ein Block don Bassermann bis Bebel oder mindestens von Ftschbeckbis Bebel gegründet werden, fühlen gewisse nationalliberale undfreisinnige Blätter sich in ihrer Gemütsruhe aufs äußerste bedroht.Obgleich in Anbetracht der amphibischen Natur deS größten Teilesdes Freisinns diese schönen Wünsche und Vorschläge nicht die geringsteAussicht auf Verwirklichung haben, und es sich deshalb auch nichtlohnt, sich mit ihnen ernstlich zu beschäftigen, scheinen doch einigesich liberal nennende Blätter zu befürchten, der Gedanke einerliberal-sozialdemokratischen Koalition gegen den feudalen Grundbesitzkönnte in den liberalen Reihen Wurzel fassen, und da sie davoneine Gefährdung der hehren.nationalen Kultur" Deutschlands befürchten, so bemühen sie sich eifrigst, die Sozialdemokratie als durch-aus nnbündnisfähig, als eine alles.verrungenierende", Vaterlands-lose, brutale Rotte hinzustellen.Das Glorreichste auf diesem Gebiete der Blut« und Barrikaden-malcrei leisten die.Berl. �Neueste Nachr." in einem.Wie siesind und bleibenl" überschriebenen Artikel. Nach einemhöchst gefühlvollen Gemütserguß über die.Früchte sozialdemo-kratischer Jugenderziehung" kommt daZ Blatt auf die Rede desGenossen Karl Liebknecht in Kiel zu sprechen und bietet folgendeStilblüte nationalliberaler Kultur:.Die dritte Erscheinung führt wieder an die Wasserkante,wiederum nach Kiel, wo der wegen Hochverrats zuFestung verurteilte Sohn eines wegen Hoch-Verrats zu Zuchthaus verurteilten Vaters dieGeißel blutrünstigster Revolutionsphraseologie gegen den Herrschereiner uns befreundeten Macht schwang, zu deren Untergrabung� Millionen deutscher Arbeilergroschen seit Jahr und Tag über dieGrenze wandern."Wenn daS die liberalen Leser mit der gepriesenen feinen Geistes-kultur nicht packt, hilft gar nichts mehr— Hochverräter. Zuchthäusler,blutrünstige Revolutionsphraseologie I— Doch eS kommt noch bester.Luch der Wahlausfall in Landau-Reustadt beweist, daß jedes politischeZusammengehen mit der sozialdemokratischen Mäste die feine Ge-sittung deS deutschen Bürgertums zerstören würde:.Der vierte Fall endlich hat sich dieser Tage im Rausch derSiegeSstimmung von Landau-Neustadt ereignet. Wir müssen beidem Bilde länger verweilen, um es als bleibendes Charakteristikumin uns aufzunehmen. ES führt unS auf historischen Boden, nachNeustadt, der Geburtsstadt deS Pfeiffers von der Haardt, woJesuitengeld einst ein heute noch als Stadthaus bewundertesKollegiumsgebäude schuf, und nach dem benachbarten WeindörfchenHambach, dessen.Riesling" auch denen bekannt zu sein pflegt, dienicht mehr wissen, daß dort einst Albrccht von Brandenburg denBoden mit dem Blute der fürstbischöflich speherischen Söldnerdüngte. In diesem Dörflein, dessen Feste, die emstige Kestenburg, die dankbare Pfalz vor einem guten halben Jahrhundertdem bayerischen Kronprinzen, späteren König Max II., als Maxburgschenkte, fand jenes berühmte Hambacher Fest vom 27. Mai 1832statt, auf dem zum erstenmal die Welt von einer republikanischeirdeutschen Partei erfuhr.— unter dem Beifall von Franzosenund Polen, die sich in reicher Anzahl unter den zwanzigtansendUmstürzlern befanden. Und an dieser selben Stelle wollte die Erbinjener republikanischen Ideale, die internationale deutsche Umsturzpartei, auch am letzten Sonnabend beweisen, wie sehr sieanlimonarchisch bis auf die Knochensei. Einigebesonders sich a ufIDifetriHe verstehende Genossenhatten sich in da? Schloß bei Hambach, die Maxburg, eingeschlichenund Feuerwerk vorbereitet. Dieser königl. Zeuge der repuplikanischenEide vom 27. Mai 1832 sollte in blutrotem bengalischenFeuer erstrahlen I Und über die Königspfalz sollte die Fahne desUmsturzes wehen.So hatten die Kulistenfchieber des internationalen Proletariatsgerechnet. Deswegen waren sie wie Diebe in die verschlosseneFeste gedrungen und sie hätten das Königsschloß zum blut-roten Fanal für den Sieg des Umsturzes gemacht, wennihnen nicht königliche Wächter oas Handwerkgelegt hätten I"Und so etwas nennt sich in Deutschland liberallVirtuosen der Lüge.Seit die Zentrunispolitiker sehen, daß ein großer Teil ihrerAnhängerschaft energisch gegen ihre agrarische Steuerpolitik pro-testiert, suchen sie durch eine noch immer steigende Flut von Flug-blättern, Broschüren und ZeitungSaetikeln den sie bedrohenden Sturmder Entrüstung zu beschwichtigen. Was in diesen Flugblättern anEntstellungen, Verdrehungen und Lügen geleistet wird, ist geradezuerstaunlich. Schon immer haben die Kämpen der Partei für„Wahrheit,Freiheit und Recht" sich als begabte Jünger Loyolas erwiesen, nachderen Moralbegriffen jede Lüge gestattet ist, wenn sie dem Wohl dereigenen Partei dient; die unbequeme Lage, in die sich durch ihr Ver-halten bei der Reichsfinanzreform die Zentrumspartei gedrängt sieht,hat jedoch diese Skrnppellostgkeit aus die Spitze getrieben. Ein Bei-spiel dafür, wie die Zentrumspartei zurzeit arbeitet, bietet die nach-folgende schöne Epistel des in Erkelenz(Rheinprovinz) erscheinendenklerikalen Kreis bla tteS darüber, weshalb neue Steuern not-wendig geworden sind und weshalb das Zentrum sie bewilligenmußte:„Die Steuern sind notwendig geworden infolge derletzten Reichstagswahlen vom Jahre 1007. Damalsgelang e» dem jetzt entlaffenen Reichskanzler Fürst Bülow eineMehrheit im Reichstage zusammenzubringen, bestehend ausLiberalen, Freisinnigen, Konservativen und der sogenannten Wirt-schaftlichen Vereinigung. Diese neue Mehrheit, schlechthin derBlock genannt, bewilligte alles, was die Regierung, d. h. FürstBülow verlangte, keine Ausgabe für Heer, Flotte. Kolonien. Welt-Politik war zu groß, alles wurde bewilligt. Die Bereitwilligkeit zumBewilligen solcher Ausgaben wurde noch vermehrt durch sogenannteKolonial« und Marinevorträge mit Lichtbildern, die allerlei Leutesogar in den kleinen Provinzstädten abhielten. Das dicke Endekam, wie verständige Leute vorhergesagt hatten, nach. Der Reichs-geldbeutel wurde immer leerer, die Schuldenlast mußte bis zurUnerträglichkeit gesteigert werden, der Größenwahnsinn nahmschließlich ein trauriges Ende: wie bei allen Leuten, die über ihreVerhältnisse leben, kam am Schlüsse der große Krach. Fürst Bülowging, der Block zerbarst, und die Zentrums-partei mußte schließlich unter Mitwirkung derKonservativen dieSache in dieHand nehmen undfür Ordnung sorgen. Diese Aufgabe war nicht leicht, galtes doch, Hunderte von Millionen Fehlbetrag im Reichshaushalt zubeseitigen und für die Tilgung der in den letzten Jahren auf-gehäuften Schulden zu sorgen. Hierzu kam der Rückgang im Er-trag der bereits bestehenden Einnahmen des Reiches, dieunter den schlechten Zeitverhältniffen zu leiden haben. Deshalbmüssen jetzt große Opfer gebracht werden.um die schlimmen Folgen der BülowschenBlockwirtschaft auszugleichen; auf die kurze Herrlich-keit folgt der wüste Katzenjammer. DaS sind die Ursachen derneuen Steuern, die jetzt alle BolkSkreise belasten."Wäre also daS Zentrum Regierungspartei geblieben, bannwäre die ganze Reichsfinanzreform nicht nötig geworden;Einen Beitrag zur prenßischen Vertvaltungsreformliefert der Bonner Professor Stier-Somlo in einer soeben erschie-neuen Schrift:„Zur Reform der preußischen Staatsverwaltung".Er weist auf die Schwerfälligkeit und Langsamkeit der Geschäfts-führung, �das Ueberwuchern der bureaukratischcn Gesichtspunkte, diegeradezu monströse Häufung der Verwaltungsbehörden u. a. m. hinund betont, daß die Verwaltung in Preußen bei weitem nicht denErfordernissen einer in bezug auf Verkehr. Bevölkerungszahl. Volks-Wirtschaftliche tyioMtm vpMndig tMwderten Zeit entspricht. Ertritt bor allem für eine Verminderung der Aufsichtsbefugnisse gegen-über den Kommunen und eine Erweiterung der Selbstverwaltungein. Ucber die bureaukratischen Schattenseiten der Verwaltungsagt der Verfasser:„Jener Geist der Bureaukratie, jenes Uebcrhandnehmen desSchreibwerkes, jene Langsamkeit und Schwerfälligkeit des G:-fchäftsganges sind Symptome für die Tatsache, daß«s den preußischen Behörden nicht gelungen ist, gleichen Schritt mit der Eni-Wickelung der gesellschaftlichen Faktoren innerhalb des Staats-Wesens zu halten, daß sie die beruflichen und wirtschaftlichenFormen unseres modernen Daseins weder zu sich in Beziehunggefetzt, noch auch sich bemüht haben, eine einigermaßen zufrieden-stellende Uebereinstimmung herbeizuführen. Diese Langsamkeitführt dazu, daß das Publikum oft Wochen- und monatelang aufeinen Bescheid lvartcn mußte, der unter normalen Verhältnisse»längstens in wenigen Tagen hätte erteilt werden können.",�Wieder nicht bestätigt!Der zum Mitgliede des Gemeindevorstandes in Moislingbei Lübeck gewählte Genosse Struß ist von der Lübecker Auf-fichtSbehdrde nicht bestätigt worden. ES ist dies daSfünfte Mal, daß dem gewählten Sozialdemokraten die Bestätigungversagt wurde. Die Behörde hat nunmehr ein bürgerlichesGemeindevorstandsmitglied ernannt. So wird daS Selbst»verwaltungsrecht in der Republik Lübeck zertrümmert.Ein Antimilitarist.Schwer gefesselt und von zwei Unteroffizieren bewacht wurdedem ObcrkriegSgericht zu Magdeburg am Freitag der Militär-gefangene Hermann Schräder vorgeführt. Der Angeklagte war wegenFahnenflucht zu acht Monaten Gefängnis verurteilt worden, die erim FestungSgefängniS zu Torgau verbüßte. Hier verabredete ermit einem Mitgefangenen die gemeinschaftliche Flucht, die er aucham 30. Mai d. I. während des Kirchganges ausführte. Als dieFlüchtlinge auf das„Halt!" des aufsichtführenden Sergeanten nichthörten, schoß dieser auf sie und st reckte SchrädersKollegen nieder. Schräder selbst wurde dann auch fest»genommen und wegen Fahncflucht im Komplott und im Rückfallezu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.Gegen das Urteil legte Schräder Berufung«in mit der seit-samen Begründung, er wünsche, daß ihn das Gericht zu einer sohohen Strafe verurteile, daß seine Ausstoßung aus dem Heere erfolgen müsse. Vor dem Oberkriegsgcricht wiederholte er seineBitte, obwohl ihm der Verhandlungsleiter auseinandersetzte, daßauf die Berufung eines Angeklagten allein nicht auf eine höhereStrafe erkannt werden könnte. Erst wenn er«inen dritten Ver»such zur Fahnenflucht unternehmen werde, könne er zu einer Zucht-hausstrafe verurteilt werden. Diesen„guten Siat" wird denn derAngeklagte, auch wohl befolgen, denn er sagte dem Richterkollegium,daß er. solange er Soldat sei, stets versuchcn werde, zu entfliehen.da er sich beim besten Willen nicht an das Militärleben gewöhnenkönne. 4% Jahre ständen ihm jetzt einschließlich der Straf« bevor,da käme er ja gar nicht wieder los vom Militär, man möchteihn doch zu Zuchthaus verurteilen.Das Gericht verwarf die Berufung.Unterschleife auf der Danziger Werst.Eine Aufsehen erregende Verhaftung erfolgte am 29. Juliauf der kaiserlichen Werft zu Danzig. Der im Annahmeamt diese?Staatsbetriebes beschäftigte Werftbuchführer Ewert wurde durchKriminalbeamte festgenommen und abgeführt. Die.Königsberger'Volkszeitung" wußte schon vor einiger Zeit die von der kapi-talistischen Presse unterschlagene Tatsache zu berichten, daß auchauf der Danziger'Werft Unregelmäßigkeiten festgestellt wordensind. Ein außerordentlicher Revisor des ReichSmarineamtS wurdeerst nach Erledigung seines Auftrages durch einen anonymen Briefdarauf aufmerksam gemacht, daß er sich habe täuschen lassen. Ineinem Magazin auf dem Holm entdeckte er dann in einezy ge-räumigen Bersteck Apparate usw. von erheblichem Werte-Portugal.Stürmische Demonstrationen.Lissabon, 3. August. Die Junta-Libcralen(Liberaler Verein)hielten gestern, wie die„F. Z." meldet, eine große, von vielenTausenden besuchte VolkSpersammlung ab und lioßendurch eine Deputation dem Parlament eine Eingabe überreichen,in der die Erneuerung der Gesetze PombalS gegen dieJesuiten verlangt wird. An dem Zuge nach dem Parlamentbeteiligten sich Z e h n t a u s e n d e. In der Kammer besprach derRadikale Bombarda die klerikale Frage und beantragte eineallgemeine Debatte darüber. Die Mehrheit verwarf jedoch diesenAntrag. Di« gesamte Linke protestierte stürmisch. An dem Protestbeteiligten sich auch die Galerien mit Hochrufen auf die Freiheit.DaS CorteS-Gebäude mutzte von Truppen umstellt werden.Infolge der wachsenden Tumulte mußte die Sitzung unterbrochenwerden. Nach Wiedereröffnung der Sitzung erneuerten sich dieProtestrufe von den Tribünen, worauf die Sitzung wiederum ge-schlössen werden mußte. Dxe Galerien und der Saal mußtendurch die bewaffnete Macht geräumt werden. Fürheute befürchtet man weitere ernste Unruhen. Der größteTeil der Geschäfte wurde zum Zeichen der Solidarität geschlossen.Vor dem Parlament spielten sich zwischen der Bevölkerung und derPolizei heftige Szenen ab. Uebej» hundert Verhaf-tungen wurden vorgenommen. Viele Personen wurden verletzt.ES erscheint unmöglich, daß das Parlament weiter arbeiten kann.Cnglauci.Die Zarenreise.Dienstag hat in Cowes die Begegnung zwischen dem Zarenund König Eduard stattgefunden. Ebensowenig wie in Cherbourgfranzösischen, durfte der Zar in CoweS englischen Boden betreten,da sonst auch hier feindselige Demonstrationen erfolgt wären. Sehrrichtig kennzeichnete Keir Hardt« die Situation, als er in derDemonstrationsversammlung der englischen Arbeiterpartei erklärte,das Zarenschiff werde wie ein Pest schiff bewacht, damitEngland gegen Ansteckung geschützt sei. Während sichdie Trinksprüche bei der Begegnung in Cherbourg ganz im üblichenRahmen hielten, sah sich König Eduard in seinem Trinkspruch dochgenötigt, der öffentlichen Meinung Englands wenigstens eine ge-ringe Konzession zu machen, indem er den„konstitutio-nellen" Charakter Rußlands durch Hervorhebung desBesuchs der Dumaabgeordneten hervorhob. Die Se-treffende Stelle des Trinkspruches lautet:<„Ich.hatte» Gelegenheit, dieses Jahr einige Vertreterder Duma zu empfangen, und ich brauche kaum zu sagen,welches Vergnügen es mir und der Königin bereitet hat, siezu sehen. Ich bin überzeugt, daß ihr Aufenthalt hier angenehmwar; sie hatten jede Gelegenheit, Menschen und Einrich-tungen dieses Landes kennen zu lernen, und ich hoffe.daß das, was sie gesehen haben, die gute Stimmung, diezwischen unseren beiden Ländern herrscht, steigern wird."Der russische Despot ging in seiüer Antwort auf diese Erwäh-nung des Parlaments nur ganz� kurz ein. Er sagte:„Möge der freundliche Empsaug, den Eure Majestät, dieKönigin und das englische Volk den Mitgliedern derDuma und im Winter meinem Geschwader bereitet haben, einZeichen des Wachstums der herzlichen Beziehungen zwischenunseren beiden Ländern sein, die sich quf gemeinsame Interessenund gegenseitige Achtung gründen.">� Eine Rücksichtnahms aus das russische Parlament, so bedeu-tungslos natürlich solche Phrasen für die innere EntWickelung Ruß.lands bleiben, ist für die englischen politischen Sitten ilmnerhincharakteristisch._Die Luftschiffe im Kriege.London, 2. August. In der heutigen Sitzung des Unterhauseskamen die Etatsforderungen für Luftschiffahrt zur VerHand-lung. Kriegsminister Haldane äußerte sich über die in dieserAngelegenheit von der Regierung unternommenen Schritte undagte, eine wirkliche Kriegsbrauchbarkeit der Luft-chiffe sei noch nicht erreicht worden. Für die Zwecke'er Marine sei beim gegenwärtigen Stand dieser Wissenschaft wohlnurdaSstarreLuftschisf von wirklichem Wert, für daS Land-Heer dagegen das unstarre das beste. Der Aeroplcm könne fürdie Armee wertvoll werden, doch müsse er zu RekognoSzierungS-zwecken viel höher aufsteigen und auch mehr in der Hand des Luft-schifferS sein. Ein starres Luftschiff von sehr großen Abmessungen,mindestens von der Größe deS Zeppelinschen, werde- in den Werkenvon Vickers-Barrow gebaut und zur Aufnahme von zwanzig Manneingerichtet. Der Bau eine» Luftschiffes des unstarren Systems seimilitärischerseits in Angriff genommen. Auch die Regierung hoffe,bald im Besitz zweier Aeroplane zu sein, mit denen Versuche an-gestellt werden sollen. Schließlich erklärte Haldane, die Regierunghabe 78 909 Pfund Sterling zum Studium der Luftschiffahrt indiesem Jahre ausgeworfen, und eS bestehe gar keine Gefahr, daßEngland in dieser Frage hinter anderen Rationen zurückstehenwerde,-> �-Rußland.Aus dem Reiche NikolausAus Petersburg wird uns geschrieben:Di« mehrfach offiziell bestätigte„Beruhigung" in Nußlandwird durch folgende Daten der Gerichtschronik charakterisiert. Nachden Mitteilungen der offiziösen Telegraphenagentur und derPetersburger Zeitungen allein sind im I u n i von den Militär-gerichten 123 Todesurteile gefällt worden. Davon entfielenauf Jekaterinoslaw 21, Warschau 19, Charkow 14, Kiew S, Tambow9 usw. Insgesamt sind vom 1. Januar bis zum 3 0. Junidieses Jahres 739 Todesurteile gefällt worden, von denen nachden unvollständigen Angaben der TageSpresse 347 vollstreckt wurden.Während desselben Zeitraumes wurden den Redakteuren ver-schiedener Preßorgane. ungerechnet der zahlreichen gerichtlichenProzesse»und Verurteilungen, auf administrativem Wege90 Strafen in der Höhe von insgesamt 47 675 Rubel auferlegt.Außer den angeführten Zahlen werden die Zustände in Ruß-land am besten durch die kurze Wiedergabe der TagcSchronikillustriert. Wir geben diese Angaben für die letzten zwet Tagewieder.2 8. Juli. Im Rigaer KreiSmikitärgericht beginnt derProzeß der 51. die angeklagt sind, im Jahre 1905 die Dorfbehördcnabgesetzt zu haben. Allen Angeklagten droht die Todesstrafe.In KrassnojarSk find zahlreiche Haussuchungen undVerhaftungen vorgenommen worden.In I e k a t e r i n o d a r ist der Gehilfe deS Polizeiministersauf gerichtliche Verfügung verhaftet worden.In BlagöwetschenSk ist der Chef der Geheim-Polizei al« Expropriateur entlarvt worden, der inPolizeiuniform Räubereien in Privatwohnungen verübt hat.In K i e w hat sich der zum Tode verurteilte Protschenkow mitZyankali im Gefängnis vergiftet.In Jelissawetgrad hat eine Schildwache einen Ge-fangenen schwer verwundet.In Eupatoria sind die Arbeiter einer Tischlerwerkstatt,die infolge eines Streikes zu drei Monaten Gefängnis verurteiltwaren, auf administratievem Wege ausgewiesen und unter Polizei.aufsicht gestellt worden.In Jekaterinoslaw hat der Gouverneur die Führereines Streikes auf den Petrowski-Werken zu drei Monaten Ge-fängniS und zur Ausweisung verurteilt.29. Juli. In Wologda hungert die politische GefangeneSawadskaja. die in den Karzer gesetzt wurde, schon den neuntenTag.In Nowo- Moskwa wurde der Gefangene Bondarenko.der an da» Fenster seiner Zelle trat, schwer verwundet.In KurSk verurteilte da» Kriegsgericht wegen Zugehörig.keit zum Bauernbund: 9 Personen zum Tode(darunter dasMitglied der zweiten Duma Pjanych), 25 Personenzur Zwangsarbeit(darunter das Mitglied der erstenDuma Mqrlulow) und 34 Personen zur Ansiedelung inSibirien._Eine Harting-Kreatur.Im Februar diese» Jahres erregte eine Mordtat großes Auf-sehen, die in Rom entdeckt wurde: In einem Koffer fand man dieLeiche eine? jungen Mannes, der schließlich als ein Russe namcn»Rensitzky rekognosziert wurde. Es tauchten damals allerlei Ver-mutungen auf. daß e» sich um einen politischen Mord handle,nur wußte man nicht, ob der Getötete ein Agent der russischenPolizei war, den die Revolutionäre abgetan, oder ein Revolutionär,dessen sich die russischen Polizisten entledigt hatten. Erst späterstellte sich heraus, daß es sich um einen Provokateur handelte.Jetzt erfährt die römisch«„Tribuna" durch ihren PetersburgerKorrespondenten nähere» über den Mord und seine Motive. Danachsteht die Angelegenheit in Verbindung mit der— Affäre Harting IWie die.Russkoje Slowo' zu berichten weiß, wurde Rensitzky,damals noch Mitglied der revolutionären Partei, im Jahre 1904zugleich mit mehreren anderen Revolutionären in Warschau ver»haftet. Als er freigelassen war, stellte er sich der russischen Ge»Heimpolizei zur Verfügung, und Petersen, der Direktor derrussischen Geheimpolizei, gab dem biederen Rensitzky einenEmpfehlungsbrief an Harting, der damals in Parishauste. Als Rensitzky sich eine Zeitlang in Krakau aufhielt, kamihm zu Ohren, daß er durch die Studentin Wanda RuchijewSkaentlarvt werden solle. Um seine Entlarvung zu verhüten, tötete erdie RuchijewSka auf offener Straße.Nunmehr verlegte Rensitzky das Feld seiner Tätigkeit nachParis, wo er unter Harting und Azew eine große Anzahlrussischer Revolutionäre an Väterchens Pariser Polizei verriet undmehrere französische Anarchisten an die Behörden der gastlichenRepublik auslieferte. In Rom ereilte ihn sein Geschick: DieRevolutionäre bekamen den Verräter in ihre Gewalt und bereitetenihm dgs verdiente Ende.Olrkel.Der ewige Belagerungszustand.Konstantinopel, 2. August. Die vom Kriegsgericht vorgeschlageneVerlängerung des Belagerungszustandes fürKonstantinopel bis zum März 1911 ist vom Ministerrat ge-n e h m i g t worden.An der türkis ch-montenegrinischen Grenze be-lagerten 300 Montenegriner eine türkische Grenzstation, von deraus ein Montenegriner wegen Ueberschreitung der Grenze er-schössen worden war. Die Montenegrinzr zogen erst ab, alS dietürkische Etgtioa Verstärkung erhixlt.■