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Mundesratsverordiinng fiüft die Errichtung nnd den Betrieb gewerblicher Anlagen, in denen Thomasschlacke gemahlen oder Thomasschlackenmehl gelagert wird. Der gestrige.Reich-Zanzeiger" veröffentlicht eine Bekanntmachung des Bundesrats vom 3. Juli, die die Verordnungen des Bundesrats vom 2S. April 1339 und 15. November 1903 in folgenden Punkten ändert: 1. Während die älteren Verordnungen die Vorschrift aus- reichenden Luftwechsels und geräumiger Einrichtungen auch auf alle ArbeitSräunie erstreckte, in denen.Thomasschlackenmehl gelagert wird", umsaht der Wortlaut der neuen Verordnung in H 1.die Niederlagen von Thomasschlackenmehl, in denen dieses nicht dauernd in geschlossenen Säcken verbleibt". 2. Die ausdrückliche Vorschrift einer Staubkammer ist fallen gelassen. Es genügt jede wirksame Vorrichtung zur Absaugung und zum Auffangen des Staubes. 3. Neu vorgeschrieben ist, daß auch die Filteranlagen so eingerichtet sein müssen, daß sie im regelmäßigen Betriebe von außen gereiingt und entleert werden könne. 4. Die Abfüllung des MehleS in Säcke an den Ausläufen der Mühlen, der Transporteinrichtungen und Staubkammern, die Absackung darf künftighin ausnahmslos nur unter der Wirkung einer ausreichenden Absaugevorrichtung erfolgen. 6. Die in Z 9 der bestehenden Verordnung zugelassene Bewilligung von Ausnahmen durch die höheren Verwaltungsbehörden für die Minimalstärke und Dichtigkeit der Säcke ist beseitigt und folgende Vorschrift in hygienischem Interesse im§ 9 neu eingefügt: Sackstapel dürfen nur auf festem, ebenen Fußboden und unter sachkundiger Aussicht oder von sachkundigen Personen aufgebaut werden. Die Stapel sind an freiliegenden Ecken in der äußeren Lage tunlichst im Verband, im übrigen in Stufen von nicht mehr als fünf Sack oder mindestens unter Jnnehaltung eines Böschunas» Winkels auszuführen. Das Abtragen der Säcke ist von oben herab und gleichfalls nur unter fachkundiger Aufsicht oder von sachkundigen Personen stufenförmig oder unter Jnnehaltung eines Böschungswiulcls zu bewirken. Das Herausziehen von Säcken aus unteren Lagen ist zu verbieten. S. Die Reinigung der Fußböden auf trockenem Wege ist in der neuen Verordnung zugelassen; jedoch darf die Reinigung auf trockenem Wege nur von solchen Arbeitern ausgeführt werden, die vom Arbeitgeber gelieferte zweckmäßig eingerichtete Respiratoren oder andere Mund und Nase schützende Vorrichtungen, wie feuchte Schwämme, Tücher usw., tragen. 7. Die Badegelegenheit, die bislang nur einmal wöchentlich den Arbeitern zu geben war, ist durch die Lorschrift ersetzt, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitern Gelegenheit zu geben hat, täglich vor dem Verlassen der Arbeit in einem innerhalb der Betriebsanlage gelegenen, während der kälteren Jahreszeit geheizten Räume ein warmes Bad zu nehmen. 8. Das Verbot der Beschäftigung von Arbeite- rinnen und von männlichen Arbeitern unter 1« Jahren in Räumen, in denen Thomasschlacke oder Thomas- fchlackenmehl eingebracht ist, ist auf die Räume beschränkt, in denen die Ware lose eingebracht wird, aber auf die männlichen Arbeiter bis zu 18 Jahren ausgedehnt. Neu verboten ist ferner für alle Arbeiter unter 13 Jahren das söge- fundheitSgefährdende Klopfen gebrauchter Säcke. v.§, der die Einstellung von Gewohnheitstrinkern und an AtmungSorganen erkrankten Personen verbietet, ist schärfer gefaßt und die dauernde Ueberwachung deS Gesundheitszustandes dir Arbeiter durch folgende Fassung angeordnet: Der Arbeitgeber darf zu den im§ 16 bezeichneten Arbeiten nur solche Personen einstellen, welche die Bescheinigung eines von der höheren Verwaltungsbehörde dazu ermächtigten, dem Gewerbeaufsichtsbeamten(§ 139b der Gewerbeordnung) nam- hast zu machenden ArzteS darüber beibringen, daß bei ihnen Krankheiten der Atmungsorgane oder Alkoholis- mus nicht nachweisbar sind. Die Bescheinigungen sind zu sammeln, aufzubewahren und dem Aufsichtsbeamten 139 b der Gewerbeordnung) auf Verlangen vorzulegen. Diesem Arzte hat der Arbeitgeber auch die dauernde Ueberwachung deS Ge« fundheitSzustondeS der Arbeiter dergestalt zu übertragen, daß der Arzt mindestens einmal monatlich die Arbeiter im Betriebe auf- zujuchen und bei ihnen auf Anzeichen etwa vorhandener Er- krankungen der LtmungSorgane und auf Anzeichen des AlkoholiSmuS zu achten hat. Der Arbeitgeber darf Arbeiter, die nach ärztlichem Urteil solcher Erkrankungen oder deS AlkoholiSmuS verdächtig sind, zur Beschäftigung mit den im 8 1b bezeichneten Arbeiten �Zerkleinern oder Mahlen. Abfüllen der Thomasschlacke und loses Lagern oder Verladen deS Thomasschlackenmehls) nicht zulassen. Arbeiter, die Sich gegenüber den Einwirkungen deS Thomasschlackenstanbes be- onders empfindlich erweisen, sind dauernd von jenen Beschäfti­gungen auszuschließen. m Dementsprechend muß in Zukunft daS Kontrollbuch auch den Namen des mit der Ueberwachung des Gesundheitszustandes beauf« tragten Arztes und die Tage und Ergebniffe der vorgeschriebenen allgemeinen ärztlichen Untersuchungen enthalten. 10. Neu ist ferner folgender 8 13 im Interesse der Gesundheit der Arbeiter: Der Arbeitgeber hat für die Arbeiter verbindliche Be- stimmungen darüber zu erlassen, daß die Arbeiter weder Branntwein in die Anlage noch Nahrungsmittel in die Arbeitsräume mitnehmen dürfen, und daß das E i n n e h m e n der Mahlzeiten nur außerhalb der Arbeits- räume gestattet ist. In den zu erlassenden Bestimmungen ist vorzusehen, daß Arbeiter, die trotz wiederholter Warnung diesen Bestimmungen zuwiderhandeln, vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Aufkündigung entlassen werden können. Ist für einen Betrieb eine Arbeitsordnung erlaffen(8 134a der Gewerbeordnung), so sind diese Bestimmungen in die Arbeits- ordimng aufzunehmen. Die Verordnung tritt mit dem heutigen Tage in Kraft. Soweit zur Durchführung der Einrichtung ausreichender Absaugevorrichtungcn oder zur Errichtung der Badegelegenheit bauliche Veränderungen erforderlich sind, kann die höhere Verwaltungsbehörde eine Frist bis längstens zum 1. Oktober 1910 gewähren. Bis zum I.Januar 1910 dürfen Säcke, die der vorgeschriebenen Stärke und Dichtigkeit nicht entsprechen und durch die höhere Verwaltungsbehörde zugelaffen werden, noch benutzt werden. Erfreulich an der Verordnung ist insbesondere die Erstreckung des Schutzalters für jugendliche männliche Arbeiter von IS auf 18 Jahre._ Prozeß eulenblirg. Die gestrige Schwurgerichtsverhandlung gegen den Fürsten   Philipp zu Eulenburg   wegen Meineids und Verleitung zum Meineid endete mit Vertagung des Prozesses auf unbestimmte Zeit. Ueber die gestrige Episode deS für unsere Rechtsverhält­nisse charakteristischen Gerichtsverfahrens gegen den Fürsten  bringen wir nachstehenden Bericht. Der Angeklagte Fürst Eulenburg   wurde diesmal nicht zum Saale getragen. In Begleitung eines seiner Söhne und seines Leibjägers verließ er sein Automobil und stieg, aus den Arm des Sohnes gestützt, die Treppen zum Schwurgerichtssaal hinauf und wartet auf einem der für die Zeugen bestimmten Stühle auf den Beginn der Verhandlung. Der Angeklagte sieht leidend aus, die Wangen sind eingefallen, aber das Auge ist klar und lebendig. Kurz nach 8% Uhr wird von zwei Männern aus dem Untersuchungs- gefängnis ein großer bequemer Krankenstuhl in den Saal getragen. auf dem Fürst Eulenburg unmittelbar vor den Plätzen seiner Ver- teidiger Platz nimmt. Gleich darauf erscheint der Gerichtshof, bestehend aus dem Landgerichtsdirektor Kanzow(Vorsitzender) und dem Landrichter Arnold und Assessor Schaumburg(Beisitzer). Die Anklage wird vom Oberstaatsanwalt Dr. Preuß und Staatsanwalt Porzelt ver« treten, die Verteidigung führen Justizrat Wronker und Rechts- anwalt Ludwig Chodziesner  . Landgerichtsdirektor Kanzow betritt hierauf mit den Bei. sitzern den Sitzungssaal und eröffnet mit den üblichen Formalien das Schwurgericht. Ein Geschworener erklärt sich als befangen. Vor Auslosung der Geschworenen tritt der als Geschworene geladene Möbelhändlcr Christoph Tennigkeit hervor und gibt fol. gende Erklärung ab, die allgemeines Aufsehen erregt:Ich fühle mich in dieser Sache voreingenommen und befangen und kann wohl- deshalb als Geschworener nicht mitwirken. Ich habe mir schon aus den Zeitungen mein Urteil gebildet. Vors.: Können Sie hier an Eidesstatt versichern, daß von keiner Seite weder schriftlich noch mündlich auf Sie eingewirkt worden ist, daß Sie diese Erklärung selbst und freiwillig abgegeben. Geschworener Tennigkeit: Ich kann hier an Eidesstatt erklären, daß ich diese Erklärung freiwillig abgebe und von keiner Seite auf mich eingewirkt ist. Der Geschworene wird, nachdem diese Erklärung zu Protokoll genommen ist, entlassen und verläßt den Saal. Die nun folgende Auslosung der Geschworenen hat folgendes Resultat. Als Geschworene werden durch das Los bestimmt: 1. Verlagsbuchhändler Hermann Mühlbrecht, 2. Fabri- kant Karl Vicweg, 3. Kaufmann Botho von Fragstein, 4. Prokurist Max Voigt, 5. Fabrikant Willi Wickersheimer, 6. Goldschmiede- meister Karl Lühow, 7. Architekt und Maurernteister Gustav Biller» beck, 8. Fabrikbesitzer Franz Tamborini, 9. Fabrikant August Bethge, 10. Kupferdruckereibesitzer Wilhelm Felsing, 11. Prokurist Hein- rich Pallast, 12. Diplomingenieur Ludwig Adler. AIS Ersahgc- schworen« werden ausgelost: Buchhändler Eugen Stange, Architekt Wilhelm W-lff, Fabrikant Gustav Lißmer, Verlagsbuchhändler Gustav Bohfen. Vernehmung beS Angeklagten  . Vors.: Angeklagter, können Sie wäbrend der Vernehmung auf- stehen? Angeklagter: Das möchte ich davon abhängig machen, ob ich mich kräftig genug fühlen werde. Vors.: Ich werde nachher einige Stühle in der Anklagebank abschrauben lassen, damit Sie auf der Anklagebank Platz nehmen können. Angeklagter, Sie sind der Fürst Philipp zu Eulcnburg? Angeklagter: Ja. Vors.: Wann sind Sie geboren? Angeklagter: Am 12. Februar 1847 zu Königsberg   in Preußen und bin seit 1875 mit Auguste Gräfin von Sandelt verheiratet. Aus der Ehe sind acht Kinder hervorge- gangen, von denen zwei gestorben sind. Die anderen sind in den Jahren 1380 bis 1888 geboren. Bors.: In amtlicher Stellung waren Sie von wann bis wann?'- Angeklagter: Ich bin zuerst Offizier gewesen und im Jahre 1866 bei den GardeS du Corps eingetreten. Ich bin bis 1871 in dieser Stellung gewesen, habe als Offizier das Abiturientenexamen gemacht. Als der Feldzug zu Ende war, habe ich drei Jahre studiert, bin Referendar geworden und habe den Dr. juris gemacht. Ich bin im praktischen Justiz. dienst bis 1377 geblieben. Bors.: Wo waren Sie da tätig? Angeklagter: Zuerst in Lindow   bei dem Einzelrichter. Bors.: Das war der jetzt als Zeuge vorgeladene Geh. Justizrat Lämmcl. Angeklagter: Jawohl. Dann arbeitete ich bei dem Gericht in Ruppin. Dann bin ich ins Auswärtig« Amt übergegangen und bin dort bis zu meinem Abschied im Jahre 1902 geblwben, dann bin ich zur Disposition gestellt und habe meinen definitiven Ab- schied im Jahre 1907 erhalten. Vors.: Wie gestaltete sich Ihre Tätigkeit in den Jahren 1831 bis 1388? Angeklagter: Ich habe erst bei dem Auswärtigen Amt   gearbeitet, dann mein diplomati- scheL Examen gemacbt und bin auf verschiedenen Posten gewesen, in Paris  , München   usw. Vors.: Wann kamen Sie nach München  ? Angeklagter: Im Jahre 1881, zuerst als Sekretär, dann als LegationSrat bis 1383. Ich war dann als Gesandter in Olden- bürg, Stuttgart  , Gesandter in München  , dann Botschafter in Wien  bis 1907, wo ich endgültig entlassen wurde. Nach vorläufiger Entlassung der Zeugen erklärt der AngeNagte, daß er sich leidend fühle und momentan kaum imstande sei, der Verhandlung zu folgen. Verlesung des ErSffnungSbeschlusseS. Der Vorsitzende verliest zunächst den Eröffnungsbeschluß. Da- nach wird der Fürst beschuldigt, im Dezember 1907 durch zwei selb- ständige Handlungen 1. vor der 4. Strafkammer deS Landgerichts I  den vor seiner Vernehmung geleisteten Eid wissentlich falsch ab- f-geben, und 2. im Jnlanoe es unternommen zu haben, den ischer Ernst zu Starnberg zur Abgabe eine» falschen eidlichen Zeugnisses zu verleiten. BerhandlungSfähig? Bors.: Nun gebe ich dem Verteidiger das Wort. Justizrat Wronker: Se. Durchlaucht wird sich selbst äußern. Angeklagter: Ich bin sehr schwer in der Lage, momentan zu folgen, und zwar möchte ich dies in folgender Weife begründen. Ich leide seit langer Zeit hauptsächlich an Herzanfällen, die fast jeden Morgen in großer Heftigkeit auftreten. So ist daS auch heute wieder. Die Wirkung dieser Anfälle pflegt sich während der Dauer des Tages abzuschwächen, so daß ich dann wieder gegen Abend mich leidlich wohl fühle. Bisweilen dauern die Anfälle in ihren Wirkungen den ganzen Tag. Ich habe gehofft, daß sich mein Gesundheitszustand bessern wird. Niemand auf der ganzen Welt wünscht wohl so wie ich den Prozeß zu Ende zu führen. Ich habe deshalb alles aufgeboten und getan, um meine Gesundheit zu kräftigen. Deshalb bin ich nach Gastein ge- gangen. Ich besuche seit 12 Jahren daS Bad Gastein   und es als das Bad gefunden, daß mir immer geholfen hat. Ich hatte die Zuversicht, daß es mir auch diesmal helfen würde und hoffte, in leidiger Verfassung vor Gericht zu erscheinen. DaS ist mir nicht möglich gewesen. Die Verhältnisse haben eS so herbeigeführt, daß ich zurücklehren mußte. Ich bin kaum in der Lage gewesen, über- Haupt heute zu erscheinen. Ich habe eS aber getan, um darzutun, daß ich den dringenden Wunsch habe, den Prozeß zu Ende zu führen. Ich habe auch die Hoffnung, aber in meiner subjektiven Anschauung kann ich-- Bors,(unterbrechend): Was wollten Sie zu Anfang sagen? Angekl.: Daß ich nicht in der Lage bin, zu folgen�und vor allen Dingen nicht imstande bin, zu so früher Stunde zu folgen, da ich gerade morgens einen Schwächcanfall habe. während ich mich des Abends viel wohler fühle. Bors.: Gerade die wissenschaftliche Deputation, die höchste Medizinalbehörde hat gesagt, daß der Zustand deS Fürsten   am frühen Morgen am besten für eine Verhandlung wäre. Ich habe deshalb die Verhandlung auch fo früh angesetzt. Angell.: ES sind dieS alles Serren gewesen, die mich nie im Leben vorher gesehen hatten. Sie sind einmal draußen gewesen und haben auch während 20 bis 25 Minuten mich untersucht. Daraufhin haben sie ihr Urteil abgegeben. Sie haben immer gesagt, sie können auf subjektive Aeußerungen meinerseits keine Rücksicht nehmen. Ich bitte doch diejenigen Herren zu hören, die meinen Gesundheitszustand gründlich kennen. Vors.: Es ist zweifellos, daß Sie ein kranker Mann sind. Es fragt sich bloß, ob Sie nicht in der Ihnen unbequemen und ua» engcnehmen Situation mehr davon Gebrauch mache» und über« treiben. Als die wissenschaftliche Deputation in Liebenberg   erschien, hatten Sie sich im Garten befunden, und als Sie hörten, daß die Herren heraufkamen, haben Sie plötzlich im Bett gelegen. Das ist doch sehr auffallend, wenn Sie plötzlich nach oben gehen und die Herren Sie im Bett finden. Sie sollen bei der Untersuchung auch plötzlich den Atem auffallend angehalten haben. Sie sollen auch im Gehen übertrieben haben! Angekl.: Dagegen mutz ich mich auf das entschiedenste wehren, daß ich simuliere. Das hätte doch gar keinen Sinn, denn ich habe das größte Interesse darin, den Prozeß endlich zu Ende geführt zu sehen. Ich bin in verschiedenen Stunden bald besser, bald schlechter auf dem Posten. Ich gehe des Tags über viel umher, lege mich aber 4 5mal täglich ins Bett. Nun bin ich im Schloßgarten ge- Wesen und war gerade im Begriff, mich wieder zu legen, weil ich mich elend fühlte. Wenn das sehr schnell gegangen ist, so liegt das daran, daß ich immer schon so angezogen bin, daß ich mich schleunigst niederlegen rann. Bors.: Warum hielten Sie denn aber den Atem an? Angekl.: DaS ist entschieden nicht wahr! Ich denke gar daran. Bors.: Wie ist es aber mit dem Gehen? Sie sollen in Gasten: ganz gut gegangen sein. Angekl.: Ich bin ein schwerer Gichtiger, ich bin manchmal in Gastein   langsam gegangen, aber meistens doch im Rollstuhl ge- fahren. Bors.: Sie meinen also, daß Sie nicht verhandeln können? Angekl.: Nein, momentan nicht! Vors.: Na, wir könnten ja morgens hier antreten, bis zum Abend sitzen und wenn Sie verhandlungsfähig find, immer ein Stündchen verhandeln. Rechtsanwalt ChobzieSner beantragt, den Sanitätsrat Du Gennrich. der den Angeklagten seit langen Jahren alS Hausarzt behandelt hat, zu hören. Antrag auf Verhaftung. Oberstaatsanwalt Dr. Preuß: Nach dem Gutachten der wissen- schaftlichen Deputation ist die Vermutung naheliegend, daß der Angeklagte übertreibt und simuliert. Dies stimmt mit den Äeob- achtungen überein, die die Polizeibeamten in Gastein   gemacht haben, ferner mit der Tatsache, daß der Angeklagte in großer Eile Tag und Nacht in einem gewöhnlichen Coupe über Salzburg   nach Berlin   reisen konnte, dann hier in Berlin   noch ein Cafe besuchte und den Humor besaß, in höhnender Weise den beiden Polizei- beamten, die ihm in einer Droschke folgten,für ihr sicheres Geleit" zu danken. Ich beantrage, daß der Angeklagte in Unter- suchungshaft zu nehmen ist, denn man muß sich auch davor sichern, daß der Angeklagte Mittel anwendet, um künstlich seinen Zustand zu verschlechtern. Dazu kommt, daß der Angeklagte schon dem Fischer Ernst gegenüber seinerzeit einen BeeinflussungSvcrsuch unternommen hat. Mir sind Mitteilungen darüber zugegangen, daß auch jetzt wieder eine Verdunkelungsgefahr vorliegt und der Angeklagte wieder sich an wichtige Belastungszeugen herangemacht Hab«. Ich beantrage daher die Verhaftung deS Angeklagten im Interesse des Ansehens der Justiz, und falls heute eine VerHand- lungSfähigkeit nicht vorliegt, so beantrage ich, daß der Beginn der Verhandlung in Zukunft auf 11 Uhr vormittags verlegt wird. Justizrat Wronker: Den Ausführungen des Oberstaatsanwalts gegenüber muß ich doch hervorheben: Der Fürst ist allerdings mit großer Schnelligkeit, unter Anspannung aller seiner Kräfte Hierher geeilt, nachdem er von mir über den Inhalt des Gutachtens der wissenschaftlichen Deputation unterrichtet worden ist. Angeklagter Fürst Eulenburg  : Ich bestätige das. Mir wurde gesagt, ich würde verhaftet werden, wenn ich nicht eine halbe Million Kaution stellen würde. In meinem Zustande war eS mir ein unfaßbarer Gedanke, in Haft genommen zu werden, und ich wußte nicht, wo ich in so kurzer Zeit eine solche Niesensumme auf- bringen sollte. Ich bin keineswegs so reich, wie bielfach au- genommen wird. Vors.: Die geforderte Kaution hat die Deutsche Bank gestellt. Hat Baron   v. Rothschild die erforderliche Summe hergegeben? Angekl.: Nein, das Geld wurde gegen Unterlagen beschafft. Um eine so große Summe herbeizuschaffen, mußte ich doch so schnell wie möglich hierher eilen, um auch auf alle Fälle an Ort und Stelle zu sein. Meine Wohnung war noch nicht imstande und deshalb mußte ich nach meiner Ankunft in der Frühe ein Cafe aufsuchen. Justizrat Wronker legt' des längeren dar, daß ee von der Absicht des Angeklagten nach Eastcin zu reisen, rechtzeitig dem Staatsanwalt Mitteilung gemacht habe. Er habe dem Fürsten  geraten, zu warten, bis die wissenschaftliche Deputation bei ihm gewesen. Er sagte aber: eS komme nun die heiße Sommerzeit, Gastein   werde von Sommergästen überflutet und seine Situation dort werde immer unhaltbarer werden. Als die wissenschaftlich- Deputation kam, habe der Fürst an die Herren die Frage ge- richtet, ob es nicht gut wäre, wenn er nach Gastein   reise? Die Herren bestätigten die». Nun habe er dem Angeklagten gesagt, daß er unbekümmert reisen könne und habe selbst dem OberstaatL- anwalt die Reise und die Tour der Reise mitgeteilt. Mit einem Male habe sich dann in der Presse ein Sturm der Empörung über diese Reise des Fürsten   nach Gastein   erhoben und plötzlich sei an den Fürsten   die Aufforderung ergangen, die Kaution auf 500 000 Mark zu erhöhen oder der Verhaftung gewärtig zu sein. Oberstaatsanwalt Dr. Preuß widerspricht diesen Ausführungen in verschiedenen Punkten. Richtig sei es, daß der Verteidiger am Nachmittag, als der Angeklagte abgereist war, bei ihm gewesen sei. Vorher habe er einmal vom Verteidiger gelegentlich gehört, oaß der Fürst den Wunsch habe, nach Gastein   zu verreisen. Das sei aber doch Zukunftsmusik gewesen. Vernehmung der Sachverständigen über die BerhandlungSfähigkeit. Vors.: Ich komme nunmehr zu der wichtigsten Frage, näin- lich der Frage der Verhandlungsfähigkcit des Fürsten.   Der Vorsitzende ruft die anwesenden Sachverständigen auf und richtet an den langjährigen Hausarzt des Fürsten  , Sanitätsrat Gen»- rich, der an den Zeugentisch gerufen wird, folgende Worte: Ich will etwa keinesfalls Ihrer Glaubwürdigkeit zu nahe treten, aber es bestehen sehr nahe Beziehungen zwischen dem Fürsten   Eulen. bürg und Ihnen, die jedoch bei Ihrer Aussage von keinerlei Ein- fluh sein dürfen. An die sämtlichen Herren Sachverständigen richte ich die Mitteilung, daß eS lediglich auf folgende drei Punkte ankommt: 1. Ist der Angeklagte verhandlungssähig; 2. ist er Haft- fähig und 3. wann und zu welcher Tageszeit ist eine Verhandlung mit dem Fürsten   am besten? SanitätSrat Dr. Gennrich erstattet hierauf folgendes Gut- achten: Der Fürst Eulenburg ist verhandlungsfähig, aber nicht auf längere Zeit. ES ist nicht richtig, daß die Verhandlung morgens in aller Frühe am besten stattfindet. Ich halte eine spätere Stunde für viel besser und zweckmäßiger. Ich kenne den Fürsten   schon seit etwa 30 Jahren und habe ihn mehrere Dutzend Male genau untersucht. Ich habe jedes Mal gefunden, daß es ge- rade am Vormittag mit dem Fürsten   am schlechtesten bestellt ist und am Nachmittag etwa in der vierten Stunde am besten geht. Am meisten habe ich mich s. Z. über die Zusammensetzung der wissenschaftlichen Deputation gewundert. Sie bestand aus dem Chirurgen Bier, dem Kinderarzt Häubner und dem pathologischen Anatom Strahmann. Ich habe allerhand Achtung vor diesen hohen Gelehrten, ich habe aber gestaunt darüber, baß diese in zwanzig Minuten schon zu einem Resultate gekommen sind. Ich glaube eS nicht und werde es nur unterzeichnen, was dort als Gutachten abgegeben ist. Sollen denn die Herren so gelehrt sein, daß sie in zwanzig Minuten mehr herausbekommen, als ich in der ganzen langen Zeit, in der ich den KrankheitSzustand des Fürsten   genau kennen gelernt habe. Vors.: Sic werden doch wohl aber zugeben, daß Herr Geheimrat Bier wohl den Zustand b-i «mer Arteriosklerose erkennen und begutachten kann Dr. Genn­rich: DaS ist möglich. Vors.(fortfahrend): Meinen Sie nicht, daß Herr Geheimrat Dr. Straßmann, der in seiner Tätigkeit doch mit allen Krankheiten sich beschäftigen mutz, nicht in der Lage ist, den Zustand de? Fürsten   genau zu erkennen. Dr.Gc»»rich: Wer wie Geheimrat Straßmann nur mit Leichen zu tun hat, verliert