baS sei eine Angelegenheit der Regierung, die weder heute noch morgen, aber auch nicht niemals sage. Die Negierung werde weiteste Freiheit walten lassen, die nur beschränkt sein werde durch das Be- streben, nicht wieder gutzumachende und blutige Störungen der Ordnung zu vermeiden. Briand gab sodann das Versprechen ab, an die Wahl- reforin sofort nach dem Wiederzusammentritt der Kammer heranzutreten, und bat die Kammer um vorbehaltloses Vertrauen zu einer Politik ohne Gewalt, aber auch ohne Schwäche. fVeifall.) Eine Tagesordnung, welche besagt, die Kammer spreche der Regierung ihr Vertrauen aus in der Gewistheit, daß sie ein treuer Dolmetsch der republika- nischen Mehrheit sein werde, und in der unter Ablehnung jedes Zu- satzes die Erklärungen der Regierung gebilligt wer- den, fand mit 806 gegen 46 Stimmen Annahme. Im Senate verlas Minister B a r t h o u die Erklärung der Regierung, die dort nicht so warm wie in der Kammer auf- genommen wurde. Vertagung. Paris , 27. Juli. Die Deputiertenkammer und der Senat haben die Marinekredite bewilligt. Darauf wurde die Session geschlossen. Dz; Zentrum als Vertreterin der RrbeiterintereSIen. Je mehr das Zentrum sich von der katholischen Arbeiter- schaft wegen seines Verhaltens bei der Beratung der neuen Verbrauchssteuern im Reichstage angegriffen sieht. desto skrupelloser greift es zu den perfidesten Mitteln, um die Sozialdemokratie als Börsenpartei hinzustellen und sich als die alleinige Schützcrin der Arbeiterinteressen aufzuspielen. So läuft gegenwärtig durch die Zentrumspresse, sowohl die so- genannten vornehmen Blätter vom Schlage der„Germania ", als die kleinen lokalen Kaplansblättchen, folgende verlogene Notiz: Wie die sozialdemokratischen Abgeordneten bei der Ab- stimmung über die neuesten Steuergesetze im Reichstage die Jnter- essen de?„Volkes" vertreten haben, ergibt sich aus der Tatsache, daß sie stimmten: 1. gegen die Steuer auf Wertpapiere, L. gegen die Zollcrhöhung aus ausländischen Champagner, 8. gegen die Steuererhöhung auf inländischen Champagner. 4. gegen die Zuwendung von vier Millionen Mark an arbeits- loZ werdende Tabakarbeiter. Wahrlich, die Genossen haben alle Ursache, ehe sie gegen die„Volksräuber" in den bürgerlichen Parteien wettern, vor der eigenen Tür zu fegen. Sie haben sich bisher noch immer als Beschützer des Großkapitals, insbesondere des Börseukapitals, erwiesen und sind stets gegen jede Verteuerung des.Volksgetränks" Chanipagner eingetreten. Was aber durch die Schuld der sozialdemokratischen Abgeordneten die Börsenmänner und Champagnertrinker an Steuern nicht zu zahlen brauchen, wird auf die breiten Massen abgewälzt. Daß die Genossen gegen die Zuwendung an die arbeitslos werdenden Tabakarbeiter stimmten, ist besonders interessant. Es ist richtig, die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat gegen die Steuern auf Wertpapiere und Champagner gestimmt, wie sie auch gegen alle anderen vom Schnapsblock bewilligten Steuern, z. B. gegen die Bier- und Tabaksteuer, die Branntwein- und Schwefelholzsteuer, die Erhöhung des Kaffee- und Teezolls gestimmt hat: aber nicht aus Sympathie für die Börsenmänner und Champagnertrinker, deren es sicherlich in den Kreisen der reichen Zentrumsparteiler viel mehr gibt als in der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, sondern um sich nicht mitschuldig zu machen an der Durch- führung des klerikal-konservativen Steuerprogramms, das den ärmeren Volksschichten nahezu vier Fünftel der vom Reich geforderten Steuersunimen aufbürdet. Diese vom Zen- trum als„gerechten Ausgleich" betrachtete Steuer- Verteilung erschien ihr als durchaus nicht gerecht. Sie forderte vielmehr, daß, da das Reichsdefizit durch die enormen Aus- gaben für Heer, Marine und Kolonien entstanden ist, auch jene dieses Defizit durch neue Steuern decken, in deren Jnter- esse diese Ausgaben gemacht sind. Die weitere Angabe aber, die Sozialdemokratie hätte gegen die Zuwendung von vier Millionen Mark an die arbeitslos werdenden Tabakarbeiter gestimmt, ist eine unverschämte Lüge der Zentrumspresse. Die sozialdemokratische Fraktion hatte zum Gesetz betr. die Tabaksteuer einen Antrag eingebracht, nach welchem aus dem Ertrag dieser Steuer an jene Tabakarbeiter und-Arbei- terinnen eine Entschädigung in Höhe ihres ausgefallenen Arbeitslohnes gezahlt werden sollte, die infolge der höheren Besteuerung des Tabaks brotlos würden. Kaum war dieser Antrag verteilt, als auch schon ein Antrag Giesberts kam, der ebenfalls eine Entschädigung verlangte, aber nur bis höchstens zu% des Lohnes. Der sozialdemokratische Antrag wurde abgelehnt. Darauf stimmten die Sozialdemokraten für den Antrag Giesberts, der angenommen wurde. In der driten Lesung hatte Herr Giesberts seinen Antrag wieder abgeändert, und zwar durch eine erhebliche Ver- fchlechterung. Er stellte nämlich den Antrag, daß zum Zwecke der Unterstiihung der arbeitslos gewordenen Tabakarbeiter nur ein Betrag von vier Millionen Mark eingesetzt werden solle. Gegen diese Verschlechterung wandte sich zunächst unser Genoss" Frank. Tann der Abg. Potthoff(Freist), der nach dern stenographischen Bericht sagte: „Der Kollege Molkcnbuhr hat- gesagt, daß die Sachverständigen der Regierung und der Mehrheit mit einem Rückgang von 12 Proz. der Zigarronsabrikation rechnen. Eine Arbeitslosigkeit von 12 Proz. würde 20 000 Arbeiter treffen. Die könnten also'pro Kopf, d. h. pro Familie, in den nächsten beiden Jahren 200 M. be» kommen, wenn wir 4 Millionen als Höchstgrenze ansetzen.(Hört, hört! links.) Daß mit einer solchen Summe nicht der tägliche Ver» dienstauZfall in 2 Jahren bezahlt werden kann, liegt doch außer Zweifel. Vielleicht gehen von den 4 Millionen auch noch die Ver- waltungskosten für die Verteilung ab, die vielleicht sehr hoch sind, so daß für die Arbeiter nur 3 Millionen bleiben. Wenn die Herren ehrlich sein wollen, sollen sie entweder die 4 Millionen streichen, oder sie sollen die Mindestsätze der Unterstützungen streichen, damit man draußen wirklich weiß, wa» sie eigentlich wollen."(Sehr richtig! links.) Der nationalliberale Abgeordnete Stre- femann bemerkte zu dem Antrag: «Das, was die Herren inzwischen aus dem Antrag gemacht Haben, erscheint uns nicht als eine Verbesserung, fondern als eine Verschlimmerung(Sehr richtig? links) desjenigen, wofür wir da- mals eingetreten sind. Wir haben infolgedessen unsererseits einen Antrag gestellt, die Worte:„Bis zum Gesamtbetrage von vier Millionen Mark" zu streichen.(Hört, hört! bei den Sozialderno- kraten.) Wir tun das, weil wir der Meinung sind, daß es un- möglich ist, wenn man damit rechnet, daß Arbeiter durch ein Gesetz brotlos werden, dann die Summe zu limitieren, die als Eni- schädigung ausgesetzt werden soll.... Wir möchten jedenfalls der Regierung nach dieser Richtung hin nicht irgendwelche Bindung auf- erlegen." Der nationalliberale Antrag auf Streichung der Fest- legung einer bestimmten Summe wurde abgelehnt, ebenso der sozialdemokratische Antrag, der den Tabakarbeitern die weit- gehendste Ertschädigung sicheren wollte. In beiden Fällen stimmte das Zentrum mit„Nein". Selbstverständlich haben darauf die Sozialdemokraten gegen den Verschlechterungs- antrag des Zentrums gestimmt. Es gehört eine eiserne Stirn dazu, angesichts dieser Tat- fachen die Behauptung auszustellen, die Sozialdemokraten hätten gegen die Zuwendung von 4 Millionen Mark an arbeitslos werdende Tabakarbeiter votiert, um dadurch den Anschein zu erwecken, als hätten die Sozialdemokraten eine Unterstützung der Tabakarbeiter nicht gewünscht. Wenn es das Zentrum ehrlich mit den T a bakarbeitern meinte, dann mußte es für die fozialdemo- kratischen Anträge stimmen. Unverständlich ist übrigens, wie es sich das Zentrum als eine Vertretung der Arbeiterinteressen anzurechnen vermag, daß es für eine Entschädigung bis zu 4 Millionen Mark stimmte, denn diese Summe ist doch nur ein kleiner Teil- der Last, die es den Arbeitermassen durch seine Bewilligung der Tabaksteuer aufgebürdet hat. Wenn darin eine Wohl- tat enthalten sein soll, daß das Zentrum erst aus den Ar- beitern so und so viel herauspreßt und Zehntausenade zur Arbeitslosigkeit verdammt, ihnen dann aber hinterher eine kleine, magere Entschädigung auszahlen läßt, dann ist es auch eine Wohltat, wenn jemand einen anderen zum Krüppel schlägt, ihm dann abr einige Groschen für Salbe zum Ein- schmieren seiner Wunden schenkt. LlnlchrMnng der KMungen! DaS englische Unterhaus hat gestern den Antrag des Radikalen Ellis. den Schiffbauetat herunter- zusetzen mit 280 gegen 93 Stimmen abgelehnt. Die Minderheit setzte sich aus den Nationalisten, den Mit- gliedern der Arbeiterpartei und einigen Radikalen zusammen. Mit der Regierung stimmte auch die konservative Opposition, deren Führer B a l f o u r ausführte, er stimme für die Regierung, nicht weil er der Meinung sei, daß die Regierung nicht der ernstesten Nachlässigkeit schuldig sei, sondern weil er nicht irgend etwas tun wolle, was in England oder im Auslande die Vermutung aufkommen lassen könnte, daß die Opposition einen Parteisieg auf Kosten der Flotte wünsche. Aus der vorhergehenden interessanten Debatte, deren Anfang wir bereits wiedergegeben haben, mutz noch folgendes hervorgehoben werden: ElliS(radikal) erklärte, die Regierung betrete eine Bahn, deren Ende niemand vorhersehen könne. Er glaube, daß es auch jetzt noch möglich sein würde, ein internationales Abkommen wegen der Beschränkung der Rüstungen abzuschließen. Premierminister A S q u i t h wies auf die Äe- mühungen der Regierung während der letzten drei Jahre hin, die Rüstungen einzuschränken und andere Nalionen zu ver- anlassen, dasselbe zu tun. Auch jetzt noch stehe nicht nur einem inter - nationalen Abkommen die Tür offen, sondern die Regierung sei sogar eifrig beftrcdt, mit den anderen Mächten zu einer Verständigung zu kommen. Die Regierung habe aber das Reich zu sichern gegen Gefahren die eintreten könnten. Er versichere dem Hause, daß das Flotten« Programm in keiner Weise eine aggressive Tendenz habe, daß die Regierung, zwar mit Widerstreben, aber einhellig zu der Ueber- zeugung gekommen sei, daß es daS einzige Programm sei, dessen Annahme sie im Hinblick auf die Sicherheit des Reiches ehrlich empfehlen könne. In einer eingehenden Kritik der Reden Mc KennaS und ASquithS erklärte B a l f o u r, die Regierung hätte von der auf- gespeicherten Kraft der Marine gezehrt, die von ihren Vorgängern hinterlassen sei, und ihr Ueberschuß an Kraft sei vor ihren Augen dahingeschwunden. Man wisse jetzt, daß zwei Mittel meer- mächte die stärksten Kriegsschiffe bauten, und die Re- gierung rede, als ob sie für gewisse Gefahren alles auf die Nordsee konzentrieren und das Mittelmeer und die englischen Handelsstraßen außer acht lassen könne. Der Ueberschuß an Schiffen, der von der Regierung vorgeschlagen werde, sei zu gering bemessen, und trotz Sir Edward Fishers Ausspruch, daß die Englander ruhig in ihren Betten schlafen könnten, könnte eine un- geheure Gefahr entstehen, der man in nicht allzu ferner §eit entgegentreten müsse. Hierauf wiederholte D i l l o n seine rage betreffend die Beobachtung der deutschen Zusagen und wünschte zu wissen, was denn für eine Recht- sertigung für die vier Dreadnoughts bestände, wenn diese Zusagen loyal innegehalten worden wären. Mit Bezug auf Deutschland sei eine schamlose und verwerfliche Sprache geführt worden, und diese Sprache habe die deutsche Regierung veranlaßt und in den Stand gesetzt, ihre riesigen Anstrengungen mit ihrer Marine zu machen. Barnes(Arbeiterpartei) führte aus, es schiene still- schweigend zugegeben zu sein, daß die Befürchtung bezüglich der Beschleunigung des deutschen Schiffsbauprogramms durch keine Tatsachen gestützt sei und daß die einzige Entschuldigung der Regierung für den Bau von Exrraschissen der Umstand sei, daß Italien und Oesterreich an Dreadnoughts dächten. Er sei erfreut erfahren zu haben, daß unter den deutschen Arbeitern eine Beivegung zugunsten der Herabminderung der Rüstungen bestehe. Das wichtigste Moment in dieser Debatte bilden die neuen feierlichen Versichernngcn der englischen Regierung, daß sie bereit sei, ein internationales U eberein- kommen zur Begrenzung der Flottcurüstiingen zu schließen. Es wäre hohe Zeit, daß die deutsche Regierung, an die ja diese stets wiederholten Aufforderungen der englischen liberalen Minister vornehmlich gerichtet sind, endlich Entgegenkommen zeigte und ihre Bereitwillig-- keit zu Verhandlungen erkennen ließe. Die sozial- demokratische Fraktion hat im Reichstage unablässig in diesem Sinne gewirkt und sie ist ohne Zweifel in dieser Frage die Sprecherin der überwältigenden Mehrheit der deutschen Nation, die dieses sinnlose Wettrüsten mit seinen verderblichen Folgen: dem wachsenden Steuerdruck und der wachsenden Kriegsgefahr verabscheut und von der Regierung verlangt. diesem Vorhaben durch ein vernünftiges Uebereinkommen Einhalt zu tun, so lange es noch Zeit ist. polltifcbe Ocberficbt. Berlin , den 27. Juli 1909, Erhöhung der Zigarrenpreise. Wie die verschiedenen Vereinigungen der Berliner Zigarre:!- fabrikanten und Zigarrenhändler mitteilen, haben sie beschlossen, die Preiserhöhung für Zigarren-, Rauch-, Kau- und Schnupftabake am Montag, den 16. August d. Js.. in Kraft treten zu lassen. Diesem Beschluß sind bereits die Zigarrenhändler einer Anzahl anderer Großstädte wie Hamburg , Mannheim usw. beigetreten. Die in den Zeitungen bisher angeführten Preiserhöhungen sind zum Teil unzutreffend. Nach Eintritt der Steuer dürfte sich ungefähr folgendes Büd der Preislagen ergeben: Die bisherige 6 Pf.-Zigarre wird � 6 Pf. kosten „» 8»»» �®" „„ 7„„„8.9.. v„ 8 ,,.. 10.„ .„ l0„„„ 1�„„ 12,„. 15„. Usw. Die christlichen Geiverkschaften als Stühe» des Schnapsblocks. Der christliche Gewerkschaftskongreß hat in treuer Befolgung U-� Grundsatzes der.politische» Neutralität" unterlassen, die christlichen Arbeiterführer, die in seiner Mitte weilten, zur Rechenschaft zu ziehen dafür, daß sie sich mitschuldig gemacht hatten an der großen Plün- derung der Massen durch die Reichsfinanzreform. Die Herren Schiffer und Behrens, die in den Augen jedes denkenden Arbeiters daS Brandmal des Verrats der Arbeiterinteressen tragen, durften dem christlichen Gewerkschaftskongreß präsidieren, und die Herren Giesberts und Becker, die nicht minder belastet sind, waren mitReferaten betraut. Und sie wurden mit Beifall gelohnt, als ob die deutsche Arbeiterschaft nicht besser vertreten sein könne als durch Leute, die kein Bedenken tragen, sich zum Handlanger des konservativ- klerikalen Schnapsblocks herzugeben. Freilich versicherte Generalsekretär Steg erwald, der die un- donkbare Aufgabe übernommen hatte, diese merkwürdige Art von „Arbeitervertretung" zu rechtfertigen, daß die Herren Giesberts, Schiffer usw.„in den letzten Wochen manche schwere seelische Kämpfe durchringen mußten". Weshalb sie in diesem .Seelenkampf" schließlich auf die Seite des Schnapsblocks statt ans die Seite der Arbeiter traten, dafür finden wir die Erklärung in einem Satze der langen, unklaren und unbeholfenen Ausführungen, womit Stegerwald im Anschluß an den Bericht des Gesaint- verbandSausschusseS daS Verhältnis der christlichen Arbeiterabgeordneten zur christlichen Gewerkschaftsbewegung zu erläutern versuchte. Dieser Satz lautet: „ES gibt in den politischen Parteien oft Fragen, die für die Partei außerordentlich wichtig und grundsätzlich sind. Da entsteht die Frage, ob mein Klassenempfinden den Aus- schlag zu geben hat oder Höhereidelle Gründe." Natürlich findet eS Herr Stegerwald in der Ordnung, baß in einem solchen Falle die„höheren ideellen Gründe' den Ausschlag geben. mW er nimmt seine Kollegen, die„anders stimmen als cZ dem Klaffenempsinden der Arbeiter im Lande zusagt", ausdrücklich in Schutz vor dem Vorwurf, als ob sie dadurch„ihre proletarische Ver- gangenheit vergessen hätten". In der Frage der Reichsfinanzreform lagen die„außerordentlich wichtigen und grundsätzlichen" Motive für das Zentrum, die„höheren ideellen Gründe" darin, wieder in die Stellung der ausschlaggebenden regierenden Partei zu gelangen. Dazu mußte Bülow gestürzt, der bisherige Block entfernt und durch den konservativ-klerikalen Block ersetzt werden. Das Klastenempfinden der Arbeiterabgeordneten hätte nach diesen parteipolitischen Interessen nichts fragen dürfen, da sie im Grunde auf weiter nichts Hinausliesen, als der Zentrumsbourgeoisie und ihren Sprößlingen wieder den Platz an der Staakskrippe zu sichern. Für daS proletarische Klassenempfinden handelte eS sich um die Frage, soll zu den bisherigen drückenden Lasten, die auf dem Leibe der Arbeiterklasse wuchten, eine neue Last von ungeheuerlichem Umfange gelegt, soll wiederum zur Schonung der tragfähigen Schultern von der Einführung wirklicher Besitzsteuern Abstand ge- nommen werden. Nach der auf dem christlichen Gewerkschaftskongreß verkündeten Lehre mußte für die christlichen Arbeiterabgeordneten das. höhere ideelle Interesse' über das Klassenempfindcn den Ausschlag geben. DaS ist kein Arbeiterverrat, wie Herr Stegerwald meint, das ist der nach„schweren seelischen Kämpfen" gewonnene Entschluß, daß den Idealen vor dem Materiellen nach christlicher Anschauung der Vorrang gebührt. Parteiverdrossenheit im Zentrum. Das„Schwarzwälder Volksblatt", das Zentrumsorgan in Horb , setzt seine Kritik an der Haltung des Zentrums bei der Reichsfinanzreform fort. Es läßt sich u. a. folgende Gc- ständnisse entschlüpfen: „Noch an demselben Tage, an dem die Reichs finanzreform von der neuen Mehrheit unter Dach und Fach gebracht worden ist. haben wir in einem Leitartikel unserem Unmut über die un- gewöhnlich hohe Belastung des Volke? mit nenen und erhöhten indirekten Steuern Luft gemacht und erklärt, daß in diesem Punkte unsere Zentrumsfraktion nicht vollständig im Sinne unserer Haupt Wählermassen gehandelt hat. Mögen Partei- offiziöse Korrespondenzen in einem Teile unserer Presse— die Mehrzahl schweigt sich über diese Frage aus— die Reform voni „nationalen Standpunkt" noch so rechtfertigen und schmackhaft zu machen versuchen— es bleibt dabei, daß eine nicht unbeträchtliche Belastung der schwächeren Schultern von seilen der neuen Mehrheit erfolgt ist und daß nur Ansätze, aber keine Wirkungen von anS- gleichender Gerechtigkeit zu verspüren sind. Je näher nun die Tage des Inkrafttretens der neuen in- direkten Steuern herankommen, um so stärker macht sich der Mißmut in unseren Wählerkreisen geltend. Was alles wir Zentrumsredalteure in diesen Tagen von an- gesehenen Parteigängern, die sich selbst ihre Meinung zu bilden vermögen, zu hören bekommen, gibt zu großen Sorgen Anlaß, denen man sich scheinbar in Fraktionskreisen auch nicht ver- schließt. DaS Völk kann nicht verstehen, daß 32S Millionen in- direkter Steuern auf einmal ihre Stechlfertigulig erfahren, wo man vor einem geraumen halben Jahre auf unierer Seile noch gcnljcn hat:„Keinen Pfennig neuer indirekter Steuern!" Es herrscht eine große Parteiverdrossenheit augenblicklich in Handwerker- und Arbeiter- kreisen. Wenn sie auch aus idealen Gesichtspunkten der Partei nicht gerade den Rücken kehren, so sind sie über die Art und Weise der neuen Belastung doch stark erbittert." Die Wahl in Landau hat ja die Darstellung des „Schwarzwälder Volksblatts" in der eindrucksvollsten Weise bestätigt._ Der Bundesrat mid die Talonsteuer. Der Bundesrat ergreift die angekündigten Maßnahmen gegen die Umgehung der Talonsteuer. Die soeben von ihm beschlossenen Ausführungsbestimmungen zum ReichSstempelgesetz erfassen nach offiziöser Mitteilung auch die Gewinnanteilscheinbogen und Zins-
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