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Dem flaallich«, Vermittler C e d e r v o r g ist diese Steflitiig der Streilleitung seit einigen Tagen bekannt. Er hat anf dieser Grundlage eine VermittlnngSaktion begonnen, « Eine später eingegangene Wolff-Depesche meldet, daß die Vorverhandlungen des staatlichen Vermittelungsbeamten mit den im Kampfe vertvickelten Parteien zu Erklärungen geführt haben, die eine Beilegung des Kampfes in Aussicht stellen. Diese Meldung ist mit Lorsicht aufzunehmen. Denn so- weit können die vorbereitenden Verhandlungen noch kaum geführt haben. Die Beilegung des Kampfes auf der ganzen Linie ist nur dann möglich, wenn in den wesentlichen Differenzpunkten eine Einigung erzielt ist. Darüber ist, wie aus unserer Privatdepesche hervor- geht, noch gar nicht verhandelt worden, sondern ledig- lich eine Frontänderung der Ausständigen ist in Erwägung gezogen worden; nachdem diese vollzogen sein würde, sollten Unterhandlungen zur Beilegung der Differenzen auf der ganzen Linie eingeleitet werden. Die Kerntruppe des Kampfes soll nach wie vor ausständig bleiben, bis eine endgültige Ver- einbarung getroffen tvird. Das bedeutet aber nach wie vor einen Riesen- aus st and des schwedischen Proletariats. Von 240(XX) Organisierten bleiben 163000 der wich- tigsten Jndustriegruppen im Kampfe, entschlossen aus- zuHarren, bis eine befriedigende Beilegung aller Differenzen mit der Gegenpartei erfolgen kann. Diese von der Streik- leitung in Aussicht genommene Verschiebung auf dem Kampfes- terrain ist vom gewerkschaftlichen Gesichtspunkt von größtem Interesse. Sie kann nur dort vorgenommen werden, wo eine durchgreifende gewerkschaftliche Schulung der kämpfenden Arbeitermassen vorhanden ist. Auf die Aufforderung der Leitung hin sind sie alle in den Kampf gezogen; einmütig standen sie die ganzen fünf Wochen hindurch. Jetzt will die Leitung eventuell einen Teil in die Betriebe der an der Aussperrung unbeteiligten Unternehmergruppen schieben, der andere größere Teil soll nach wie vor draußen bleiben. Die deutschen   Arbeiter können daraus für ihre Kämpfe auch einige nicht wertlose Schluß- solgerungen ziehen. Es gilt eben festzustehen und der Streikleitung die zur Führung jeden Kampfes absolut not- wendige Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit zu sichern. Wenn in den nächsten Tagen der schwedische Kampf mit einer neuen Kampfesfront fortgeführt wird, gilt es um so mehr für die Unterstützung dieser Kerntruppe Sorge zu tragen. In Dänemark   und Norwegen   setzt die Arbeiterschaft mit neueni Eifer und neuer Opferwilligkeit die Sammlungen fort. Das ist um so notwendiger, als selbst nach Beendigung des Riesen- kampfes große Summen zur Unterstützung der Opfer des Kampfes erforderlich sein werden. Die Unternehmer werden in einzelnen Fällen ihr Mütchen zu kühlen suchen an den Helden des wochenlanacn Massenstreiks. Die schwedische Kämpferschar blickt vertrauensvoll auf ihre Brüder im Auslande, vor allem in Deutschland  . Daß dieses Vertrauen nicht getäuscht wird, dazu trage ein jeder organisierte Arbeiter Deutschlands  nach Möglichkeit bei. »» (Von unserem nach Schweden   entsandten Mitarbeiter.) Stockholm  , den 2. September. Wenn die streikende Arbeiterschaft hier oder an einem anderen Orte sich loieder einmal in großen Massen versammelt und so, just zu der Tageszeit, die sonst der Arbeit gewidmet ist, vor aller Augen beweist, daß der Massenstreik noch lange nicht tot ist. dann Pflegen die Gegner, um nur etwas Nachteiliges sagen zu können, zu be- haupten, daß von Begeisterung oder Enthusiasmus für den Streik nichts oder nun nichts mehr zu bemerken sei. ES ist Tatsache, daß namentlich derjenige, der in südlichen Ländern großen Kämpfen der Arbeiterschaft beigewohnt hat, laute Ausbrüche von Begeisterung, von leidenschaftlicher Kampfeslust und dergleichen hier in Schweden  vermissen wird. Das liegt jedoch vor allem im Volkscharakter. Die laugen Kämpfe, die hier die verschiedensten Berufe schon früher durchgemacht haben, lehrten die Arbeiterschaft, daß man im Begeisterungsrausche wohl einen großen Kampf ent-- fachen, vielleicht auch einem schlechtgerüsteten Gegner gegenüber eine Schlacht gewinnen kann, daß aber zu einem langen Krieg gegen einen starken Feind vor allem Ueberlegung, Ausdauer und Ruhe nötig ist, um des Erfolges sicher zu sein. Auch von der gestrigen Massenversammlung der Arbeiterschaft Stockholms   behaupten die Gegner mit einem gewissen Frohlocken, daß nichts von Enthusiasmus zu bemerken gelvesen sei. Nun,'die Reden der Genoflen Branting und Lindguist fanden stürmischen Beifall und ebenso begeistert beschloß die Massenversammlung, dem ausgewiesenen Genossen Puntervold ein DankeStelegramm für seine Tätigkeit im Interesse der kämpfenden Arbeiterschaft Schwedens   zu übersenden. Aber schon die Tatsache an sich, daß jetzt in der fünften Woche des Kampfes 30 000 streikende Arbeiter und Arbeiterinnen sich wieder einmal in Hombergs Hage versammelt hatten, spricht dafür, daß die Kraft des Massenstreiks nicht gebrochen ist. In der bürgerlichen Presse hat man in Hinsicht auf die ab» lehnende Haltung der Regierung gegenüber dem freisinnigen Ver- mittelungSgesnch, die Meinung geäußert, daß die Regierung ihr Eingreifen davon abhängig machen wolle, daß erst einmal die Gruppen, die bei Eintritt in den Massen st reikTarifvertragSbruchbegangen haben. die Arbeit wieder aufnehmen sollten. Zu dieser An- gelegenheit sagte Ltndqnist, der Vorsitzende des Landes- sekretariats, m der Massenversammlung: Die Regierung hat nun eine Formsache gesunden: die Ver- tragSbriiche; die sollen bestraft werden. Dem hat die Leitung der Arbeiter jedoch nicht zustimmen können. Als das Landes- Sekretariat und die Repräsentantschaft zusammentraten und ihre letzte Proklamation, daß keine Aenderung der Kampfesfront ein- treten sollte, Herausgaben, wußten sie nichts von dein Standpunkt der Regierung, aber sie behandelten die Frage gründlich, ehe sie ihren Beschluß faßten. Eine Aenderung, wie sie die Regierung und die Bürgerlichen nun zu fordern scheinen, kann nicht ein- treten, denn dadurch würden die Arbeiter es den Gegnern überlassen, die Truppen teilweise herauszuholen, um sie gleichsam vor der ganzen Front abzustrafrn. Nein, die Abwickelung des Kampfes kann auf keine andere Weise geschehen, als durch eine rationelle Einteilung des Ganzen oder durch eine Entscheidung über die ganze Kanipslinie. Das letzte Auftreten der Regierung ist natürlich mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden, und das ist ja nicht zu ver- »oundem. Denn wenn die Regierung ihren breiten Rücken zur Verteidigung der Arbeitgeber emfetzt, so ist ja der Kampf recht ungleich. Aber die Arbeiterleitung ist gleichwohl überzeugt, daß der Zusammenhalt unter den Arbeitern andauernd so stark ist, daß die betreffenden Herren schließlich genötigt sein werde», die Sache etwas mehr weitblickend anzusehen. Darum hoffen wir, daß die Arbeiterschaft ausharrt, bis eine Frontänderung möglich oder die Entscheidung getroffen werden kann. Die Wohl- .fahrt der Arbeiterklasse erfordert i-as, trotz aller Schwierigkeiten. Wie auch die Entscheidung, die früher oder später kommen muß, im einzelnen aussehen wird, so werden doch die Arbeiter unter allen Umständen die Früchte ernten und den Sieg ihres stolzen und mächtigen Kampfes. Was die Leitung der Arbeiterschaft betrifft, so werden wir alles tun, um die Abwickelung so vorteilhaft wie möglich zu gestalten, wie wir auch versucht haben, den uns auf­gezwungenen Kampf so vorteilhaft wie möglich zu führen." Die Worte Linquists wurde mit lebhaftem Beifallsklatschen auf- genommen. Der Genosse Branting hatte in seiner Rede besonders das Vermittelungsgcsnch der Freisinnigen, da§, abgesehen von dem an- erkennenswerten Zweck, den es verfolgt, mit den üblichen Angriffen gegen die Arbeiterschaft gespickt war, sowie vor allem die Haltung der Regierung kritisiert, und unter anderem treffend hervorgehoben, daß, wie Ludwig XIV.   sagte:Der Staat bin ich", so jetzt der Zivilminister. Graf Hamilton, im Namen der Arbeitgeber gleichsam erklärt:Die Gesellschaft, das sind wir!" Etwas anderes wäre aus der Begründung, die die Regierung ihrer Ablehnung beigegeben hat, nicht herauszulesen. Anders äußerte sich dieser Tage der norwegische Justiz- mi nister Castberg in einer Versammlung norwegischer Radikaler zu KongSberg  . Er, der auch die Arbeiterschaft mit zur Gesellschaf und zum Gemeinwesen rechnet, sagte: Die(schwedischen) Arbeitgeber meinen, daß ein solcher Kampf eine Privatsache zwischen ihnen und den Arbeitern sei; aber das ist nicht so. Es ist eine Sache, dießdie Gesellschaft, das Gemein- Wesen angeht, das das Recht hat, ein Wort mitzureden. Die jetzigen Verhältnisse in Schweden   beweisen daS. Die Parteien haben eine Verantwortlichkeit vor der Gesellschaft. Wäre da§ Gefühl dafür vorhanden gewesen, ehe die Arbeitgeber 80000 Arbeiter aus der Arbeit warfen, so wäre der Konflikt ohne Aussperrung und Streik gelöst worden. Die Hunderttausende, die nun kämpfen und leiden, verdienen die größte Shmpathie; ihre Ruhe und Würde zeugen von der hohen Kultur der Arbeiter, die Respekt einflößt. Aber der Großstreik ist eine tiefe, ernste Mahnung, daß die Gesell- schaft Verantwortung und Pflichr in diesen Ditigen hat und Institutionen errichten sollte, die in gerechter und unparteiischer Weise Frieden und Recht bringen können." Wenn der norwegische Minister auch an die gewünschten Jnsti- tutionen Hoffnungen knüpfen mag, die im Klassenstaat nicht erfüllbar sind, so zeugen doch seine Worte im übrigen dafür, daß er ein gut Teil mehr Verständnis für den Kampf der schwedischen Arbeiterschaft an den Tag legt, als die schwedische Unternehmerregierung. Stockholm  , den 3. September, abends 10 Uhr.(Privat- bepcfche desVorwärts".) Als erster Schritt zur Beilegung des großen Konflikts wird eine Ucbereinkunft veröffentlicht zwischen dem Landessekretariat und Buchdruckerverband einerseits und dem Werkstüttenvcrband, Zentralen Arbeitgebrrvcrband, Druckerei- besitzerverband und Schncidermeisterverband andererseits. Das Landessekrctariat beschließt und empfiehlt überall die Aufnahme der Arbeit, ausgenommen bei den Mitgliedern des Schwedischen Arbeitgcberbundes. Dagegen erklären ihrerseits die genannten Arbeitgcberverbände: Die Arbeit wird bei uns spätestens am Montag in möglichster Ausdehnung wieder aufgenommen. Uebcr die gegenseitigen Forderungen, soweit sie nicht gerichtlich oder schiedsgerichtlich erledigt werden, verhandeln die Hauptorgani- sationcn direkt miteinander. Zu diesem Akt fügte Cedcrborg die Erklärung hinzu, nach seiner bestimmten Uebcrzeugung werde diese Uebereinkunft ein Eingreifen der Regierung zwecks Bermittelung zwischen den noch im Kampf stehenden Hauptorganisationen zur Folge haben. Jedenfalls will er das sofort beantragen. Mit festen Organisationen kehrt also etwa die Hälfte der Ausständigen zur Arbeit zurück; die andere Hälfte bedarf aber dringend der Unterstützung, um ebenfalls einen ehrenvollen Frieden schließen zu können. Cedcrborg hat der Regierung ans einer Sackgasse ge­holfen, als er die Bermittelung erreichte. « Stockholm  , 3. September.  (W. T. B.) Auf die An- regung des staatlichen Vertrauensmannes Cederborg hat die Streikleitnna beschlossen, die Arbeit spätestens am 6. Sep- tember auf allen Gebieten wieder aufzunehmen, ausgenommen bei den Mitgliedern des schwedischen Arbeitgeberverems (Svens ka arbetsgifvarefoereningen). Die Arbeitgeber, bei denen- ein Sympathiestreik stattgefunden hat, wollen ihre Arbeiter, wenn möglich, wieder einstellen. Da der General- streik auf diese Weise beseitigt ist, bleibt nur noch der Konflikt zwischen dem Svenska arbetsgifvarefoereningen und seinen Arbeitern übrig. Die Streikleitung hat den staatlichen Vertrauensmann gefragt, ob unter diesen Verhältnissen eine Bermittelung der Regierung zu erwarten sei. Dieser ant- wortete, er habe die feste Ueberzeugung. daß die Regierung die Vermittelung übernehmen wolle, wenn der Konflikt auf die von Anfang an streitenden Parteien, nämlich auf den ge- nannten Arbeitgeberverein und seine Arbeiter beschränkt werde._ Steigendes Defizit. Wir haben gestern bereits die Hauptzahlen des RechnungS- abschluffes der Reichshauptkasse für daS vom 1. April 1908 bis 31. März laufende letzte Finanzjahr mitgeteilt, das wiederum mit einem recht ansehnlichen Defizit abschließt, mit einem Fehlbetrag von beinahe 122 Millionen Mark, der sich, wenn nicht durch Ein- schränkung der im Etat angesetzten Ausgaben ungefähr 63 Millionen Markgespart" worden wären, sogar auf 185 Millionen Mark erhöht hätte. Zweifellos ein sehr schönes Resultat der ReichSfinanz- Wirtschaft. Am meisten hat zu diesem traurigen Ergebnis daS Zurückbleiben der Erträge aus den Zöllen, der Tabak st euer, der Brau- st euer, der Fahrkarten st euer, der Erbschaftssteuer hinter den Etatsvoranschlägen beigetragen, sowie ferner die beträcht- lichen Mindereinnahmen ans der Reichspo st Verwaltung und dem Bankwesen. Gegen den Voranschlag zurückgeblieben sind nämlich: die Zölle um 121 018 000 M., die Tabaksteuer um 482 00» M., die Bravstcuer um 4 218 000 M., die Reichsstempel- abgaben von Frachturkundcn um 1573 000 M., die Steuer auf Personeusahrkarten um 5 056 000 M., von ErlaubniSkartcu für Kraft- fahrzeuge um 63 600 M., von Vergütungen an Mitglieder von Auf- sichtsräten um 2 527 600 M.. die ErbschaftS   st euer um 11918 000 M. und die Abfindungen(Aversen) der Ausschlußgebiete um 13 000 M. Von den Betriebsverwaltungen hat nur die Reichsdruckerei bei einer Mehreinnahme von 1 484 000 M. und einer Mehrausgabe von 870 000 M. einen höheren Ueberschwß, und zwar von 614 000 M. abgeliefert. Dagegen ist der Ueberschuß der ReichS-Post- und Tele- graphenverlvaltung bei einer Mindereinnahme von 20 770 000 M. und einer MinderauSgabe von 4 467 000 M. um 16 303 000 M. und der der ReichSeisenbahnverwaltung bei einer Mindereinnahme von 9049 000 M. und einer Mehrausgabe von 1016000 M. um 10 065 000 M. hinter dem Anschlage zurückgeblieben. Beim Bank- Wesen ist ein Einnahmeausfall von 9034000 M. zu verzeichnen. Die übrigen dem Reich zustehenden Einnahmen haben meist Mehrerträge gebracht: die Zigarettensteuer 1 283 000 M., die Zucker- steuer 2 650 000 M., die Salzsteuer 499 000 M., die Schaumwein- steuer 34 000 M.. der Spielkartenstempel 23 000 M.. die Wechsel- stempelsteuer 406 000 M.. die Statistische Gebühr 14 000 M. Auch bei der Brennsteuer, welche in der Gestalt von Vergütungen für ausgeführten oder zu gewerblichen Zwecken verwendeten Branntwein wieder zur Verausgabung gelangt, sind 2 471 000 M. mehr verein- nahmt als verausgabt worden. Die Ausgaben für das Heer entsprachen im ganzen den Vor- anschlügen. Es sind dafür bei den Kontingentsverwaltungen von Preußen, Sachsen   und Württemberg einschließlich des diese Wer- waltungen angehenden und mit einer Ersparnis von 2 168 000 M. abschließenden Abschnitts des allgemeinen Pensionsfonds an fort- dauernden Ausgaben 2 843000 M. und an einmaligen Ausgaben 132 000 M. weniger als angesetzt erforderlich gewesen. Und bei den Einnahmen ist ein Mehr von 281 000 M. zu verzeichnen. Teurer als veranschlagt hat dagegen die Marineverwaltung gewirlschaftet. Die fortdauernden Ausgaben schließen unter Hinzu- rechnung deS entsprechenden Abschnitts des allgemeinen PensionS- fonds mit 2 485 000 M. und die einmaligen Ausgaben niit 153 000 M. Mehraufwand ab. Da bei der Einnahme 239 000 M- niehr aufgekoinmen sind, so ist das Ergebnis bei diesem Teile dcS Reichshaushaltsetats im ganzen um 2 399 000 Mark uu- günstiger gegen die Voraussetzungen deS Etats- Bei den Fonds zum Reichsschatzamt ergibt sich ohne Bc- rücksichtigung deS AbschnittesUeberweisimgen an die Bunde?- staaten" insgesamt ein Wenigeraufwand von 60 439 000 M., der jedoch hauptsächlich rechnerische Ursachen hat. So ist nach§ 4 deS Etatgesetzes vom 31. März 1903(Reichsgesetzbl. Seife 87) der unter Kapitel 634 der fortdauernden Ausgaben zur Verminderung der Reichsschuld eingesetzte Betrag von 23 910 000 M. für diesen Zweck nicht verwendet und daher von der Ausgabe sowie zugleich rom   Soll der Matrikularbeiträge abgesetzt worden, weil die im Rechnungsjahre 1903 aufzubringenden Main  - kularbeiträge den Sollbetrag der Uebcrweisungen um mehr als 40 Pfennige auf den Kopf der Bevölkerung übersteigen. Ferner hat zwar auch die Verwaltung und Verzinsung der Reich?- schuld 33 000 M.gespart", zur Verzinsung der konsolidierten Reich?- schuld mußten jedoch 8Z7S000 Mark mehr als an- gesetzt aufgewendet werden, während bei dem Zinsen.» fondS der zur Deckung einmaliger Ausgaben vorgesehenen schwebenden Schuld und des sonstigen Anleihebedarfes 6 906 000 M- in Abgang gekommen sind, so daß bei den gegenseitig deckung?- fähigen Fonds eine Mehrausgabe von 1 469 000 M. entstanden ist. DaS Endresultat der Reichsfinanzwirtschaft für das Rechnung?- jähr 1903 ist also trotz des offensichtlichen Bestrebens, die Ausgaben möglichst für das nächstfolgende Finanzjahr aufzuschieben, ein riesiges Defizit, das größte seit der Reichsgründung. polftilcbe ücbcrlicbt. Berlin  , den 3. September 1903. Der Viermillionenfonds und die Tabaknrbeiter. In Trebbin   wandten sich 122 arbeitslose Tabakarbeiter und Tabakarbeiterinnen am 19. August mit Unterslützungsgesuchen an das köingl. preußische Steueramt, um dort zu erfragen, ob beim Steueramt oder bei welcher anderen Behörde ihre Unterstützung?- gesuche einzureichen wären. Die Antragsteller wurden von den unteren Beamten verlacht, daß sie schon jetzt nach Geld kämen. Nach Verlauf von einer Stunde ließ sich dann auch der Herr Zollinspektor sprechen, dem dieselbe Frage vorgelegt wurde. Der Herr Zollinspektor erklärte, daß, da seine Behörde keine Anweisung be- kommen hätte, das Hauptzollamt in Potsdam   zuständig sein müsse. Darauf wurden am 23. August 76 Gesuche und am 25. August loeitere 46 Gesuche, jedes einzeln mit einer 10 Pf.-Marke franliert, an das Potsdamer Zollamt eingesandt. Am 26. August brachte der Briefträger die ersten 76 Gesuche zusammen an den Bevollmächtigten des Tabakarbeiterverb-.-vs der Trebbiner Zahlstelle zurück. In dem beigefügten Schreiben wurde gesagt, daß daS Hauptzollamt nicht zuständig sei, und wegen Portoersparnis die Gesuche nicht an die einzelnen Absender zurückgegeben würden. Nach den Mitteilungen der Tages- presse würde wohl die Polizeiverwaltung in Trebbin   die maßgebende Stelle für die Einreichung der Gesuche sein. Darauf ging am 26. August der Bevollmächtigte zum Bürgermeister in Trebbin  , trug ihm die Sache bor   und zeigte ihm daS Schriftstück des Haupt- Zollamtes. Auch der Herr Bürgermeister hatte noch keine Anweisung und versprach deshalb, sich sofort mit dem Landrat des Kreise? in Verbindung zu setzen. Um 5 Uhr desselben TageS wurde der Bevollmächtigte zum Bürgermeister bestellt und ihm eröffnet, daß auch der Landrat nichts wüßte. Der Bürgermeister versprach danach, beim Hauptzollamt anzufragen. Diese Anfrage ging am 26. August ab. Am 30. August fragte der Bevollmächtigte beim Bürgermeister an. wie es mit der Sache stehe. Er erhielt zur Antwort, daß bis dahin noch kein Bescheid vom Hauptzollamt eingetroffen sei. Nun fuhr der Bevollmächtigte sofort per Rad zum Hauptzollamt nach Potsdam  , um dort die Antwort mündlich in Empfang zu nehmen. Er wurde auf dem Hofe inAudienz" empfangen und ihm kurzweg eröffnet. daß noch keine Verfügung ergangen sei. Als die Sache der Gauleitung des Verbandes bekannt wurde, sandte diese den Genossen Börner aus Berlm am 2. September nach Trebbin  . Börner begab sich mit zwei Beauftragten der Trebbiner Tabakarbeiter zum Bürgermeister und zeigte ihm die Verordnungen, die vom preußischen Finanzministcr und vom Minister für Handel und Gewerbe zu den AuSführungsbcstiumnmgen zum Art. 2a des Tabak- steuergesetzeS erlassen worden sind. Danach sind die Gemeindebehörden für die Einreichung der UntcrstützungSanträge zuständig. ES hat also in diesem Falle das Bürgermeisteramt in Trebbin   die Anträge ent- gegenzunehmen. Der Herr Bürgermeister erklärte bereitwilligst, daß er sich unter Beilegung dieser Verordnung von der er st Ab- schrift genommen wurde nochmals sofort an das Haupt- zoliamt in Potsdam   wenden würde. Im übrigen errmrre er sich zur Empfangnahme der zurückgesandten 76 Unterstützungsgesuche bereit. Eine merkwürdige Sache l Bei den Behörden weiß kein Mensch, was er mit den Unterstützungsgesuchen anfangen soll. So flott arbeiten preußische Behörden im Reiche der fortgeschrittenen Sozial- reform, wenn es sich um Unterstützung der durch die Zollpolitik brotlos gemachten Arbeiter handelt. « Soeben geht vom Bevollmächtigten in Trebbin   die Nachricht ein, er sei am 3. September vom Hauptzollamt in Potsdam   bcnach- richtigt, daß jetzt laut Anweisung daS Hauptzollamt in Potsdam  fürdieUnterstützungSanträge zuständig sei.