister feierlich vor dem Lande versprach!? Und wie konnte der Minister noch vor kurzem versichern, die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen, wo doch in dem schon vor vielen Wochen zusammengestellten Bericht der Knappschafts- berufsgenossenschaft die überraschende Feststellung hineinkam, die Radbodkatastrophe sei eine Folge der natürlichen Betriebs- gefahren! Wer hat diese Untersuchung geführt? Wann ist sie ab- geschlossen worden? War da auch überhaupt schon eine einzige zurückgebliebene Leiche aus dem Schachte geholt? Was soll der angekündigte Prozeß gegen den Betriebsführer, wenn die Katastrophe keine Folge einer strafwürdigen Betriebsleitung ge- wesen sein kann nach der Unfallstatistik in dem amtlichen Bericht?! Wir erwarten, daß die Bergbehörde und die Staatsanwaltschaft der Oeffentlichkeit klipp und klar mitteilt, was hinsichtlich der Untersuchung der Radbod- Katastrophe von ihnen festgestellt ist, was eS mit dem Prozeß gegen den Betriebsführer und mit der ihn von vorn- herein freisprechenden Bekundung in dem Bericht der Knappschaftsberufsgenossenschaft für eine Bewandtnis hat. Die Oeffentlichkeit, insbesondere die Hinterbliebenen und die Kameraden der Katastrophenopfer haben ein Recht darauf, daß nunmehr der Schleier von Radbod vollends gelüftet wird."
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten