Ar. 188. 26. Iahrgsug.1 KeilM des Jonuirts" Kerlim DcksblM.Saanstfiib, 14. JnijtiS 1909.ungemeiner Deutieber Gärtnerverein.In der am Freitag abgehaltenen Sitzung der General-dersammlung wurden auf Antrag des Borsitzenden Schmidt500 M. aus der Hauptlasse für den Generalstreik m Schwedenbewilligt.Auf der Tagesordnung stand das Thema: Agitation undOrganisation. Der erste Referent, Busch- Hamburg besprachdie allgemeinen Gesichtspunkte, welche für die Agüation unter denBerufsangehörigen matzgebend sein sollen. In der Hauptsache der-trat der Redner den Standpunkt, man solle in der Agitation nichtin erster Linie auf die materiellen Vorteile hinweisen, welche dieGewerkschaft biete, sondern man solle einen gesunden Idealismusvertreten«<»d vor allen Dingen die Kollegen zu klassenbewutztenArbeitern erziehen. Allgemeine politische Aufklärung sei notwendig,doch solle man die Indifferenten nicht von vornherein durch eineausgesprochene sozialdemokratische Varteiagitation zu gewinnensuchen. Eine solche Agitation würde die rückständigen Arbeiter eherabstoßen als gewinnen. Wenn erst■ das Selbstgefühl und dasKlassenbewußtsein geweckt sei, dann kämen die Mitglieder schließlichauch auf den Standpunkt, den der klassenbewußte Arbeiter in derPolitik einzunehmen habe. In seinen weiteren Ausführungen gabder Redner eine Reihe von Anweisungen für die praktischeAgitationsarbeit.Der zweite Referent, Löcher« Berlin, sprach über die O r-ganisierung der Privat« oderHerrschaftSgärtner.Die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Privatgärtner seienkeineswegs als gute zu bezeichnen. Trotzdem herrsche einstarker Andrang nach Privatgärtnerstellen. In früheren Jahrenhabe die Organisation eine erhebliche Zahl von Privat-gärtnern unter ihren Mitgliedern gehabt, sie habe dieselbenaber zum größten Teil verloren, weil für die Privatgärtner nichtgenug gewerkschaftliche Arbeit geleistet worden sei. Die Privat-gärtner müßten der Organisation gewonnen werden. Sie hättendieselben wirtschaftlichen Interessen wie alle anderen Branchen desBerufes. Nur in einer zentralen Organisation könnten die Verhältnisse derPrivatgärtner verbessert werden, es müsse deshalb darauf hingearbeitetwerden, daß die bestehenden Lokalvereine der Privatgärtner zusammen-gefaßt und jede weiteren Zersplitterungsversuche verhindert werden. DerReferent empfahl die Bildung einer besonderen Sektion der Privat-gärtner und brachte eine Resolution ein, worin bestimmte Vorschlägeüber die Stellung der Privatgärtner innerhalb der Gesamtorganisationgemacht werden.Als dritter Referent sprach Kaiser- Frankfurt a. M. über dieVerhältnisse der in städtischen Betrieben beschäftigtenGärtner. An der Hand eines reichhaltigen statistischen Materialszeigte der Redner, daß die städtischen Gärtner durchweg schlechtergestellt find als andere von den Stadlverwaltungen beschäftigte ge-lernte Arbeiter. In den allermeisten Fällen besteht für die städtischenGärtner die zehnstündige Arbeitszeit, nur in drei Städten ist siegeringer. In Chemnitz und Görlitz herrscht eine elfstündige Arbeits-zeit. Für die städtischen Gärtner müsse die neunstündige Arbeitszeitangestrebt werden sowie eine Aufbesserung der Löhne, die sich in denmeisten Fällen zwischen 3—3,78 M. täglich bewegen. Wer die niedrigenLöhne hinnehme in der Hoffnung auf dauernde Arbeit, der sehe sichgewiß getäuscht, denn auch die städtischen Gärwer würden meist nurvorübergehend beschäftigt. Die Stadt Frankfurt a. M. beschäftigedurchschnittlich 300 Gärwer, aber im Laufe eines JahreS seien 1bS0eingestellt und wieder entlasten worden.... Hinsichtlich der Organi«sation der Stadtgärwer vertrat Redner den Standpunkt, daß für sienicht der Gcmeindearbeiterverband, sondern nur die Organisationder Gärwer zuständig sei.— Der Referent empfahl die nachstehendeResolution:Da alle im Gartenbau beschäftigten Personen, ganz gleichob diese in den Gewerbe-, Privat-, Stadt- oder staatlichenGärtnereien ihr Brot verdienen, ein volkswirtschaftliches Ganzesbilden, erklärt die neunte Generalversammlung des AllgemeinenDeutschen GärwervereinS in betreff der Stadtgärwereiarbeiterschaft:I. Die wirtschaftliche Lage der w kommunalen Betriebenbeschäftigten Kollegen ist derjenigen unserer Berufsgenosten in dengewerblichen Gärtnereien gleich zu erachten.II. Die Stadtverwaltungen arbeiten in demselben Maße wiedie Unternehmer unseres Gewerbe« kapitalistisch. Auch sie ver-suchen die Lohn- und Arbeitsbedingungen möglichst niedrig zu er-halten. Dies erklärt sich vor allem daraus, daß in den Stadt-Parlamenten das moderne Unternehmerwm den entscheidendenEinfluß ausübt. Dieses Unternehmertum wird immer bestrebtsein, die Löhne der städtischen Arbeiter ebenso niedrig zu erhaltenwie in der Privatindustrie. Diese Tatsache wird durch die Ver-hältnisse allerorts erhärtet!_III. Bei dem gewerkschaftlichen Kampfe der garwerischenArbeiterschaft handelt eS sich vor allem darum, sämtlichen Berufs-kleines feuilleton.Im Ballon über die Zentralalpen. Franz Reichel schildert im..Figaro" die Eindrücke, die er als Begleiter SpelteriniS beider jüngsten Ballonfahrt über die Zentralalpen hatte. Spelterini— schreibt er— hat seinen großartigen und kühnen Alpenüber-querungen die schönste von allen hinzugefügt. Noch kann ich's nichtbegreifen, aber die Karte liegt vor mir. Hier Chamonix, von woich abfuhr, und hier der Pizzo di Ruscada, an dessen schroffenFlanken der.Sirius" sich auf schmaler, über dem Abgrund hängenderPlatte niederließ. 140 Kilometer Luftlinie liegen zwischen demAufstieg- und dem Ankunftsort, aber zwischen beiden Punktenerheben sich in der wunderbaren Schönheit ihrer majestätisch stolzen,weißen Zinnen und im erhabenen Schrecken ihrer fürchterlichenAbgründe die berühmten Massive, deren Eroberung so viel kühneAlpinisten herausgefordert hat: Der Montblanc, der Grand Combin,das Matterhorn, der Dom. das Fletschhorn und all die berühmtenSpitzen, die m den Wolken schlumniern. Den Montblanc selbst habenwir leider nicht überflogen. In 3000 Meter Höhe erfaßt unS einLuststrom der uns von Frankreich nach Locarno am Lago Maggioreführte, über zwei Drittel der Schweiz hinweg IWelch' unvergeßlicher Augenblick! Als Kapitän Spelterini dasKommando Los I" erteilt hatte, schwebt der.Sirius" empor. Wirhaben die Empfindung, daß nicht wrr uns rühren, sondern dieMassive und Piks und Gletscher und Täler unter uns versinken.Wir hängen stumm und wie vernichtet durch so viel Sckön-heit und so viel Furchtbarkeit über der unendlichen Weltvon Felsen, Schnee und Eis. Der.Sirius" überschreitet dasMer de Glace, umfährt die Liguille du Dru. schwebt über demGletscher von«rgentiäre und setzt mit emem Sprung von4000 Meter Höhe über die Töte Noire. Das Schauspiel ist wunder-bar, es übertrifft die Phantasie und spottet de» Ausdrucks. Gegen-über von uns liegt König Montblanc mit seinem Hofftaat von Piksund Nadeln, die einen im Hermelinmantel, die anderen rn rot-braunen Gewändern. Links von uns daS wunderbar unendlicheReich der W a l l i f e r A l p e n mit seinen Zinnen von unVergleich.licher Schroffheit und Kühnheit. Strahlend in Licht und Weißauf azurblauem Firmamenlgrund, alle überragend, das Matter-Horn. Wir wenden uns und entdecken im Westen den gigantischenZirkus der Dent du Midi, der Diablerets und in weiter Ferne dieeleganten Formen der Jungftau. Zwischen all diesen Athletenschlängeln sich die grünen Täler, bald schmal, bald breit; das Talder Rhone steigt geräumig zum Genfer See hinab. Wir steigenund steigen noch immer. Jetzt sind wir höher als alle Alpengipfel.Der.Sirius" hat 8600 Meter erreicht. Wir passieren daSSignalrothorn, überfliegen das Weißhorn und sehen über demgenossen wirtschaftlich zu helfen. Eine einzelne Kategorie ist hier-zu unfähig. Erstens aus den unter Absatz II angeführten Gründenund zweitens: Da, selbst wenn ihr das gelänge, die große Masseder Kollegen als Lohndrücker, wenn auch ungewollt, auftretenmüßte. Jeder Arbeiter hat das Bestreben, möglichst viel zuverdienen und deshalb würde auf solche Betriebe ein wahrerWettlauf heraufbeschworen, der im Gefolge hätte, daß dieStellungen der Bessergestellten erschüttert würden.IV. Soll daher die wirtschaftliche Lage der Gärtnerarbeiter-schaff gehoben werden, so ist dies dauernd nur dann möglich,wenn sie sich in ihrer Gesamtheit in einer einheitlichen Berufs-organisation zusammenschließt. Nur dann, wenn die Verhältnissein der gewerblichen Gärtnerei, als dem Kern des Berufes, ge-bessert werden, wird es möglich sein, die Position unserer Kollegenin den Siadtgärtnereien zu festigen und zu heben.V. Die Generalversammlung bringt daher zum Ausdruck,daß auch für die Stadtgärtnereiarbeiterschaft nur der AllgemeineDeutsche Gärtnerverein als die allein zuständige Organisation inFrage kommt. Sie stellt sich vollinhaltlich auf den Standpunktdes Hamburger Gewerkschaftskongresses und billigt die Resolutionüber die Grenzstreitigkeitcn in allen Einzelheiten.VI. Der Hauptvorstand wird beaustragt, mit dem Verbandder Gemeindcarbeiter erneut in Unterhandlungen zu treten, umeine präzisere Fassung des Kartellvertrages herbeizuführen. Dabeimuß vor allem die Grenzstreitigkeitsresolution zu voller Geltunggebracht werden.Die Diskussion über die drei Referate nahm die ganze Nach-mittagssitzung in Anspruch. Wesentliche Einwendungen gegen dievon den Referenten vertretenen Anschauungen wurden nicht erhoben.Es handelte sich in der Hauptsache um Darlegung örtlicher Verhält-niste und Vertretung örtlicher Anträge in bezug auf Organisationund Agitation. Vereinzelt wurde dem Gemeindearbeiterverbandenachgesagt, daß er, zwar nicht offiziell, aber durch den einen oderanderen Funktionär, städtische Gärtner aufzunehmen sich bemühte.—Riedel, der als Vertreter des Gemeindearbeiterverbandes derGeneralversammlung beiwohnte, bestritt die Richtigkeit dieser Angaben.Der Gemeindearbeiterverband überschreite seine Kompetenzen und diebestehenden Abmachungen nicht, wenn er auch der Meinungsei, daß es zweckmäßiger wäre, wenn die Interessen der städtischenGärtner durch ihn vertreten würden.— Der Referent Kaiser tratdieser Ansicht entgegen und berief sich auf Einzelfälle, wo der Ge-meindearbeiterverband städtische Gärtner aufgenommen habe, dievordem der Gärtncrorganisation angehört hätten.In der Abstimmung über die vorliegenden Anträge und Reso-lutionen wurde die Bildung einer Reichssektion der Privatgärtnerabgelehnt. Die Resolution des Referenten Löcher soll redaktionellgeändert und morgen zur Abstimmung gebracht werden.— DieResolution des Referenten Kaiser wurde mit Ausnahme de? letztenAbsatzes angenommen. Ferner wurde beschlossen, im Jahre 1010eine Lohnstatistik aufzunehmen.flus der Partei.Japanisches Parteiblatt in Amerika.New Uork, Ende Juli.Die Zahl der fremdsprachigen Parteizeitungen in den Per-einigten Staaten hat neuerdings sich um eine vermehrt. InChicago erscheint unter der Redaktion des Genosten Takahashidie japanische Monatsschrift„The Proletarian"(Der Proletarier).Von besonderem Interesse ist der Einführungsartikel. Der Artikel,der in englischer Sprache geschrieben ist(auch fernerhin wird dasBlatt englische Beiträge enthalten. D. K.), befaßt sich mit derJapanerhetze und fertigt die amerikanischen Gewerkschaften, diebekanntlich für den Ausschluß der„Gelben" eintreten, und dieähnlichen Ansichten huldigenden Parteikreise kräftig ab. In demArtikel heißt es unter anderem:„Unser Blatt hat eine doppelteMission. In den englischen Spalten werden stets die wahren, bis-her von den„gelben"(Sensaions.) Journalisten leider so oft falschdargestellten Ansichten der japanischen Arbeiter zum Ausdruck ge»bracht werden, und es wird darin stets für den Klastenkampf derArbeiterschaft der Welt eingetreten werden. In den japanischenSpalten wird die Propaganda für die auf Jndustrieverbänden auf-gebaute Gewerkschaftsbewegung betrieben werden."In bezug auf die japanische Frage schreibt Genosse Takahashi:„Ich spreche von der japanischen Frage nicht vom Standpunkt einesJapaners oder als der Vertreter einer bestimmten Nationalität,sondern als internationaler Proletarier, der die intellektuelle Ein-heit der Arbeiterklasse vertritt. Zunächst will ich mich mit denprinzipiellen Gründen für die Ausschließungstheorie befassen, dieda sind: 1. Japaner arbeiten billiger als die amerikanischen Ai>beiter und drücken deshalb die Lohnrate der amerikanischen Ar«beiter herab. 2. Japaner werden oft bei Ausständen amerkani-scher Arbeiter zu Streikbrechern. 3. Japaner schicken Geld in ihreHeimat, das sie hier verdienen. 4. Japaner gehören zu der gelbenRasse und haben andere religiöse Ansichten und andere Gebräuche.Sie können deshalb keine wünschenswerten Bürger werden.Mit der ersten Behauptung stehen die Tatsachen in absolutemWjiderspruch. Japaner arbeiten an Eisenbahnen, in Gruben, inden Obstgärten des Westens. Im allgemeinen erhalten sie imVergleich mit den weißen Arbeitern, die obendrein sogenanntegelernte Arbeiter sind, während es sich bei den Japanern um Neu-ankömmlinge handelt, gute Löhne. Nun zur zweiten Frage, daßdie Japaner zu Streikbrechern geworden sind. Ich kann nichtin Abrede stellen, daß sie in vereinzelten Fällen schmachvoll han-Velten, abere in zahllosen Fällen hielten sie sich wacker. Als zumBeispiel die Kapitalisten während des großen Seemannstreiksan der pazifischen Küste im Jahre 1907 Japaner mit allen Mittelnzum Streikbruch veranlassen wollten, erlebten sie ein schmählichesFiasko.„Bleibt von den Schiffen!" diese Losung wurde durchdie Presse und durch Flugblätter unter den japanischen Arbeiternausgegeben, und selbst die(japanischen) Stellenvermittler ver-hielten sich neutral. Uebt aber nicht andererseits die AmericanFederation of Labor(Gewerkschaftsbund) tatsächlich Streikbruchgegenüber japanischen Arbeitern? An gewissen Orten wurdensämtliche japanischen Arbeiter auf einen Protest der Federationof Labor entlassen. Die American Federatton of Labor machtden Japanern den Vorwurf, Streikbrecher zu sein, übt aber gleich-zeitig den Streikbruch gegenüber Japanern. Sicher sind dieJapaner zu verurteilen, wenn sie Streikbruch üben, aber andereNationalitäten sollten ebenso wenig zu Streikbrechern werden. InSeattle(Washington) sind beispielsweise die Japaner beunruhigtüber das Sinken der Löhne und den Mangel an Arbeitsgelegenheitinfolge der Zuwanderung von Griechen. Auf den dritten Einwandzu antworten, wäre lächerlich. Ausfuhr amerikanischen Geldes!Wie einfältig derartige Argumente sind. Und die sie gebrauchen,vermögen die Ausbeutung durch die amerikanischen Kapitalistennicht zu erkennen, die auf leichte Art Silber und Gold aus demBlute der gelben Rasse münzen. Der vierte Einwand gegen dieJapaner beruht nur auf mangelhafter Kenntnis oder einer fal-schen Beurteilung der Japaner.„Besonders verurteile ich die Haltung einiger amerikanischenSozialisten. Sie behaupten, international zu sein, sind aber an-dererseits für den Ausschluß einer bestimmten Nationalität. Wasbedeutet dies? Nichts weiter, als das Erwachen der japanischenArbeiter zu verhindern und die Spaltung der Arbeiterklasse. Durchdiese Haltung offenbaren sie die Schwäche ihrer Ansicht, ihre kapi-talistischen Anschauungen und Irrtümer. Führt die Japaner deramerikanischen Arbeiterbewegung zu. Dadurch würden sie zumNachdenken veranlaßt, auf daß sie das Falsche erkennen und gegenalle Uebelstände Front machen, unter denen sie heute leiden. Stelltsie in die Marschlinie, die zur Emanzipation führt. Ich appelliereernstlich an die amerikanischen Genossen, sich mit diesem Problemzu befassen. Unsere japanischen Arbeiter organisieren sich, aberauf nationaler Grundlage. Der psychologische Moment ist ge«kommen. Ob sie den Weg. der zur Freiheit und zu ihrer Emanzi-pation führt, beschreiten, oder den Weg zum engherzigen Patrio-tismus und zum Nationalstolze, hängt ganz von Eurer Haltungin dem vorliegenden Falle ab. Seid nicht kurzsichttg, sondernhabt die Zukunft im Auge, nicht das Interesse eine» bestimmtenLandesteiles, sondern das Interesse der gesamten Arbeiterklasseder Uelt."_»Parteiliteratur.Die Preletarierkrankheit, ihre Entstehung vnd Verbreitung,Verhütung und Heilung. Von Dr. Z a d e k.(Heft 20 der Arbeiter-GesundheitL-Bibliothek.— Verlag der BuchhandlungVorwärts, Berlin. Preis 80 Pf.. Volksausgabe 20 Pf.Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.In dem zwei Bogen starken Heft unternimmt es der Verfasser,die Arbeiter in verständlicher Form mit den Fortschritten bekanntzu machen, welche die Lehre von der Schwindsucht seit der Eni-deckung des Tuberkelbazillus durchgemacht hat. Ererbte und er-wordene Anlagen, die Woge der Aus- und Einwanderung deSBazillus, die Uebertragung der Krankheit in der Familie und imBeruf, die Schwindsucht als Wohnungs- und Gewerbekranheit, derfabelhasten Zermattal uns gegenüber das Matterhorn in seinerstolzen und fremden Schönheit. Während wir den Dom passieren,sind zwischen unS und die Erde furchtbare Wolken getteten. Nurdurch ihre Risse sehen wir noch die Gipfel. Die Erde scheint weit,unendlich weit von uns entfernt. Langsam treibt uns der Wind vonden Felsmauern hinweg und plötzlich erscheinen vor unseren Augendie Wunder Italiens, die Seen und die Ebene der Lombardei. DieSonne geht unter, die Nacht kommt, und Spelterini denkt traurigdaran, daß wir die unbeschreibliche Fährt unterbrechen und zur Erdezurückkehren müssen, aber wo? Wir haben nur noch fünf Sack Ballastan Bord. Die Nacht ist nahe, ein Gewitter droht. Wir müssenlanden, eS koste, was es wolle.Ein moderner Robinson. Der„Nimrod", das zähe Schiff, dasLeutnant Shackleton in die Eismeere des Südpols führte, hat aufseiner Rückreise auf einer einsamen Insel fernab vom Schiffsverkehreinen modernen Robinson entdeckt. Im Mai passierte der„Nimrod"die 600 englische Meilen südwestlich von Neuseeland liegende kleineMaoquarie-Jnsel. Mit begreiflicher Verwunderung entdeckte KapitänDavis dabei auf dem Eiland zwei Hütten, während am Strandedas Wrack eines Schiffes in der Sonne bleichte.„Plötzlich sahenwir mit Erstaunen", so berichtet der Kapitän,„wie aus der kleinerenHütte Rauch aufstieg. Da die Insel als unbewohnt bekannt war,wurden wir aufmerksam. Dann erkannten wir mit unseren Gläserneinen Mann in der Tür der Hütte. Wir warfen Anker und ein Boot fuhrans Land. Der Mann kam uns zum Strande entgegen, von zweikleinen Hunden begleitet. ES war eine schwere Brandung, aberunser Robinson zeigte unS eine günstige LandungSstelle und halfuns das Boot an den Strand zu bringen. Der Name des Ein-siedlers ist William Mokibben; er war Mitglied einer Jagd-gesellschaft, die in der vergangenen Saison Seehunde undPinguine gejagt hatte. Als die Saison vorüber warund die Oclfässer deS Schiffes gefüllt waren, entschloßsich Mokibben. allein aus der Insel zurückzubleiben, um ein Jahrlang Oel für die nächste Saison zu sammeln. In seiner Einsamkeitfühlte er sich sehr wohl." Während der Rückfahrt konnte der Nimrodfeststellen, daß die in den englischen Admiralitätskarten verzeichnetenInselgruppen, die Royal Socicty-Jnsel, die Nimrod-Jnsel und dieDougherty-Jnsel, nicht existieren. Bei der Aufnahme der letzterentnsel in die Kotten hat man anscheinend einen Eisberg als festesand betrachtet; der Eisberg ist inzwischen geschmolzen und verschwunden.Die Vaterunser werden teurer. Alles wird teurer. Wer kannsda den geschäftsmäßigen Vaterunscrbetern verdenken, wenn sie auchaufschlagen. Wenn der Fromme für die leiblichen Bedürfnisse mehrausgibt, wird er wohl auch fürs Geistige etwas drauflegen müssen.So lesen wir denn in der„Wiener Arbeiterzeitung": ES warbisher üblich, daß die Wallfahrer nach Mariazell für ihre ver«storbenen Verwandten oder Bekannten bei den Vorbetern oderKreuzträgern gewisse Gebete bestellten, zumeist Vaterunser,die diese am Wege zur Gnadenkirche laut beten mußten. Fürdie einzelnen Gebete war eine bestimmte Taxe zu entrichten. DerVaterunserbeter erhielt in der Regel sechs Heller für daS Gebet,hingegen der Glaubensbeter zehn Heller, weil der Glauben mehrZeit zum Beten beansprucht. Zumeist teilten eS sich dieprofessionellen Gebetverrichter so ein, daß sie die Walze wöchentlichwechselten. Nicht selten geschah es. daß sich die beidenVorbeter nach der Wallfahrt stritten, weil der eine oder andereauf den Tausch nicht eingehen wollte. Der Glaubensbeterwar materiell stets im Nachteil, weil erstens weniger solche Gebet«stücke bestellt wurden und dann konnte er nicht wie sein Kollegevom Vaterunser sein Gebet so herunterraspeln. Um diesen ewigenStreitigkeiten ein Ende zu machen, wurde nun ein Einheitspreisvon zwanzig Hellern(18 Pfennig) für ein bestelltes Gebetfestgesetzt. Die Preissteigerung ist enorm in Anbetracht dessen,daß doch die Herstellungskosten gleich Null sind. Kein Wunder,daß sich die wunderlichen Wallfahrer, die bisher die mäßigenTarife gewöhnt waren, über die Verteuerung der Vaterunserempören. Die Kreuzträger haben daher viel grobe Motte anhörenmüssen. Allerdings ein Gutes hat die Sache doch. ES gibt jetzt„keinen Schwindel mehr", sondern alle Gebete werden richtig nachBestellung und Maß geliefett. Wer zwanzig Heller zahlt, dem kannbei Gott und allen Heiligen geschworen werden, daß das Vaterunseranständig dem Himmel zu Gehör gebracht wird.Notizen.— Der Kampf um die Lehmann. Die Theaterdirektorenmachen sich gegenseitig die guten oder zugkräftigen Schauspieler ab-spenstig und diese suchen sich so teuer wie möglich zu verkaufen.DaS ist so an der Tagesordnung. Manchmal führt das zu aller«Hand Zwischenfällen. So schwebte seit längerer Zeit ein Prozeßzwischen Else Lehmann vom Lessing-Theater und Reinhardt.dem Direktor des Deutschen Theaters. Else Lehmann mußte nacheinem Vertrag am 1. September ins Deutsche Theater übersiedeln.Sie mag aber nicht, weil sie nur 30 000 M. Gage bekommen sollund sie beim Vertragsabschluß annahm, sie bekäme die Sorma-Gage, d. h. 80 000 M. Vor dem Kammergericht kam eS nun zueinem Vergleiche. Else Lehmann zahlt danach 3000 M. Abstand anReinhardt, ferner die Kosten deS Verfahrens, darf dafür aber an derStätte ihrer erprobten Wirksamkeit bleiben. Weiter verzichtet daSLessing-Theater auf daS Engagement von Lucio Höflich, die es zurRevanche dem Deutschen Theater wegengagiert hatte. Wir möchtender verdienten Künstlerin für die Zukunft raten, nur in Gegenwatteines Stenographen und Rechtsanwalts Verträge abzuschließen.Freilich kann man auch dabei noch reinfallen.