halten. WaS dann folgen wird, bleibt abzuwarten. Muß der durch die Steuer brotlos gewordene Arbeiter die Beschäftigung wegen mangelnder Körperlräfte aufgeben, dann erhält er wahrscheinlich keine Unterstützung, weil ihm die Behörde ja Arbeit nachgewiesen hat. Auf diese Weise kann die Entschädigung für die Opfer der Steuerpolitik„glatt geregelt" werden. In welchem Maße durch die neue Tabaksteuer bereits Arbeiter- entlassungen bewirkt worden sind, zeigt die Tatsache, daß bis Ende voriger Woche beim Hauptzollamt in Minden sWestfalen) schon KOOS Unterstützungsgesuche arbeitsloser Tabakarbeiter eingegangen ivaren. Das ist eine Wirkung der neuen Tabaksteuer, wie sie selbst mancher Pessimist nicht erwartet hatte. Das Schlimmste kommt aber noch. Die meisten Fabrikanten sind gezwungen, im nächsten Monat wochenlang ihre Betriebe zu schließen. In Hüffen, Humebrock und Besenkamp haben 232 Arbeiter und Arbeiterinnen im ganzen 2049 Tage feiern muffen, in Ober-Mohnen 39 Arbeiter 649 Tage. Die Firma Bracksiek u. Brüggemann, Sitz Bremen , will ihre westfälischen Filialen im Kreise Lübbecke vom 1. Oktober ab schließen. Dadurch werden 400 Arbeiter entlassen werden._ Eine„Block"-Debatte in der Lübecker Bürgerschaft. Zu heftigen Auseinandersetzungen kam eS am Montag in der Lübecker Bürgerschaft über einen Block, der von 80 Mitgliedern des Parlaments der kleinen Republik Lübeck gebildet worden ist. Dieser Block, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Debatten in der Bürgerschaft „abzukürzen", besteht hauptsächlich aus Nationalliberalen und Land- bündlern. Nach den Erklärungen, die der Vorsitzende dieser Ver- einigung Montag in der Bürgerschaft abgab, hat es bei vielen Mit- gliedern Anstoß erregt, daß besonders von den Sozial- demokraten im lübischenParlament häufig Dinge erörtert worden sind, die auf reichspolitischem Gebiete liegen. Das will man in Zukunft möglichst verhindern. Wahrscheinlich besteht die Absicht, die Debatten wieder auf die„Höhe" der Kaffeekränzchen zu bringen, auf deren Ton sie früher gestimmt waren, als noch keine Sozialdemokraten in der Bürgerschaft saßen. Unsere Fraktion wandte sich durch den Genossen Stelling mit aller Schärfe gegen das Vorhaben des„Blocks", dessen Mitglieder zuerst den minder- bemittelten Volksschichten das Wahlrecht verschandelt haben und die jetzt die unbequemen Abgeordneten mundtot machen möchten. Auch von den Freisinnigen und Liberalen wurde der Block arg mit- genommen. Allerdings wird diese Opposition von den Blockleuten wohl nicht tragisch genominen, denn die Freisinnigen und Liberalen in Lübeck sind wiederum mit den Blockleuten zu einem großen Mischmasch vereinigt, dessen Aufgabe die B e- kämpfung der Sozialdemokratie ist! Deutschland in Gefahr! Man schreibt uns aus Diedenhofen : Am Montag, den 29. d. M., war in Groß-Mogenrot fLothringen) Kirchweihfest. Eine Händlerin fJtalienerin) hielt dort kleine Kinderfähnchen in allen Farben feil. Sie machte auch ein gutes Geschäft. Doch mit des Geschickes Macht, vielmehr mit der der Gendarmerie hatte sie nicht gerechnet. Die- selbe verbot ihr, Fähnchen, welche die französischen Farben trugen, zu verkaufen. Das Vaterland war wieder einmal gerettet! ES wäre kein Wort zu verlieren, wenn es sich etwa nur um den patriotischen Uebereifer eines Gendarmen handelte. Nein, solche Vorgänge charakterisieren nur den Geist, in dem nicht nur im Westen, sondern auch in der„Nord-" und der„Ostmark" Germani- sterungspolitik getrieben wird.— Während man übrigens in Diedenhofen den Verkauf von Kinderfähnchen in den französischen Farben verbot, weht in der R e i ch s h a u p t st ä d t auf dem Truppenübungsplatze, wo erst vor wenigen Tagen von Wilhelm II. selbst die große Herbstparade ab» genommen wurde, wohlgemut und unbehelligt die Trikolore im Windel Auf dem Häuschen nämlich, daS die Flugmaschine des französischen Aviatikers Latham birgt, der dort nächstens einige Flüge vorführen wird._ Steuerjesuiten und Stimmvieh. Auf der von uns schon erwähnten Jahresversammlung der Windthorstbunde Deutschlands, die dieser Tage in Bonn am Rhein stattfand, empfahl in der Schlußsitzung nach dem Bericht des Bonner Zentrumsorgans, der„Deutschen Reichszeitung", Reichs- tagsabgeordneter Dr. Pieper, der Leiter der München -Gladbacher Agitationszentrale des Zentrums, zur„Aufklärung" der Wähler folgendes Vorgehen: „Z u n ä ch st solle der Abgeordnete vor den Vertrauens- männern des Wahlkreises reden, dann in einer öffentlichen Zentrumsversammlung die Haltung des Zentrums verteidigen(!). Erst dann sollten die Windthorstbündler ihre Tätigkeit cnt- falten in Arbeiterversammlungen, im Voltsverein und im Rah- men der christlichen Gewerkschaften(l). Als Hauptsatz für die Rechtfertigung der Zentrumsfraktion stellte er auf: Andere hätten es schlechter gemacht; wir konnten die Finanzreform nicht besser machen." Nachdem man seit dem Zustandekommen der„NeichSfinanz- reform" nun schon Monate ins Land hat gehen lassen, sollen die Zentrumsschafe jetzt also ganz systematisch eingeseift werden. Erst will man die Vertrauensmänner präparieren; dann folgen Parteivcrsammlungen unter Ausschluß freier Dikussion; und endlich werden die Windthorstbündler auf das Zentrumsvolk los- gelassen. Auch in den ch r i st l i ch e n Gewerkschaften sollen sie reden, von denen uns kürzlich erst wieder aus Anlaß der Reichs- fmanzreform hoch und teuer versichert wurde, daß' sie„unpoli- t i s ch" wären und mit dem Zentrum nichts, zu tun hätten... Wie die Zentrumswähler von ihren eigenen Führern ein- geschätzt werden, das ging aus einer Rede hervor, die auf der Bremer Windthorstbundestagung Prof. Martin Spahn gehalten hat. Er. sagte nach dem Berichte der„Reichszeitung": „Es ist noch nicht dagewesen, daß eine bürgerliche Partei sich ruhig entschlossen hat, die Steuern auf die Schultern des Volkes zu legen, die notwendig sind. Das konnte das Zentrum im Vertrauen auf feine Wähler tun, und seine Wähler rechtfertigen dieses Per- trauen." Noch deutlicher konnte Herr Prof. Spahn es wohl nicht aus- drücken, daß er die Zentrumswähler als die berühmten„aller- dümmsten Kälber" taxiert. Aber alle bisherigen ZcntrumSwähler gehören doch nicht zu dieser Sorte; das hat die Koblenzer Reichstagsersatzwahl in der vorigen Woche bewiesen, be: der das Zentrum die ungeheure Zahl von 8999 Stimmen verlor, während die sozialdemokratischen Stimmen um 799 stiegen. Daß auch anderwärts nicht alle Zentrumswähler die geduldigen Schafe sind, als die Herr Spahn sie einschätzt, das haben die Jen- trumsführer in Köln erleben müssen. Wir haben schon in Nr. 218 des„Vorwärts" geschildert, wie ausdauernd sich Herr T r'i m b o r n vor der parlamentarischen Berichterstattung gedrückt hat. Er würde auch heute noch nicht geredet haben, wenn nicht der in einer ganzen Reihe von Zentrumskonventikeln zutage getretene Unwille ihn dazu gezwungen hätte! Wie groß dieser Unwille war, das mag man daraus ersehen, daß die Kölner ZentrumLleitung sich genötigt sah, ein vertrauliches Zir- kular an die Borsteher der Pfarrbczirke zu senden, worin diesen unter Hinweis auf die in weiten Kreisen der Zentrumswähler verbreitete Unruhe über das Nicht» erfolgen der parlamentarischen Berichterstattung Trimborns erzählt wird: Herr Trimborn sei durch seine Tätigkeit in Berlin derart angegriffen, daß der Besuch eines Sanatoriums für ihn in Aus- ficht genommen seil— Als dieses Zirkular erging, hatte Herr Trimborn na ch s e i n e r eigenen Erklärung von Anfang bis zu Ende dem Eucha- ristischen Kongreß beigewohnt, fepner die weite Beise zu dem Zgtho- likentag in Breslau gemacht, wo er sich wie ein Karnevalspräsident produziert hat und einmal über Stühle hinweg zum Rednerpult geklettert ist. Die Sanatoriumsbedürftigkeit Trimborns ist also wohl ein zur Beruhigung der aufbegehrenden Zentrumsanhänger erfundenes Märchen.._ Es bleibt bei den 8000 Stimmen Verlust! Am Sonnabend meldete die„Kölnische V o l k s z e i- tung" als„amtliches Ergebnis" der Reichstagsnachwahl in Koblenz -St. Goar , daß Senatspräsident Wellstein 14 244, Gewerkschaftsbeamter Haas 2847 Stimmen erhalten habe. Das Blatt wies frohlockend darauf hin, daß nach der„amt- lichen" Meldung das Zentrum fast 3000 Stimmen mehr erhalten habe als nach der ersten Mitteilung des offiziösen (Wolffschen) Telegraphen. Am Montag sieht sich das Zentrumsblatt zu seinem Leidwesen genötigt mitzuteilen, daß die erste Meldung richtig und die zweite irrtümlich ent- standen sei dadurch, daß dem Zentrumsmanne die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen zugeschrieben wurde. Es bleibt also dabei: das Zentrum hat bei der Neuwahl in Koblenz - St. Goar 8000, d. h. zwei Fünftel seiner Stimmen eingebüßt. Die Disziplinaruntersuchung gegen Schücking. Die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht wurde unter strengstem Ausschluß der Oeffentlichkeit ge- führt. Oberregierungsrat Dr. v. Fallenhahn beantragte Ab- erkennung des Titels und des Pensionsanspruchs. Aus seinem Plädoyer ist zu erwähnen, das Ansehen der Behörde erfordere es, daß solche Bücher nicht geschrieben werden; der Angeklagte habe es dadurch an der nötigen Ehrerbietung seinen Vorgesetzten gegenüber fehlen lassen. Die in dem Buche enthaltenen Behauptungen seien nicht richtig; denn nicht in jedem Bezirke stehen Beamte mit rück- ständiger Gesinnung an der Spitze. Ebenso sei es falsch, daß die Absicht bestehe, das Selbstverwaltungsrecht immer mehr zu be- schneiden. Der Angeklagte habe auch die Achtung vor dem Kaiser verletzt, den er in seiner Besprechung des Korpsstudentenunwesens miterwähnt hatte. Nach einer längeren Rede des Bürgermeisters Schücking ergriff das Wort zur Verteidigung Rechtsanwalt Wolfgang Heine , der das Urteil schon aus rein juristischen Gründen als unhaltbar be- zeichnete._ Ter beleidigte Landrat. Am Dienstag stand Genosse Notteboljm von der Dortmunder „Arbeiterzeitung" vor dem Dort- munder Schöffengericht wegen Beleidigung des Land- tagsabgeordneten Landrat Schulze-Pelkum. Die Be- leidigung soll geschehen sein durch zwei Artikel, die im No- vember vorigen Jahres in der„Arbeiterzeitung" erschienen sind. Der erste Artikel befaßte sich mit der p a r l a m e n- tarischen Tätigkeit des Landrats, der zweite Artikel handelte von zwei Versammlungen, die in Alten- b ö g g e tagten und von denen die eine rechtswidrig von dem Polizeikommissar Bußmannaufgelöst wurde. Es war in dem zweiten Artikel gesagt, daß die An- Weisung zu der Auflösung der Landrat Schulze-Pelkum gegeben habe. Bei seiner kommissarischen Vernehmung hat der Landrat unter Eid bestritten, die Anweisung zur Auf- lösung gegeben zu haben. Der Kommissar Bußmann habe zuvor dem Versammlungsleiter erklärt, er handle im Auf- trage seiner vorgesetzten Behörde, das sei aber der Amtmann und nicht der Landrat. Schulze-Pelkum gibt allerdings ausdrücklich zu, daß die Aus- lösung der Versammlung rechtswidrig er- folgt sei. Nun ist es in Preußen-Deutschland natürlich so. daß nicht der Mann, der rechtswidrig eine Versammlung vereitelt, auf die Anklagebank kommt, sondern der Redakteur des Blattes, das sich in der Person des vorgesetzten Beamten irrt. Der Ver- teidiger des Genossen Nottebohm stellte verschiedene Beweis- anträge, auf die das Gericht aber nicht einging. Darauf er- klärte sowohl Genosse Nottebohm und auch sein Verteidiger, daß sie sich an der Ver- Handlung nicht weiter beteiligen würden bezw. zur � Sache nicht plädieren und nicht äußern würden. Der Staatsanwalt beantragte für den ersten Artikel einen Monat Gefängnis, für den zweiten Artikel zwei Monate Ge- fängnis. Das Gericht erkannte auf einen Monat Ge- fängnis und 50 M. Geldstrafe. Für ihr Geld eingesperrte„Patrioten". Wir lesen in der Chemnitzer „Volksstimme": In der Nacht zum Montag hat der Kaiser, von Altenburg kommend, den C h e m- n i tz e r Bahnhof passiert. Er fuhr nach dem Manövergelände. In der Hoffnung, ihn sehen zu können, waren etwa 39„Patrioten" auf dem Bahnhofe erschienen und hatten sich für je einen Nickel Bahnsteigkarten aus den Automaten entnommen in dem Glauben, sich damit das Recht zum Betreten des Bahnsteiges gesichert zu haben. Es sollte ihnen aber eine grausame Enttäuschung werden: die Bahnsteige 1 und 2 waren bis zur Durchfahrt des Kaisers ge- sperrt. Die Patrioten mußten im Tunnel verwei- l e n und hören und raten, ob und wann über ihren Köpfen der kaiserliche Sonderzug dahinsausen werde. Wir können über die komische Situation, in die die Herren„Patrioten" durch ihre Neu- gier geraten sind, natürlich keine Wehmutszären vergießen, möchten aber doch fragen, wer denn eigentlich die Sperrung der Bahnsteige verfügt hat, und mit welchem Rechte? Mindestens hätte der Verkauf der Bahnsteigkarten eingestellt oder dem Publikum vor« her von der Sperrung Mitteilung gemacht werden muffen. Das Verfahren der Chemnitzer Bahnbehörde erinnert ja bald an russische Zustände. Gilt denn die Sicherheit des Kaisers unter den treuen deutschen Patrioten für so arg bedroht? � Militärische Auftviegelung. Schwere Beschuldigungen wurden gegen einen Vizefeldtvebel und zwei Unteroffiziere erhoben, die sich am Sonnabend vor dem Kriegsgericht der 1. Gardedivision zu verantworten hatten. Unter der Anklage der Aufwiegelung standen der V i z e f e l d- w e b e l M ew eS sowie die beiden Unteroffiziere S t a h n und Lichtenberg , sämtlich von der 12. Kompagnie des Garde. Füsilierregimcnts. Unter den in der Anklage enthaltenen 11 Strafparagraphen befindet sich auch der Z 199 des Reichsmilitär- strafgesetzes. Er droht solchen Personen, die andere dazu auf- fordern oder anreizen, gemeinschaftlich dem Borge- fetzten den Gehorsam zu verweigern oder sich ihm zu widersetzen, wegen Aufwiegelung Gefängnisstrafe nicht unter fünf Jahren und wenn durch die Handlung ein erheblicher Nachteil entstanden ist, Gefängnis nicht unter zehn Jahren an. Wie aus der Anklage hervorgeht, hat sich das Garde-Füsilierregiment in den letzten Tagen des Juni d. I. zur Ucbung in Döberitz auf- gehalten. Am 26. Juni hatte die 12. Kompagnie unter der Leitung des Leutnants von Pirscher geübt. Leutnant von P. kommandierte unter anderem. Tritt zu fassen und Richtung zu nehmen. Wie nun die Anklage annimmt, hat der Vizefeldwebel MeweS dies zu verhindern versucht. Er forderte oie Leute auf, nicht Tritt zu fassen, nicht zu marschieren und auch keine Rieh- tung zu nehmen. In dieser Handlungsweise erblickt die An- klage daS Verbrechen der Aufreizung Untergebener gegen einen Vorgesetzten. Mewes wird ferner beschuldigt. Vor- gesetzte in der grob st en Weise beleidigt zu haben. Am 27. Juni, also am Tage nach dem erwähnten Vorgang, tat er dem Leutnant v. Pirsch er gegenüber beleidigende Aeußerungen, die an dieser Stelle nicht wiederzugeben sind. Auch gegen einen anderen hohen Vorgesetzten, die An- klage vermutet, daß hier der Regimentskommandeur gemeint ge- Wesen sei, erging sich der Vizefeldtvebel in groben beleidigenden Aeußerungen. Schließlich legt ihm die Anklage noch eine Reihe von Mißhandlungen Untergebener zur Last. Sie nimmt neun Fälle an, die teilweise unter Mißbrauch der Waffe und während der Ausübung deS Dienstes ausgeführt worden sind. Die beiden Mitangeklagten Unteroffiziere S t a h n und Lichtenberg werden beschuldigt, ihren Ungehorsam gegen den Befehl des Leutnants von Pirscher dadurch kund- gegeben zu haben, daß sie, entgegen der Aufforderung des Vorgesetzten, Tritt zu fassen, nicht Tritt annahmen und nicht marschierten. Auch dem Unteroffizier Lichtenberg werden vorsätzlich körperliche Mißhandlungen an Untergebenen zur Last gelegt. Bei ihm nimnit die Anklage acht Fälle an, die gleich- falls zum Teil unter Mißbrauch der Dienstwaffe während des Dienstes geschehen sind. Zu der Verhandlung, die durch Kriegs- gerichtsrat Hierholzer geleitet wurde, waren nicht weniger als 59 Zeugen erschienen. Auf Grund der eingehenden Bcweisauf- nähme hielt das Gericht alle Angeklagten im Sinne der Anklage für überführt, und es erkannte dementsprechend auch auf hohe Strafen. Vizefeldwebel Mewes wurde wegen Aufwiegelung, wegen Beleidigung von Vorgesetzten in zwei Fällen, sowie wegen Mißhandlung Untergebener und v o r s ch r i f t s- widriger Behandlung in neun Fällen zu einer Ge- samtstrafe von fünf Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Auch wurde die Degra» d a t i o n gegen ihn ausgesprochen. Gegen den Unteroffizier Stahn wurde auf zwei Jahre Gefängnis erkannt. Bei ihm nahm das Kriegsgericht„Erkennengeben des Ungehorsams vor ver- sammelter Mannschaft" an. Wegen des gleichen m i l i t ä- r i s ch e n Verbrechens sowie wegen Mißhandlung und vor- schriftswidriger Behandlung Untergebener in neun Fällen erhielt Unteroffizier Lichtenberg zwei Jahre und einen Monat Gefängnis. Auch die beiden Unteroffiziere wurden degradiert. Die Verkündung der Urteilsbegründung fand gleichfalls wegen Ge- fährdung militärdienstlicher Interessen unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. Diese enormen Strafen wurden nach einer Verhandlung ge» fällt, die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfand. Die „Oeffentlichkeit " des Militärgcrichtsverfahrens ist der reine Hohn! Wo die Oeffentlichkeit besonderes Interesse hätte, etwas über den Tatbestand zu erfahren, wird ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen! Zwei der drei Angeklagten sind nicht nur wegen Auf» wiegelung, sondern auch wegen M a n n s ch a f t s m i ß- Handlung verurteilt worden. Leider erfahren wir durch die Berichterstattung nur in einem Falle, wie hoch man das eine und das andere Vergehen gcwertet hat. Der Unteroffizier Lichten- berg erhielt— der Vergleich mit dem Strafmatz des Unteroffiziers Stahn ergibt das wegen einer Disziplinwidrigkeit 2 Jahre, wegen Mannschaftsmißhandlung 1 Monat Ge- fängnis! Mit ähnlichem Maße mögen auch die Vergehen deS Vizefeldwebels Mewes gemessen worden sein! Folgen einer versäumten Militärübnng. Der Reservist Körner blieb einer Militärübnng fern, weil er krank war, und unterließ eS auch, ein Gesuch um Befreiung von der Uebung einzureichen. Er wurde deshalb zu 45 Tagen Ge- fängnis verurteilt. Der Vertreter der Anklage hatte drei Monate G»« fängnis beantragt. Körner legte Berufung ein und bat, da er nur fahrlässig gehandelt habe, um mildernde Umstände. Das Oberkriegsgericht ließ aber mildernde Umstände nicht gelten und verwarf die Berufung. Oeltermcb. Die ungarische Krise. Budapest , 22. September. Heute vormittag wurde ein Ministerrat abgehalten, in dem die Demission des Kabinetts beschlossen wurde. Die Verständigung gescheitert. Prag , 21. September. Heute nachmittag trat eine Konferenz der Obmänner sämtlicher Landtagsparteien zusammen, um über die Forderungen der Deutschen zu beraten. Eine Einigung wurde nach zweistündiger Beratung nicht erzielt, weshalb die Konferenz auf Freitag vertagt wurde. Nach der Plenarsitzung des Landtages konstituierten sich die einzelnen Kurien. Die Deutschen nahmen hieran nicht teil, wurden aber gleichwohl m das Präsidium der Kurien gewählt. foiklatid. Hinrich tungs sta tistik. Nach den Mitteilungen der Tagespreffe wurden im August in verschiedenen Städten des Reiches 52 Todesurteile gefällt und 32 Personen hingerichtet. Insgesamt sind vom I. Januar bis zum 1. September 893 Personen zum Tode verurteilt worden, von denen nach den unvollständigen Angaben der Presse 413 hingerichtet wurden. Von der Lockspitzelei. Dem Brüsseler„Soir" zufolge wird der Spitzelgeneral Harting in Brüssel ein Zentralbureau für die russische AuSlandspolizei einrichten. Wie aus Petersburg mitgeteilt wird, wird in der Duma eine Interpellation wegen der von B u r z e w in Berlin entlarvten Polizeispionin Sinaida Jutschenko eingebracht werden. Oli'hcu Die Kretnfrage. Konstantinopel , 21. September. Der griechische Gesandte hat, wie verlautet, in einer Unterredung mit dem Minister des Aeußern zugesagt, daß die griechische Regierung Maßregeln treffen werde, um den Eintritt kretischer Abgeordneter in das griechische Parlament zu verhindern. ?apan. Gleiche Ursachen gleiche Wirkungen. Gegen Ende des Monats Juli wurden, wie aus Tokio ve« richtet wird, von verschiedenen japanischen Regimentern trotz der starken Hitze UcbungSmärsche und Manöver ausgeführt, die fast ausnahmslos den Tod mehrerer Soldaten und die schwere Erkrankung(zum Teil Wahnsinn) einiger Hundert anderer zur Folge gehabt haben. In einem Falle wird sogar berichtet, daß den Truppen unterwegs weder Wasser gereicht, noch ärzt- licher Beistand beigegeben worden ist. Die Presse veröffentlichte Urteile militärischer Sachverständiger, die in vernünftiger Weise die Bestrafung der verantwortlichen Führer der verschiedenen Regimenter fordern. Der Kriegs minister hat daraufhin eine Berorduung erlassen, welche bestimmte Weisungen an die Regimentskommandeure zur Vermeidung ähnlicher Vorkomm- niffe in Zukunft erteilt. Man sieht, wie aus dem S y st e m des militärischen Drills immer und überall die barbarischen Mißhandlungen erfolgen.
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