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Gemeinheit tvidec die Sozialdemokratie. Um die Arbeiterschaft trotz ihrer steuerwucherischen Prellung durch das Zentrum diesem dienstbar zu erhalten, belügt und betrügt man sie in einer Weise, die dem Oberkircher   katholischen Pfarrhoforgan den Rekord in der Betätigung politischer Unehrlichkeit sichert. Unter der ironischen UeberschriftSozialdemokraten, die einzig warm- fühlenden Vertreter des arbeitenden Volkes" verzapft dieseRench- talzeitung"(Nr. 77 vom 1. Juli) einen Leitartikel zur höheren Ehre der Schnapsblockpolitik, in dem die sozialdemokratische Steuer- Politik als eineBeschützung des Großkapitals" dem edlen volksfreundlichcn Steuerhandwerk des Zentrums abschreckend gegenübergestellt ist. Mit dem Kampfe gegen die Parfüm st euer habe die Sozialdemokratie zur Betätigung der sozialdemokratischenfreien Liebe" die Arbeiterfrau herausschminken und wohlriechend salben wollen. Indessen verschwand die Parfümsteuer mit Hilfe des Zentrums, dem nun das Oberkircher   Pfarrhofblatt dasselbe vorwerfen darf bezüglich der P f a r r e r s k ö ch i n n en: die Priesterinnen der freien Liebemüssen doch Kölnisch Wasser, Moschus, Patschuli, Schminke, die verschiedensten Haaröle und Zabnwasser haben". Mit etwa derselben Moral verunglimpft das katholische Blatt die Stellung unserer Fraktion zur Kotierungs- und Wertpapiersteuer. Die Sozialdemokraten hätten sich ferner bei der Steuer auf Champagner der Abstimmung ent- halten; als Grund wird ironisch angegeben: Champagner ist natürlich das flüssige Brot der Proletarier! In Nürnberg   soll er wenig st enS gelegentlich des sozialdemokra- tischen Parteitages in Strömen geflossen sein, wie die sozialdemokratischen Blätter nachrühmten." Mit der Erwähnung dieser ultramontanen Preisleistung einer demagogischen Verlogenheit und hetzerischen Liederlichkeit wäre schon genügend gekennzeichnet, mit welchen den ReichswahrheitS- verband in den schwarzen Zentrumsschatten stellenden Schwinde- leien das Zentrum bei einer Reichstagsauflösung die Augen seiner Arbeiterschäflein geblendet haben würde. Der Leitartikel der Renchtalzeituna" schließt aber mit einer Verdächtigung der sozial- demokratischen Partei» wogegen letztere doch ernstlich zu Felde ziehen muß: Das sind Taten der roten patentierten Arbeiterfreundc. Als Schützer und Verteidiger des Großkapitals haben sie sich hier wieder, wie schon oft, gezeigt. Es ist wenige Tage her, da hat mir ein armer Arbeiter, der auch im Leben Sozialdemokrat war, erklärt, die Arbeitergroschen, die man so fleißig sammelt, dienen nur dazu, um Leute wie Singer und Bebel damit zu schütze n." In derRenchtalzeitung" haben wir es mit einem Blatte zu tun, das geistlichen Herren liiert ist, von denen einer erst wegen gemeinster Schmähung Oberkircher   Sozial- demokraten in einem anonymen Briefe vom dortigen Gerichte in erster Instanz gekennzeichnet wurde. Der Prozeß liegt noch in der Revision. Der eben geschilderteLeitartikel" gleicht den Schmähungen im anonymen Briefe. Zentrum und Alkoholbekämpfnng. Eine der beliebtesten, dem Reichslügenverbande nachgeahmten Beschuldigung klerikaler Blätter und Agitatoren ist es, daß die Sozialdemokratie die Trunksucht nicht bekämpfe und an deren Förderung ein Interesse habe. Tatsache ist, daß heute die Sozial- dcmokratie geradezu führend in der Alkoholbekämpfung geworden ist, und daß keine Presse so eifrig bestrebt ist, Aufklärung über den Alkoholismus zu schaffen wie die sozialdemokratische. In das rechte Licht gerückt aber wird jene klerikale Verdächtigung erst durch folgendes Eingeständnis in Nr. 27 derWestdeutschen Arbeiterzeitung", des Organs der M.-Gladbacher Zentrumszentrale: Leider muß auf die überaus traurige Tatsache hingewiesen werden, daß in Deutschland   die Katholiken auf diesem Gebiete(der Abstinenzbewegung) noch viel weiter zurück sind als die Anders- und Ungläubigen. Dies erhellt auch schon aus der einen Tatsache, daß von KS 000 deutschen   Abstinenten nur 3000 katholischen Vereinen angehören... Bei dieser Gelegenheit sei übrigen? festgestellt, daß der Bachemsche Verlag in Köln  (Kölnische VolkSzeitung" und Kölner Lokal-Anzeiger") katholischen Abstinenten erklärt hat, er könne in den Z e i t u n g s s p a l t e n nicht für sie eintreten; wohl aber wolle man die Bewegung durch Geld unterstützen: man habe Rücksichten zu nehmen" nämlich auf dte Inserate und die StadtratSwahlstimnien der Brauereibesitzer, Wirte usw. Tatsächlich wird in den beiden Blättern die Antialkoholbewegung totgeschwiegen. Wo nicht gespart wird k Wir lesen imSeemann  ", dem Zentralorgan der see  - männischen Arbeiter Deutschlands  : Kürzlich machte ein höherer Seeoffizier in der Zeit- schrift.Fortschrift' einige Glossen über den M a r i n e e t a t, bei dem, wie behauptet, mancherlei gespart werden könnte. Insbesondere spricht er über die große Höhe der Tafelgelder.Bis vor zwei Jahren", so erzählt der genannte See- osfizier,erhielt der Chef einer Flotte in den Reichskriegshäfen 30 M., in den heimischen Gewässern 33 und im Auslände 60 M. täglich an Tafelgeldern. Die Kommandanten der größeren Schiffe 10, 12 und 18 M.. je nach der Größe, die der kleineren 7,60, 9 und Ig.so M. usw., die Offiziere 8,20. 3,M) und 5 M. Außerdem ist bekannt, daß jede Messe noch ein Pauschquantnm für Geschirr, Bedienung usw. bezieht, das 8 M. pro Tag beträgt. Nun stellte es sich heraus, daß diese Tafelgelder nicht mehr zureichten. Sie wurden sämtlich mit Zustimmung des Reichstages um 1 M. erböht. Die Frage ist die: war dies unbedingt nötig? Jeder einigermaßen wirtschaftlich veranlagte Seeoffizier wird dies nur sehr b e- schränkt zugeben. Denn jede ökonomisch geleitete Messe mußte nicht unerhebliche Ersparnisse machen, die in die Privattaschen der Herren liefen. Greifen wir einen Fall heraus. Die Mcssecinkllnfte eines Kreuzerkommandantcn in Ostasien   beliefen sich seinerzeit auf 18 Mk. plus 8 Mk., täglich 20 Mk., im Monat rund 730 Mk. Fast allgemein begibt nian sich in Ostasien   für 2 Dollars(4 Mk.) st ä glich beim Chinesenkoch in Berpflegung. Dies macht im Monat 120 Mk. Auch wenn man sich selbst verpflegt, bezahlt man sicher nicht viel mehr. Wir können dies durch detaillierte Rechnungslegung beweisen. Für kleinere Ausgaben, wie Stewards, Zulagen usw. sind 25 M. hoch ange- setzt. Die gesanite Ausgabe für die Verpflegung beläust sich also für den Kommandanten auf 140 M. monatlich. Rechnen wir für besondere Einrichtungsgegenstände noch 40 M. monatlich, so bleiben immer noch 600 M. monatlich übrig.... Dafür läßt sich viel für Repräsentation leisten. In heimatlichen Gewässern genügt alle paar Monate ein einfaches Essen für die Schifssoffizicre und ihre eventuellen Damen. Auch wenn ich den Wein in Rechnung stelle, so brauche ich hoffentlich nicht mehr als 30 50 M. noch ab­zuziehen. Man sagt nicht zuviel, wenn man an. nimmt, daß früher die Kommandanten in Ost- asien z. B. bequem 400 M. monatlich auf dieSpar- lasse legen konnten. Und daß es noch jetzige- schieht, wird niemand leugnen. Daß für Admirale diese Bejräge sich erheblich höher stellen, ist selbstverständlich." Die politische Gewerkschaftsversammlung. Im Frühjahr dieses Jahres veranstaltete der Deutsche   Holz- arbeiterverband in Hunderten von Orten des Reiches Versammlungen, die der Agitation für den Verband dienen sollten. Auch in Mag de- bürg sollte eine solche Versammlung stattfinden; sie wurde aber von der Polizei ausgelöst, weil ihren Abgesandten, die zur Ueber- wnchung der nach Meinung der Polizei politischen Versammlung er- schienen waren, der Zutritt verweigert wurde. Die Ansicht der Polizei, daß in der Versammlung politische Angelegenheiten erörtert werden� sollten, gründete sich darauf, daß in dem Versammlungsinserat gelegentlich der Aufforderung zum An- schluß an den Verband auch von den ungeheuren Sleuerforderungen des Staates gesprochen wurde, die dazu beitrügen, daß der Hunger- r i e m e n noch stärker angezogen werden müsse. Dagegen Front zu machen sei Pflicht eines jeden Arbeiters. Der Einberufer der Versammlung, Genosse GorgaS, erhielt nun zwei Strafmandate über je 10 M. Er erhob Einspruch, erreichte aber nur, daß das Schöffengericht die Strafe auf insgesamt 100 M. erhöhte. Besonders die Worte.Hnngerriemen' und Front machen" erachtete es als ausschlaggebend. DaS Landgericht Magdeburg   als Berufungsinstanz ermäßigte am Donnerstag die Strafe wieder auf 20 M. Die weit- gehende Proklamation hätte doch darauf hingewiesen, daß politische Angelegenheiten erörtert werden sollten. Wenn vielleicht auch nicht der Referent, so hätte doch bei der herrschenden Redefreiheit jeden Augenblick ein anderer Redner auftreten und über neue Steuern oder andere politische Dinge sprechen können. Interessant war, daß der Vorsitzende des Gerichts, Geheimrat Rotering, in bezug auf das Wortden Hungerriemen noch stärker anziehen" bemerkte, er wisse gar nicht, waS das heißen solle. Der Arbeiter hungere doch nicht. Im Gegenteil, die Arbeiter sähen doch alle sehr wohlgenährt aus; wohlgenährter als viele wissenschaftlich gebildete Leute I.., frankreick. Gegen den blutigen Zaren. Paris  , 9. Juli. Die Partei der geeinigten Sozialisten veröffentlicht unter dem Titel:Gegen den r o t e n Z a r e n" in derHumanit�" einen Aufruf, in dem sie in scharfer Weise gegen den bevorstehenden Besuch des Kaisers Nikolaus in Cherbourg   Einspruch erhebt. Das Manifest fordert alle Arbeiter Frankreichs   von einem Ende des Landes bis zum andern auf, nach ihrem Gutdünken ihrer Mißbilligung über die Beleidigung Ausdruck zu geben, welche durch diesen Besuch der glorreichen Vergangen- heit dieses Landes zugefügt wird. General Gallifet ist in der Nacht vom Donnerstag auf Freitag in Paris   im Alter von 78 Jahren gestorben. Die bürgerliche Presse feiert den Verstorbenen als den Typus des französischen   Generals alten Stils, als Haudegen, der sich im Krimkriege, in Mexiko   und bei Sedan   durch schneidige Kavallcrieattacken auszeichnete. Berüchtigter jedoch ist der Kommuneschlächter Gallifet. Als sich im März 1871 das Volk von Paris  , das Thiers, der Vertreter der aus Schlot- und Krautjunkern bestehenden National- Versammlung, durch einen tückischen Ueberfall hatte ent- waffnen lassen wollen, erhob und die Kommune proklamierte, wurde General Gallifet mit der Niederwerfung der Kommune betraut. Gallifet, der durch die Reize seiner Frau am kaiserlichen Hofe Aemter erlangt hatte, war als skrupel- loser militärischer Glücksritter auch der rechte Mann, dessen die Versailler in ihrem Haß gegen das Pariser Volk be- durften. Schon die Proklamation, die Gallifet erließ, kenn- zeichnete den Mann:Die Banditen von Paris,  " erklärte er, haben den Krieg erklärt. Sie haben meine Soldaten er- mordet. Ich erkläre diesen Mördern einen schonungslosen Krieg." Die Taten, die Gallifet folgen ließ, übertrafen diese verlogen-brutale Ankündigung. Den Bestialitäten eines mit scheußlicher Grausamkeit geführten Straßenkampfes schlössen sich die Massenschlächtereien der Füsilladen an. Und Galifet tat sich bei diesen Schlächtereien noch durch persönliche Zynismen der bestialischsten Art hervor. Noch einmal war der Name Gallifets in aller Mund, als der Kommuneschlächter in das Ministerium Waldeck- Rousseau   als Kriegsminister eintrat, in ein Kabinett, dem auch der Sozialist Millerand   angehörte. Die ministerielle Tätigkeit Gallifets war übrigens nur von kurzer Dauer und verlief ohne bemerkenswerte Zwischenfälle. Für die Herabsetzung der Zölle. Pari?, 9. Juli. Die Deputiertenkammer setzte heute die ve- ratung des Zolltarifs fort. Jauräs(Soz.) brachte einen Antrag ein, der in feinem ersten Teil die Regierung auffordert, die Initiative zu einer internationalen Konferenz aller interessierten Mächte zu ergreifen, die auf eine stufenweise und gleichzeitige Ermäßigung der Zoll- tarife hinarbeiten sollte. Der zweite Teil des An­trages fordert die Zurückverwcisung des Entwurf? in die Kommission. In seinen Ausführungen trat Jqurös nachdrücklich für eine Politik der Milderung der zollpolitischen Spannung ein. Handelsministcr Cruppi akzeptierte den ersten Teil des Antrags Jaurös, obgleich er vielleicht in der Luft schwebe, und die Kommission erklärte ebenfalls ihre Zustimmung. Dieser erste Teil wurde sodann mit S43 gegen 11 Stimmen angenommen, worauf JaurdS den zweiten Teil zurückzog. Ein Antrag, die Reform bis zu den nächsten Wahlen zu vertagen, wurde abgelehnt; ebenso mit 488 gegen 75 Stimmen ein Antrag, der die Spezialdcbatte ablehnen wollte. Eine Spezialdebatte wird also stattfinden und zwar beim Wieder« zusammentritt der Kammer im Oltober. Die Sitzung wurde als- danu aufgehoben. Snglanä. Parlamentarische Nachwahlen. London  , 7. Juli.  (Eig. Ber.) Im SLahlkreise Cleveland  findet am 9. dieses Monats eine parlamentarische Nachwahl statt. Der bisherige Abgeordnete, der Unterstaatssekretär des Innern Herbert Samuel  , ist zum Kabineitsminister erhoben worden, wodurch er gezwungen ist, sich einer Wiederwahl zu unterziehen. Es kandidieren dort: Herbert Samuel  (liberal) und Wind, s o r Lewis(konservativ). Bei den letzten Hauptwahlen im Januar 1906 wurde Samuel ohne Opposition gewählt, so daß die Wähler nicht zur Urne gingen, da ein Gegenkandidat nicht vor- banden war. Im Jahre 1902 betrug dort die liberale Mehrheit 2036 Stimmen. Gegenwärtig vollzieht sich dort der Wahlkampf auf Grund der Handelspolitik(Schutzzoll oder Freihandel). foißlaucl. Ter Typhus in den Gefängnissen. Aus Petersburg   schreibt man uns vom 4. Juli: Ueber die in den Gefängnissen herrschenden Zustände haben bekanntlich die russischen   Zeitungen seit Jahr und Tag die bitterste Klage geführt, namentlich aber seit dem vorigen Sommer die be- trübendsten Nachrichten gebracht. Immer wieder suchte den auf- regenden Hiobsbotschaften gegenüber die russische   Verwaltung den Sachverhalt abzuleugnen oder zu beschönigen und hielt, so lange es ging, an dieser Taktik fest. Unterdes wurden die Gefängnisse mit neuen Häftlingen in einer die Vorschrift oft um das Doppelte oder Dreifache übersteigenden Zahl vollgepfropft, die ekelhaste Kost, an der gewissenlose Beamte sich bereicherten, wurde noch ekelhafter, ohne daß die Gefangenen gewöhnlich das Recht zur Selbswerpfle- gung erhalten konnten, und die noch mehr überhandnehmenden antisanitären Zustände in den Kerkern schienen zur Züchtung von epidemischen Krankheiten bestimmt zu sein; Typhus  , Pocken und andere Epidemien wüteten unter den Unglück- lichen Insassen der Gefängnisse, so daß diese an unzähligen Axtey Herde der Ansteckung bildeten und' zu einer G e f a h r f ü r die gesamte Bevölkerung wurden. Neulich ist sogar der Fall vorgekommen, daß der Gouverneur von Jekatcripos- law, v. Klingenberg, nach dem Besuch einer dieser Anstalten selber an Typhus erkrankte und daran starb. Die Mißstände wurden in letzter Zeit so unerträglich, daß die zentrale Gefängnisverwaltung sich schließlich zur Veröffentlichung einer langatmigen Beruhigungserklärung ver- anlaßt sah. Was man jedoch selbst aus diesem offiziellen Schrift- stück erfährt, ist wenig tröstlich. Denn daß momentan nur zwei- tausend Typhuskranke in den Spitälern der Gefängnisse daniederliegen, während es im März zirka dreitausend gc. Wesen seien, wen sollte diese Angabe beruhigen? Jedenfalls wissen wir, daß seit Monaten immer weitere Tausende von Häftlingen erkranken und bei der ihnen zuteil werdenden Behandlung in einem unvergleichlichen Prozentsatz dahingerafft werden; daß die TyphuSepidemie eine ungeheure Verbreitung auf- weist, wird auch offiziell zugegeben und durch Anführung der langen Liste der betroffenen Gefängnisse bekräftigt, aber dabei wird betont, daß die Seuche bloß in 22 Anstalten mit besonderer Stärke auf- trete. In einer Beziehung trifft allerdings die GefängniSverwal- tung den Nagel auf den Kopf, wenn sie zu ihrer Rechtfertigung als Ursache aller Mißstände die von ihr unabhängige Ueber- füllung der Gefängnisse angibt. Wie soll noch eine nor- male Verwaltung in den Gefängnissen stattfinden, wenn die Zahl der Eingesperrten von 95 452 zu Beginn des Jahres 1903 auf 181 137 im Februar 1909 angewachsen sei? Die neueste Zahlenfcststellung weih sogar von 212 909 Gefangenen, von einem weiteren schon von 212 999 Gefangenen, also von einem weiteren Wachstum um 39 909 Häftlinge innerhalb eines Vierteljahre?, zu melden. Künstlich wird nach wie vor die Menge der neuen Angeklagten durch Heraussuchung zweifelhafter und veralteter Fälle bis zu einer unerhörten Höhe vermehrt; Ver- schuldungen, die nach sehr anfechtbaren Angaben im Winter 19 0 5 begangen sein sollen, bringen tagtäglich ganze Scharen von Leuten, die seit langem jeglicher Politik fernstehen, auf die Ge- richtSbank und von da in die verpesteten Kerker. Und dies alles zum Zwecke der Beruhigung, die der gegenwärtige Justizminister Stscheglowitow zur Stärkung seiner Chancen auf den Premierposten sich besonder? angelegen sein läßt. Die Periode der Beruhigungsmahnahmen ist aber, wie man weih, noch lange nicht abgeschlossen. So mag denn der Typhus weitere Tausende vernichten! Wem sollte in Anbetracht der hohen Politik daran liegen? Klmerika. Annahme des Zolltarifs. Washington» 8. Juli. Der Senat hat in seiner Heu- tigen Sitzung die Tarifbill mit 43 gegen 36 Stimmen angenommen._ Huö der Partei. Da» Votum des italienischen Parteivorstandes zum Zarenbeftich. Rom  , 7. Juli.  (Cig. Ber.) Nach kurzer Diskussion hat der italienische Parteivorstand in seiner Plenarsitzung vom 7. ds. die folgende Tagesordnung über die Demonstration bei dem evtl. Zarenbeftich einstimmig an- genommen: Im Einklang mit dem Vorgehen der Sozialisten der anderen Nationen und der Aufforderung des internationalen sozialistischen  Bureaus erklärt der Vorstand der sozialistischen   Partei Italiens  , in der Gewißheit, nicht nur das Gefühl des Proletariats, sondern auch des besten Teils der öffentlichen Meinung des Landes auS- zudrücken, und indem er mit pflichtschuldiger Dankbarkeit des Heldenmuts der Söhne des russischen Volkes auf den Trümmern von Messina   gedenkt und erwägt, wie viel Jdialismus und mora- lische und soziale Kraft in Rußland   unter dem Regime Niko- laus II. niedergedrückt wird daß jede Handlung, und sei es auch nur die kalter, diplomatischer Höflichkeit dem Mörder gegenüber einen unertr'ägl.ichen Schimpf für die Ueberlieferungen der italienischen BefrehingS- bewegung, für das Märthrertum des russischen   Volkes und für die heiligsten Ideale der Gefellschaft und der Menschheit darstellen würde. Der Parteivorstand bezichtigt die Verfechter deS ZarenbefuchS der Absicht, dieses Ereignis zugunsten der Reaktion und gegen die freiheitlichen Bestrebungen des Volkes auszunutzen und spricht den Wunsch auS, daß in der pflichtschuldigen Protestmanifestation gegen den Besuch oeS Zaren das Proletariat die ganze Demokratie entschlossen an seiner Seite finden möge und ruft dieser Demo- kratie ins Gedächtnis, daß die Solidarität mit bedrückten Völkern nicht allein einem idealen Bedürfnis entspricht, sondern auch den hauptsächlichen Zweck und das wirksamste Mittel für die Beteili- güng deS Proletariats an der auswärtigen Politik darstellt. Der Parteivorstand fordert daher die Sektionen auf,� schon jetzt imponierende Kundgebungen zu organisieren in den den lokalen Verhältnissen entsprechenden Formen, um die Gründe des Protestes allgemein bekannt zu geben, und behält sich vor, im Einklang mit der Konföderation der Arbeit, eine Massnikund- gebung im ganzen Lande zu organisieren für den Tag. an dem Italien   durch den Zwang der höchsten Staatsstellen den Schimpf des Besuches erleiden muß. Was die Formen dieser Kundgebung betrifft, so erklärt der Parteivorstand unter Berufung auf die Be- schlüsse des Florentiner Parteitages sich gegen die Anwendung des Generalstreiks, bemerkt aber gleichzeitig, daß diese Ablehnung nicht die Verwerfung der Arbeitsenthaltung einschließt, die am Tage der großen Protestdemonstration geboten sein kann, um dieser Feierlichkeit und Allgemeinheit zu verleihen. polirellicke». Gerichtliches ulw. Diesachverständige" Justiz. Wegen Beleidigung des Reichsverbandssekretärs Reinhardt in Berlin   wurde Genosse B. S o m m e r vom..Stettiner Volks- boten" zu 100 M. Geldstrafe verurteilt. Die Beleidigung fand das Gericht in einem Bericht über eine in Pasetvalk ab- gehaltene Versammlung, in der R. gesprochen hatte. Die Ver- urteilung erfolgte, obwohl die betreffende Notiz» unterLokalcS- Provinzielles" stand und angegeben war, daß für diesen Teil der Redakteur Mehlich verantwortlich ist. DaS Schöffengericht erklärte einfach, trotzdem der Fehlgriff offen auf der Hand lag, daß es bei Feststellung der Verantwortlichkeit nicht auf die formelle Einteilung einer Zeitung, sondern auf den Inhalt der inkrimi- nierten Notiz ankäme! Diese ganz unhaltbare Entscheidung wird in der Berufungsinstanz zweifellos umgestoßen werden. Denn die rechtliche Konsequenz des Urteils wäre, daß Genosse Mehlich ein Wiederaufnahmeverfahren in allen den Prozessen beantragen müßte, in denen er wegen Notizen politischen Inhalts, die unter Lokales" standen, verurteilt worden ist. Beleidigung eines Kaplans. Bei der Beerdigung eines Genossen in Dortmund   wollte der Expedient derArbeiter-Zeitung  ". Genosse Otting  , einen Kranz mit einigen WidnuingSworten am Grabe des Verstorbenen niederlegen. Ein katholischer Kaplan versuchte Otting   an der Ausführung, seiner Absicht zu bindern. Unser Genosse erwiderte dem geistlichen Herrn hierauf:Bewahren Sie doch an dieser Stelle den Anstand, den Sie von uns verlangen, Herr Kaplan." Otting   wurde wegen dieser Aeußerung vom Schöffengericht zu einer Geld st rase von 70 Mark verurteilt, weil die Aeußerung die Absicht einer Vc- leidigung enthalte,.Gegen das unhaltbare Urteil ist Berufung eingelegt wojchsa.