|i. 167. 26. Iahrglwg.1. KtilM des Jim W Krlim NnIlisblMWitt«ch. 21. Inn 1909.„Doppelte Moral."München, den 20. Juli.(Tele graphischer Bericht.)Di« Verhandlung in München gegen Peter Ganter ergab gestern,daß der Angellagte den blauen Brief an Staatsanwälte, Gerichts-Personen, Buchhändler und Buchdrucker nicht übersendet hatte, weiler das.für einen Frevel" hielt. Interessant war in der gestrigenVerhandlung nur die Vernehmung des ersten Zeugen, desKaufmann? Ludwig C r o n h e i m aus Bromberg. Dieser hat einigeMale mit dem Angeklagten Ganter gemeinsam für die An-iiedelungSkommrssion Geschäfte zu machen gesucht, die abernicht zustande kamen. Dann ist er mit Ganter in Sachen desFürsten Hohenlohe und Jahnke zusammengekommen.Zeuge war der Bevollmächtigte des Fürsten Hohenlohe undder Angeklagte der Vertreter Jahnkes. Es sei ein Vergleichzustande gekommen. Jahnke habe ursprünglich 7Vz MillionenMark Entichädigung verlangt. Später verlaugte er aber nur21 000 M., die Gerichtskosten und eine Ehrenerklärung von SeinerDurchlaucht. Das ist ihm bewilligt worden. Im vorigen Jahre seiGanter zu ihm sCronheim) gekommen und habe ihm gesagt, er könneein großes Geschäft machen, eS fehlen ihm aber noch einige100000 M. Er werde an dem Geschäft 250 000 M. verdienen. DerZeuge habe ihm die 100000 M. gegen 90 000 M. Sicherheitgegeben.— Angeklagter Ganter; Ich möchte den Zeugenfragen, ob er mich für fähig hält, so viel Geld in eine Sachezu stecken unter der Gefahr, daß diese Sache strafbar ist.—Zeuge: Ich halte Herrn Ganter für einen so gewiegtenGeschäftsmann, daß ich ihm nie zugetraut hätte, eine solcheDummheit zu machen(Heiterkeit).— Staatsanwalt: WennSie den Zweck gekannt hätten, würden Sie das Geld hergegebenhaben? Zeuge: Ich hätte dann Ganter abgeraten. Er war in einerso guten Position, daß mir diese Entgleisung ganz unbegreiflich er-scheint. Wir hatten zusammen ein Geschäft in Sigmacingen vor, beidem eS fich um S Millionen handelte. Angeklagter Ganter:Herr Zeuge, haben Sie auch eine solche Karte bekommen? Zeuge:Ja(Hefterkeit).— Angeklagter Ganter: Das freut mich. Ichmöchte den Zeugen nun fragen, ob er sich beleidigt gefühlthat.— Zeuge: Ach nein. Ich war zuerst sehr erstauntund zeigte die Karte in meinem Bureau. Es waren aber einigeBekannte da, die sagten, daß sie auch solche Karten bekommen hätten.Es war mir dann sofort klar, daß es sich um eine Reklame handelt,zu dem Zwecke, ein Buch los zu werden.— Vors.: Sie haben sichalso nicht beleidigt gefühlt?— Zeuge: Nein.— Angekl. Ganter:DaS ist mir sehr wichtig.— Vors.: Es ist ja kern Zweifel, daßeine Reihe Personen nichts weiter darin gesehen haben als einenReklametrick. Andere aber haben fich dadurch beleidigt gefühlt.In der Nachmittagssitzung wurde zunächst der„Schriftsteller"Georg Fleck aus Wilmersdorf vernommen, der sich als Verfasserdes Romans„Doppelte Moral" bekennt. Er sollte ein Honorarvon 2S000 M. in Raten erhalten, hat aber„nur" 5500 M. bekommen und Reisegeld nach München, als er kurz vor Erscheinendes Buches, mit dem Ganter übrigens sehr unzufrieden war, tele-graphisch dorthin berufen wurde. Auf weiteres Befragen gibt derZeuge an, daß er im allgemeinen die Personen nach dem ihmvon Ganter übergebenen Material gezeichnet habe. Allerdings habeer sich bei der Schilderung der Figur des Prinzen in demRoman nicht so streng an den Lebenslauf des Prinzen Radziwillgehalten.Der Zeuge Mielcke-München, Geschäftsführer der Buchdruckereivon Schuh u. Cie., bekundet, daß der„Roman" vor der Druck-legung dem Münchener Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Rosenthal zurPrüfung übergeben worden sei; dieser habe erklärt, das Buch könneohne Bedenken gedruckt werden. Die Druckkosten— 56 668,11 M.—hat Ganter auf Heller und Pfennig bezahlt.Ghriltlkher Gewtrfcfchaftshongreß.Am zwetten Verhandlungstage referierte Abg. Becker-ArnSbergüber die neue Reichsversicherungsordnung. Die Vertreter der christ-lichen Organisationen haben in zweitägiger Sitzung das Gesetz be-reits durchberaten, wobei im wesentlichen eine Uebereinstimmung derAnsichten erzielt worden sei. Redner stimmt der Einrichtung derBersicherungsämter zu. Er steht ferner auf dem Standpunkt größt-möglichster Zentralisation der Krankenkassen. Die Verficherungs-ordnung geht ihm da nicht weit genug. Mit der Halbierung derBeiträge und dem Stimmrecht könne sich die Arbeiterschaft keineswegseinverstanden erklären. Die 45 Mill. Mk., die den Unternehmern durchdiese Halbierung mehr aufgebürdet werden sollen, wollen die ArbeiterKleines feuilleton.Heber die Geschichte des BroteS macht der bekannte FreiburgerHhgieniker, Professor Dr. Max Schottelius, im letzten ,KosiuoS"-Heftsehr interessante Mitteilungen, gleichzeitig auf die oft vernachlässigteHygiene im Bäckereibetrieb aufmerksam machend. Einen eigentlichenEntdecker der Kunst, aus Mehl Brot zu bereiten, gibt es nicht, viel-mehr hat eine tausendfältige Erfahrung ganz allmählich die Menschengelehrt, die Körner der verschiedenen Getreidearten zu Mehl zu ver-reiben und daraus unter Zusatz von Wasser und einer gärungerregendeuSubstanz Brot zu backen. Die Erfahrung, daß ein wohlschmeckendesBrot nur erzielt werden kann, wenn dem Teig ein Säuerung be-dingender Stoff zugesetzt wird, muß schon sehr alt sein. DieKinder Israel betrachteten es bei ihrem(angeblichen) Aufbruch ausAegypten als etwas durchaus Ungewohntes, daß sie mit un-gesäuertem Brot vorlieb nehmen mußten und ließen sich nurdurch die notwendige Eile ihres Auszuges mit dieser Ausnahme ver-söhnen. In der Tat. das Gebäck, das die Juden noch heute in derErinnerung an jene Zeit des ungesäuerten Brotes essen, die Mazze,vermag auch heute keine sehr angenehmen Geschmacksempfindungenauszulosen. Die Säuerung und Gärung wird, wie allgemein be-kannt ist, durch die Hefe bewirft, Haufen mikroskopischer Pilze, diedurch eine besondere Substanz auf die Stärke des Mehles wirkenund einen Teil davon in Kohlensäure und Altohol zerlegen.Die gasförmige Kohlensäure treibt den Teig auf. indem sieden ganzen Teig durchsetzende Blasen bildet. Wenn dieHefe emige Stunden gewirkt hat. ist der Teig zum Backen fertigund wird mittels besonderer Formen in den Backofen gebracht. ImVerlaufe des bei einer Temperatur von etwa 200 Grad CelsiuS vorsich gehenden Backprozesses vollenden die in den Hesenzellen wirk-samen Stoffe, die man als Fermente bezeichnet hat. ihr Werk. Sielockern den Teig weiter auf, indem sie die aus der Stärke und dem vonihr abgespaltenen Zucker sich entwickelnden Kohlensäureblasen zwischenden Teig schieben. Auch andere wohlriechende, würzige Substanzen,über deren chemische Natur man noch nicht genau unterrichtetist. bilden sich während des Röstens; schließlich wird derRand des TeigeS zur Brotrinde umgebildet, die den weicherenInhalt zum Schutze umgibt und die im Inneren gebildeteKohlensäure, den Alkohol und gewisse aromatische Stoffe am Ent-weichen hindert. In ähnlicher Weise wird das Brot schon seit vielenJahrhunderten bei den verschiedensten Völkern hergestellt. Mit Rechtübt Professor Schottelius an der mangelhaften Hygiene im Bäckerei-betriebe Kritik. Noch immer geschieht die Knetung des Teiges inder primitivsten Weise mit den menschlichen Gliedmatzen, Händenund Füßen, während diese Arbeit von mechanischen Vorrichtungen,Knetmaschinen, in viel ausgiebigerer und vor allem sauberer Weiseauch in Zukunft weitertragen. Die parteipolitischen Mißbräuche in denKrankenkassen ließen sich auf anderem Wege beseitigen, z. B. durchdie vorgesehene Verhältniswahl. Die nichtsozialdemokratischen Ar-beiter könnten sich durch diese eine Vertretung in allen Kraukenkassenverschaffen und so eine scharfe Kontrolle ausüben. Es gäbe auchnoch andere Wege, die beschritten werden könnten, die aber anzugebener noch nicht für nötig halte. Die Halbierung würde in sehr vielenFällen den von dem Oberversicherungsamt ernannten Vorsitzendenim Gefolge haben. Das führe zu einer Bureaukratisierung desKrankenkassenwesens. In keinem Versicherungszweige sei aberweniger Starrheit am Platze, wie in den Krankenkassen. Eskönne auch kein Mensch leugnen, daß die doch hauptsächlichvon den Versicherten geleiteten Krankenkassen Hervorragendesleisteten. Wenn manche Ortskrankenkasse zurückgeblieben sei,so liege das vielfach am äußeren Ausbau und an derZersplitterung unseres Kassenwesens. Die in der Verficherungs-ordnung vorgesehenen Landkrankenkassen seien nichts anderes wiedie zum Tode verurteilten Gemeindekrankenkaffen, in noch schlechtererAuflage.— Zur Frage der Altersversicherung erklärte sich derRedner für Herabsetzung der Altersgrenze auf 65 Jahre. Wichtigeraber sei seines Erachtens der Ausbau der Invalidenversicherung nachder Richtung, den Jnvalidenrentnern für ihre unter 15 Jahre altenKinder einen Rentenzuschutz in Form einer Kinderrente zu ge-währe».— Zum Schlüsse seines Referats bespricht Redner noch denGedanken einer völligen Verschmelzung der drei Versicherungszweigein eine einzige Organisation, was Redner für utopisch hält; erhabe immer zu derartigen Forderungen der Theoretiker den Kopfgeschüttelt.Damit wurden die Dienstagsverhandlungen geschlossen.Der Aerbandstag der Tapezierer and verwandtev Servfs-gkuosstv Deutschlands.In der gestrigen BormittagSsitzung wurde gunächstüber das Verbandsorgan weiter beraten. Bon mehreren Rednernwird im allgemeinen bessere Ausgestaltung des Organs verlangt.Während aber einige den Hauptwert auf die prinzipielle undsozialpolitische Aufklärung gelegt wissen wollen, sind ander mehr,gemäß den Anträgen aus Straßburg und München, für fach.technische Artikel. Es liegt hierbei aber offenbar kein grundsätzlicherGegensatz zwischen beiden Auffassungen vor.Wie Hartmann-München ausführt, richten die Artikel derauf Seite des Unternehmertums stehenden Fachzeitschriften oftmalsUnheil unter der Gehilfenschaft an und halten die Leser von demOrganisationsgedanken zurück. Der Münchener Antrag hat aberzum Ziele, daß diesen Einflüssen entgegengewirkt werde. Es sollin den Artikeln über technische Berufsfragen auch die wirtschaftlicheEntWickelung des Berufs, wie die ganze kapitalistische EntWickelungeinbezogen werden. Solche Artikel sollen ab und zu in einer Bei-läge erscheinen.— Von einigen Rednern wird gewünscht, daß derVerbandsorgan auch auf den Arbeitsmarkt der Fach»Zeitschriften mehr achtgeben soll, da die Gehilfen, die sichauf Grund jener Arbeitsangebote Stellung suchen, nur zu oft ge>narrt werden und ihr Reisegeld unnütz ausgeben.Der Redakteur Becker weist in seinem Schlußwort unteranderem darauf hin, daß vor allem auch die Mitarbeit der Mit-glieder notwendig ist.Es folgt die Abstimmung über die vorliegenden Anträge. DerAntrag Frankfurt a. M. und Breslau, das„Korrespondenzblatt"nur alle vierzehn Tage herauszugeben, wird gegen eine Stimme,der Antrag, es einen Teil de? Jahres vierzehntägig erscheinen zulassen, gegen zwei Stimmen abgelehnt. Ebenfalls abgelehntwird der Antrag Dresden, den Titel des Blattes zu ändern. Diefolgenden beiden Anträge werden dem Verbandsvorstand zur Be-rücksichtigung überwiesen:Straßburg. DaS„Korrespondenzblatt" ist in Zukunftbesser auszugestalten. Leitartikel, die wichtige Fachangelegen.Herten betreffen, sollen mehr Berücksichtigung finden.München. Der Hauptvorstand wird beauftragt, daS„Korrespondenzblatt", so auszugestalten, daß einmal im Monatein Teil desselben dazu benutzt wird, technische Berufsfragenzu hehandeln.Ferner wird beschlossen, daß in das Organ eine Rubrik„Sterbetafel" eingefügt werden soll.Nach der Tagesordnung folgen nun die Berichte über denInternationalen Holzarbeiterkongreß, denInternationalen Arbeiterkongreß und den G e-werkschaftSkongreß. Auf Vorschlag der Leitung verzichtetjedoch der Verbandstag auf besondere Referate, da die Delegiertendurch die Presse hinreichend über die Verhandlungen und Beschlüssebewerkstelligt werden kann. Mit demselben Recht, mit dem bei unseine strenge Fleischkonlrolle stattfindet, sollte vielleicht auch einestrengere Kontrolle deS Brotes eingeführt werden. Allerdings sindes mehr ästhetisch-hygienische Gründe, welche hierzu den Anlaßgeben; eine eigentliche Infektion mit im Brote eingebackenenKrankheitserregem(ähnlich wie mit den Parasiten desFleischeS) kann deshalb nicht stattfinden, weil bei derhohen Backtemperawr alle Keime zerstört werden. WaSallerdings nach Ferttgstellung des Brotes von außen anSchmutz und Keimen durch die vielen Hände, welche die ge-backenen Waren betasten, auf das Brot gelangt, läßt sich hier leiderebensowenig wie bei allen übrigen Nahrungsmitteln kontrollierenoder verhindern. Hier kann sich das Publikum selbst nur durchgrößtmöglichste Rücksichtnahme, z. B. durch Vermeiden deS völligüberflüssige» Belastens aller möglichen Nahrungsmittel, helfen.Immerhin sollte man verlangen und erwarten dürfen, daß auch inder Backstube peinliche Sauberkeit herrscht. Wenn das Gegenteilauch nicht gleich lebengefährdend ist. so ist eS doch gewiß keine an-genehme Vorstellung, zu wissen, daß unser gebräuchlichstes NahrungS-mittel, daS tägliche Brot, nicht mit dem Maß von Reinlichkeit her-gestellt wird, daS unbedingt erforderlich ist, etwa mit unsauberenHänden oder gar Füßen geknetet wird. Im Interesse der Herstellerund Konsumenten ist hier besondere Gewissenhaftigkeit notwendig,wenn nicht eine Verschärfung der Vorschriften eintteten muß.Die Biedermeierzeit. Wohl jeder hat sich schon einmal in einerstillen Mußestunde beim Anblick eines Bildes zurückversenkt in dieTage unserer Vorväter, in jene stille, geräuschlose und anscheinendzufriedene Epoche, die mit dem Namen Biedermeierzeit bezeichnetwird. Scheint es nicht, als wenn aus dem durch die gewaltigenRevolutionen und die darauf folgenden napoleonischen Kriege zer-störten feudalen Rokoko ein gemütliches Bürgerleben emporgeblllhtwäre? Eine Zeit, in der man nur Sinn für Theater, schöne Literaturund gemütlichen Nachbarklatsch gehabt hätte? Die von unserenKünstlern gewählten Vorwürfe aus jener Zeit lassen eS vermuten.Aber wenn wir uns an den wohlgelungenen Zeichnungen eines HanSStubenrauch und anderer Berherrlicher des Biedermeiertums ergötzen,denken wir kaum an jene ttaurigen Zustände, die den Unter-arund zu diesem biederen Philistertum bildeten und es sogar ge-bieterisch bedingten.Die Jahre von 1815— 45, die man allgemein als die Bieder-meierepoche bezeichnet, waren die traurigste und trostloseste Zeit, dieder deutsche Bürger bisher gesehen hat; eine Zeit der düsterstenReaktion und brutalsten Polizeiherrschaft, unter der alles öffentlicheLeben von den Schergen der heiligen Allianz niedergeknüttelt und jedepolitische Regung im Bürgertum, unterdrückt wurde. Es war dieZeit der Demagogenhetze und Flücbtlingsverfolgungen. ausdenen die Niedermetzelung der polnischen Aufftändijchen aufjener Kongresse unterrichtet sind. Es wird sofort in die Diskussioneingetreten, die sich fast ausschließlich auf dieMaifeier,ihre Regelung und auf die Beschickung der Gewerkschaftskongresseund der internationalen Kongresse bezieht. Prinzipielle Gegensätzein der Auffassung der Maifeier treten in der Debatte nicht hervor.Die Durchführung der Maifeier im Berufe hat im allgemeinenkeine große Schwierigkeiten bereitet, Maßregelungen größereuUmfanges sind bisher nicht vorgekommen.Strasser- Berlin betont, daß es die organisierte Arbeiter-schaft ist, die die Maiseier will, und daß man alle Ursache habe,darauf zu achten, daß nicht etwa die auf dem Verbandstag derMetallarbeiter hervorgetretene Auffassung auf andere Gewerk-schaften übergreift.Einstimmig wurde folgende Resolution angenommen:„Der Verbandstag erklärt sich einverstanden mit der Stel-lungnahme unserer Vertreter aus den internationalen und demdeutschen Gewerkschaftskongreß und erwartet, daß auch in Zu-kunft dieselbe Stellung unserer Verbandsorgane wie bisher zurMaifeier beibehalten wird."Die nachstehende Resolution wurde ebenfalls angenommen,und zwar in ihren ersten beiden, prinzipiellen Sätzen ein-stimmig:„Der Verbandstag stellt sich auf den Standpunkt der inter-nationalen Arbeiterkongresse und erblickt in der Maifeier durchArbeitsruhe den würdigsten Ausdruck für die Forderungen derArbeiter auf Gewährung des gesetzlichen Achtstundentages undeines wirklichen Arbeiterschutzes. Er erwartet von den Kol-legen, daß sie in ihrem Wirkungskreis die Ideen der Maifeierpropagieren und überall da, wo die Möglichkeit vorhanden ist,sich den von den örtlichen, dazu berufenen Körperschaften be-schlossenen Veranstaltungen anschließen. In den sogenanntengemischten Betrieben haben sich unsere Kollegen nach erfolgterVerständigung mit den anderen in Betracht kommenden Organi-sationen, wenn von unseren Kollegen drei Viertel organisiertsind und von den Gesamtbeschäftigten zwei Drittel für dieArbeitsruhe gestimmt haben, der Bewegung anzuschließen. InReinbetrieben haben die Kollegen zu feiern, wenn drei Viertelorganisiert sind und sich zwei Drittel der Beschäftigten dafürerklären. Die Kollegen werden bei Aussperrung vom 4. Tagean bis zur Dauer von sechs Wochen nach den Sätzen der Streck-Unterstützung unterstützt."Zur Beschickung der Gewerkschaftskongresse wurde beschlossen,daß der Verband, gemäß dem Beschluß deS Gewerkschaftskongressesvon 1902, drei Delegierte entsendet, und zwar ein Mitglied desHauptvorstandes, einen Delegierten, den die Filiale des Kongreß-orteS wählt, und ein Mitglied des Ausschusses.Zum nächsten Puntt der Tagesordnung:Lohnkämpfe»nd Tarifverträgelegt der VervandSvorfitzende Vesper eingehend die Stellung desVerbandes zur Frage der Tarifverträge wre die Grundsätze für dieTaftik bei Lohnbewegungen dar. Der Redner führt u. a. aus,daß die Tarifverträge wohl Nachteile für die Arbeiter mit sich bringen,daß aber die Vorteile überwiegen. Die Tarifverträge seien größten-teils gegen die Absicht der Unternehmer zustande gekommen undvon der Gehilfenschaft erkämpft worden. Damit habe der Verbandfich die Anerkennung der Unternehmer verschafft. Die Zenttale derArbeitgeberschutzverbände im Tapezierergewcrbe bat im vorigenJahre einen Antrag angenommen, wonach bei Lohnstteitigkeitendie Gehilfenorganisatton im allgemeinen prinzipiell anzuerkennen ist.Bei den Unternehmern ist der Gedanke aufgetaucht, eine über dasganze Reich geltende Tartfgemeinschaft anzustreben, und ein LeipzigerTapezierermeister hat dazu die Meinung laut werden lassen, daßdie seiner Ansicht nach zu hohen Löhne der größeren Städte herab-gesetzt, die allzu niedrigen in kleineren und mittleren Städten etwaserhöht werden sollten. Eine solche Regelung ist selbstverständlichfür die Gehilfenschast nicht annehmbar. Ueberhaupt sind, wieder Redner darlegt, die Lohn- und Arbeitsverhältnisse in den der-schiedenen Orten noch viel zu ungleich, um einen Reichstarif zuschaffen. Dazu kommt, daß die Unternehmerorganisationen keineGewähr dafür bieten können, daß ein Reichstartf überall inne-gehalten wird. Nach den Angaben vom vorigen Jahre gehörtender Zenttale 13 Unternehmerverbände des Berufes an und dieorganisierten Arbeitgeber beschäftigten 2657 Arbeiter, also nureinen geringen Teil der Arbeiterschaft des Berufes. Unterdiesen Umständen hat die Gehilfenorganisation um so wenigerUrsache, auf die Schaffung eines Reichstarifes zu drängen.Vielmehr muß erst einmal in den kleineren und mittleren Städtenfür Besserung der Verhältnisse gesorgt werden, um so mehr, alsdavon auch der Fortschritt in den größeren Städten abhängig ist.Tarife sollen nicht abgeschlossen werden, um überhaupt einen Tarifzu haben, sondern ihres Inhalts wegen. Im übrigen spricht derden Hohen von Warschau grausig hervorleuchtet, die Zeit, da derdeutsche Spießer eingeschüchtert sich in einem pattiarchalischcn Philister-leben wohl zu fühlen begann, während man inzwischen die bestenGeister des Landes in den Kasematten der preußischen FestungSwälleknebelte. Erst um die Mitte des Jahrhunderts brach dann der Swrmlos, der jene Zeitpertode zum Abschluß brachte. Der Bann war ge-sprengt. Freilich, was darauf folgte, war auch nicht viel wert, aberdie sozialen Zustände drängten wenigstens gebieterisch vorwärts.Wir haben also keinen Grund, diese„goldenen" Tage unsererGroßväter zurückzuwünschen, am allerwenigsten die nach politischerBetätigung dürstende klassenbewußte Arbeiterschaft und derenJugend. Nichtsdestoweniger verweilt man gern ein Viertel-slündchen bei jenen Zeichnungen in den Witz- und Faniilienblättcrn,die über die Misere jener traurigen Zeit so angenehmhinwegzutäuschen versuchen und uns„Urväter HauSrat" so idyllischvor Augen zaubern. Trotz der Nüchternheit dieses engen Alltags-lebens hat eS die Kunst verstanden, der Zeit künstlerisches Interesseabzugewinnen. Er im langen Rock und WichStopf, daS Halstuchüber den ungestärtten Kragen gebunden, während ein bunter ZipfelauS der Rocktasche hcrvorlugt, Sie, mit einer, durch lange Bänderbefestigten Haube, den Blick züchtig gesenkt, schreiten sie durchs Gäßchcn,untertänig den Stadipolizisten grüßend, und doch mit einer gewissenWürde, die halb mit Furcht, halb mit Stolz gepaart, das Spießer-bewußtsein hervorkehrt.Schutz von Kunstwerken in Frankreich. Die französische Kammerhat am Sonnabend im Rahmen eines Gelegenheitsgesctzes einigefür den Schutz des nationalen Kuustbesitzcs wichtige Bestimmungenangenommen. Es gab bisher wohl eine Klassifizierung von Kunst-werken, aber sie bedeutete nur einen beschränkten Schutz. Denn dieRegeln, die sie für die Erhaltung der Werke aufstellte, galten fürPrivatbesitzer nur im Falle ihrer Zustimmung und traten beimEigentumswcchsel außer Kraft. Der neue Eigentümer konnte ohneweiter� die„Deklassierung" verlangen. Auf diese Art wäre einesder berühmten Denkmäler der alten französischen Bildhauerkunst, die„Heiligen" in der Abbage von SolesmeS gefährdet ge-Wesen, da das Bauwerk durch den Liquidator zum Verlauf gelangensollte. Auf Anttag von Deputierten der verschiedensten Parteien,unter denen sich auch einige Parteigenossen befanden, hat nun dieKammer ein Gesetz beschlossen, das die Ausfuhr jedes klassiertenKunstwerks aus Frankreich verbietet. Außerdem behält dieKlassierung eines beweglichen oder unbeweglichen Kunstwerks einendauernden Charakter über zeden Eigentumswechsel hinaus und dieForderung der„Deklassierung" ist nicht mehr zulässig. Man kannin diesem Gesetz einen Ansatz zu einem eigentlichen Ausfuhrverbotfür Kunstwerke nach italienischem Muster sehen— einer Maßnahme.die angesichts der Raubzüge amerikanischer Schweinehändler w alteseuropäisches Kulturgebiet begreiflich ist.