entbehren, tvonüt Vurzew seine Anklagen formuliert. Vongroßem Interesse ist indes die Darstellung, die dieser selbstim„Journal" von der Rolle Landesens in den Ereignissenvon ILM gibt.Zu jener Zeit gab es, wie Burzew erzählt, in Paris zweiselbständig arbeitende revolutionäre Gruppen, die nichts voneinander wußten. Die eine bestand aus Resten der NarodnajaWolja und ihr gehörten Burzew selbst und Landesen an,die andere hatte nur drei oder vier Mitglieder und hatteVerbindungen mit der Züricher Gruppe, deren zwei bedeutendste Mitglieder D e m s k y und D e m b o Opfer einesSprengstoffexperiments geworden waren. In der erstenGruppe war nach verschiedenen Versuchen mit Sprengstoffendas Prinzip zum Durchbruch gekommen, das die Sozialrevolutionäre bis heute anerkennen und das die Vorbereitungvon Attentaten auf dem Boden gastfreundlicher Länderuntersagt. In der anderen wurde dieser Grundsatz nicht be-obachtet, und so geschah es, daß bei einem Experiment imWalde von Raincy bei Paris ein Revolutionär schwer der-letzt wurde. Einer seiner Freunde eilte zu einigen Bekannten,deren revolutionäre Gesinnungen er kannte, und beschwor sie,ohne Mitteilung weiterer Details,� alles kompromittierendeMaterial zu vernichten. Bei dieser Gelegenheitkam Landesen der anderen Gruppe auf dieSpur, und es sollte sich bald zeigen, wie er seine Ent-deckung ausnutzte.Zu dieser Zeit beschloß Burzew, mit einem seiner Freundenach Rußland heimzukehren. Rur Landesen kanntedas Ziel seiner Reise, aber schon in Rumänien bemerkteBurzew, daß er ausgespäht werde. Sein Reisegefährte ließsich nicht warnen und wurde an der russischenGrenze verhaftet. Burzew ging nach Konstantinopel,wo er zu seiner Verblüffung in den Blättern die V e r-Haftung der Pariser Freunde las. Er schriebsofort nach Paris, daß Verrat im Spiel sei, und nannteLandesen als Verräter. Aber so groß war das Vertrauender Revolutionäre, daß zwei von ihnen Landesen davon inKenntnis setzten und ihm im Namen der revolutionärenSache zur Flucht zuredeten. Landesen, der von derPolizei unbehelligt geblieben war, ließ sich nicht lange zu-reden und verschwand— für immer. Oder wenigstensals Träger dieses Namens. Die unscheinbare Spitzelraupeverwandelte sich in den glänzenden Schmetterling„GeneralArkadi Harting, Exzellenz. Ritter desWladimir-Ordens usw.". In dieser Verwandlungvollbrachte Abraham Heckelmann seine Glanzleistungauf deutschem Boden: den Königsberger Prozeß!Vor seiner Abreise aus Paris aber hatte er alles ge»leistet, was seine Brotgeber wünschen durften. Die Ab-Wesenheit des mißtrauischen Burzew, dem er selbst zur Reiseinständig zugeredet hatte, ermöglichte es ihm, seineGruppe mit der von ihm aufgespürten, mit Bombenexperimentierenden, zu verschmelzen. Am28 Mai verteilte er Bomben unter etliche Kameraden. A mnächsten Tage fanden die Hausdurchsuchungenstatt. Im ganzen wurden 13 Personen vor Gericht ge>stellt von denen 6 je 3 Jahre Gefängnis erhielten. Landesenwurde in contumaciam zum Maximum von 5 Jahren Gefängnis verurteilt. rri..r � m-. r. vIn Petersburg herrschte über den Prozeß große Freude.Alexander III. rief:„Endlich haben die Fr an.zoseneineRegierun g". was den damaligen Ministerdes Innern, Herrn C o n st a n s, den � Mann vonF o u r m i e s, sehr befriedigte. Der russische Bot-fchafter.BaronMohrenheim, aber richtete an denPolizeipräfekten Herrn Loz6 ein begeistertes Auer-kennungssch reiben, das bald darauf bekannt wurde.Es muß hier hervorgehoben werden, daß 6 Jahrespäter„Herr Harting" zum Ritter der Ehren-legion ernannt wurde. Bei Ausländern geht diese Ver-leihung über das Ministerium des Aeußern.und es ist Regel, daß die Gesandtschaft des Staates, dem derzu Dekorierende angehört, dabei zu Rate gezogen wird. 1896aber war derselbe Herr Mohrenheim noch Botschafter inParis! Sollte er etwa in seinem Harting den Landesen von1896 nicht erkannt haben?Charakteristisch für die Bestürzung, die Vurzews Enthüllungen in den Kreisen der französischen Polizei hervor-gerufen haben, sind einige Interviews, die die heutigenMorgenblätter wiedergeben. Am wildesten gebärdet sichHerr Guichard, der Chef der sogenannten„AnarchistewBrigade", gegen den freilich Burzew die fatale Beschuldigungerhebt, er habe Harting„nicht uninteressante" Gefälligkeitenerwiesen. Für Herrn Guichard ist Burzew„ein Mann, derlängst ausallenLändernEuropas, Frankreich undRußland inbegriffen, ausgewiesen ist und in Parisnur geduldet wird"(nebenbei ist die Behauptung u n-wahr). Er habe gefürchtet, anläßlich des Zarenbesuches aus'gewiesen zu werden, und darum versucht, mit seiner Denuuziation der Regierung einen Dienst zu erweisen(?). Dagegensei Harting ein durchaus korrekter Mann, der in Rußlandselbst als vollkommen ehrenhaft gelte. Er habe ja auch denTitel Excellcnz und verschiedene Orden!— Der andere vonBurzew bezeichnete Beamte, Herr H a m a r d, erklärt,-Harting sei ihm völlig unbekannt. Herr Lozch der Polizei-präfekt von 1830, erinnert sich gar nicht, daß es einen Lawdesen gegeben habe. Dagegen ist das Gedächtnis des dwmaligen Chefs der Sicherheitspolizei, Herrn G o r o n, ziemlich aufgetaut. Er erzählt:„Im Anfang des Jahres 1896hatte Herr Loz6 den Gedanken, eine genaue Untersuchungüber die Situation der russischen Studenten(wie fein ausgedrückt!) zu veranstalten, die bei uns Chemiestudieren. Bald erlangte er den Beweis, daß einige mitExplosivstoffen experimentierten. Er fetzte sofortHerrn Ratschkowsky, den Chef der russischen Aus-landspolizei zur Ueberwachung der Nihilisten, davon inKe n n t n i s und forderte ihn auf, einige seinerAgenten den französischen beizufügen. Manbesand sich im Angesicht eines nihilistischen Komplotts gegendas Leben des Zaren. Die Regierung war ingroßer Verlegenheit. Sie befürchtete eine neueAffäre Hartmann, des Nihilisten, der einen Mord-anschlag gegen den Zaren unternommen hatte, aber unterdemDruckderöffentlichenMeinung hatte frei-gelassen werden müssen, da die Kammermehrheit seinVerbrechen als ein politisches ansah.(Bekanntlich fällt dasHauptverdienst an dieser Freilassung dem damaligen Demo-traten Clemenceau zu. Anm. d. B.) Herr Lozä schlugein einfaches Mittel vor, nämlich die Affäre vor das Zucht-Polizeigericht zu bringen und die betreffenden Personen nurwegen Herstellung von Sprengstoffen zu verhaften. Herrde Freycinet stimmte dieser Lösung zu, und HerrC.onstans billigte das Verhalten feines Untergebenen.Um 5 Uhr morgens waren alle Nihilisten verhaftet und dieBomben mit Beschlag belegt. Die VerHaftbefehle waren stattvom Präfekten von einem Untersuchungsrichterunterzeichnet und Herrn Loz6 in blanco vorgelegtworden. Am selben Abend richtete Herr von Mohren-heim einen Brief an den Präfekten, der mit denWorten begann:„Sehr teuerer, wahrer und aus-gezeichneter Freund" und worin er Herrn Loz6 mitWärnie für die Dienste dankte, die er Rußland er-wiesen hatte. Herr Lozch der einige Monate zuvor denGroßkordon des Stanislausordens erhalten hatte, bekamwenige Tage später vom Zaren einen Pracht-vollen Kun st gegen st an d."Diese Erzählung des redseligen Polizisten ist ein vor-treffliches Argument für die Forderung, die GenosseI a u r d s heute in der„Humanit6" erhebt. Jauräs erklärt,daß die von Clemenceau in Aussicht gestellte AusweisungHartings nebst seiner Streichung aus der Ehrenlegion nichtgenüge. Es gelte jetzt, Frankreich von dem infamenTreiben der ausländischen Polizei zu befreien, das bisherdie Begünstigung der Regierung genossen habe. Jaurdswill in der Kammer auf diese Forderung von Clemenceaueine Antwort verlangen. mNene Enthüllungen.Paris, 9. Juli. sPrivatdepesche des„Vorwärts".)Der„Matin", der Beziehungen zur Regierung hat, b e st ä t i g theute offiziös die Angaben Burzews. Es wird zugegeben, daß dierussische Regierung die Vergangenheit Hartings kannte, dieaber wahrscheinlich auch einigen französischen Polizei-beamten nicht verborgen geblieben war. Der rnssische Bot-schaster erklärt, daß Harting schon seit mehreren Monaten nichtniehr im Dienste der russischen Geheimpolizei stehe, eine Ausrede,die deutlich die Verlegenheit widerspiegelt.Burzew versichert, daß sich im Ministerium ein Notiz-block befindet, woraus hervorgeht, daß Landesen und Harting einund dieselbe Person ist. Der Block enthält Zettel, worin LandesensAufenthalt in Frankreich, sein Verschwinden aus Paris und seinWiederaustauchen in Paris erwähnt wird. Ferner beschuldigtBurzew den Harting, die Vergiftung des Sozial-revolutionärs Tscherniaks angestiftet zu haben, undbringt ihn in Verbindung mit der„Schlacht von Hüll". Er befandsich damals an Bord eines Aufklärungsschiffes und hat zuerst dieenglischen Fischerboote für japanische Torpedos erklärt,Nie das Zentrumfeine Versprechungen hält!!Jetzt, wo das Zentrum wieder Regierungspartei geworden ist,ist es außerordentlich interessant, sich die verlogenen,.volksfreund-lichen" Versprechungen ins Gedächtnis zurückzurufen, mit denen esnach der Reichstagsauflösung vom 13. Dezember ISOS seine leichtgläubigen Wähler eingeseift hat. Allen seinen Parteigenossen hates Herr Mathias Erzberger zuvor getan in feiner Broschüre:Warum ist der Reichstag aufgelöst worden?", auf die schon derAbg. Paaschs im Reichstage hingewiesen hat. In dieser Schrift wirdauf S. 28 ausgeführt, das Deutsche Reich werde nach Annahme derKolonialforderungen der Regierung jährlich mindestens1<X> Millionen Mark neuer Steuern brauchen.(Mansieht, Herr Erzberger ist ein schlechter Prophet gewesen!) Dannheißt es wörtlich:„Woher sollen diese kommen? Das Zentrum hat es bei dergroßen Reichsfinanzreform(gemeint ist die von 1906) erreicht,daß der kleine und mittlere Mann nicht oder nicht schwer ge-troffen sind(II); eS hat auch jetzt schon erklärt, daßes keinen Pfennig an neuen Steuern bewillige,ehe nicht die Branntweinsteuer gebessert wird!aus dieser st ecken jetzt die großen Brennereienjährlich nahezu60 Millionenin ihre Tasche, und doch gehören diese Geldervon RechtS wegen dem Rerchel Es sind dies„Liebes-gaben" der verschiedensten Art an die ostelbischen und andereGroßbrennerl Wenn das Zentrum in alter Stärke wiederkehrt,ist das Volk in seinen breiten Schichten vor neuen großen Steuernbewahrt!Ganz anders aber ist eS, wenn der Anti-Zentrumsblock siegt IDie Konservativen haben es schon im Frühjahr 1906 versucht, aufBier und Tabak hohe Steuern zu legen, Nationalliberale habenes offen erklärt, daß es das Zentruni gewesen sei, das eine höhereBesteuerung dieser Artikel verhindert habe! Wenn also die Gegnerdes Zentrums siegen, dann folgt eineungeheuere Erhöhung der indirekten Steuern!"Und weiter unten behauptet Herr Erzberger in fettemDruck:„Das Zentrum kämpft für eine gesunde Finanzpolitik!Wir sind gegen die Schuldenwirtschaft!Das Zentrum ist für den Schutz der untere» und mittlere»LolkSschichtcn!Wir sind gegen die Erhöhung der indirekten Steuern!"Und nun vergleiche man mit diesen Worten des Herrn Erz-bergers daS, was die Partei des Herrn Erzberger in der letzten Zeitim Reichstage getan hat I Dasselbe Zentrum, das angeblich e i nso energischer Gegner der Liebesgabe ist, das„keinenPfennig neuer Steuern bewilligen" will,„ehe nicht die Branntwein-steuer gebessert wird"— dasselbe Zentrum hat sich mit den Konservativen und den Polen zum Schnapsblock zusammengeschlossenund die Liebesgabe noch erhöht! Dasselbe Zentrum, dasangeblich„gegen die Erhöhung der indirektenSteuern" ist, hat nach Ablehnung der dieBesitzenden treffenden Erbschaftssteuer allein aufKaffee, Tee, Bier, Tabak, Branntwci» und Zündwaren 285 Millionenneuer indirekter Steuern bewilligt! Diese„christliche" Partei hatsich nicht gescheut, die Konsumartikel der Aerm st en derArmenin einerZeit derKrise, derArbeitslosig-keit zu belasten, um dieReichen schonen zu können!Ja, sie hat sogar die sozialdemokratischen Anträgeabgelehnt, die den dadurch brotlos werdendenArbeitern eine Entschädigung zusprechen wollten. uudlediglich den Tabakarbeitern einige Bettelpfennige bewilligt! INie zuvor hat eine Partei ihre Wähler so schamlos belogen undbetrogen.ZenttumSwähler, gehen Euch noch nicht die Augen ouf?poUtilchc GebcrHcbtBerlin, den 9. Juli 1909.Gegen den blutigen Zaren.Der Vorstand des sozialdemokratischen Wahlvcreins inKiel hat beschlossen, falls der russische Zar Ende diesesMonats auf der Fahrt nach Cherbourg durch Kiel kommensollte, in dem größten Saale Kiels, in dep..Waldwiese".eine Prote st Versammlung gegen das russischeKnuten- und Henkerregime zu veranstalten. TosReferat hat Genosse Landtagsabgeordneter Dr. Lieb-knecht übernommen._Die Junker gegen die Wahlreform in Preußen.ES ist eine unwiderlegliche Tatsache, daß der Kampf gegen dieErbschaftssteuer zwei Ziele hatte: einmal die Steuerfreiheitder reichen Erben und zugleich das Großgrundbesitzer-Privileg auf Steuerhinterziehung zu sichern, dannaber den Kanzler zu stürzen, der in der Thronred-Wilhelms U eine Reform des Dreiklassenwahlrechtsversprechen ließ. Deshalb arrangierte Herr v. Heydebrandmit soviel Umsicht und Festigkeit jenen Feldzug, in dem der Kanzlerso unrühmlich gefallen ist.Die Erinnerung der„Nat.-Ztg.", daß die preußisSe Wahlreform bei derErnennung eines neuen Kanzlers eine wichtige Rolle spielen müsse,hat daher den hellen Zorn der Sieger erregt und wütend schreibtdie„Deutsche Tageszeitung":„Das nationalliberale Blatt sollte doch wirklich mit der Ver-fechtung seiner Parteiwünsche an der Stelle, an die sichdiese angebliche Information wendet, etwas mehr Delikatesse oderdoch Klugheit zeigen. Der gegenwärtige Moment ist gerade nichtsehr geeignet zur Befriedigmig liberaler Ansprüche.„Ans-schalten" will niemand den Liberalismus, wenn er aber geradejetzt, wo er seine Unfähigkeit zur posiliveir Arbeit an einer solchennationalen Lebensfrage wie die Reichsfinanzreform so glänzenddokumentiert hat. noch eine besondere Vergütung für seineUnfruchtbarkeit verlangt, dann dürfte er damit mehr Erstaunenals Zustimmung finden: und wenn er weiter verlangt, daß derneue Reichskanzler und Ministerpräsident es für seine erste Aufgabehalten solle, nach dem kaum beendeten Kampfe um die Reichs-finanzreform. der den Parteihader und die Eifersucht zwischen denverschiedenen Berufsschichten unseres Volkes in einem noch kaumerlebten Maße aufgerührt hat, eine neue Aera er-b it t orten Kampfes zwischen den Parteien in Preußen zueröffnen, so ist dies Verlangen nicht von patriotischer Einsicht,sondern von einseitigstem Parteiiineresse diktiert."Das scheint uns denn doch eine arge Verkennung derSituation zu sein. Die Wahlreform in Preußen ist kein national-liberaler Parteiwunsch, sondern die dringend st e Forderungdes ganzen preußischen Volkes, nur die schliminstcilVolks f e i n d e, das preußische Jimkerium ausgenommen. Nicht wer für,sondern wer gegen die Wahlresorm in Preußen kämpft, vertrittsomit„einseitige!! Parteiinteressen". Im übrigen wollen wir zunächstruhig abwarten, ob die„royalistischen" Junker ihren preußischenKönig zur Aufgabe des in der Thronrede gegebenenVersprechens zu zwingen versuchen werden und ob in dieser Kriseder Umfälle auch die Krone umfallen wird.Das eine aber ist wohl sicher: eine„Aera erbitterten Kampfes'wird durch die Verweigerung der Wahlreform erst recht aus-gelöst werden.Im übrigen verläßt sich das Bündlerorgan bei seinem Kampfgegen die Wahlreform charalteristischerweise vor allem auf dasZentrum. Die Liberalen verlangen die Neueinteilung der Wahl-kreise, das Zentrum lehne sie aber aus Sorge um Erhaltungseines ländlichen Besitzstandes ab und bringe dadurch jedeReform zum Scheitern. Diese Einschätzung des Zentrumsist nur a l l z u r i ch t i g._Das bescheidene Zentrum.Die„Germania" kann auch bescheiden sein. Auf den Rüffel,der ihr gestern von der„Kreuz-Ztg." wegen der StimmungSmackiegegen Bethmann-Hollweg als Nachfolger BülowS erteiltwurde, leistet sie heute folgendermaßen Abbitte:DaS konservative Blatt hat uns doch erheblich miß-v e r st a n d e n. ES kann selbstverständlich nicht im entferntestenunsere Meinung sein, daß ein ZentrnmSmitglied oder garein Pole Reichskanzler werden könne. Die.Kreuz-Ztg."setzt eine solche Meinung Wohl auch nicht bei unsvoraus. Nachdem aber bei der wichtigen Ausgabe d«Reichsfinanzreform der Block so kläglich versagt hat undzwischen Konservativen und Liberalen deie helle Krieg au?-gebrochen ist, wäre eS nach unserer Auffassung nicht ratsam, als-bald wieder einen Reichskanzler zu bestellen, der sich für dieBlockpolitik in so ausgesprochener Weise engagiert hat und alsgrundsätzlicher Gegner der gegenwärtigen NeichSIagSmehrheit gilt.Er würde recht« und link« auf gleiches Mißtrauen stoßen ti'.iddarum von vornherein großen Schwierigkeiten begegnen. Wirträumen keineswegs davon, daß nunmehr die„konservativ-klerikale" Mehrheit wieder sicher und dauernd ansRuder gelangt und der„Blockgedanke" für immerabgetan sei. Wir wissen nur zu gut, daß er noch langeleben und sich immer wieder wirksam zeigen wird. Aber ebenweil der künftige Reichskanzler mit wechselnden Mehrheiten zurechnen haben wird, wie die„Kreuz-Ztg." annimmt, deshalb müßte sieeS doch ebenfalls als nicht wünschenswert betrachten, daß der neueKanzler allzusehr für die eine Mehrheit engagiert sei und sichdadurch das Arbeiten mit einer anderen erschwere. Auf die Eni-schließungen des Kaisers einwirken zu wollen, kann uns nicht inden Sinn kommen. Die„Äreuz-Ztg." hatte die Rechte der Kronein Sachen der Berufung von Ministern bisher auch nicht gegendas Zentrum, sondern gegen die liberalen Parteien zu verteidige».Wir lvissen doch nur zu gut, daß eine solche Einwirkung von unsererSeite einfach unmöglich ist, und daß der Versuch einer solchen diegerade entgegengesetzte Wirkung von der beabsichtigten habenwürde. Wir halte» uu« aber für berechtigt, rein objektiv aufSchwierigkeiten hinzllweisen, die bei der Wahl de« künstigen Kanzlerszu berücksichtigen nur hohe politische Klugheit rät.Diese Zurückhaltung des Zentrums ist ja erkltrlich. ES fürchteteben unter Umständen von den Liberalen gerade so aus der Ma-jorität herausmanövriert zu werden, wie eS selbst jetzt die Liberalenherausgedrängt hat. Der Blockreichstag mit seiner doppcl.'cnMajoritätsbildung bedeutet so unter allen Umständen die Diktaturder Junker und die Kosten hat, wie die Finanzreform beweist.das Volk zu tragen. In einem neuen Reichstage, wo dies netteMajoritätsspiel sofort aufhören mutz, wird daS Zentrum schon HöhcrcAnsprüche stellen. Das Zentrum weiß zu warten.Die Flucht aus der nationalliberalen Reichstags»fraktion.Dem Beispiele der Abgeordneten Lehmann und Graf Oriolaist nunmehr der Lederkönig von Worms, Freiherr Heyl zuHerrnsheim, gefolgt. Er hat seinen Austritt aus dernationalliberalen Reichstagsfraktion erklärt. Graf Oriola waram Freitag wieder im Reichstage erschienen und konferierte eifrigmit seinen bisherigen Parteifreunden.Die Einkommensteuer des Herrn Dr. Roesicke.Herr Dr. Roesicke, der zweite Vorsitzende des Bundes der Land-Wirte, sendet uns folgende Berichtigung:„Es ist nicht lvnhr. daß ich, so lange ich ein selbständige?Einkommei« habe, insbesondere, so lange ich Besitzer des Ritter-guteS GörSdorf bin, zu irgend einer Zeit Eiiikommenstcner nichlgezahlt habe. Es ist daher auch nicht wahr, daß ich zur Zahlungeiner solchen erst durch Vorlage meiner Bücher veranlaßt bin."Die Angaben, die Herr Dr. Roesicke berichtigt, stammen auS der„Liberalen Korrespondenz"._Ultramontane Unverschämtheit.Man schreibt uns aus Baden:Nur wenige Stunden entfernt von Lahr, woselbst die Jen-trumspresse kürzlich eine Philippika gegen die wucherische Levens-mittelvertcuerung loslegte, erscheint in Oberlirch ein anderesZentrumsblatt, genannt„R e n ch t a l z e i t u ng". Sie ist derTypus der preiswürdigen Schritttnacherci jedxr Verlogenheit und