Einzelbild herunterladen
 

Nr. 95.

Grfcheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Biertel fährlich 8,80 art, monatlich 1,10 M, röchentlich 28 Pfg. fret in's Saus. Einzelne Nummer 6 Bfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage, Neue Belt" 10 Pfg. Boft- Abonnement: 8,80 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 8 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Boft Beitungs- Preisliste für 1898 unter Nr. 6708.

Vorwärts

10. Jahrg.

Infertions- Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Vereins- und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition abgegeben werden., Die Expedition ist an Wochens tagen bis 7 Ubr Abends, an Sonn­und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

Eornsprech- Anrdj lu Amt 1, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sinn für Geset lichkeit".

Sonntag, den 23. April 1893.

"

-

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

#

die

wachsenen Frauenarbeit abfieht, eine kleine Gesundung der Maschinen, Dampfkraft und Arbeitstheilung arbeiten, Arbeiterverhältnisse insofern herbeigeführt worden, als die absolut zum Handwerk rechnen wollten, um den Schutz­Die neuesten Berichte der sächsischen Gewerbe- Bahl der kindlichen Arbeiter infolge der Gewerbenovelle um bestimmungen nicht zu unterliegen. Wären in dem Inspektoren für 1892, deren Beugnisse für den Noth- die Hälfte und die der jugendlichen Arbeiter um den fünf- Berichtsband nun vollends noch die unzähligen Dis stand des verflossenen Winters wir bereits angeführt haben, zehnten Theil sant. Nichts wäre aber falscher, als diesen pensationen und Befreiungen übersichtlich zusammengestellt, geben in zweiter Linie einen glänzenden Begriff von dem äußerlichen Zahlen allzugroßen Werth beizulegen. Was die velche den Unternehmern von den Behörden gewährt berühmten Sinn für Geseßlichkeit" der sächsischen Unter- fächsischen Fabrikanten äußerlich dem Gesetze nothgedrungen wurden! Der neue badische und bayerische Berichtsband nehmerschaft. Das Jahr 1892 war für die Gewerbe- nachgeben mußten, das holten sie auf Umwegen hundert bringt diese Ausnahmen in übersichtlicher Tabellenform, Inspektoren das Jahr der Einführung der powren neuen Mal wieder ein. Und damit sind wir wieder bei dem wie es sich gehört; hat man sich in Sachsen geschämt, Schutzvorschriften für Frauen und Kinder in Fabriken, berühmten Sinn für Gesetzlichkeit" der Herren angelangt. die Sache zahlenmäßig festzustellen, weil man welche die Gewerbenovelle gebracht hat. Aber nur der Ein- Nicht allein, daß aus nicht weniger als sechs Bezirken be- Arbeiterschutz- Gesetze zu grausam durchlöcherte?? führung auf dem Papiere. In Wirklichkeit haben die richtet wird, die Unternehmer hätten die früher von ihnen Das Unerquickliche dieses ganzen Bildes wird schließlich noch loyalen sächsischen Kapitalisten das Gesetz einfach so mißachtet, beschäftigten Kinder einfach in die Hausindustrie erhöht durch die übliche Schönmalerei, mit der die blamablen daß die diesmaligen Berichte der Gewerbe- Inspektoren gesteckt, um sie dort wahrscheinlich noch viel erbarmungs- Vorkommnisse überdeckt werden sollen. Die Beamten für eine ganze Leporelloliste fortwährender Ungesetzlichkeiten loser auszubeuten, als früher. Nein auch die direkt Bauzen und Döbeln sind es, die sich dazu hergeben, die find. So achtet diese bevorzugte Klasse Gesetz und Recht, ungefeßliche Ausnutzung der in der Fabrit verbliebenen zahllosen Gesetzwidrigkeiten mit der Unkenntniß der wenn es ihr an den Geldbeutel gehen soll. Und dabei muß Kinder und jugendlichen Arbeiter wurde auf den denk- Unternehmer von den einschlägigen Gesetzes bestimmungen zu man bedenken, daß manche der sächsischen Aufsichtsbeamten bar höchsten Grad getrieben, um Alles wieder ein- entschuldigen. Anzeigen an die Polizeibehörden seien dess durchaus auf dem Unternehmerstandpunkt stehen, wie die zuholen, was man dem Gesez äußerlich hatte nach- halb meist nicht erfolgt; man habe sich vorläufig mit Wars Fabrikanten fühlen und denken und infolge dessen nur das geben müssen. Schon im Jahre 1891 hatte ja die Summe nungen begnügt. Wem will man damit denn eigent­Allerauffälligste berichten; ferner, daß die Strammheit der aller von den Inspektoren nur festgestellten lich Sand in die Augen streuen? Haben sich die Fabrikaufsicht, trotzdem neuerdings statt sieben dreizehn be-( beileibe nicht etwa der wirklich vorgekommenen, Unternehmer nicht zwei Jahre lang vor dem In­sondere Aufsichtsbezirke gebildet sind und das Personal ver- diese war sicher viel größer!) Uebertretungen gegen die krafttreten der neuen Gesetzes Bestimmungen aufs mehrt worden ist( von 24 Beamten auf 30), auch in Schutzvorschriften für jugendliche und findliche Arbeiter eingehendste mit denselben beschäftigt? Haben sie nicht Ein­Sachsen noch weit hinter der Strammheit der Polizei- nicht weniger als 1118 betragen; im letzten Jahre aber gaben über Eingaben an den Reichstag und die Behörden aufsicht über Arbeiter Versammlungen zurückſteht. So stieg dieselbe auf die enorme Höhe von 3400! Und dabei gerichtet, in ihren Vereinen debattírt, berathen und agitirt, revidirten z. B. die Inspektoren in Dresden , Frei- flagen die Inspektoren immer wieder über die Mangel- um den ärmlichen Arbeiterschutz der Gewerbenovelle von berg und Döbeln nicht viel mehr als die Hälfte haftigkeit der Polizei Aufsicht, der eigentlich der Industrie abzuwenden"? Haben sie teine Zeitungen der ihnen unterstehenden Betriebe. Bei demjenigen, was hauptsächlich die Sorge für die Beobachtungen der Kinderschutz und Reichstagsverhandlungen, feine behördlichen Bekannt­in der anderen Hälfte pafsirte, und wenn es doppelt so gefege obliegt. machungen und Ausführungsbestimmungen in den Amts­schlimm war, wie das Revidirte, wissen sie nichts zu Wo die Polizei andererseits einmal einschritt, benach- blättern gelesen? Nur Kindern kann man doch weiß­berichten. Von diesem Standpunkt aus muß man das Nach- richtigte sie sehr oft den Inspektor nicht; so bemerkt machen wollen, daß die sächsischen Unternehmer das Gesetz folgende betrachten. 3. B. der Beamte für Zwickau : Die Gewerbe Inspektion nicht fennten. Nein sie kennen es nur zu genau, Wenn man nämlich blos nach den äußeren Zahlen ist überzeugt, daß in noch mehr Fällen dergleichen aber sie wollen es nicht beobachten, weil es gegen gehen wollte, hätte sich die Vertheilung der sächsischen Ar- Bestrafungen( die unerlaubte Beschäftigung jugend- ihren Profit geht, und sie werden darin beiter gegen das Vorjahr( dessen Zahlen man sich selbst licher und kindlicher Arbeiter betreffend) erfolgt sind; Behörden mit dem größten Wohlwollen" unterstüßt, von zusammensuchen muß, denn der Verfasser des Berichts hat sie hat jedoch von den letzteren nicht allenthalben Kenntniß denselben Behörden, die gegen den Arbeiter wegen der ge­es unterlassen sie daneben zu stellen!) folgendermaßen erhalten." Dabei haben sich die loyalen Herren Fabrikanten ringsten Berfehlung mit den exorbitantesten Strafen vor­gestaltet: im Musterlande Sachsen ein ganzes System von Schleich gehen, ohne sich um die Kenntniß der Geseze" zu kümmern, wegen ausgedacht, auf welchen sie dem Gesetze eine Nase während man sich nicht selten den Prozen gegenüber auf drehen. Wir geben nur zwei Proben aus dem Zwickauer Warnungen" und im besten Falle auf lächerliche Geldstrafen Berichte. Einige Unternehmer hatten mit Rücksicht auf beschränkt. Einer dieser Prozen hat ja das Geheimniß aus­den Sonnabends um Uhr Nachmittags erfolgenden geplaudert, wie der Inspektor für Meißen berichtet. Er bes Schluß der Arbeitszeit weiblicher Personen die Na ch- schäftigte in seiner Papierfabrik die Arbeiterinnen mittagspausen für jugendliche Arbeiter ruhig weiter bei Nacht, und ließ sich auch durch an diesen Tagen in Wegfall gebracht.. und den Hinweis des Beamten auf die Ungesetzlichkeit zur Umgebung des 11stündigen Marimalarbeitstages für nicht stören, denn bei einer zweiten Revision Arbeiterinnen: ,, Dabei werden die Frühstücks- und fand man dieselben Mißstände vor( Seite 114 des Vesperpausen nicht allen Arbeiterinnen zu Berichtsbandes). Und auch dieser zweiten Revision gegen­gleicher Beit gewährt, mehrfach vertheilen über hatte der edle sächsische Papierfabrikant nichts als die Da außerdem die Anzahl der Anlagen, welche jugend- sich dieselben auf je eine Stunde, indem die nicht faule Entschuldigung:" Es ist anderwärts auch so liche Arbeiter beschäftigten, von 6059 auf 5793 herunter- feiernden Arbeiterinnen während dieser dieser Reit zum gearbeitet worden, und man hat angenommen, ging, während die Ziffer der Anlagen überhaupt von Theil die Arbeit der ruhenden mit ver- daß dies gesetzlich gestattet wäre." Aus diesem Sachverhalt 13 706 auf 13 806 stieg, so wäre also scheinbar, wenn man richten". An drei Stellen theilen Inspektoren mit, daß geht mit unwiderleglicher Klarheit hervor, daß es sich bei von der ungesunden und anormalen Steigerung der er sich Fabrikanten in der lächerlichsten Weise, trotzdem sie mit der Berufung der Unternehmer auf einen angeblichen

erwachsene Arbeiter:

männliche

weibliche

1891: 1892:

222 716 221 083

107 756 110 222

zusammen 330 472 331 305

1891: 1892:

1891:

1892:

findliche Arbeiter:

zusammen

männliche

weibliche

6770

3 461

3 898 1788

10 668 5244 guiammen 30 401

28 087

jugendliche Arbeiter:

männliche 17 568

weibliche

12 833

16 544

11 543

Feuilleton.

Nadbrud verboten.)

( 71

Die Laufbahu eines Nihilisten.

Bon S. Stepniat.

Autorisirte Uebersehung. Frei ins Deutsche übertragen von Bertha Braun.

"

"

-

von den

Als Andrej's Auge sich an das Halbdunkel gewöhnt facher Bauerntracht und um den Kopf ein Kattuntuch ge­hatte, sah er eine Menge Leute- Männer, Frauen und schlungen.

hier und da Kinder, welche zu beiden Seiten des Ganges " Hat Ihr Sohn etwas Geld zur Verfügung?" hinter eisernen Gittern zusammengedrängt waren. Die fragte sie.

Majorität bildeten die Besucher der gemeinen Verbrecher." Ja, Mütterchen, noch zwei Rubel." antwortete die Aber in einer Ecke rechts vom Eingange tonnte man eine Frau.

Gruppe sehen Männer und Frauen, deren Kleidung" Das ist zu wenig für einen Monat," sagte zeigte, daß fie den besseren Ständen angehörten. Sie unter- Warja. Am nächsten Sonntag will ich noch einige schieden sich auch von den andern durch die vielen Blumen Hubel für ihn mitbringen.

und die Bücherpackete, die sie in den Händen hielten. Dies Sie nahm aus ihrer Tasche ein abgenuttes, ziemlich waren die Besucher der politischen Verbrecher. dickes Notizbuch und schrieb einige Worte hinein. In ihrer Warja richtete nach jener Richtung ihre Schritte, An- Eigenschaft als barmherzige Schwester der Revolutionäre, Er dachte in der That nicht an das, was ihn erwarten brej folgte ihr in einiger Entfernung. Die gewohnte Um- hatte sie die Kontrolle über den Gefangenenfonds und trug konnte und schenkte den Warnungen des jungen Weibes Gleich- Sorge, keine Aufmerksamkeit. Der Gedanke, der beim Anblick des gebung, die bekannten Gesichter hatten ihr ihren Gleich- Sorge, daß alle Gefangenen, reiche wie arme, ihren An­Gefängnißthores an seinem Gemüthe nagte, war, daß vor Ortes zu denken, an dem sie selbst fast wie zu Hause war. muth wieder gegeben. Sie vergaß an die Gefahren eines theil an Geld, Büchern, Wäsche und dergleichen erhielten. zwei Tagen seine vier verblichenen Freunde durch dieses selbe Alle Besucher waren ihre Bekannten und Freunde. Sie als sie wieder zu ihm zurückkam. Wer ist die Dame mit dem Kinde?" fragte Andrej, Thor auf ihrem Weg zum Schaffot gekommen waren. drückten sich die Hände, richteten einige Fragen an einander Die Frau von Palisin, dem Richter," antwortete Der Wache habende Soldat riegelte auf und öffnete und tauschten Neuigkeiten aus. Eine blaffe, brünette Dame Warja. Er soll nach den sibirischen Bergwerken trans­bei ihrer Ankunft das Pförtchen, dann schloß er es wieder mit einem Knaben von zehn Jahren an der Hand, hielt portirt werden. Sie will ihm folgen. Es wird der armen geräuschvoll, sobald sie die hohe Schwelle überschritten Warja länger als die übrigen auf. Sie hatte einen großen Seele schwer fallen, denn sie läßt den Knaben bei ihren hatten. Andrej war im Rachen des Löwen. Blumenstrauß in ihrem Korbe.

Verwandten."

Als er sich so eingesperrt sah, empfand er einen Welch schöne Blumen Sie gebracht haben," sagte Warja. Ohne seine Frage abzuwarten, erzählte sie ihm von Augenblick die Ueberraschung und Hilflosigkeit eines Geben Sie mir einige davon. Ich habe meinen Freunden den andern Besuchern. Der alte Herr, ein Kaufmann aus Menschen, der plöglich in einen Kerker geworfen wird. Er heute gar keine gebracht." der Stadt, kam, sich von seiner jüngsten Tochter zu ver blickte sich um und lauschte. Ein unterdrücktes Stimmen- Die Dame übergab ihr alle Blumen, Warja band sie abschieden, die ihren älteren Schwestern nach Ostsibirien gemurmel war hörbar, ringsum herrschte vollständige auf und nahm ohne Umstände die Hälfte. Davon behielt folgen sollte. Die Bauersfrau war die Mutter eines Dunkelheit. Das dürftige Licht drang nur durch die Rigen sie einen Theil für sich und den andern gab sie einem hoffnungsvollen jungen Mannes, der sich durch Selbst­der massiven Thore, welche beide Enden des Bogenganges, grauhaarigen Herrn, der einige Schritte von ihr entfernt bildung emporgearbeitet hatte. Die anderen waren Männer in dem Andrej und Warja standen, abschlossen. Das Ge- stand. und Frauen aus allen Klassen und Ständen, die der gemeins same Kummer vereint hatte.

fängniß war ein vierseitiges Gebäude, welches einen Nehmen Sie sie für Ihre Tochter," sagte sie. Hof umschloß. Der Gang, welcher dorthin führte, diente fangene lieben nichts mehr als Blumen." an Empfangstagen auch als Wartezimmer für Besucher.

Dann ging sie zu einer bejahrten Bauersfrau in

Ge­Das Rasseln der Ketten und Riegel am innern Thor ein- unterbrach ihr Gespräch. Das Thor wurde aufgerissen,