6eMeü tu Gang bringen. Na'ch allen Mitteilungen, die über die Lage in der Holzmasseindustrie in„Svarets" Redaktion vorliegen, haben die Arbeiter überall beschlossen, den Streik fortzusetzen, und es ist nicht daran zu zweifeln, daß sie auch fest im Kampfe ausharren. Es ist für die Unternehmer dieser Industrie ebenso hoffnungslos wie für die aller anderen Industriezweige, die Betriebe wieder in Gang zu bringen, so lange der Generalstreik auch noch dauern wird. Gestern verbreitete die Unternehmerpresse die Nachricht, daß in Jönköping — dem Stammsitz der schwedischen Zllnd- Holzindustrie— 500 oder gar 900 Zllndholzarbeiter die Arbeit wieder aufgenommen hätten. Es war aber Schwindel, wie gewöhnlich! Tatsächlich meldeten sich am Montagmorgen einige alte Leute zur Arbeit bei dein „Alten Zündholzfabriken", wurden aber vom Direktor wieder heimgeschickt, weil man mit so wenigen Personen den Betrieb unmöglich in Gang setzen konnte. Uebrigens gibt es in Iönköping 3200 Streikende. Nur zehn Kartonarbeiterinnen sind abtrünnig geworden und haben die Arbeit wieder auf- genommen. Dasi st alles!• In Göteborg hatten sich am Montagmorgen bei der- fchiedenen Fabriken, besonders der Textilindustrie, große Volksmassen versammelt, um zu sehen, wieviel Leute es fein mochten, die sich als Arbeitswillige meldeten. Aber ihre Zahl tvar, wo sich überhaupt welche einfanden, so verschwindend gering, daß die Ingangsetzung irgendeines Großbetriebes nicht in Frage kommen konnte. Alle zuverlässigen Nachrichten, die aus anderen Städten und Jndustrieorten Schwedens vorliegen, zeugen dafür, daß die Arbeiterschaft, trotz aller Versuche, sie wieder zur Arbeit zu locken, mlt ungeschwächter Kraft im Kampfe ausharrt! In Stockholm war weder gestern noch heute auch nicht das geringste davon zu merken, daß in irgendeinem Industrie- oder Handwerksbetriebe die Arbeit wieder aufgenommen worden wäre, und selbst die Kapitalistenblätter wissen nichts dergleichen zu berichten. Gestern gab es hier eine kleine spontane Straßen- demonstration. Fünf Arbeiter zogen mit großen Plakaten, die an Stangen befestigt waren, durch die Straßen. Die Plakate zeigten in großen Buchstaben die Worte:„Arbeiter, fahrt nicht mit der Straßenbahn!"—„Lest„Svaret" I— „Glaubt nicht den Lügen der Feindespresse I"—„Kameraden, werdet niemals zu Verrätern!" Sie fingen die Vasagata entlang, vorbei am Gebäude von„Stockholms Dagblad ", wo die langen Demonstrationsfahnen init den Schwindelnach- richten der Unternehmer aus dem Fenster hängen. Wenn die Arbeiter aber glaubten, sie könnten für ihre gute Sache ebenso öffentlich demonstrieren, wie das Unternehmertum für seine Interessen, so hatten sie die Rechnung ohne die Polizei ge- macht. Sie wurden bald angehalten und nach der Wache gebracht. Hier beschlagnahmte man die Plakate und ein Verbot wurde dagegen erlassen, dergleichen öffentlich herumzutragen, was man damit motivierte, daß solche Plakate 8U spontanen Demonstrationen führten und zur Störung der öffentlichen Ordnung! Die Verhaftung hatte zur Folge, daß sich in der Vasagata immer größere'Völksmassen ansammelten, um„Stockholms Dag- VladS" Lügenfahnen zu betrachten. Gegen 7 Uhr abends mochten es wohl an 2000 Personen sein. Da kam die Polizei hon mehreren Seiten und machte sich mit unnötiger Schärfe daran die Volksmassen zu zerstreuen. Ein Journalist fragte die Polizei, warum sie es denn in diesem Falle nicht ebenso mache, wie mit den Plakaten der Arbeiter, daß sie die Ursache des Auflaufs, die aus den Fenster hängenden langen Lappen, beseitige? Die Antwort war:„Wir brauchen keine Ratschläge. Das ist unsere Sache. Gehn Sie weiter!"— Der ganze Vorfall zeigt, wie auch hier mit zweierlei Maß gemessen wird. > Ueber den Umfang der Arbeitsniederlegung der Land» arbeit er liegt eine allgemeine Uebersicht noch nicht vor. Jedoch sind aus vielen Orten Mitteilungen eingelaufen, die darauf schließen lassen, daß auch dieser Streik einen größeren Umfang annimmt, als man erwartete und auf feiten der Unternehmer befürchtete. Der Landarbeiterverband ist ja die jüngste unter den©ewerkschaftsorganisationen Schwedens . Er umfaßt jetzt ungefähr 7000 Mitglieder. Alles deutet aber darauf hin, daß auch in der Landwirtschaft Massen Unorga- nisierter sich dem allgemeinen Kampf anschließen werden. Aus mehreren Orten wird gemeldet, daß die Unorganisierten in Massen dem Verband zuströmen und der Streikparole ein- mutig Folge leisten, wie die Organisiertem. » j Stockliolm, 18, August.(Privatdepesche des„Vorwärts".) Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion der russischen Duma sendet im Auftrage der Fraktion an die ausständige schwedische Arbeiterschaft folgendes Telegramm: „Die sozialdemokratische Fraktion der russischen ReichSdüma folgt mit größter Aufmerksamkeit dem heldenmütigen Kampfe des schwedischen Proletariats. Die Arbeiter Schwedens haben es verstanden, entschlossen und einig sich zur Gegenwehr gegen die kampfeslustige Kapitalmacht zu setzen. Euer tapferer Kampf findet lebendigen Anklang beim Proletariat aller Länder; aber ganz besonders wird er die Energie der russischen Arbeiter steigern, die immer noch für ihr Koalitionsrecht kämpfen. Er wird bei ihnen die Einsicht befestigen, daß die einzige Garantie dafür, daß die Rechte des Proletariats Dauerhaftigkeit und Effektivität erlangen, darin liegt, daß die politischen und geWerk. schaftlichen Organisationen der Arbeiter kräftig entwickelt werden. Wir übersenden den tapfer Streitenden unseren brüderlichen Gruß und die wärmsten Wünsche sür baldigen Sieg."' 100 Prozent IPrcisaufichlag für Blelßbier. Berhältnisse im Gastwirtsgewerbe. Nach den Angaben der Gebhardt-Brauerei in unserer gestrigen Nummer bezahlte der Wirt vor 1906 für 80 Liter Weißbier, die für ihn durch Wasserzuguß 1 Hektoliter ergaben, 7 M. Jetzt kosten ihm 100 Liter, denen er kein Wasser mehr zusetzen darf, 13 M. Da» ist ein Aufschlag von 6 M. Es wäre aber falsch, an» zunehmen, die Preiserhöhung sei wirklich nicht größer. Bei den eigenartigen Usancen im Weißbiergewerbe geben die offiziellen Preise kein rechtes Bild von den tatsächlichen Verhältnissen. Wir haben schon einmal darauf hingewiesen, daß bei Beurteilung dcS jetzt vorgenommenen Preisaufschlages auch der Fortfall der so- genannten Geschcnktonne berücksichtigt werden müsse. Damit hat es folgende Bewandtnis: Solange nach dem Stock verkauft wurde� bezahlte der Wirt von 21 gelieferten% Tonnen nur 17—20. Die Zahl der Geschenktonnen bedingten verschiedene Umstände: Umsatz, der mehr oder minder große Grad der Unabhängigkeit de? Wirtes von der Brauerei usw. Nicht bezahlt wurden sodann die sogcnann- ten lleberliter(4—10 Liter pro halb« Tonne); dazu kamen noch hix obligatorischen Gel.egegheijsgeschenktoWeii glz KehjtrtFtagß» und Weihnächtspräseük, AblösMg für den Abendtisch, Verzicht äüf Reisendcnbcsuch usw. Es hatte sich eingebürgert, daß die Braue- rcivertreter periodisch bei den Wirten erschienen, zu dem aus- gesprochenen Zweck, dort unter Zuhilfenahme trinkfester Leute eine ordentliche Zeche zu machen. Das war der Abcndtisch! Wer darauf, überhaupt auf den Besuch von Reisenden der Brauerei verzichtete, erhielt pro Fall eine halbe Tonne gratis. Diese Ge- pflogcnheiten hatten sich zum großen Teile bis 1900 erhalten. Unter Berücksichtigung aller Vergünstigungen und dem Wasser. zuguß reduzierte sich der wirkliche Einstandspreis der Wirte für 1 Hektoliter Weißbier auf 0—6 M. Jetzt müssen sie 13 M. zahlen und von den früheren„Geschenken" ist nichts mehr geblieben. Es mag sein, daß die Aufhebung der Vergünstigungen den Brauern für die Steuer von 1906 keinen vollen Ausgleich gebracht hat� das rechtfertigt aber nicht den jetzt vorgenommenen scharfen Aufschlag. Es kann als gerechtfertigt nicht anerkannt werden, daß die Brauer durch Preiserhöhung den Rückgang im Weihbierkonsum weit zu machen suchen. Das ist eine Reform, die von den Konsumenten abgelehnt werden muß. Die Wirte hätten daS auch tun sollen. Zweifellos sind sie heute beim Weißbierberkguf ungünstiget ge- stellt als vor 1906. Allerdings, auch das muß gesagt werden: die Differenz von über 200 Proz. zwischen dem Preise, den der Wirt und dem. den der Konsument zahlt, ist viel zu hoch, ist sie notwendig, zeugt das nur von ungesunden Verhältnissen. Wenn die Wirte den Forderungen der Wcißbierbraucreien zustimmen, dann in der Hauptsache darum, weil diese sich verpflichteten, die bekannten Preise von 13 Pf. für die halbe und von 25 Pf. für die große Weiße als Minimalpreise vorzuschreiben. Die Wirte haben damit für Weißbier in die Praxis eingeführt, was sie nun noch bei Lagerbier erkämpfen wollen. Bei dieser Gelegenheit sei übrigen? konstatiert, daß viele freie Wirte mit der Taktik ihrer Organisationen nicht einverstanden sind. Aber auch von dieser Seite wird betont, daß die Wirte die von den Brauern beliebte Abwälzung nicht tragen könnten, der einzelne machtlos sei und sich schließlich fügen müsse. Daß die Wirte die Opfer sein sollen, verlangten wir nie. solcher Anspruch wäre unbillig. Von den Konsumenten jedoch kann man auch nicht der- langen, daß sie Bestrebungen unterstützen, die dahin gehen, deki Wirten durch Einführung von Mindestpreisen eine vervielfältigte Abwälzung auf die Schultern der Konsumenten zu ermöglichen. Unter den Wirten gibt es gewiß eine große Zahl kümmerlicher Existenzen. Das ist jedoch zum Teil eine soziale Erscheinung, die mit der Steuersrage weniger zu tun hat. ES gibt eben zu viel Wirtschaften, was wir einfach als Tatsache konstatieren. Und wie die Weißbierbrauer den Konsumrückgang durch Preissteigerung auszugleichen suchen, so erstreben die Wirte durch Erhöhung des Nutzens einen Ausgleich für Konsumverminderung infolge der wachsenden Zahl der Wirtschaften. Vom Standpunkt der Jnter- essentcn sind solche Bestrebungen ja verständlich, besonders wenn man die besonderen sozialen Ursachen der ungünstigen Entwicke- lung mit berücksichtigt. Aber, wenn auch der Biertrinker gewisse Konzessionen machen will, im allgemeinen ist seine Entscheidung vom Standpunkte des Konsumenten bestimmt. Zu dieser Angelegenheit schreibt man uns unter anderem: Die Berliner Arbeiterschaft ist Wohl die letzte, die nicht jedem ehrlich Arbeitenden sein einigermaßen anständiges Auskommen gönnte. DaS gilt natürlich auch für die Gastwirte. Haben die Berliner Gastwirte dieses Einkommen? Ein Teil von ihnen viel- leicht nicht. Und warum nicht? Verdienen sie an ihrer Ware zu wenig? Absolut betrachtet, durchaus nicht? Die Gastwirte arbeiten vielfach mit einem Prozentsatz, wie man ihn außer bei Apothekern wohl überhaupt nicht trifft. Woran liegt e», daß trotz- dem manche Gastwirte nicht zurechtkommen? Die Antwort ist sehr einfach: Es mangelt ihnen an Kundschaft! In Groß-Berlin vermehrten die kleineren Gastwirtschaften sich in einer Weise, daß ihre Zahl zu der Bevölkerung in keinem gesunden Verhältnis mehr steht. Die Kundschaft des einzelnen Gastwirts ver- ringert sich und dadurch auch fein Einkommen. DaS Weniger an Einkommen suchen die Gastwirte nun durch Erhöhen der Preise wettzumachen. Ob sie damit ihre Lage bessern? Wohl kaum! Erhöhen die Gastwirte die Preise, so trinkt mancher Arbeiter weniger; gleichzeitig wird ein erhöhter Anreiz zu Wirtschafts- gründungen ausgelöst. Und bald ist das alte Verhältnis wieder hergestellt. ' Derselbe Gedanke liegt einer Reihe anderer Einsendungen zugrunde. Daß die Einsender damit das für Berlin Nichtige und Charakteristische treffen, möchten wir noch durch ein paar Zahlen auS amtlichen Statistiken beweisen. Nach der letzten Berufs- zählung entfiel im Durchschnitt auf je 46 Einwohner in Südcutsch- land, auf j« 50 Einwohner in Deutschland und auf je 52 Ein» wohner in Preußen ein Angehöriger dcS GastwirtSgewerbeS. Die Angaben im Statistischen Jahrbuch für da? Deutsche Reich ergeben, daß in Süddeutschland auf je 43 Hektoliter Bierverschleiß, in Deutschland auf je 60 Hektoliter und in Preußen auf je 66 Hekto- liter ein Angehöriger des Gastwirtsgewerbes entfällt. Erwägt man dazu, daß in Preußen der Schnapskonsum stärker ist als im übrigen Deutschland , dann liegen die Verhältnisse für Preußen günstiger als in Süddeutschland mit dem größeren Bier» konsum pro Kopf der Bevölkerung. In Süddeutschland ist die Zahl der dem GastwirtSgewcrbe Angehörigen relativ viel größer als in Preußen. Wesentlich ander? gestaltet sich das Bild aber, wenn man die Zahl der Selbständigen in Beziehung zur Einwohnerzahl setzt und Berlin gesondert berücksichtigt. Indem wir im allgemeinen auf die Berufszählungsergebnisse, für Berlin auf die Angaben des Statistischen Amts der Stadt Berlin über die Zahl der Gastwirtschaften uns stützen, gewinnen wir diese Uebersicht� 1 Deutschland i i �. 238 676 258 Preußen allein... 142 870 756 Süddeutschland allein. 95 806 247 Berlin allein(1906). 16 424>77 Demnach ist, auf die Einwohnerzahl berechnet, in Berlin die Zahl der selbständigen Gastwirte mehr als doppelt so hoch als in Preußen. Das ist, auch wenn man berücksichtigt, daß Berlin eine Fremdenstadt ist, für die ReichSmctropole ein ungünstiges Ver- hältnis. Wie sehr sich dieses in kurzer Zeit verschlechtert hat, erweist die Tatsache, daß im Jahre 1899 in Berlin erst auf je 180 Einwohner eine Gastwirtschaft vorhanden war, jetzt schon eine auf je 127 Einwohner. Bei dieser Entwickelung, die durch eine Mindestpreisfestsetzung noch Förderung erfährt, wäre nach wenigen Jahren eine neue, aber wieder höher gelegene MindestpreiSgrenze erforderlich, um den Bedürfnissen der Wirte zu genügen. Da können die Kon- sumenten einfach nicht mitmachen. ' ' Förderung des Weinbaues und des Weinkonsums er- wartet das„Weinblatt" von der AbwälzungSpraxiS der Bierbrauer. In dem genannten Fachorgan wird aus» geführt, daß, Vena das Lagexhier ob Ort bi? zu LS Pf. der halbe Liter koste, werde Niälicher für denselben Preis einen Viertelliter guten offenen Wein vorzuziehen, und damit rolle sich wieder eine der wichtigsten Fragen der Winzer auf, die„Demo- kratisierung des Weingenusscs". Es wird weiter vorgeschlagen, in den Großstädten an den Straßenecken Weinstuben zu errichten, nicht zu elegant, und zu 25, höchstens 30 Pf. soll ein guter offener Wein ausgeschänkt werden, den die Winzer mit geringeren Lagen oder die Winzcrgenoffenschaften zu liefern hätten. Nach Bremen , Hamburg . Berlin usw. komme die billige Wasserfracht zustatten, und wenn auch kein erheblicher Gewinn zu erzielen sei, so bildeten die billigen offenen Weine eine Art Pioniere für die besseren und feinsten Marken. In Leipzig haben die Gastwirtsvcreine folgende Reso- lution beschlossen:„Nachdem der Brauercivercin in Leipzig sich nach seiner letzten Mitteilung weigert, den Preisaufschlag von 3,20 M. auf den von der letzten Lokalverbandsversammlung nor- mierten Preis von 2,20 M. für Lagerbier herabzusetzen, sieht sich die heutige Versammlung genötigt, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Versammlung erklärt nochmals den Aufschlag für zu hoch und erkennt denselben nicht an, vielmehr verpflichtet dieselbe die Mitglieder des Lokalverbandes, nur höchstens 20 M. für den Hektoliter vom 1. September ab zu bezahlen." «. Wie dem„L.-A." aus München berichtet wird, hat der Preisaufschlag im Gebiet der Brausteuergemeinschaft den merk- würdigen Effekt, daß die an der dichtbevölkerten bayerischen Grenze von Aschaffenburg bis Hof auf etwa 50 Kilometer Länge wohnenden Preußen, Meiningcr. Reußen und Koburger ins gelobte Land des bayerischen Reservatrechts gehen, um dort ihr Bier zu trinken, billig, gut und viel, und in dem erhebenden Bewußtsein, dem Bier- brauer und dem Steuererheber ein Schnippchen zu schlagen. In Essen streiken die Biertrinker. Die Firma Krupp hat den Flaschenbierpreis um 3 Pf. erhöht. Und die Folge? Es wurden an dem Tage, an dem der erhöhte Preis in Kraft trat, nur 44 Flaschen abgesetzt, gegen zirka 1000 Flaschen früher. Auch in Bochum heißt die Parole: Kein Bier trinken! Wegen der beängstigenden Leere ihrer Lokale infolge der bor - stehenden Parole haben verschiedene Wirte den Bierpreis— herab- gefetzt! Im Saarrevier haben die Wirte an Stelle der 16 Liter- Gläser solche von vier Zehntel Liter Inhalt eingeführt. Seither sind die Wirtschaften verwaist. In großen Versammlungen wurde die Parole ausgegeben, kein Wirtshaus zu betreten, bis da? frühere Maß wieder verabfolgt wird. Man erwartet nachdrücklich Durchführung des Boykotts. Eine ringfreie Brauerei hat schon mitgeteilt, daß sie ihren Abnehmern das Bier zum alten Preise liefert. Die großen Restaurateure in der Stadt Saar- brücken, die die Bierpreise um 5 Pfg. pro großes GlaS erhöht hatten, sahen ihre ältesten Stammtische verwaisen,• polltifcbc debcrlicbt Berlin , den 18. August 1909. Der Kampf tun die„katholische Weltanschauung". Die Boonekamp-Richtung in der Zcntrumspartei gibt, da sie deS Wohlwollens des hohen Klerus sicher ist, ihr Spiel keineswegs verloren. Herr ReichStagsabgcordneter Dr. Bitter bietet, um ihr eine größere Verbreitung zu geben, seine in der Koblenzer Ver- sammlung am 9 d. Mts. gehaltene Anklagerede gegen die„Köln . VolkSztg." jetzt den Zentrumsblättern als bezahlte Beilage an— und es finden sich genügend edle Zentrumsorgane, die auS Liebe- dienerei gegen den Episkopat daS Vitterfche Angebot akzeptieren. Neben den Müttern der sogenannten Trierischen Richtung befinden sich unter den Abnehmern auch die Berliner „Germania " und ihre Nebenausgabe, die«Mark. Volksztg." Als vorsichtiger Mann hat Herr Dr. Bitter seine in der Hitze de? Kampfes gehaltene Rede natürlich vor der Drucklegung sorg- fältig korrigiert. Der Satz, daß wenn der Klerus sich im Wahlkampfe neutral verhielte, das ganze Jen» trum bankrott wäre, findet sich zum Beispiel nicht mehr darin. Immerhin steht auch jetzt noch in dieser Rede sehr viel Be- achtenswertes. So heißt es in der Rede: „Auf welcher Weltanschauung ist daS Zentrum gegründet?" DaS Zentrum ist von den Katholiken gegründet. DaS Zentrum kann deshalb nur gegründet sein auf dem Boden der katholischen Weltanschauung. Denn, meine Herren. was ist denn eine allgemein christliche Weltanschauung? Doch weiter nichts, als ein verwaschenes Christentum, daS der festen Grundlage entbehrt(stürmischer Beifall) und dem Eubjektivis- mus Tür und Tor öffnet.(Widerspruch bei einzelnen Gegnern.) Meine Herren I Sie kommen nicht weit mit Ihrem Christentum, so wie Sie es wollen. Eine christliche Weltanschauung, wie Sie es wollen, gibt eS nicht. Da kann jeder sich so viel dazu nehmen, als er will. Allgemein christliche Grundsätze entbehren des festen Fundamentes, auf dem sie sich aufbauen.(Stürmischer Beifall.) ES lebt aber noch im Zentrum derselbe Geist, wie im katholischen Volke, den die Gründer de» Zentrums festgelegt haben. Sie waren Katholiken und wollten, daß im Programm deS Zentrums derselbe Geist herrsche, wie im katholischen Volke. DaS haben sie wiederholt zum Ausdruck gebracht.... Der Wahlkampf 1906/07 hat wesentlich unter dem Gesichts- Punkt der katholischen Weltanschauung gestanden. Hier war es die„K. V.-Z.", welche das Zentrum wieder auf die richtige Basis setzte. Damals hieß eS: Ihr seid in eurem Gewissen verpflichtet. Zentrum zu wählen, weil dort derselbe Geist weht und dieselbe Weltanschauung vorhanden ist. Aber sobald die Wahl zu Ende war, da kam der andere Geist, da sollte daS Zentrum wieder auf die allgemein christliche Grundlage gefetzt werden, da sollte das sozialpolitische Programm wieder entscheidend sein. W o w ü r d e daS Zentrum in der Hitze des Wahlkampfes mit seinen so verschiedenen Berufen und auSein» andergehenden wirtschaftlichen Interessen ohne das einigende Band der katholischen Welt- anschauung bleiben? ES würde zerrissen am Bodenliegen."' Wir stimmen Herrn DitterS Charakteristik des Zentrums völlig zu, nur hätte Herr Bitter noch hinzufügen sollen, waS katholische Weltanschauung ist, und wer zu bestimmen hat, ob eine Handlung dieser Weltanschauung entspricht, oder gegen sie verstößt. Nach der katholischen Weltanschauung ist zu solcher Entscheidung näm- lich ausschließlich d i e K i r ch e, das heißt, der hohe Klerus befugt, nicht der Laie, der lediglich Gehorsam zu leisten hat. Demnach heißt die Forderung, daS Zentrum solle sich in seiner Politik lediglich von der katholischen Weltanschauung leiten lassen, nicht» anderes, als das Zentrum habe in allen strittigen Fällen stets den Weisungen de? Episkopats zu folgen. Internationale Blamage. Die Scherlprefse bringt heute ein Londoner Telegramm folgenden Inhalts: London , 18. August. Sämtliche Morgcnblätter veröffentlichen heute lange Berichte über MacdonaldS Erfahrungen in Kiel . Die liberalen Zeitungen, wie die„Daily New»" und andere, haben Macdonald interviewen lassen, der feine Kieler Cr- fahrungen übrigens keineswegs tragisch nimmt. Man kann sich jedoch nicht des Gedankens erwehren, daß, wenn die Polizei den britischen Propheten ruhig seine Utopien hätte erzählen lassen, Maevonalds Gastspiel m aller Stille verlaufe» Ware, während