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Nr. 97.

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Vorwärts

10. Jahrg.

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Fernfprech- AndIn 3mt 1 r. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mittwoch, den 26. April 1893.

Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.

Cholera und Polizei. uz jüngerer Linie, und in Breußen nach dieser einzel- iſt da ganz nach dem Rezept der Bismarc'schen Nera ver­

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infpizirt notabene in Reuß älterer 12inie anders als in und Abhängigkeit zum Verzweifeln ähnlich sieht. Man Reuß Als der Bevollmächtigte Hamburgs beim Bundesrath, staatlichen Anweisung, in Bayern aber nach einer ganz fahren. Was man nicht richtig machen kann, das sieht Senator Burchard, am Schluß der Reichstags- Sitzung anderen.... Wahrlich, Molkenbuhr hatte Recht, von diesem man schnell als Reichsrath an" so ist der Reichs.Gesund. vom 21. April mit dem pathetischsten Bruſtton der Ueber jämmerlichen System zu sagen: Wenn man die Medizinal heitsrath der würdige Nachfolger des Volkswirthschaftsraths Eine beguts zeugung feine liebe Bater- und Prozeustadt von jeder reform an die Landesgesetzgebung verweist, so wird der Er- und ähnlicher verfehlter Rathsexistenzen. Schuld an dem vorjährigen Unglück", der Cholera, rein folg dieser ganzen Gesetzgebung gleich Null sein!" achtende Behörde ohne Exekutive " neben dem Reichs­gewaschen und die Sympathie und Freundschaft gauz Was das freilich den Staatssekretär von Bötticher genirt! Gesundheitsamt, das selbst feine Grefutive hat und allen Deutschlands " auf die verfahrene Bourgeoiswirthschaft Der dozirt mit schönen, glatten Worten:" Ich möchte doch gesundheitlichen Unterlassungssünden in den Einzelstaaten Hamburgs herabgefleht hatte, da konnte der Staatssekretär glauben, daß eine zwingende Veranlassung, die Autonomie machtlos gegenübersteht- weshalb jetzt zwei solcher Jammer von Bötticher, der wackere Reichsminister für Sozial- der Einzelstaaten auf dem Gebiete des Medizinalwesens bilder statt des einen, an dem wir gerade genug hatten? politik", sein übervolles pers nicht meiſtern er eilte zum einzuschränken, nicht vorliegt", und damit ist für Wenn dem Bolke durch das Doppelbeiſpiel recht bezilich Vertreter des Hamburger Prozenthums und drückte ihm mit ihn die gauze Vorfrage mit ihrer ungeheuren die Unfähigkeit der größten bürgerlichen Staatsorganisation echter Herzenswärme die biedere Rechte. Als Randbild Wichtigkeit für die Seuchenabwehr erledigt. Dieser in Deutschland , des Deutschen Reiches , auch nur gesunds Formalismus zur ersten Berathung des Choleragesezes im Reichstage, die unglaubliche war felbst Dem freiheitliche Reformen herbeizuführen, vorgeführt werden soll, an jenem Tage begonnen war und am Sonnabend mit sinnigen Abgeordneten Schrader zu arg. Er sagte dann kann uns die Wirkung schon recht sein. Neben dem der Verweisung des Entwurfs an eine Kommission endete, dem Staatssekretär rund und nett:" Bedenken hinsichtlich Genossen Wurm deckte wiederum Virchow auch diesen ist die rührende Umarmung des Reichsvertreters und des der Verfassungsinterpretation fönnen hier nicht entscheidend Mangel des Gesezentwurfes auf; Professor Fin keluburg in Bevollmächtigten von Hamburg unbezahlbar. Sie fenn sein, denn die Verfassung ist nicht eine Form, der die Sache Bonn , einer der ersten deutschen Hygieniker, hat ihn zeichnet den Ernst, mit welchem nunmehr das Reich nach geopfert werden muß, sondern sie hat der Sache zu dienen." publizistisch gegeißelt. Er wird dennoch bleiben, weil es Hamburg an die wichtige Aufgabe des Schuhes der Volks- Auf diese ziemlich deutliche Zurechtweisung hielt Herr von das monarchische Gefühl" im Volke" verlegen würde, gesundheit gegen Seuchengefahren geht. In den Armen Bötticher eine Antwort nicht für nöthig, oder der rede- wenn der simple preußische Geheimrath Koch etwa einer Liegen fie fich beide, und weinen laut vor Schmerz und gewandte Minister hatte keine was nichts daran ändern föniglich bayerischen Medizinalbehörde vorschreiben wollte, Freude" weil es der Eine so schlecht und gut macht, wird, daß die Hauptsache am Gesezentwurf auch in der was sie zu thun hat, selbst in der höchsten Cholera­als der Andere. Das Cholerageses selbst hat ja der Vor Kommission bleibt, wie sie ist. gefahr wärts" schon in dieser Hinsicht genügend beleuchtet. Aber Ebenso drückt sich die Reichsregierung um die bei Als Gemeinplatz darf bereits der Hinweis darauf auch die erste Berathung im Reichstag hat wieder mit einem Choleragesez wirklich brennende" Frage der Feuer- gelten, daß Volksseuchen vor der goldenen Thüre der Be­aller Klarheit ergeben, daß man jetzt im Reich bestattung herum. Was die Frage der Begräbnißpläße figenden nicht halt machen, bei ihrer Bekämpfung also die weiter nichts vorhat, als ein paar elende, billige angeht", sagte wiederum Herr v. Bötticher als Mädchen Bourgeoisie doch wenigstens ihren Klaffen- Egoismus vergessen Polizei- Maßregeln- man bekämpft die Cholera mit für Alles" am Freitag, so gehören diese nicht in den müßte. Sie vergißt ihn aber nicht; sie behandelt die der Polizei, mie man den Sozialismus oder den kirch- Rahmen der Reichs- Seuchen- Gesezgebung. Sie sind tom- Seuchenabwehr wie den Arbeiterschutz, mit Palliativa lichen Unglauben mit der Polizei bekämpft, d. h. völlig munale Einrichtungen." Ein wahres Glück, daß der mittelchen, ohne jeden Ernst. Ein Beweis mehr dafür, daß wirkungslos. Man scheut bewußt vor jeder gründlichen Herr Staatsminister hier etwas Abwechslung in seine Aus der Klassengegensay innerhalb der bestehenden Wirthschafts­Maßnahme zurück, weil eine solche mit einer Maffe ge- flüchte bringen und sich statt auf die Landesbehörden auch ordnung unausrottbar ist; er bricht selbst bei neutralen liebter Böpfe aufräumen müßte und Geld kosten würde einmal auf die Kompetenz der Ortsbehörden berufen konnte! Fragen durch und hilft die herrliche Ordnung", unter der Geld ist aber bekanntlich nur für das Militär da, und Virchow und Wurm hatten gut ausführen, daß die Frage wir leben, immer tiefer in den Sumpf treiben, aus der sie wenn man bundesstaatliche oder bureaukratische Böpfe ab- der Bestattung aus bekannten Gründen sehr eng mit der nicht mehr herauskommt. Das lehrt auch das Cholera­schnitte, so würden ja die bisherigen Träger derselben vom Bekämpfung der Seuchengefahr zusammenhängt. gesez. Bolte ausgelacht ergo läßt man alles in der Hauptsache hübsch beim Alten.

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Wenn Herr v. Bötticher mit einer seiner eleganten Handbewegungen erklärt, daß die Sache nicht in den Stabmen Es ist dieselbe Misère, die wir schon beim Arbeiter der Reichs- Gesetzgebung passe", so fann die unglückliche Sache

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schutz, bei der Fabrikinspektion u. f. w. erlebt haben. Die ohne Rahmen sehen, wo sie sonst ihre Lösung findet für Politische teberlicht.

Einrichtung einer wirksamen Gesundheitsaufsicht von Reichs- die Thätigkeit, welche das große Deutsche Reich im Interesse der Berlin , den 25. April. wegen wäre doch Borbedingung einer ernst gemeinten Seuchen- Boltsgesundheit entwickelt, ist sie damit erledigt. Die Gut­gesetzgebung. Aber wo denkt man hin! Die Medizinal- achten der Sachverständigen über das Choleragesetz hat sich Aus dem Reichstage. Die Tribünen überfüllt und polizei ist ja Sache der einzelnen Bundesstaaten, daran Herr von Bötticher wohl aus einem ähnlichen Grunde das Haus sogar beschlußfähig, das war das Signum der darf nicht gerührt werden, die muß in derselben kläglichen mündlich erstatten lassen; er konnte so auch leichter alles heutigen Sitzung. Das sonst irgend etwas Erwähnensa Bedeutungslosigkeit wie bisher, in Preußen anders wie in dasjenige fallen lassen, was in den Rahmen" des Polizei- werthes sich ereignet hätte, wird auch der begeistertste Eachsen, und in Sachsen anders wie in Bayern fort- gesetzes nicht paßte. Immerhin sind die mündlich" er- Ahlwardtverehrer nicht behaupten. Was den Vertreter für bestehen; die staatlichen Medizinalbeamten, die Kreis- statteten Gutachten ein Unikum in der Gefeßesfabrikation, Arnswalde- Friedeberg betrifft, so hat derselbe, so weit dies physici und wie sie sonst heißen, müssen nach wie vor als das vorgemerkt zu werden verdient. Und schließlich der überhaupt möglich, heute noch eine jämmerlichere Rolle ge­Brivatärzte mit großer Praris ihre staatliche Funktion im neue Reichs- Gesundheitsrath", um den sich die Debatten spielt, als in den Sizungen vor Ostern, als er sich die bloßen Nebenamt für ein Lumpengeld versehen alles am Freitag und Sonnabend in der Hauptsache noch drehten! Suppe durch unbedachte Redensarten einbrockte. genau wie bei der Fabrikinspektion, wo da ein Major, dort Er ist ein Zwillingsgeschwister der Reichskommission für ein Bergrath oder Baumeister nebenbei auch Gewerbebetriebe Arbeiterstatistik, das der letzteren in seiner Machtlosigkeit

Feuilleton.

adbrud verboten.)

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Die Laufbahn eines Nihilisten.

Von S. Stepniat.

Autorisirte Uebersehung.

Daß Herr Ahlwardt nichts, was nicht alle Welt vorher bereits wußte, vorzubringen hatte, war bekannt; daß er aber

des Schließers geeilt, wo der kostbare Brief niedergelegt Gregor fühlte sich Andrej's wegen sehr unglücklich. Er war. Er war zu niedergeschlagen, um irgendwelche Gesell- war sehr verdrießlich, seinem Borhaben nicht entgegengetreten schaft zu wünschen. zu sein und machte sich wie es bei solchen Gelegen Die Wache, welche ebenso wie die lebrigen den Wagen heiten seine Gewohnheit war bittere Vorwürfe anstarrte, hatte ihn nicht vorbeigehen sehen. Als der Ser- über seinen Mangel an an Festigkeit. Er war gea geant fie fragte, ob irgend jemand die Halle verlassen hätte, neigt, seinen Einfluß auf Andrej zu überschäzen war der Posten bereit zu schwören, daß in den letzten fünf und überredete sich, daß er bei etwas energischerem Wider­Minuten niemand hinausgegangen wäre. spruch ihn hätte veranlassen können, die Sache in David's Händen zu lassen, anstatt sich muthwillig in die Wolfs­grube zu wagen.

Rapitel VI.

Der große Entschluß.

Es war daher für Gregor ein glückliches Moment, als Andrej zur bestimmten Zeit zurückkehrte.

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Der Petersburger Zug ging um halb neun Uhr ab. war feine Zeit zu verlieren.

Wir können sofort zur Station gehen," sagte Andrej. Das Gepäck ist, hoff' ich, gepackt?"

Frei ins Deutsche übertragen von Bertha Braun. An das Loos eines praktischen Revolutionärs zu wenig Andrej drängte sich vor und stand den Rücken gegen das gewöhnt, verbrachte Gregor, während er auf die Rückkehr Gitter am Fußsteig, einige Schritte von der Thür und wartete feines Freundes wartete, zwei recht unerquickliche Stunden. auf den kommenden Wagen. Er hatte nicht lange zun warten. Als der Wagen hineinrollte und das Licht auf In der geheimen Hoffnung, von Watajko etwas Ermuthigen­beffen Thüre fiel, sah er durch das schmale Gitterfenster des zu hören, fragte er ihn, wie es mit Andrej stehe. Doch Das wir nicht der Fall. Sinbrütend über das, was tas hagere bleiche Geficht des Stotterers! Nachdem er waren dessen Antworten derart, daß er sich immer noch un war und was sein könnte, hatte Gregor gerade die Gegens drei Tage im Hospital gewesen, hielt man ihn für soweit behaglicher fühlte. Wir thaten Unrecht, ihn gehen zu lassen," sagte Gregor wart vergessen. Glücklicherweise nahmen ihre Vorbereitungen von seinen Wunden hergestellt, daß er nach dem Gefängniß mit verspäteter Neue. nicht viel Zeit in Anspruch. Sie hatten gerade genug Ges transportirt werden konnte. Laßt es gut sein," erwiderte ruhig Watajko. Andrej päck, um den Anschein gewöhnlicher Reisenden zu erwecken. befand sich schon in schlimmeren Lagen." Sie waren bald fertig und auf dem Wege zur Der junge Mann war bereits mehr praktisch geschult Station. Da Andrej in einer unsichern Lage und gewöhnt, alle Gefahren mit einem gewissen Gleichmuth war, wurden ganz besondere Vorsichtsmaßregeln gea zu betrachten. troffen. Watajfo fuhr allein vor und führte alles Gepäck " Was Du sagst, mag wahr sein," erwiderte Gregor. mit sich die beiden kleinen Koffer und einen Reisefact. Man fann aber großen Gefahren entgehen und bei einer Er sollte Billete lösen, Bläge im Waggon sichern und sie tleinen ins Verderben stürzen." auf der Straße treffen. Sie sollten nur einige Minuten vor Abgang des Zuges die Station betreten und direkt zum Waggon gehen, um möglichst wenig gesehen zu werden.

Diese Entdeckung berührte Andrej so schmerzlich, daß er gar nicht bemerkte, daß er selbst ein Gegenstand ziem lich aufmerksamer Betrachtung von seiten des rothbärtigen Gendarmen, der hinter dem Wagen ging, geworden war. Nachdem dieser ihn einige Mal angesehen hatte, drückte er sich zwischen Gitter und Wagen hin, denn er war begierig, seine überraschende Vermuthung jemandem, der vorne stand, mitzutheilen.

Watajko gab dies zu und erläuterte es durch einige In einer Minute kehrte er mit einem andern Gendarm, Beispiele aus seiner eigenen Erfahrung und denen seiner tr fein Vorgesetzter zu sein schien, zurück. Andrej war aber Freunde. nirgends zu sehen. Ohne auf Warja zu warten, war er Für einen Menschen, der sich in unruhiger Stimmung durch die Pforte geschlüpft und allein nach der Wohnung befand, war Watajko fein sehr unterhaltender Gefährte.

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Andrej und Gregor folgten Watajko in einer Ent­fernung von zehn Minuten; an einem Kreuzwege nicht weit von der Station stiegen sie aus. Watajko gefellte sich