Settodgetutig weiterer Lohnerhöhungen beseitigt werden sollte. Mit der Depression auf dem Arbeitsmarkte hat daS Abkommen herzlich wenig zu tun. Es liegt vielmehr ein nationalökonomisches System barin, da« in der Unkenntnis hochwichtiger ökonomischer Gesetze wurzelt und auf daS wir noch näher eingehen werden. Direkt u n e h r l i ch ist die Negierung in der Schilderung der Stellung der Arbeiter zu der L o h n f r a g e. Sie behauptet, die Arbeiter hätten nie Rücksicht auf die Konjunktur genommen; auf die Steigerung der Lebensmittelpreise sich berufend, hätten die Arbeiter„ihre Ansprüche immer gesteigert und sie im all- gemeinen auch erfüllt bekommen Diese Behauptungen widersprechen direkt den a m t- lichen Darstellungen der Arbeitseinstellungen in den Jahren 1303 bis 1907, die vom Arbeitsstatistischen Amt herausgegeben find. Selbst während dieser guten Konjunkturperiode hat die Arbeiter- schaft manchmal die heftigsten Kämpfe winziger Lohnfragen wegen auSfechten müssen. Von einer allgemeinen Erfüllung der Ansprüche der Arbeiter während der guten Konjunktur kann gar keine Rede sein.„Verwöhnt"', wie es die Regierung darzustellen be- liebt, sind die schwedischen Arbeiter in dieser Beziehung gewih nicht. In den genannten fünf Jahren wurden nach der aintlichen Statistik 1148 Arbeitseinstellungen begonnen, die 8470 Arbeitgeber und 111920 Arbeiter betrafen. Bon den Arbeitseinstellungen waren 80 Proz. Streiks, 6 Proz. Aussperrungen und 14 Proz.„gemischten Charakters", d. h. in der Regel Streiks und Aussperrungen. Hin- sichtlich det Zaht der b e tr o ff b n en Ar b ei t er ab er überwogen die Aussperrungen die Streiks an Gräbel AN Streiks waren 48 Proz. der obigen Arbeiterzahl bc- wiligt, an Aussperrungen 8 Proz. und an Arbeitseinstellungen ge- mischten EharakterS 44 Proz. Auf jeden Streik entfielen durch- schnittlich 59 Arbeiter, auf jede Aussperrung dagegen 125 und auf jede Bewegung det drktten Gruppe 293 Arbeiter. Diese Zahlen zeigen unbedingt, daß selbst während der guten Konjunkturperiode da? Unternehmertum den Bestrebungen der Arbeiter den entschiedensten Widerstand entgegensetzte. Be- sonders die dritte Gruppe beweist, daß die Unternehmer nach Er- starkung ihrer Organisation die Lohnbewegungen der Arbeiter sofort mit der Aussperrung zu beantworten pflegten I Daß die Regierung durch ihren Schreibsachberständigen angesichts dieser amtlichen Zahlen die obige Behauptung aufstellen kann, zeugt lediglich von der Un- geniertheit, die man dem Auslände gegenüber sich erlauben zu können glaubt. � �(Schluß folgt.) Internationale Solidarititt. Das Gewerkschaftskartell Gera-Reuß hat aus seiner Kasse 500 M. für die im Generalstreik ftfijenden schwedischen Arbeiter bewilligt. Außerdem hat es Extrabeiträge zu 20 und 50 Pfennige beschlossen und jedes Mitglied der Organi- sation verpflichtet, einen Extrabeitrag zu leisten, ferner haben die Gewerkschaficn besondere Namhafte Beträge aus ihren Lokalkassen dem Kartell überwiesen. Aus Gera und Umgegend werden daher 3000 bis 4000 M. für die schwedische Arbeiterschaft aufgebracht werden. Deutsche Streikbrecher für Schwede». Man schreibt uns aus Lübeck : Die bedauerliche Tatsache, daß eine Gruppe deutscher Streikbrecher sich zu Verräterdiensten an den schwedischen Klassenkämpfern hat anwerben lassen und denjjWeg dabei über Lübeck nahm, hat den Anschein erweckt, alS ob Lübecker Arbeiter in Schweden Stretkbrecherdiettste verrichten. Auch der„Vorwärts" ist dieser Ansicht, indem er die Frage auf- wirft, ob die Lübecker Arbeiterschaft nichts von dieser schänd- lichen Streikbrechcranwerbung hätte erfahren können. Dazu ist zu bemerken, daß Lübecker Hafenarbeiter sich niemals zu einer ehrlosen Handlung, denn der Streikbruch ist eine solche, hergeben, sondern bisher stets und überall in jeder Weise Solidarität geübt haben. selbstverständlich auch dann, wenn sie— wie gegenwärtig unter den Folgen des schwedischen Ricscnkampfes— schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Die Streikbrecher, welche über Lübeck Nach Schweden befördert wurden, kamen von Hamburg , wo sie— wie verlautet— bisher im Baugewerbe ihr elendes Schufterlehandwerk betrieben hatten. In Lübeck erfuhr man in letzter Stunde davon, daß die Leute den Ort berühren würden: die sofort angestellten Versuche, an sie heranzukommen, blieben aber schon deshalb erfolglos, weil die Arbeitswilligen den Zug gar nicht erst verließen, sondern gleich nach Travemünde weitet- transportiert wurden, wo man sie in einen bereitliegenden Dampfer verstaute und nach Schweden weiter beförderte. Hieraus erhellt, daß die Lübecker Arbeiterschaft auch nicht die geringste Schuld trifft, wenn Schweden mit einer Sammlung deutscher »Arbeitswilliger" verunreinigt wurde. Spotten ihrer ielblt l ES ist ein melancholisches Zeichen für den unaufhaltsamen politischen Niedergang des Freisinns, daß sogar daS Blatt, das in den letzten Jahren dem Block-LiberaliSmuS so oft den Spiegel vor- gehalten hat. da»„Berk. Tageblatt", gerade in dem Augen- blick über„Prinzipienreiter" zu spotten für opportun hält, wo die ganze politische Situation gebieterisch nach einer prinzipiellen Politik schreit. Da lesen wir im„Bert. T a g e b l.": „Die glücklichsten Leute in allen Parteien und Fraktionen da- gegen sind die Karikaturen auf die Leute von Charakter: die Prinzipienreiter. Sie, die unentwegt Fahnen der Uebcr- zeugung hochhalten uud unverrückbar au fJB r o g ra mm- Böden stehen. Sie, die immer die„kompakte Majorität" hinter sich haben und diesen trägen yelsblock jedem in den Weg wälzen, der zum Fortschritt von innen heraus treiben möchte. „DaS Programm hochhalten kann jeder Esel"— so hat Wollmar schön und einfach das moralische Gewicht dieser Leute bewertet." Man sollte danach wirklich glauben, die Blockpolitik, die— nach äer vom„Berk. T a g e b l." selbst geübten Kritik— den Freisinn mit unauslöschlicher Schmach Beladen hat, sei von den freisinnigen „Prinzipienrettern" inszeniert worden I Aber nein, es waren gerade die auf das Programm und die liberalen Prinzipien pfeifenden Politiker, die sich für die. konservativ-liberale Paarung begeisterten, Sl Bülow wallfahrteten und heroisch ihre liberale ManneSbrust mit rden dekorieren ließen. DaS war just da» Gegenteil der Prinzipienreiterei; daS„Verl . Tageblatt", das jetzt die Prinzipien- und Programmpolitik verhöhnt, hätte also alle Veranlassung gehabt, diese liberale Blockpolitik in den begeistertsten Tönen zu feiern. Aber nein: das„Berl. Tageblatt" war es gerade, daS diese grund- satzlose, programmwidrige Politik in der herbsten Form verurteilte! DaS„Berl. Tageblatt" war es, das gerade den Barth und Breitscheid Gelegenheit gab, den liberalen Block- politikem gegenüber die Notwendigkeit der grundsätzlichen, programmatisch-demokratischen Politik zu betonen! Hat sich denn inzwischen irgend etwas geändert? Keines- Wegs! Gerade die Führer der„Demokratischen Ver- e i n i g u n g", der eben noch vom„Berl. Tageblatt" protegierten Gruppe, waren eS ja, die energisch fortfuhren, am Freisinn Kritik zu üben, die schlagend nachwiesen, baß der Dlocksteisinn dadurch, daß er aus dem Block herausgeworfen worden sei, noch keineswegs seinen Blockgeist aufgegeben habe. Erst wenn der Freisinn be- weise, daß er nunmehr ernsthaft gewillt sei, wirklich frei- sinnige und demokratische Politik zu treiben, könne er als Buttdesgenosse für die ehrlichen Freunde der Demokratie in Frage kommen. Was läge für das„Berl. Tagebl." also näher, als diesen Gedankengängen seiner politischen Intimen gemäß den Freisinn unz ausgesetzt zur Respektierung grundsätzlicher Politik anzu- spornen, zur Prinzipienpolititik zu erziehe nl Statt dessen erleben wir es, daß das„Berliner Tageblatt" die seichtesten Witze über die„Prinzipienreiter" reißt und im blamabelsten Weit- bewerb mit der„Freif. Ztg." diejenigen anpöbelt,„die unentwegt Fahnen der Ueberzeugung hochhalten und unverrückbar auf Programmböden stehen". Das„Berliner Tageblatt' kann sich auch nicht damit heraus- reden, daß es sich ja Nur über sozialdemokratische Prinzipienreiterei mokiert habe. Denn warum sollte die prinzipielle Politik für die Sozialdemokratie verwerflich und ein besonderes Zeichen von Dummheit sein, wenn sie fiir den Freisinn notwendig und v e r d t e n st l t ch ist? Daß das„Berliner Tageblatt" die sozialdemokratischen Prinzipien billige, erwarten und verlangen wir natürlich nicht. Es mag sie bekämpsen, zu widerlegen versuchen, so gut es daS immer vermag. Aber den armseligen Spott über die Prinzipienreiterei an sich sollte eS den Blockfreistnnigen Überlassen, wenn es anders wenigstens nicht den Argwohn Nähren will, daß es seit dem Tode seines einstigen Berater? Theodor Barth jede politische Richtlinie verloren und sich wieder im Haufen der block- freisinnigen Ordensjäger und Beutepolitiker hilflos verlaufen hat l Im übrigen hat unser Frankfurter Bruderorgan, die „Volksstimme", in ihrer letzten Säimmcr dem„Berl. Tagebl." und gestimungSverwandten Seelen eine ebenso kräftige wie treffende Ab- fertigung zuteil werden lassen. Sie lautet: „In ihrem unaufhörlichen Niedergang haben die bürgerlichen Parteien es vergessen und verlernt, daß große Interessen und Prinzipien im Vordergrund des politischen Kampfes stehen müssen. Arme Schlucker, die sie sind, leben sie von der Hand in den Mund, und all ihr Politisieren ist kein fröhlicher Kampf, sondern ein erbärmlichesMarkten und Schachern um Augenblicksvorteile. Wie sollten sie da verstehen können, daß für die Sozialdemokratie daS Prinzip der feste Boden ist, auf dem sie stißt, den sie aber auch im Widerstreit ver- schiedener Anschauungen über prinzipielle Fragen mit manchem Tropfen Herzblut düngt. Endlich herrscht bei den verblendeten wie bei den schärfer sehenden Wortführern des bürgerlichen Lagers die Hoffnung vor, daß eines schönen TageS doch der Revisionismus zum Siege kommen und eine Sozialdemokratie schaffen werde. die man am Nasenring führen und mit Brocken ab- speisen könne, und deshalb behandelt die bürger- liche Presse ohne Ausnahme die Revisionisten mit unbegrenztem Wohlwollen als„vernünftige Politiker" und„gebildete und einsichtige Menschen", Wenn etwas, so sollte dieser warme Quell von fast freundschaftlicher Neigung, der den Revisionisten aus den bürgerlichen Organen entgegensprudclt, jedem den Schleim aus den Augen spülen, der noch nicht sehengelernt, wohin der Revisionismus führt." Politische(lebersicdt. Berlin , den 26. August 1909. Eine Entdeckungsleistung der„Dentschen Tagesztg." Die„Deutsche Tagesztg." befindet sich in einer hysterischen Stimmung. Sie hat„Zeichen und Wunder" entdeckt, und das stolze Bewußtsein, daß ihre geistigen Fähigkeiten zN solcher Entdeckung noch ausreichen, bestimmt sie zu einem komischen Jubelgeschnatter. Freilich ist ihre Entdeckung etwas seltsamer Art; aber wer sieht bei den Leistungen des Oertel- scheu Jntelligcnzblattes auf die Qualität? In dem Sonntags-Leitartikel(Blockadegcfahr Ii) hatten wir, um die Absurdität der Behauptung zu kennzeichnen, eine Blockade der deutschen Küsten müßte im Deutschen Reiche un- fehlbar eine Hungersnot nach sich ziehen, hervorgehoben, daß Deutschlands Bedarf an den wichtigsten Nährfrüchten nur zu ungefähr einem Fünfzehntel vom Auslande gedeckt würde und das Fehlende nicht notwendig über See eingeführt werden müsse. Daß ferner heute ein großer Teil des Getreibe- und Kartoffelbcdarfs zur Branntweinbereitung usw. verbraucht würde, der im„Ernstfälle"(d. h. im Kriegsfalle) in besserer Weise für die Volksernährung verwandt werden könnte. Zudem ließe sich die Ertragsfähigkeit des deutschen Bodens noch beträchtlich steigern, wenn er unter Anwendung der neueren technischen Fortschritte rationeller ausgenutzt würde. Wörtlich' hieß es in dem Artikel: „Zweifellos können hier Noch weit bessere Resultate erzielt werden, und die Behauptung vieler Fachniänncr, daß Deutsch- land bei rationeller Ausnutzung und Bearbeitung seines Bodens noch auf viele Jahre hinaus seinen Bedarf an Lebens- Mitteln allein decken könnte, ist durchaus nicht übertrieben. Sicher ist ja, daß diese Steigerung der ErtragLfähigkeit nicht bis ins lim? tidliche fortschreiten wird, aber auf jeden Fall ist die Höchstgrenze noch lange nicht erreicht." Aus diesen Ausführungen folgert die„Deutsche Tages- zeitung" mit der ihr eigenen agrarischen Logik allen Ernstes, daß der„Vorwärts" die von: Bund der Landwirte betriebene Zoll- und Wirtschaftspolitik als berechtigt anerkannt hätte. Frohlockend ruft daS Blatt aus: Also:„Deutschland kann im Ernstfalle die Ernährung seiner Einwohnerslbaft allein besorgen. Ja, noch mehr: es kann bei rationeller Ausnutzung und Bearbeitung seines BodenS noch auf viele Jahre hinaus seinen Bedarf an Lebensmitteln allein decken." DaS ist genau dasselbe. waS wir unendlich oft behauptet haben. Selbstverständlich müssen, wenn die deutsche Landwirtschaft auch in Zukunft den Lebensnutteibedarf allein decken soll, die Preise ihrer Erzeugnisse derart sein, bah sie die Erzeugungskosten decken und der mühsamen Arbeit einen mäßigen Gewinn sichern. Wenn wir derartige oder ähnliche Ausführungen machten, da zieh man uns vielfach der Uebertreibung. Um so wertvoller ist es, daß wir jetzt einen so entschiedenen Kronzeugen gefunden haben. Und wer ist dieser Kronzeuge? Man höre und staune: det „Vorwärts", daS Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei vom 22. August 1909. Sollten sich bielleicht die zielbewußtesten Redakteure zurzeit auf Urlaub befinden? Leider müfien wir, so sehr wir auch der„Deutschen Tageszeitung" ihre Illusionen gönnen, ihren schönen Wahn zerstören. Erstlich haben wir nicht behauptet, daß heute schon in Frtedcnszeiten die deutsch » Landwirtschaft allein den Bedarf der deutschen Bevölkerung zu decken ver- mag; wir sprachen vom Kriegsfall, der, wie wir ausführten, ohnehin die Erwerbstätigkeit und damit auch den Konsum ganz beträchtlich einschränken würde, und wir haben weiter angenommen, daß dann, d. h. wenn eine Bldckade einen Teil der Zufuhr abschnitte, der Teil des Getreides, der Kartoffeln, der Rüben usiv., der heute zur Herstellung von Spiritus, Zucker usw. verwandt wird, in nützlicherer Weise der Volksernährung dienstbar gemacht werden könnte. Zweitens hat der„Vorivärts" stets, auch zur Zeit der Zollkänipfe, die Ansicht verfochten, daß der Ertrag des deutschen Bodenanbaus noch ganz be- trächtlich gesteigert werden könnte, nur war er sich stets auch darüber klar, daß die von der„Deutsch . Tages- zeitung" vertretene Zollwucherpolittk und kün st liche Preistreiberei das ungeeignet st e Mittel ist, eine größere Ertragsfähigkeit zu erreichen. Der „Vorwärts" ist vielmehr der Meinung, daß, um diesen Erfolg zu erreichen, vor allem der alffeudale Latifundienbetrieb Ost- elbiens rationeller gestaltet und zu diesem Zweck das Junker- tum enteignet werden müßte, daß ferner von Staats wegen das Oedland zum Anbau hergerichtet, das ländliche Genossenichafts- Wesen begünstigt, die landrätliche Verwaltung abgeschafft und der Bildungszustand der Landbevölkerung wesentlich erhöht werden müßte; kurz, daß die patriarchalisch-feudalen Zustände des Ostens gründlich ausgekehrt werden müßten. � Vor allem aber sind wir der Ansicht, daß wenn das deutsche Getreide zur Versorgung des inneren Marktes ausreichen soll, dann nicht durch ein unverschämtes Ausfuhrprämiensystem, wie es das System der Einfuhrscheine darstellt� die Ausfuhr von deutschem Getreide auf Staatskosten ge- fördert werden darf. Das ist unsere Ansicht. Die„Deutsch . Tagesztg." mag freilich davon nicht erbaut sein; ihr hehres Ideal ist die künstliche Preistreiberei durch Zölle und Grenzsperren zur Erhöhung der Güterpreise und Grundrenten. Aber es ist wirklich hochkomisch, wenn sie meint, der„Vorwärts" hätte sich ebenfalls dieses Junkerideal an- geeignet. Wir überlassen ihr neidlos ihre schöne Begeisterung ftir Kornwucherei und hohe Grundrenten. Ter Zar und seine Presse. Se. Majestät der gar hat in Berlin eine ebenso gute Preffe wie in Paris . Nur ein Teil der liberalen und konservativen Blätter Berlins erwähnt die im gestrigen„Vorwärts" enthaltenen neuen Enthüllungen BurtzeffS über den edlen Philanthropen auf dem russischen Thron und seine Spitzelpolizci. Einige Blätter. wie zum Beispiel daS„Berliner Tageblatt" und der „Lokal-Anzeiger", lassen sich, um nicht den„Vorwärts" er- wähnen zu müssen, etwas über BurtzeffS Enthilllungen aus Paris telegraphieren, wo heute daS Blatt„Le Journal" den gleichen Artikel BurtzeffS veröffentlichte. Einige andere Berliner Zeitungen begnügen sich mit einer kurzen Notiznahme, und noch einige andere, wie die„Deutsche TagcSztg." und die„Berl. Neuest. Nachr bc- nutzen die Gelegenheit, um ihre Begeisterung für russische Kultur- zustände zu bekunden, indem sie die neueste Enthüllung BurtzeffS als ganz belanglos hinstellen. So schreiben z. B. die„Berliner Neuest. Nachr.": „Der„«Vorwärts" ist glücklich, heute wieder durch eine„auf. sehencrregcnde Enthülluna" seine nahen Beziehungen zu den dunkelsten Ehrenmännern der Internationale beweisen zu limndn. Im Abbild veröffentlicht er eine Seite aus dem„Journal des Zaren". Das sozialdemokratische Zentralorgan verdankt diese Kostbarkeit dem bekannten russischen Sozialisten und Re- bolutionar W. Burtzeff. der sie sich natürlich auch nur auf sehr krummen Wegen verschafft haben kann. Wenn der russische RevolUtionshänptling nicht mehr mitzuteilen weih� als ttt dieser ersten„Enthüllung", so ist er von seinem unehrlichen Lieferanten geprellt worden. Denn bisher geht aus der„Enthüllung" nur hervor, daß dem Zaren in einem eigens hergestellten Journal politische Nachrichten von Wert in vollkommen objektiver Fassung — wie Burtzeff ausdrücklich betont— zur Kenntnisnahme vor- gelegt werden. Das ist eine Einrichtung, die in ähnlicher Form wohl in den Kabinetten der meisten Monarckien besteht. Wie die sozialdemokratischen Stehler und Hehler daraus dem Zaren eine Mitschuld an allen möglichen behaupteten Untatc» der russischen Polizei beweisen wollen, ist vorläufig noch ihr Geheimnis. Vor- erst beweist die Enthüllung nur, daß die Unehrlichkeit sich bis in die nächste Nähe des Zarenthrones wagt." Das ist genau dieselbe Art und Weise, mit der die freiwillige und gekaufte Zarenpresse in Paris die ersten Enthüllungen BurtzeffS über die kaiserlickicn Lockspitzel Azew und Harting aufnahm— bis schließlich auch diese Presse sich gezwungen sah� die Nachweise BurtzeffS anzuerkennen. Auch den deutscheu Zarenblättcrn dürsten noch unangenehme Erfahrungen bevorstehen« Zcntrumslogik. Einen höchst seltsamen Beitrag zu der Frage, ob das Zentrum eine konstsfionelle oder interkonfessionelle Partei sei. liefert die alt- jungferlichr klerikale„Germania ". Sie sucht den Nachweis zu führen, daß der Klerus nicht nur das staatsbürgerliche Recht, sondern geradezu die Pflicht habe, sich an der Wahlagitation zu beteiligen; denn— diese Begründung ist klassisch— das tteukatholische Volk sehe die Wahlarbeit des Geistlichen als etwas Selbstverständliches an- „Wenn", so Meint das fromme Blatt,„von der Beteiligung des Klerus an den Agitalionsarbeiten die Rede ist und die Gründe erörtert iverden, welche für diese Beteiligung sprechen, dann darf eine Seite der Sache nicht übersehen werden. DaS trenkatholische olk hat im allgemeinen einen scharfen Blick und ein sicheres rieil für daS, was matt vom KleruS erwarten oder nicht erwarten soll. Und dieses Volk sieht eSalS selb st verstäub- lich an, daß der KleruS sich um die Wahlangelegenbeiten mindestens nicht weniger interessiert als eistige Zentrumsmänner aus dem Laienstande. Dieses Volk würde An stoß daran nehmen, wenn ein Geistlicher den Sin- druck machen würde, daß er sich um die Wahlsorgen des Zentrums nicht kümmere. Wollte gar ein Geistlicher in Gegner- schaft zum Zentrum sich stellen, so würde es nicht bloß großen Anstoß daran nehmen, sondern auch in anderen Dingen das Vertrauen ihm versagen. Wenn also ein katholischer Geistlicher sich recht angelegentlich um die Wahlangelcgenheiten annimmt Und Eifer in der Agitation entfaltet, so tut er nicht etwa der katholischen Wählerschaft, die zum Zentrum steht. Drang oder Zwang an, sondern er kommt dessen eigenen Erwartungen und Wünschen entgegen." ES ist also nach der klerikalen Preffe selbstverständlich, daß erstens ein ZentrumSabgeordneter sich bei allen politischen Handlungen die katholische Weltanschauung als Richtschnur dienen läßt, daß er zweiten» als allein berechtigten Ausleger der Weltanschauung den KleruS anerkennt, daß er dritten» sich strenge nach dessen Entscheidung richtet und sich seiner Aufsicht unterordnet, und vierte»«. daß der KleruS den Hauptttil der Wahlarbeit verrichtet. Doch trotz alledem ist natürlich die Zentrumspartei durchaus keine konfessionelle Partei. DaS ist fast noch schwerer zu begreifen, als der theologische Hauptlehrsatz, daß 3X1=4 ist._ Die Schraube ohne Ende! Daß Deutschlands unaufhörliche Flottcnrusiungcn nicht nur in England ein untilgbares Mißtrauen erwecken, sondern
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