Zahl der Für das Schnapsgesetz stimme» Abgeordneten mit Ja mit Nein Nevertrag 200* 108 71 Rheinland mit Hohenzollern �! 36 19 9 Bayern ..... 48 34 8 Sachsen ..... 23 6 14 Württemberg... 17 7 10 Baden..... 14 9 4 Hessen ..... 9 3 8 Beide Mecklenburg 7 4 3 Weimar..... 3 3— Oldenburg .... 3 1 2 Braunschivcig... 3 2 1 Meiningen .... 2— 2 Koburg- Gotha .. 2 1— Altenburg .... 1 1— Anhalt..... 2— 2 Die übrigen thüringischen Staaten mit Liype... 7 1 6 Freien Städte., S— 5 Elsatz-Lothringen. 15_ 0_ 2_ 397 205 142,*) Wie ans der Tabelle ersichtlich ist, hat der Schnapsblock seine Hauptstütze in Ostelbien, aber die Junker würden nicht einmal die Mehrheit in Preußen haben, wenn nicht die katholischen Agrarier und selbst zahlreiche Vertreter industriell hochentwickelter Kreise des Rheinlands zu ihnen gestoßen wären. Der Hauptreaktionsherd liegt neben Ostelbien, wie die! Tabelle deutlich zeigt, aber in Bayern . Bayern hat 48 Reichstagswahlkreise, davon hat das Zentrum, das in Bayern die rückständigsten agrarischen Anschauungen verficht, nicht.weniger als 34 im Besitz. Dann sind zum Teil mit seiner Hilfe noch drei Konser- vative, zwei Bauernbiindler— darunter der bekannte Ostelbier Rösicke— und ein Antisemit gewählt. Von den noch verbleibenden acht Sitzen haben drei die Sozial- demokraten, drei die Nationalliberalen und zwei die Frei- sinnigen inne. Auch das demokratische Württemberg stellt sieben Abgeordnete zum Schnapsblock und das liberale Muster- ländle Baden von vierzehn Abgeordneten sogar neun für die vom Reichstag beschlossene volksausbeuterische Steuerpolitik! Aus den fünf süddeutschen Staaten stimmten 59 Abgeordnete für und nur 37 gegen das Branntweinsteuergesetz mit der darin enthaltenen Liebesgabe. Von den preußischen Ab- geordneten stimmten 127 für und 80 gegen das Gesetz. Was hier vom Branntwein gesagt ist, gilt in vollem Um- fange auch von allen übrigen neuen Steuer- g e s e tz e n. Die Abstimmungsliste war immer die gleiche, nur daß hier und da aus wahltaktischen Gründen einmal einer aus der Reihe tanzte. Auch die soziale Zusammensetzung blieb bei allen Abstimmungen immer die gleiche, wie bei der Erb- anfallsteuer, nur daß bei den übrigen Steuern noch die Reichs- Partei hinzugestoßen ist. Dieselbe besteht ihrer sozialen Gliederung nach aus 10 Rittergutsbesitzern und Domänenpächtern, 8 Staats- und Kommunalbeaniten, 2 Fabrikbesitzern, 1 Arzt und 1 Rentner. Zählt man diese noch�zu den Gegnern der Erbschaftssteuer hinzu, so besteht der Steuerblock, welcher obendrein in der schweren Wirtschaftskrise der großen Masse 400 Millionen Mark indirekter Steuern auferlegte, aus 46 Rittergutsbesitzern und Domänenpächtern. 42 Gutsbesitzern» 22 Geistlichen, 20 Richtern, 20 Beamten usw. flu$ den Geheimniffen der russischen Polizei. Paris , 11. Juli. (Gig. SSer.)] Burzetv beginnt heute im„Matin" eine Artikelserie über die Organisation und über die leitenden Persönlichkeiten der russischen Polizei in Paris . In der Einleitung legt er dar, daß Harting-Landesen auf dem besten Weg war, Chef der sogenannten„Spezialsektion" zu werden, die die offiziell aufgehobene berechtigte„dritte Sektion" vollauf ersetzt hat. Die ganze Organisation dieser Sektion ist in das tiefste Geheimnis gehüllt. Ihre Beamten müssen sogar ihre Namen ver- heimlichen. Sie können sich auch nach Belieben Ausweispapiere auf irgendeinen Namen verschaffen. Nicht einmal der Direktor des Polizeidcpartements, dem diese Abteilung formell untersteht, ist imstande, in ihre Geheimnisse einzudringen, wie der Fall Lopuchin beweist. Der Spezialsektion ist nun die Pariser russische Polizei zugeteilt. Ihr eigentlicher Organisator war R a t s ch k o w s k y. Auch er hatte als Lockspitzel begonnen, indem er für freiheitliche Blätter schrieb und sich so Eingang in die Kreise der radikalen Literaten verschaffte. Er knüpfte Ver» bindungen mit politischen Deportierten an und zur selben Zeit, als er die Behörde in die Lage versetzte, ihr Los zu verschlechtern, schrieb er eine Artikelserie, worin er die öffentliche Meinung zum Kampf gegen das Schrcckensregime der Deportation aufrief. Er wurde schließlich durch den berühmten Revolutionär Klekotsch- kow demaskiert, der sich in die dritte Sektion eingeschlichen hatte und sein kühnes Unternehmen mit dem Leben bezahlen mußte. Ratschkowskh ging über die Grenze und ließ sich, nach Fahrten durch ganz Europa , 1884 in Paris nieder, wo er schon fünf Jahre später Chef der Geheimpolizei war. Er war der Jnstruktor Landesens und organisierte mit diesem die Bomben- affäre von 189 0. 1893 folgten dann Bombenatbentate in Belgien , wobei JagolkowSky, genannt Baron Ungern-Sternberg, fein Gehilfe war. Es ist nicht un- wahrscheinlich, daß auch Landesen seine Hand im Spiele hatte. Die Attentate forderten mehrere Opfer, die den Revolutionären zur Last gelegt wurden und Verfolgungen gegen sie herauf- beschworen. Ratschkowsty errang sich in Paris eine glänzende Situation. Er wurde überall empfangen und existiert sogar eine Photographie von ihm, worauf er zwischen zwei Mi- nistern der Republik zu sehen ist. 1903 berief ihn P l e h w e, der über einige von ihm begangene Indiskretionen verstimmt war, von seinem Posten ab. Es war gerade im Augen- blick, wo sich das intime Band zwischen Ratschkowskh und Azew geknüpft harte. Ratschkowskh ging nach Warschau und wartete den Tag ab, wo man von neuem an seine Dienste appellieren würde. Der Tag kam bald— nach der Tö t u n g Plehwes, die wo hl von Revolutionären aus- geführt, aber von Azelo organisiert worden war. Ratschkowskh wurde Direktor der Spezialsektion und' tatsächlich Chef der ganzen russischen Polizei. Er organisierte nun die Provokation auf erweiterter Stufenleiter. Mau erinnert sich noch der Enthüllung des Fürsten Urussow,- des Schwiegersohns Lrpuchins, über die im Polizeidepartement eingerichtete Druckerei der schwarzen Hundertschaften, deren •) Die Abgeordneten, welche gefehlt oder sich der Stimmabgabe enthalten haben, sind der Einfachheit halber hier nicht mit auf- geführt. ProklaMationen zur E r m o r d u n g der Intellektuellen, der Juden und— des damaligen Mini st erPräsidenten Witte aufforderten. Diese Enthüllung kostete ihn allerdings seinen Posten. Er zog sich von seinen offiziellen Funktionen zurück, aber er blieb tatsächlich im Besitz der Macht. Gegenwärtig befindet er sich in Zarskoje Selo , am Hofe, wo er großes Ansehen und die be, sondere Wertschätzung des Zaren genießt. Der Nachfolger Natschkowskys in Paris war Ratajew. Von seinem Vorleben ist wenig bekannt. In Paris aber zeigte er sich bald als Meister in seinem Fach. Azew war sein bedeutendster Gehilfe. Aber Harting-Landesen, der zu dieser Zeit Chef der russischen Geheimpolizei in Berlin war, strebte nach dem Pariser Posten und Ratajew wurde bald ab- berufen, um ihm Platz zu machen. Er wurde zur Entschädigung für kurze Zeit zum Chef der Spezialsektion ernannt, aber bald mit 15 000 Franks pensioniert. Er lebt in Paris . Er hat auch nach seiner Pensionierung eine gewisse Rolle gespielt. So hat ihn Stolhpin kommen lassen, um über die Polizeikarriere AzewS Be- richt zu erstatten. Mit Ratajcws Abgang beginnt die Aera Hartings. Von diesem berichtet Burzcw, daß er die Organi- sation„terroristischer" Attentate im Ausland zuließ, unter der Bedingung, daß sich seine Agenten dabei vor der Fe st nähme schützten. Burzew hat aus sicherster Quelle erfahren, daß sich die durch seine Enthüllungen erschreckte russische Polizeit mit dem Plan seiner Ermordung getragen hat. Eine darauf bezügliche Korrespondenz eines seiner der Ochrana angehörenden Freunde wird durch andere Mitteilungen bestätigt. Burzew, der übrigens nicht glaubt, daß die Polizei einen solchen Streich in Paris wagen werde, ist in der Lage, den genauen Wortlaut eines Gespräches mitzuteilen, das einer der höchsten Petersburger Polizeifunktionäre in der Zeit, da Burzew sich erboten hatte, als Zeuge im Prozeß Lopuchin auszusagen, mit einem Vertreter der Auslandspolizei geführt hat. Das Gespräch lautete: Was sollen wir mit Burzew machen? Es bleibt uns nichts übrigalö ihn zu töten. Und die Antwort lautete: Sagen Sie genau, was Sie wollen. Wenn Sie ihn töten lassen wollen, ist es selb st mitten in Paris möglich. Die Sache kost et nur 190 Rubel. Der erste Sprecher wagte es nicht, mit einem direkten Ja zu antworten, politische(leb er ficht. Berlin , den 12. Juli 1903. Die Beamtenbesoldung. Aus dem Reichstage, 12. Juli. Die Vorlage wegen der Beamtenbesoldung kam heute zur zweiten Lesung vor das Plenum, nachdem der zweibändige Kommissions- bericht am selben Morgen erst den Mitgliedern zugegangen war I Daß dabei von einer eingehenden Beratung nicht die Rede sein konnte, liegt auf der Ha, id. Das wollte aber die Mehrheit auch gar nicht. Sie schloß bereits, nachdem ein Mitglied für jede Fraktion gesprochen hatte, die Debatte über K 1, bei welchem Parw graphen stets die Generaldebatte stattfindet. Nur die Sozial demokratie war gegen den Schluß. In der Debatte handelte es sich in der Hauptsache nur um die eine wesentliche Differenz betreffs der Besoldung der Unter- b e a m t e n. Die Sozialdemokraten hatten eine Erhöhung der Gehälter der Unterbeamten beantragt. In der Regierungs ' Vorlage war das Mindestgehalt auf 1100 M., das Höchst gehalt auf 1700 M. festgesetzt. Die Sozialdemokraten ver� langten 1200 bis 1800 M. Ebenso wurde für Post assistenten ein höherer Satz gefordert. Auch von den liberalen Parteien waren für diese Beamtenklassen höhere Sätze verlangt, doch blieben sie hinter den sozialdemokratischen Forderungen zurück. Genosse Singer begründete die sozialdemokratischen Anträge mit dem Hinweis darauf, daß für die kärglich be soldeten Untirbeamten die Erhöhung der Sätze not wendiger fei als für die oberen Beamten, da sie ja unter der Lebensinittelteuerung weit mehr zu leiden hätten. Die Vertreter der Regierung, die Herren Sydow und v. Rhein - b a b e n suchten wieder wie in der Kommission das Haus von jeder Erhöhung der Gehälter zurückzuhalten mit der feier- lichen Erklärung, daß die Verbündeten Regierungen das für un- annehmbar halten würden. Das„Unannehmbar" der Regierung übt aber bei den Oppositionsparteien nur noch eine c heiternde Wirkung aus. Genosse Singer erinnerte an die Rolle, die die Regierung bei der Steuerbewilligung gespielt hatte, und ermahnte das Haus, sich nicht von einem für not- wendig erkannten Beschluß dadurch zurückhalten lassen. Nach Schluß der Generaldebatte gelang es dem Genossen Emmel, noch einmal sich Gehör zu verschaffen, indem er die Lage der Unterbeamten in Elfaß-Lothringcn, besonders derjenigen der Reichseisenbahnen, zur Erörterung brachte Bei der Abstimmung wurden die sozialdemokratischen Anträge zwar abgelehnt, angenommen aber die den sozialdemokratischen gegenüber abgeschwächten Forderungen der Nationalliberalen und Freisinnigen, für die nunmehr, um wenigstens etwas zu erreichen, auch die Sozialdemokraten eintraten. Ta auch die Polen und Antisemiten sowie einige Zentrumsleute dafür stimmten, erhielten diese Anträge in namentlicher Abstimmung eine knappe Mehrheit. Bei der morgen stattfindenden dritten Lesung muß es sich nun zeigen, ob das Haus trotz des„Unannehmbar" der Regierung bei seinen Beschlüssen bestehen bleibt oder ob die Mitglieder der neuen Mehrheit, die diesmal gegen die Regierung gestimmt haben, mittlerweile zum Umfallen gebracht werden. Die Krise. Fürst B ü l o w hat Sonnabend abend den Herren des Auswärtigen Amtes ein Diner gegeben und dabei in Erwide- rung auf eine Ansprache des Staatssekretärs V. S ch o e n seine Abschiedsrede gehalten, die der politischen Bedeutung entbehrt. Mittwoch früh soll der Kaiser nach Berlin kommen. Bald nach der Ankunft findet dann die Unterredung des Kaisers mit dem Kanzler statt. Mittwoch soll die Ernennung des neuen Reichskanzlers— Herr v. Bethmann-Holl- weg steht noch im Vordergrund der Kombination— publi- ziert werden. Unterdessen dauert der Streit um die Unterschrift unter das Machwerk des„schwarzen Blocks" fort. Die Scherlpresse erklärt heute kategorisch: „Von mehreren Seiten ist die Frage aufgeworfen worden, ob Fürst Bülow die neue» Steuergesetze mit seinem Namen gegen- zeichnen wird. Soweit wir informiert find, erscheint es völlig ausgeschlossen, daß der Kanzler ein Werk unterzeichnen wird, an dessen Zustandekommen er in dem letzte» Stadium nicht mehr mitgewirkt hat." Was das bedeutet, setzt die«Deutsche Tageszeitung" folgendermaßen auseinander: „Wenn Bülow die Gegenzeichnung ablehnen würde, so würde das doch llarerweise heißen» daß diese Stellvertreter, ja daß der gesamteBundeSratbei diesem letzten Akte der RelchSstnanz- reform, obwohl sie sich streng an den. auch unter Zustimmung des Fürsten Bülow gesteckten Nahmen hielten, ihre Sache so schlecht gemacht hätten, daß der scheidende Kanzler seine Unterichnir nicht verantworten könne." Das stimmt schon, und eben deswegen will Fürst Bülow. vorausgesetzt, daß er nicht noch einmal umfällt, seinen Stürzern dieses Urteil nicht vorenthalten. Die neuen Steuern. Die„Finanzreform" ist Montag nachmittag vom B u n- desrat genehmigt worden. Damit treten folgende Steuern in Kraft: Biersteuer......... Ertrag 100 Mill. Mark Branntweinsteuer......, 80„„ Tabaksteuer........„ 43„„ Kaffee- und Teezoll....., 37„„ Zündwarensteuer......„ 25„, Glühkörpersteuer......„ 20„„ Schaumweinsteuer......„ 5„„. Grundstücksumsatzsteuer...., 40„„ Talonsteuer........„ 27,5,„ Effektenstempelsteuererhöhung..„ 25,5„„ Schecksteuer........„ 20„„ Wechselstempelerhöhung....„ 5,„ Erhöhung der Matrikularbeiträge„25„„ Summa 453 Mill. Mark Hierzu kommen dann noch 55 Millionen Mark, die man dadurch gewinnt, daß gegenüber der Regierungsvorlage die Fahrkarten- steuer(20 Millionen) beibehalten und die Herabsetzung der Z u ck e r st e u e r(35 Millionen) unterlassen ist. Ob freilich dieser Ertrag in Wirklichkeit auch nur annähernd erreicht werden wird, ist sehr zweifelhaft. Die Termine für das Inkrafttreten der Steuer- g e setze sind ganz verschieden. ES werden in Kraft treten: das Brau st euerge setz am 1. August d. I., die Bestimmungen über die Abgabenerhebung von Bier für Rechnung von Gemeinden, die Aenderung des Zollvereinigungsvertrages vom 3. Juli 1807 dagegen erst am 1. April 1910— daS Tabak st euergesetz am 15. August 1909, bezüglich der Aenderung des ZigarettensteuergesetzcS von IVOS am 1. September 1909— das Branntweinsteuer- g e s e tz am 1. Oktober 1909— die Reichs st empel Novelle am I.August 1909— die Bestimmungen über den S ch e ck st e m p e l am 1. Oktober 1909— die Erhöhung des Kaffee- und TeezolleS am 1. August 1909— die Zündholz- und Beleuchtungssteuer am 1. Oktober 1909, desgleichen die Schaumwein st euer. Ueber die Belastung durch diese neuen Steuern macht eine Korrespondenz folgende Angaben: Nimmt man die Ausgaben in einem DurchschnitiShaushalt für Streichhölzer, Bier, Zigarren, Spiritus, Kaffee und Tee an— alles Dinge, die von der Steuerreform betroffen sind— so wird man sehen, daß ungefär 10'/, M. mehr im Monat zu zahlen sein werden. Bei dem Unscheinbarsten angefangen: Streichhölzer kosten jetzt 3 Pakete 30 Pf., in Zukunft werden sie voraussichtlich um 45 Pf. teurer sein, und man wird 75 Pf. zahlen müssen. Auch die Flasche Bier wird nicht mehr 10 Pf., sondern mindestens 15 Pf. losten; rechnet man im Haushalte 4 Flaschxn pro Tag, so ist eine monat- liche Mehrausgabe von 6 M. zu verzeichnen. Ebenso geht eS mit der 8 Pf.-Zigarre, die künftig nicht unter 10 Pf. zu haben sein wird, also wiederum eine Mehrbelastung von ca. 2 M. im Monat. Dazu kommen noch die Aufschläge für Spiritus, Kaffee und Tee, so daß etioa 10>/z M. mehr bei gleichem Konsum herauskommen. Will man nun trotzdem die Balance halten, so bleibt nichts weiter übrig, als den Verbrauch einzuschränken. Schluß oder Vertagung des Neichstaas? Voraussichtlich Dienstag wird die Entscheidung fallen, ob die ReichstagSsession geschlossen oder vertagt wird. Für die Vertagung würde der Umstand sprechen, daß eine Reihe von Gesetzentwürfen, insbesondere das ArbeitSkammergesetz, die große GewerbeordnungS- Novelle, das Gesetz über Heimarbeit, die Strafgesetzbuchnovelle, die Fernsprechgebührenordnung vom Reichstag in erster Lesung durch- beraten und in der Kommission vorberaten sind— über daS Arbeits- kammergesetz liegt bekanntlich seit langer Zeit der Bericht vor. Indes' dürfte für die Regierung gerade die Erwägung gegen die Ver- tagung und für den Schluß der Session sprechen, daß die vorbc- ratenen Gesetze sozialpolitischer Natur sind. Die Negierungen wollen der Großindustrie durch Schluß des Reichstags und die dadurch naturgemäße Hinausschiebung der sozialpolitischen Gesetze einen Gc- fallen erweisen. Es wird also wieder so kommen, daß die Interessen der Heimindustriearbeüer, der Handlungsgehilfen und der gewerb- lichen Arbeiter denen der Großindustriellen geopfert werden. Der Blockreichstag und das schwarzblaue Kartell sind in dem Punkte mit der Regierung einig, daß daS Deutsche Reich den Arbeitern nur Kosten zu bescheren hat._ Die Wahrheit— eine politische Entgleisung. Die in Ratibor erscheinende„Oberschlesische Bolksztg/ war bisher das einzige Zentrumsblatt, das der Wahrheit über die Steuern des schivarzen Blocks die Ehre gegeben hatte. So hatte es über die Finanzresorm unlängst folgendes Urteil gefällt: „Wir haben schon des öfteren unseren Unwillen über die vielen indirekten Steuern kund getan, die der Reichstag neuerdings bewilligt hat und wohl»och bewilligen wird. Man hätte meinen sollen, daß man nach glücklicher Ablehimng der Erbschaftssteuer auch daran gegangen wäre, die kleinen Leute etwas zu schonen. Aber nein, wie wir prophezeiten. so kam es; der Herr Millionär trägt auch bei der neuesten Steuermncherei' wiederum den Ueberzieher, der arme Mann den schweren Koffer. Man braucht wahrhastig kein Sozialdemokrat zu sein, um sich darüber bitter zu beschweren; es verstößt eine solche Art und Manier gegen die Grund- s ä tz e des C h r i st e n t.u m s. Statt die sozialen Gegensätze im deutschen Volke zu mildern, verschärft man sie; man macht sich zum Schrittmacher der Sozialdemokratie; verantworte dies, wer will!" Dann heißt es von den Junkern und Latifundienbesttzem in Schlesien : „Eine Anzahl der genannten Personen führt ein luxuriö ses Leben im Auslande, wenn sie es nicht vorziehen, auf den Bänken der deutschen Parlamente über die Not der Ritterguts- besitzer Klagelieder anzustimmen und sich in den beweglichsten Tönen gegen die geringfügigste Besteuerung ihres Besitzes zu wenden. Sie sind es, die vor der E r s ch a f t s- st euer bewahrt bleiben, deren Tagelöhner und Arbeitersraucu aber den erhöhten Kaffeezoll bezahlen müssen."... «Ihre Taktik ist noch immer dieselbe! Andere, die armen, minder bemittelten Volksschichten zahlen lassen und sich unterdessen selbst bereicher», daS ist noch heute ihr Prinzip! Und darum nennt man sie„Ko n s e r V a ti V e". Die Erbschaftssteuer, die, in ge- rechter Fonn angewendet, diese Herren schwer gelrosftn hätte, diese lehnen sie ab, bewilligen aber, patriotisch, wie sie sind, mit größtem Vergnügen die Steuern auf Bier. Tabak, Kaffee, Zündhölzer usw." Wer aber in der jetzigen politischen Situation dem Volke die Wahrheit sagt, den kann das Zentrum nicht länger in seinen Reihen dulden. In der Nummer vom 11. Juli ver-
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