Einzelbild herunterladen
 

Bekanntlich �ai die Bürgerschaft in erster Lesung et n-s bekannt, die Militärreform der Regierung betvege sich auf st immig den Staatsvertrag mit Preußen über einen Gebietsaustausch, den sogenannten Köhlbrand- Vertrag, angenommen. Die Verfassung fordert bei solchen Vorlagen eine zweite Abstimmung nach drei Wochen, und zwar ist jedesmal die Anwesenheit von 12<) Mit- gliedern erforderlich. Diese Verfassungsbcstimmung benutzten die Sozialdemokraten, um dem Wahlrechtsraubblock einen Denk- zettel zu versetzen. Als eine sozialdemokratische Jnter- pellation über das Verhalten der Baudepu- tation zur Aussperrung im Baugewerbe be- sprachen werden sollte(ein Versuch, die Besprechung über- Haupt zu verhindern, war an den vereinigten Liberalen und einigen Mitgliedern der Linken gescheitert), erfolgte, nachdem man den Interpellanten P ä p l o w, den Unternehmer L u m m e r t und den Sozialdemokraten Nöske gehört hatte, der obligate Schlußantrag Sanders und Genossen. Er wurde angenommen trotz einer von der Tribüne herab ge- gebenen Erklärung unseres Genossen Stalten, daß die sozialdemokratische Partei den Saal verlassen und die Bürgerschaft beschlußunfähig machen werde. Sofort ver- ließen die Sozialdemokraten ihre Plätze und trotz allen Zählens konnte die verfassungsmäßig notwendige Zahl nicht herausgerechnet werden. Das Telephonieren an fehlende Mitglieder nützte auch nichts und die Herren sahen nun, was sie erreicht hatten. Was blieb ihnen übrig, als sich aufs Bitten zu legen I Und sie baten I Zuftieden mit der Wirkung des Denkzettels verzichteten die Sozialdemokraten jetzt auf weitere Obstruktion und so kam der Staatsvertrag zur Erledigung. Die Herren Reaktionäre in Hamburg werden sich merken müssen, daß die sozialdemokratische Fraktion nicht mit sich spielen läßt._ Er wird nicht mehr bewacht. Oberstaatsanwalt Preutz hat die polizeiliche Ueber- tvachung bes F ii r st e n Eulenburg aufgehoben. Die Posten sind am Mittwoch eingezogen worden, da ihre Unzweckmähigkeit sich herausgestellt hat. nachdem der Liebenberger den Beamten in seinem Schlosse lein Ouartier geben wollte. Oesterreick. Tie ungarische Regierungskrise verschleppt. Aus Wien wird uns vom 7. Juli geschrieben: Der König wird mich wiedersehen.... So trotzig dürfte Herr Wekerle, als er am 22. Juni in die Hofburg kam, um die Ent- lassung aus dem Amte der am 26. April demissionierten Re- gierung aufs dringendste zu begehren, und den Bescheid erhielt, der König werde ihm seine Entscheidung in den nächsten Tagen übermitteln, wohl nicht geredet haben. Aber der König hat ihn rascher wiedergesehen, als Herr Wekerle in seinen kühnsten Träumen gedacht haben mochte. Denn in ihrer Ratlosigkeit hat die Krone nunmehr keinen anderen Ausweg gesehen, als die Krise, die bereits zweieinhalb Monate währt, nun auf den Herbst zu ver- schleppen. Das Ministerium Wekerle. das sich durch seine Demission als unfähig erklärt hatte, die Regierung fortzuführen, und das nicht einmal bereit war, die Geschäfte provisorisch zu behalten, wird nun als neue Regierung eingesetzt, die bis September im Amte bleiben und mit der vollen parlamentarischen Verantwortung ausgestattet werden wird. Im September wird es dann seine Demission wiederholen uM vis dahin wird die Tätigkeit des Reichstages sistiZrt bleiben. Die Krise ist also wirklich nur auf- geschoWi' worden, und im Herbst wird die Krone-vor- der unlöslich. gewordenen Situation noch einmal stehen. Aber die Krone ver. liert hier nur. indem sie glaubt, Zeit zu gelvinnen. Dieser Ausgang ist nämlich ein vollgültiger Beweis dafür, daß die Krone in der durch ihre Schuld geschaffenen Situation nicht mehr ein noch aus weiß. Durch ihr dreijähriges Tolerieren der Wahlreform, das in der Billigung des Andrassyschen Schand- entwurfes seinen Gipfelpunkt fand, hat sie dazu geholfen, daß die Koalitionsherren, die einmal sehr klein waren, und durch die Wahlreform noch mehr an die Wand gedrückt worden wären, wieder sehr üppig geworden sind, und sich der Krone gegenüber als die Bewahrer und Mehrer des nationalen Gutes aufspielen können. Indem die Krone an der Verschleppung der Wahlreform mitschuldig geworden ist und in dieser Hauptsache des ungarischen Lebens jeden Ernst und alle Zuverlässigkeit vermissen ließ, hat sie sich um die Erfolge gebracht, die ihr die kraftvoll�! Aktion FejerdaryS und Kristofsys verschafft hatte, und ist heute gegen- über den magyarischen Chauvinisten wieder nur die schwarz-gelbe Hofburg, die die Entfaltung der ungarischen Staatlichkeit hemmt und ihren Ausbau hindert. Nur deshalb haben die Drohungen der Krone, die mit der Betrauung des Herrn v. LukacS aus- gesprochen werden sollten und die Warnung sein wollten, die Krone könnte auch ein Ministerium gegen daS Parlament er, nennen, nicht verfangen. Man weiß in Budapest nur allzu gut, daß die Politik des Zauderns und Schwankens, der Halbheit und Furchtsamkeit in der Hofburg so seßhaft ist, daßGcwaltstreiche" von Wien aus nicht mehr befürchtet werden müssen. Die Position der Krone muß aber auch immer schlechter werden. Denn auf der einen Seite werden sich die Forderungen der Unabhängigkeits- Partei, nach einemreinen" Ministerium ihrer Farbe und nach der selbständigen Bank immer mehr vertiefen, so daß die Partei, die die Mehrheit im Hause besitzt, auf sie gar nicht mehr wird verzichten können; auf der anderen Seite wird aber die Krone im Herbst, wo die Delegationen tagen sollen, noch schwerer un- nachgiebig bleiben können. Denn im Herbst wird endlich über das"glorreiche Annexionsabenteuer Rechnung gelegt werden müssen und gedenkt der Militarismus mit den neuen Ansprüchen hervor. zutreten, die er zur Befriedigung der imperialistischen Stellung als notwendig erklärt. Dann wird aber die Krone, der heute der Appell ans Volk noch freistand, in der Zwickmühle stecken, aus der es kein Entrinnen geben wird. Und daß die Wahlreform, die echte des allgemeinen und gleichen Rechts, dabei das erste Opfer sein wird, das die Krone der habsüchtigen Koalitionsmehrheit hin» prirft, ist nach dem Wesen der ungarischen Koalition und der von Tapferkeit weit entfernten Haltung der Hosburg leider ganz wahrscheinlich. j�ÄHkreleb. Für daS KoalitiouSrecht. Paris , 8. Juli. Ter seit einigen Tagen hier tagende Kongreß d e r P o st b e a m t e n hat einstimmig einen Antrag angenommen. worin die ungeschmälerte Ausübung des Syndikatsgesetzes von 1884 gefordert und jede Einschränkung desselben zurückgewiesen wird. Weiter wurde beschlossen, daß die allgemeine Vereinigung der Post- und Telegraphenangestellten sich in politischer Hinsicht völlig neutral zu halten, aber nichtsdestoweniger bei den nächsten Wahlen die Kandidaten zu bekämpfen habe, die die Rechte und Interessen der Postbeamten nicht anerkannten. Velgien. Die Militärresorm. Brüssel, 7. Juli. In der heutigen Fraktionssitzung der der Grundlage, daß ein Soldat pro Familie aus gehoben, die Ziehung durch daS Los beseitigt. das Ersatzmännershstem aber aufrechterhalten werde. Der Gesetzentwurf geht der Kammer unverzüglich zu. Italien , Eine Niederlage der Regiernng. Rom , 8. Juli. (Privatdepesche des.Vorwärts".) Bei der heutigen Beratung der Subventionen für die Handelsmarine stellte die vereinigte Opposition einen Bertagungsantrag. Da G i o l i t t i fürchten mußte, in der Minorität zu bleiben, forderte er nicht nur selbst den Aufschub der Diskussion, sondern stellte für den Vertagungsantrag auch noch die Vertrauensfrage. Da nun sowohl Opposition als Ministerielle für die Vertagung stimmten, wurde der Antrag mit 428 Stimmen angenommen. Dagegen stimmte niemand. In Wirklichkeit bedeutet die Abstimmung eine Niederlage der Negierung. Der formelle Sieg kann die Situation nur retten, wenn die Negierung demnächst ein wirkliches Vertrauensvotum erhält. Jedenfalls hat die Stellung des Kabinetts eine schwere Erschütterung erfahren, und der Ausbruch einerMinisterkrise ist wahrscheinlich. Colajanni widerruft. Rom , 3. Juli. In der Deputiertenkammer forderte heute der Präsident den Abgeordneten Colajanni auf, über die gestern von ihm gebrauchten Worte eine Erklärung abzugeben. Colajanni sprach hieraus sein Bedauern über den gestrigen Zwischenfall aus und erklärte, seine Worte hätten sich auf polt- tische, nicht aber auf moralische Verantwortlichkeiten bezogen. Der Zwischenfall war damit erledigt. England. Die Lords und her Etat. London , 6. Juli. (Eig. Ber.) Die Frage, ob die Lords den Etat annehmen oder verwerfen werden sowie ob ihre Kompetenz so weit reicht, den Etat zu verwerfen, wird gegen- wärtig lebhaft diskutiert. DieTimes" von gestern enthalten darüber eine sehr lange Abhandlung sowie einen Leitartikel. DieTimes" kommen zum Schluß, daß die Lords Wohl das Recht haben, den Etat zu verwerfen, aber in der Praxis keinen Gebrauch von diesem Rechte machen können. Die kon- stitutionellen Schwierigkeiten, die sich aus einer Verwerfung des Etats durch die Lords ergeben würden, seien zu erheblich, um einen derartigen Schritt ohne die äußerste Notwendigkeit zu unternehmen. Sie zitieren folgenden Ausspruch des ver- storbenen Lords Salisbury :Die Lords können den Etat nicht verwerfen, da sie nicht die Macht haben, eine Aende- rung der Regierung herbeizuführen: eine Verwerfung der Finanzvorlage und die Belassung der Regierung auf ihrem Platze würden zu einer heillosen Verwirrung führen." Die Bildung und die Entlassung der Negierung hängen von der Mehrheit des Unterhauses ab. Das Unterhaus ist deshalb in Finanzsachen souverän, außer wenn die ganze Nation sich entschließt, die Rechtslage des Unterhauses zu ändern. Es ist also im letzten Grunde die britische Nation, die über alles.entscheidet. In Deutschland aber können die Mehrheitsparteien wesentliche Steuervorlagen verwerfen, ohne die Stellung der Negierung zu betÄhren Und ohne die LW'gUchkeit oder die Nötigung, eine eigene Negierung zu bilden und die Verans- wörtlMeik'ubernehmen._ Die Demonstration gegen den Zarenbesuch. London , 6. Juli. (Eig. Ber.) Bei der Demonstration, die am 25. d. M. auf dem Trafalgar Square gegen den Zarenbesuch stattfindet, werden sprechen: Keir Hardie , Hynd- man, Lansbury, Macdonald, Bernhard Shaw. O'Gradh, Queich , Fräulein Mac Arthur und der frühere russische Ab- geordnete(der ersten Duma) Aladin. Finnland . Alkoholboykott. Aus Helsingfor« wird uns geschrieben: Am!. Juli forderten die Abstinenzvereine und Freunde des Alkoholverbotsgesetzes die Bevölkerung auf, den Alkohol zu boykottieren. DcmonstratiouSvcrsammlungcn fanden im ganzen Lande statt. Die Boykottbeiveguiig ist als Protest gegen die Landesregierung aufzufassen, weil sie gegen daS AlkoholverbotSgesetz, welches von der Volksvertretung bereits im Oktober IVO? an­genommen und jetzt teilweise in Kraft treten sollte, derart Stellung genommen hat, daß das Gesetz bis jetzt dem Zaren noch gar nicht vorgelegt worden ist. Die bürgerliche Regierung hat dadurch auch in bürgerlichen Kreisen an Anhängern verloren. perften. Nene BcrmittelnngSversuche. Köln , 8. Juli. DerKölnischen Zeitung " wird auS Teheran vom 8. d. M. gemeldet: Die nationalistischen Endschumen Teherans ersuchen die nach der Bereinigung mit ihren Gesinnungsgenossen heranrückenden B a ch t i a r e n, nicht in die Stadt einzudringen. Der britische Gesandte schlägt vor, die Wahlen in zehn Tagen beginnen zu lassen und dann gleich das Parlament zusammen zu rufen, vor das dann«in n a t i o n a l i st i s ch e S Kabinett treten würde. Ein friedlicher Ausgang scheint n'i ch t ausgeschlossen, da S i p a h d a r, der Führer ber Nationalisten. Verhandlungen aufgenommen hat. Oberst Liachow bildet aus ziemlich zweideutigen Elementen, die er uniformiert und bewaffnet, eine Freiwilligentruppe zum Schutze der Stadt. Der Vormarsch der Russen. Teheran , 8. Juli. Das russische Labinski-Ko° sakenregiment ist gestern in E n s e l i angelangt und wird nach Kaswin weitermarschieren. Marokko. Fez umzingelt. Tanger , 8. Juli. Nach Meldung von Eingeborenen sind die zum Schutze von Fez zusammengezogenen Mahallas zerstreut worden. Der Roghi soll unter den Mauern der Stadt stehen. W n lag K e b i r ist im Begriff, in Mekines ewzumar- schieren._ Hus der Partei. DaS Leben eines Revolutionärs. In Abbazia starb nach schwerem Leiden Stanislaus Jendrzejowski, einer der Führer der revolutionären Fraktion der P. P. S. Der Verstorbene war als Mensch eine der sym- pathischsten Gestalten in der polnischen revolutionären Bewegung. Von Kindheit an in patriotischen Gefühlen aufgewachsen, wurde ee durch den gänzlichen Bankrott des bürgerlichen Patriotismus in die Reihen derer hineingedrängt, die mit allen Fibern ihrer Seele an dem Ideal der Unabhängigkeit Polens hängend, die _ Arbeiterklasse für dieses Ideal zu gewinnen versuchten. Während Rechten von Kammer und Senat gab Ministerpräsident Schollaert> die patriotische Intelligenz in ihrer ungeheuren Mehrheit.ihrem Ideal nur Warle opfert, scheute der Verslorbeiie keine Arbeit, kelns Gefahr; er opferte ihm"sein junges Leben. Nachdem er seine Studien auf der Freiburger Universität beendet hatte, arbeitete er in Russisch-Polen als Leiter der illegalen Organisation der P. P. S. in Radom . Von seinem Leben bei dieser Arbeit erzählte er mir in seiner schlichten Weise, als wir uns vor einigen Jahrer» im Warschauer Pawiakgefängnis trafen und einander nähertraten. Nach dem täglichen gefahrvollen Werk verbrachte er manchmal die Nacht in kleinen, luftarmen Arbeiterwohnungen, in den Kleidern zwischen zwei Betten kauernd. Meist aber war ihm auch diese Erholung" nicht gegönnt. Um nicht die Aufmerksamkeit der Polizei zu wecken in ein Hotel konnte er sich in dem kleinen Städtchen überhaupt nicht hineinwagen fuhr er nachts einige Stunden mit der Bahn, um mit dem nächsten Zuge zurückzukehren und bei grauendem Morgen in der eben geöffneten Kirche Zuflucht zu suchen. Die kalten Steinbänke der Kirche waren das Kissen. auf dem der todmüde Revolutionär endlich ausruhen konnte... Als Organisator der Antimobilisationsdemonstrationen in Lodz und Czenstochau im Jahre 1Ö04, bei welchen es zu Zusammenstößen mit dem Militär kam, schaute er ruhig in die Mündungen der Gewehre: nur durch einen Zufall kam er damals mit dem Leben davon. Nach der Spaltung der P. P. S. stand er als Mitglied des Zentralkomitees der revolutionären Fraktion inmitten der Arbeit dieser Partei in Russisch-Polen. Von der Polizei gehetzt, wich er nicht vom Platz, bis er ihr in Czenstochau in die Hände fiel. Nach einjähriger Einkerkerung im X. Pavillon der Warschauer Zitadelle kam er im März dieses Jahres mit ruinierter Gesundheit aus dem Gefängnis. Jetzt hat er die ewige, ungestörte Ruhe nach seinem arbeitsreichen Leben gefunden. ?endrzejowsli bekannte sich zum Sozialismus, aber er hatte ie moderne Arbeiterbewegung kein Verständnis. Selbst die Begründuug des Programms der Unabhängigkeit Polens , wie sie der schon auch verstorbene Theoretiker Kraus seiner Partei gab, war ihm zuwider: ihm genügte die Sehnsucht nach der Unab- hängigkeit seines Landes, die Liebe zu ihm, die in seiner Brust lebte, er brauchte für sein Ideal keine anderen Begründungen. Sein Bekenntnis zum Sozialismus war nur ein Ausfluß der Tat- fache, daß im polnischen Bürgertum alle Frciheitsideale erstorben waren, nicht das Verständnis für die Eigenart der Arbeiter- bewegung. Obwohl also die Ideale des Verstorbenen nicht die Ideale der polnischen Arbeiterklasse waren, so wird sie ihm doch ein ehrendes Andenken bewahren, weil er ein ehrlicher Kämpfer der Idee war, die er für heilig hielt, weil er für sie gelitten und gedarbt hat. Es sei mir erlaubt, diesen Worten des Andenkens an den Verstorbenen eine persönliche Erinnerung beizu- fügen. Ich sah ihn zum letzten Male im Februar des Jahres 1607. Es war während der großen Lodzer Aussperrung. In einem War- schauer Stadtgarten, im Schnee watend, irrte ich mit einem Ge- nossen herum, um in Ruhe einige Parteiangelegenheitcn zu be- sprechen. Auf einer kleinen Bank saß ein elegant gekleideter Mann. Im Vorübergehen warf ich einen neugierigen Blick auf ihn, denn mit der geckenhaften Kleidung wollte das ernste Gesicht nicht har- monieren. Da empfing ich den Gruß der tiefen, traurigen und treuen Augen. Obwohl ihn seine Kleidung stark veränderte, er- kannte ich ihn an diesem Blick sofort. Es war Jendrzejowski. Als Illegaler, in sehr verantwortlicher Parteistellung, konnte er sich nicht erlauben, mit dem guten Kameraden, mit dem er im Ge- fängnis ganze Nächte im intimen Gespräch verbracht hatte, auch nur einige Worte zu wechseln. Zwei einander feindlichen Organi- sationen angehörend, trafen wir uns bei der Arbeit fast gar nicht. Nur im Gefängnis konnten wir uns näher kennen lernen, und dort, in der einzigen freien Stätte Rußlands , offenbarte sich mir diese tiefe Seele voller Liebe, die Seele eines Menschen, der, ob- wohl ein stiller Träumer, der Tat sein Leben geopfert hat, die Seele eines treuen und tapferen Menschen, ag dessen Andenken der Streiter sich erheben kann. K. It. .-'> jmn. OrgaMationsstatut nahm am Dienstag eine Versammlung des Wandsbecker Parteivereins Stellung. Es wurden folgende Abänderung s- anträge angenommen: Im 4 soll es an Stelle, daß die Organisationen den weiblichen Mitgliedern eine Vertretung in: Vor st and gewähren müssen,k o n n e n" heißen.§ 6: Der Monatsbeitrag für weibliche Mitglieder be­trägt 10 Pf. Der Sah von der Gratislieferung derGleichheit" f ä l l t f o r t.> Im Z 7, der die zur Teilnahme a m Parteitag Berechtigten auszählt, soll Ziffer 4, die im Entwurf lautet: �Oie vom Parteiborstand berufenen Referenten" die Fassung erhalten:»Die vom Parteivorstand oder Par- teitag hinzugezogenen Vertreter und Refe- reuten". Dem§ 12, der die zur Einberufung eines außerordentlichen Parteitages Berechtigten aufzahlt, soll hinzugefügt werden: Auf Antrag der Mehrheit der ReichStagsfraktion. Statt 15 sollen 10 Bezirks­vorstände das Recht zur Einberufung eines außerordentlichen Parteitages haben. Im 8 13 soll die Frist, die zwischen der Veröffentlichung der An- träge zum außerordentlichen Parteitag und der Tagung liegen muß, statt auf 15 auf acht Tage festgesetzt werden. Im K 14(Mitglieder des P a r t e i v o r- stände?) soll es heißen, daß einer davon eine Genossin sein kann, anstatt m ujj, wie der Entwurf vorschlägt. Im s 23(Ausschluß) soll der Satz:.Auch kann der Ausschluß eines Mitgliedes erfolgen/ wenn es wiederholt in bewußter Weise die Parteiintercssen schädigt", gestrichen werden. Der Absatz 2 des§ 26Alle Instanzen sind berechtigt, sofern sie nicht dauernden Ausschluß aus der Partei beschließen, auf gchipendierung von Mitgliedsrechten zu erkennen und Rügen zu erteilen", soll ge- strichen werden. In den AnfangSsatz des Z 28Der Antrag auf Wiederaufnahme eines auS der Partei Aus- geschlossenen, ist an den Vorstand der Bezirks- bezw. Landes. organisation zu richten.. soll daS Wortjederzeit" ein- geschoben werden.__ Aus den Organisationen. Der Sozialdemokratische Verein für den Wahlkreis Lübeck hielt am Montag seine Generalversamm- lung ab, in welcher der Jahresbericht erstattet wurde. Aus dem- selben ist zu entnehmen, daß die Mitgliederzahl Ende Juni 8271 beträgt, darunter 285 weibliche Mitglieder. Die Einnahmen beliefen sich inklusive eine? am 1. Juli 1908 vorhandenen Kassen- bestände« von 4123,43 M. aus insgesamt 19 704,26 M., denen an Ausgaben 13 715,66 M. gegenüberstehen, so daß am 1. Juli d.. ein Kassenbestand von 5 988,60 M. vorhanden war. Die Agitation, welche im Laufe des Berichtsjahres in der Stadt und auf dem Lande entfaltet wurde, war sehr rege. Trotz der auch in Lübeck sehr stark fühlbaren Krise hielt sich der Mitgliederftand der Partei- organisation auf der Höhe des Vorjahres. Der Jahresbericht des Bromer Parteisekre- t a r i a t S für die Zeit vom 1. Juli 1903 bis 30. Juni 1909 ist erschienen und enthält auf 46 Seiten eine umfassende Darstellung von der Tätigkeit der bremischen Genossen während der Berichts- zeit. Durch 14 Volksversammlungen und drei Flugblätter sowie durch die allmonatliche Verbreitung eines AgitationsblattesDer Sozialdemokrat" wurde auf die Bevölkerung einzuwirken versucht. In zehn allgemeinen und 210 Distriktsversammlungen, durch 154 Vorträge, ferner durch die Verteilung von Broschüren an die Mitglieder und derNeuen Zeit" an die Funktionäre wurde zur Schulung und theoretischen Aufklärung der Mitglieder beigetragen. Außerdem wurden fünf Gemeindebertreterkonferenzen abgehalten. Tie Organisation hat 8396 männliche und 680 weibliche Mit- gliedcr. Trotzdem durch eifrige Agitation der Gewerkschaften und der Genossen 2232 Mitglieder und 989 Abonnenten derBremer Bürgerzeitung" gewonnen wurden, vermehrte sich die Mitglieder- zahl nicht, die Zahl der Abonnenten ging sogar um L42 zurück. , Angefügt sind die Berichte der Bibliothekare, der Jugend. koinmissieo Wd. bex ZeitungskommiMti.