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Sozialdemokratie, hoch der deutsche Partelkag!((Stürmischer Abg. Seil? referierk hierauf üfKr die parlamentarische Tätig­keit der Fraktion im österreichischen Abgeordnetenhause: Nach dem glänzenden Wahlsiege im Jahre ISO? gab es viel« Unzufriedene, Neugierige und Aengstliche. Die Unzufriedenen und Mißmutigen waren unsere alten Feinde, die auch die Feinde der Wahlrefvrm gewesen waren und die nun ihre schlimmsten Prophezeiungen ver­wirklicht sahen. Viele waren neugierig, wie sich eine Partei, die bisher doch nur in gmiz kleiner Zahl im Parlamente vertreten war und nur einzelne Demonstrationen dort hatte veranstalten können, sich nun als große einflußübende Partei dort verhalten würde, und es gab manche Aengstliche, die fürchteten, daß wir vielleicht nicht alle Schwierigkeiten überwinden würden. Die Befürchtungen waren unbegründet. Wir gingen mit voller Zuvor» ficht an die Arbeit. Wir organisierten uns, selbstverständlich inter- national, wir stellten einen Verband zusammen, der die Abgeord- neten aller Zungen umfaßt, aber da wir programmatisch jeder Nation in rein volklichen Fragen ihre Selbstbestimmung zuer- kennen, bildeten wir innerhalb dieses internationalen Verbandes nationale Klut>S zur Erledigung dtt Sonderinterrssen der einzelnen Nation. Diese Organisation war zugleich eine für den ganzen Staat geradezu mustergebende Tat. Wir haben mit ihr. bewiesen, daß es den Völkern möglich ist, zusammen zu wirken und die nationalen Schwierigkeiten zu überwinden, wenn man nur ein ernstes wirtschaftliches und politisches Pro- gramm hat und wenn jeder Einzelne durchdrungen ist von dem Gefühl der schweren Verantwortung, die auf ihm lastet. Das Ar- bcitSfeld war fäc uns rasch abgesteckt, das Arbeitsziel war gegeben. Wir haben als sozialdemokratische Fraktion, also als die schärfste Oppositionspartei, zunächst Kritik zu üben nicht nur am Staat, an seiner Gesetzgebung und Verwaltung, sondern auch an den Grundlagen der GesellschastS- o r d n u n g, auf denen er aufgebaut ist. Mr hatten ferner zu zeigen, wie der Staat die EntWickelung der Arbeiterschaft gehemmt und damit die Eutwickelung der Gesamtheit hindert. Wir haben aber nicht nur dieses programmatisch starre Nein dem Staate und der Gesellschaft entgegenzustellen, sondern wir haben selbstverständ- lich auch der Gesetzgebung und Verwaltung die Wege zu weisen, die einzuschlagen sind, um einen vernünftigen Fortschritt zu er- zielen. Und wir haben vor allem immer auf der Wacht zu stehen, um die Anschläge zurückzuweisen, die von den Feinden der Ar- beiterklass» auSgeheckt werden und insbesondere unsere politischen Rechte und unser KoalttionSrecht zu verteidigen. Diese Arbeit ist in Oesterreich , wo die Arbeitsfähigkeit des Parlaments fortwährend in Frage steht, besonders schwierig, wo wir also dm Bestand und das regelmäßig? Funktionieren des Parlaments erst sichern müsten. Bei uns kann von einer Parlamentsmajorität und von einer Ma- joritätsrrgierung nie die Rede sein. Unsere Aufgabe ist daher einesteils, den parlamentarischen Kampf zu führen gegen unsere Klassengegner, andererseits aber das Kampffeld zu ver- teidigen, auf dem wir unsere Schlachten zu liefern haben. Wir müssen kämpfen gegen die Unfähigkeit unserer bürgerlichen Klassen, die Macht im Staate endlich anzu- troten, da» Parlament, das wir ihnen geschaffen haben, endlich in Besitz zu nehmen und ihre Herrschaft darin aufzurichten. Es ist selbstverständlich, daß die Erfüllung unserer Pflicht, den Bestand des Parlaments zu erhalten» uns selbstverständlich bei einsichtslosen Leuten manchmal in ein schiefes Licht bringt. Diese einsichts- losen Leute glauben, daß wir für die Regierung tun. was wir für unsere Schöpfung, das Parlament, tun. Bei diesen einsichtslosen Leuten kommen wir dabei oft in den Geruch einer gewissen Opport-unitäts Politik. Selbstverständlich kann davon keine Red« sein. Wir treiben stets nur prinzipielle Politik, nur eine Politik, die im Interesse der Arbeiter liegt. Wie sind in die Kommissionen gegangen, wir haben den uns zu- kommenden Posten im Präsidium bezogen, überhaupt alles getan, was unserer Bedeutung entspricht.(Zustimmung.) Ter erste und wichtigste Gegenstand unserer Sorge im Parlament mußte die materielle Lage der arbeitenden Bevölkerung sein. Wir mutzten bestrebt sein, den Arbeitern genügende Löhne und möglichst wohlfeile Lebensmittelpreise zu sichern. Diesem Ziele waren unsere Aktionen auf Einführung villigen Fleisches und auf Herabsetzung der Lebensmittelzölle ge- widmet. Hierher gehört auch der Kampf um die H e r a b s e tz u n g der Zuckersteuer, bei dem uns die christlich-sozialen und nationalen Parteien schnöde im Stich gelassen haben. Sie wissen, daß das B i e r st e u e r p r o j e k t, das unter der arbeitenden Bc- völkerung so große Aufregung hervsrgerufen hat, zurück ge- zogen worden ist. Man hat diese Zurückziehung als ein Eni- gegenkommen an u»s, als weise Tat gefeiert. In Wirklichkeit war sie nichts andere» als bis Folge des mutigen Auftreten« unserer Fraktion.(Zustimmung.) In das Gebiet, die Lebenshaltung der Arbeiter zu verbessern, gehört auch unsere Aktion für billigere Eisen- nnd Kohlenpreise, unser Eintreten für die Verstaat» I i ch u n g der Eisenbahnen und damit für eine Erleichte- rung des Verkehr». Neben der Lebensmittelfrage lag unsere Haupttätigkeit auf sozialpolitischem Gebiet. Das wich- tigste war für uns die Sicherung d»S KoalttionSrecht s. Erst in zweiter Linie standen die Versicherungsgesetze. Das Koalitionsrecht ist die Frage, in der die ganze bürger. I i ch e Meute gegen uns steht, wo wir den Kampf yanz allein führen müssen. Während bei der SebenSmittelfrage tue Agra- vier unsere Hauptgegner find, sind auf dem Gebiete der Sozial- Politik die Industriellen und die Zünftler unsere schärfsten Feinde. Wir haben alle unsere Kraft eingesetzt für die Abänderung des Vereins ge setze? in der Richtung, daß den Frauen endlich die Teilnahme an politischen Vereinigrmgen «löglich wird. Wir haben für die Beseitigung de? Schulelends, der Klassenüberfülluna, wie für eine Reform der Geschworenen- ger-ichte gekämpft. Wir haben selbstverständlich mit allen Mitteln den Kamps gegen das System de» Militarismus und seine einzelnen Auswüchse geführt. Wir haben un» als die Partei des Friedens gezeigt, indem wir den Standpunkt vertrat« daß es wichtiger ist, Menschenleben zu schonen, als eine sogenannte Mehrung des Vaterlandes vorzu- nehmen(Lebhafte Zustimm, mg), und wir haben deshalb gegen die Nnnektton von BoSniey und der Herzego. wina als einer Gefihrdung des Völkerfrieden» Stellung genommen.(Erneute Zustimmung.) In einer großen Friedenskundgebung haben wir unserer internationalen Solidarität Ausdruck gegeben. Natürlich haben wir nicht alles er» reicht, wa» wir gewellt haben, und Sie müssen un» mehr nach dem beurteilen, waö wir angestrebt, al» nach dem, was wir wirklich er- rungen haben. Wir haben ja im Parlament nicht die Mehrheit; aber wir sind auch nicht gänzlich einflußlos. Die zuerst von den nationalen Parteien an uns geübte EinkreisungS» Politik konnte sich auf die Dauer nicht halten; dazu sind die bürgerlichen Parteien selbst zu sehr zerklüftet. Dabei könnte uns nichts Besseres passieren, als daß sich die gesamten bürgerlichen Parteien wirklich fest gegen uns zusammenschließen. Wir wünschen nichts sehnlicher, äls daß sie das tun, aber das Bürgertum ist zu d u m m u n d z u f e i g. Es hat nicht die innere Kraft dazu, es braucht immer einen Vormund, einen Führer, und diese» fehlt jetzt in Oesterreich , wo an der Spitze ein so unfähiger Bureaukrat steht, wie der Witter v. Bienerth. Der frühere Ministerpräsi- Dcmt Beck war immerhin ein fähiger Führer der bürgerlichen «lassen. Er hielt sie doch wenigstens von den gröbsten Exzessen des nationalen Wahnsinns ah. An seine Stelle ist die größte Landplage deS unglücklichen Oesterreich getreten, eben Herr v. B i e n e r t h. Ich will ihm gewisse bureaukratische Fähigkeiten, Fähigkeiten, wie sie etwa ein Bezirksfeldwebel für seine Verwal- tungSgeschäfte haben nuiß(Heiterkeit), nicht absprechen. Aber irgend ivelche Fähigkeiten für fein Amt hat er nicht mitgebracht Und nicht erworben. Das Sprichwort: Wem Gatt ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand, hat sich bei Herrn v. Bienerth nicht ibqpährtz protze Heiterkeit.) Seijier Aufgabe, die nationalen Parteien zusammenzuschweißen, ist er in keiner Weise gewachsen. Wir verlangen deshalb den Rücktritt BienerthS oder die Auflösung des Parlaments.(Lebhaste Zustimmung.) DaS eine oder das andere, aber diese Schmrdwirtschaft kann nicht so weiter gehen. Ich bitte die deutschen Genossen um Entschuldi- gung. Ich will ihren Fürsten B ü l o w nicht etwa besonders loben und für ihn die Pauke schlagen(Heiterkeit), aber ich muß doch sagen, Bülow hat wenigstens den Mut gehabt, an die Wählerschaft zn appellieren.(Genosse Ebert ruft: Diesmal nichtl) Diesmal nicht, aber bei den Hottentottenivahlen.(Große Heiterkeit.) Er hat diese Wahlen gewiß mit großer Korruption führen lassen, immerhin hatten doch die Wähler Gelegenheit, ihrem Willen Ausdruck zu geben. Und das ist die Hauptsache. Jedes Parlament muß kontinuierlich abhängig sein von dem Willen des Volkes. Deswegen sind wir auch für kürzere Legislaturperioden. Wir haben in Oesterreich eine sechs- jährige Legislaturperiode, eine viel zu lange Zeit, von der wir wünschen, daß sie öfters durch Auflösungen unterbrochen wird. (Zustimmung.) Redner behandelt schließlich noch die ungarische Frage. Er spricht sich gegen Konzessionen gegen die ungarische Regierung aus und verlangt nun endlich die Erfüllung des Versprechens der Krone auf Einführung des allgemeinen gleichen Wahlrechts in Ungarn . Er schließt mit der Bitte, Kritik an der Tätigkeit der Fraktion zu üben, aber auch das anzuerkennen, was anzuerkennen ist, und spricht die Hoffnung aus, daß der Parteitag der Tätigkeit der Abgeord- neten das Vertrauen votieren werde.(Lebhafter Beifall.) Hierauf erstattete Abg. R e s e l- Graz den Bericht über die Tätigkeit der Sozialdemokraten in den Landtagen. Er wies auf die dominierende Stellung der Axjrarier hin nnd teilte mit, daß die deutsch -österreichische Parte» heute über zusammen 16 Mandate in 6 Kronländcrn verfügt. Der Redner legte an der Hand statistischen Materials dar, wie benachteiligt die gewerbliche Bevölkerung gegenüber der gararischen durch die Gesetzgebung der Landtage ist. Zwei Drittel der Einnahmen stammen von der ge- werblichen Bevölkerung, aber mehr als die Hälfte aller Ausgaben wird für die agrarische Bevölkerung geleistet. Schließlich erstattet der Abg. W i n a r s k i kurz Bericht über die Tätigkeit der Partei in den Gemeindevertretungen. Es sitzen in 379 Ge- meindevertreiungen.1275 sozialistische Mitglieder und in 17 Ge- meinden sind die Vorsteher Sozialdemokraten. An den Parteitag wird sich eine Konferenz der sozialdemokratischen Gemeindever- treter schließen, in der Richtlinien für ihre Tätigkeit aufgestellt werden sollen. Nachmittag? tritt der Parteitag in die Diskussion über die Tätigkeit der Fraktion im Parlament ein. Petersilka- Wien : ES herrscht in weiten Arbeiterkreisen eine gewisse Unzu- friedenheit init der Fraktion und ich bin beauftragt, zu verlangen, daß mit mehr Nachdruck gegen die Regierung vorgegangen wird. Es darf nicht alles unterlassen werden, bloß damit demVolks- Hause" nichts geschieht. Auch außerhalb Wiens gibt eS eine Menge Parteigenossen, die der Meinung sind, daß die Fraktion in Deutschland nennt man eS revisionistisch wir sagen opportu­nistisch ist. Früher gingen wir auf die Straße; zetzt soll das nicht mehr geschehen, weil wir eine große Partei im Parlament geworden sind. Ich meine, das revolutionäre Element mutz wieder stärker hervortreten, sonst versumpfen wir.(Verein- zelter Beifall.) Strasser-Reichenberg: Ich will meine oppositionelle Rede mit der regierungsfreundlichen Erklärung einleiten, daß wir Reichen- berger im allgemeinen die Haltung der Fraktion billigen. Ich muß aber hier den Gang des sozialistischen Vize- Präsidenten zum Kaiser besprechen. Der Gang in die Hofburg ist von einer großen Anzahl Parteigenossen in Nordböhmen nicht verstanden worden.(Zustimmung.) Genosse Perner- siorfer hat zwar gesagt, wenn er mit dem Kaiser redet, so schadet das nichts, er bleibe ein guter Republikaner und der Kaiser ein Monarchist. Doch darauf kommt es nicht an, ob Perner- swrf« mit dem Kaiser redet. Wenn der Kaiser zu Pernerswrfec käme und ihn dann Pernerstorfer mit der ganzen Liebenswürdig- keit empfinge, die ihm eigen ist, wenn er sich nicht gerade mit mir unterhält(Große Heiterkeit), so hätte ich gar nichts dageg?n. Aber hier handelt es sich um ein anderes Moment. Der Kaiser hat sich die Vizepräsidenten kommen lassen wie ein Grandseigneur seine Untergebenen.(Widerspruch.) Ich weiß, in der Form hat man das sehr verschleiert. Aber die Unterredung hatte sicher nicht den Charakter der Gleichberechtiguna ge- tragen, und daran hat die nordböhmische Arbeiterschaft Anstoß ge- nommen. Wir haben damals keine Affäre daraus gemacht und wollen es auch heute nicht tun; aber ich meine doch, die Stimme der Arbeiterschaft darf auf Berücksichtigung Anspruch erheben. Auch mit gewissen Auffassungen in der Nationalitätenfrage bin ich nicht einverstanden. Nach unserer alten klassischen Tradition haben wir unsere Kämpfe international zu führen. Jetzt kommt ab und zu die Auffassung zutage, daß zwischen den Nationen gewisse Gegensähe bestehen, die auch da» Proletariat berühren. Ich glaube, es gibt nur nationale Gegensätze innerhalb der Bourgeoisie, nicht zwischen den Arbeitern. Dabei möchte ich darauf hinweisen, daß das auch von uns oft gebrauchte Wort: Wir sind gute Deutsche , zu mißverständlichen Deutungen führen mutz. Wir deutschen Sozialdemokraten arbeiten doch ebenso wie für das deutsche Proletariat auch für das tschechische Prole- tariat, und in diesem Sinne könnten wir doch ebenso gut sagen: Wir sind gute Tschechen. Noch etwas möchte ich besprechen. Die Abgg. Pernerstorfer und Glöckel haben bei einer Feier des deutschen SchulvereinS Telegramme geschickt. Ich halte das nicht für richtig, denn der deutsche Schulverein ist in letzter Zeit ein nationaler 5kampfverein geworden.(Widerspruch und Zustimmung.) Wir bekommen dadurch den Kampf mit den nationalen Schwierigkeiten. Die Nationalen halten uns Perner- storfer und Glöckel als Musterknaben vor und erklären uns für Halunken, weil wir anderer Meinung sind wie Peruerstorfer und Glöckel. Ich möchte bitten, in Zukunft solche Dinge zu unierlassen. denn sie sind doch auch vom Standpunkt des Genossen Pernerstorfer nicht notwendig.(Beifall.) Bcer-Wien tadelt das Verhalten der Fraktion in einigen Einzekfragen und macht ihr den Vorwurf de? Opportunismus. Dr. Adler-Wien : Die Voraussetzung für die Debatte ist, daß die Genossen Verständnis für die Schwierigkeiten haben, die wir im Parlament zu überwinden haben.(Zustimmung.) Die Rede de» Genossen Petersilka und des Genossen Beer»errieten einen Mangel an Einsicht in die Grundbedingungen unser?? politischen Leben». Man kann doch nicht in einem Atemzuge verlangen, daß wir dem Parlament die Gurgel abschneiden und dann noch etwa? in demselben Parlament durchsetzen sollen. Die Hälfte unserer Arbeit müssen wir auf die Ermöglichung der Arbeitsfähigkeit de» Parlaments verwenden.(Zustimmung.) Aber die Hauptschwiertg- leiten liegen selbstverständlich in der nationalen Frage. Wir sind stolz daraus, daß wir eine einheitliche Fraktion bilden konnten, die arbeitsfähig war. Aber di? internationale Geschlossenheit hat zur Voraussetzung die nationale Selbständigkeit, und wenn wir die Terminologie der bürgerlichen Parteien nach dem Wunsche des Genossen Strasser nicht mehr gebrauchen sollen, so müssen wir uns eine eigen? Sprache geben.(Zustimmung.) Wir sind Deutsche . gute Deutsche , und nicht nur gute, sondern sogar bessere Deutsche als die bürgerlichen Parteien.(Erneute Zustimmung.) Mit der alten Tradition können wir nicht immer mehr an unsere neuen Aufgaben herankommen. Genosse Strasser meint, es gebe keine nationalen Gegensätze im Proletariat. Es gibt aber sich kreuzende Gegensätze. Selbstverständlich haben wir es an der rlb- wehr nationalistischer Ausschreitungen niemals fehlen lassen. Beim Hofgang in die Burg standen wir vor der Frage, ob e? nützlich ei, dieser einfach»» Pflicht der Höflichkeit zu entsprechen. Ich war elbstverständlich der Ansicht, daß, wenn mir jemand, mit dem ich n amtlichem Verkehr stehe, eine höflich« Ginladung schickt, daß ich diesex zu entsprechen hatzo, BedMen hgtten Wr njw im HiMick auf die Tatsache, daß eS solche Leute wie Strasser gkbk.(Heiter- keit.) Und auch daß cs dem Empfinden und der Tra- dition widerspricht.(Zustimmung.) Auch politisch wäre eS eine große Erschwerung gewesen, wenn wir es anders gemacht hätten. Wir sollten uns daran gewöhnen, jeder Sache ihr r i ch- tiges Gewicht zu geben, cS nicht zu erhöhen und aufzu- bauschen. Auch in der Fraktion gab es Meinungsver- schi ede nh e i t en. Aus guten Gründen hat aber die Fraktion beschlossen, der Einladung Folge zu leisten. ES gibt nicht nur einen opportunistischen Opportunismus, sondern auch einen prin- zipiellen Opportunismus.(Heiterkeit.) ES ist oft leichter, ganz prinzipiell zu sein.(Sehr richtig!) Eins ist sicher: Vergeben hat sich der sozialdemokratische Vizepräsident und die Fraktion nichts durch den Weg zur Hofburg . Der Weg von der Habsburgischen Tradition zum Empfang eines sozialdemokratischen Vizepräsidenten' ist auch weit. Pernerstorfer ist nicht als Untergebener in die Hofburg gegangen, sondern als ein Funktionär des Parlaments zu cinein anderen verfassungsmäßigen Funktionär.(Sehv richtig!) Schließlich beantragt Adler die Annahme einer Resolution, in der die Ausgestaltung des vom Brünner Gesamtparteitag im Jahre 1899 beschlossenen Nationalitätenprogramms für notwendig erklärt und die Parteivertretung ausgesotdert wird, Verhandlungen mit dem nichtdeutschen sozialdemokratischen Verein über den Ausbau eines neuen gemeinsamen Nationali- tätenprogramms einzuleiten. Schleifer-Wien : Die überwiegende Mehrheit der Arbeiterschaft ist unzufrieden mit dem Verhalten der Fraktion. Ich will nicht entscheiden, ob der Hofgang taktisch geboten war, jedenfalls sind die Arbeiter nicht genügend darüber aufgeklärt worden, warum man den Hofgang für notwendig gehalten hat. In derArbeiterzeitung" hat nur eine kleine Notiz darüber gestanden. (Rufe: Das war sehr gut!) Man hatte doch die Unzufriedenheit weiter Arbeiterkreise voraussehen müssen. Die Tatsache des Hof- gangeS istchchr starr kritisiert worden und ich meine, wir brauchten auf Höflichkeiten nicht so viel geben, noch dazu, wenn nicht einmal ein praktisches Resultat dabei herausschaut.(Zu- stimmung,) Pernerstorfer: Es ist mehrfach angedeutet worden, wir hätten mehr Obstruktion machen sollen. Wir verwerfen die Ob- struktion nicht schlechtweg, betrachten sie aber als das letzte Mittel, das anzuwenden ist, wenn wegen eines Attcn- tats auf die Grundrechte der Arbeiter ein Verzweiflungskampf gc- führt werden muß. Leichtfertige Obstruktion ober machen wir nicht mehr mit.(Zustimmung.) Bei dem Hofgang komme ich nicht per- sönkich in Frage, denn ich habe nur als Beauftragter der Fraklion gehandelt, tvieine persönlichen Bedürfnisse in der Richtung des HofgangeS find mätzig und ich glaube auch, daß die Bedürfnis! e des Kaisers, mit Sozialdemokraten zu verkehren, mäßige sind. Daß der Kaiser gerade mich empfangen mußte, war aber noch mehr als eine Ironie des Schicksals.(Heiterkeit.) Denn ich hatte vor einigen Jahren einmal in einer Rede gesagt, wofür mich übrigen? die Marxisten getadelt haben, weil es nicht ganz mit der materia- listischen Geschichtsauffassung übereinstimmt, ich hatte gesagt: 600 Jahre Habsburg , das halt kein Volk der Welt aus.(Heiter- keit.) Die Sache liegt nun so: Nach der Geschäftsordnung muß der Präsident mit der Krone amtlich verkehren, und wenn wir ein- mal den Präsidenten stellen sollten, könnten wir uns dieser Ver- pflichtung gar nicht entziehen. Dagegen hat die Krone nicht die Pflicht, mit dem Vizepräsidenten zu verkehren. Wenn sie trotzdem di« Vizepräsidenten emgclaiden hat, so konnte dos nur als eine respektvolle Höflichkeit der Volksvertretung gegenüber aufgefaßt werden, und deshalb haben wir der Einladung cnt- sprachen. Das wichtigste ist aber, daß wir mit den Arbeitern gut stehen, und wenn diese es nicht w ü n s ch e n, s o i st die Sache erledigt. Der Schulverein hat sehr segensreich gewirkt, und wenn in der letzten Zeit natioua- listische Quertreibereien vorgekommen sind, so widerspricht das allen Gepflogenheiten und ich scheue mich gar nicht, hier gegen diese nationalistischen Allüren offen Stellung zu nehmen.(Zustimmung.) Genossin Schlesinger stellt den Antrag, daß die Fraktion die Abänderung des Vereinsgesetzes, das den Frauen die Teilnahme an politischen Vereinen verbietet, betreiben möge. Außerdem muß die Fraktion einen Antrag auf die Ausdehnung des Wahlrechts auf die Frauen stellen und der Antrag muß nicht nur eingebracht. sondern auch wirklich verhandelt werden.(Lebhafter Beifall.) Hecker-Rumburg : Der Parlamentarismus ist kein Allheil- mittel; aber wir müssen anerkennen, daß die Genossen, die wir auf den vorgeschobenen Posten gestellt haben, geleistet haben, was sie leisten konnten. Wenn nicht mehr geschaffen worden ist, so sind daran unsere Gegner schuld. Im übrigen stehe ich auf dein Stand- Punkt, daß wir, weil wir groß geworden sind, nicht seicht werden müssen, sondern daß wir,;« größer wir werden, um so prin, zip ic ller handeln müssen.(Beifall.) Schicgl-Wien : Die Anwürfe, die hier gegen die Fraktion vor- gebracht worden sind, wundern mich, denn die Schwierigkeiten im Parlament sind jetzt viel größer als früher, wo nur ein paar Ge- nossen darin saßen. Ich möchte die Fraktion bitten, daß sie bald- möglichst für eine durchgreifende ReformdeSPreßgesetzeö eintritt. Sie Partelpreffe Oder den Parteitag. Harnitttget Echo". »... Unsere Gegner hatten auf einen neuen»sensationellen Krakeel' gehofft, nachdem kurz vor dem Parteitage öffentliche Aus- einandersetzungen unter verschiedenen Genossen über die Taktik der Fraktion gegenüber der Erbschaftssteuer stattgefunden hatten. Wohl sind die Debatten über diese Frage zum Teil recht lebhaft gewesen und hier und da spielte auch da» persönliche Moment hinein; aber immerhin bewegten sie sich doch im allgemeinen in sachlichen Bahnen. ... Ueber das. wa» eventuell hätte geschehen kömien, braucht man sich nicht aufzuregen: aber sich klar zu werden, was tu solchen Situationen, wenn sie wiederkehren, geschehen müßte, ist darum nicht überflüssig, wenn es auch verkehrt wäre, der Fraktion im voraus durch Beschlüsse die Hände binden zu wollen, weil man nicht alle möglichen Situationen voraussehen kann. Da dürfen wir das Ver- trauen zu den Genossen im Reichstag haben, daß sie im gegebenen Moment das Richtige finden werden. Die Frage der parlonientarischen Taktik verlangt«ine leiden- schaftslose Beurteilung, wenn der richtige, den Parteitnteressen dienlichste Standpunkt gefunden werden soll. S« wäre deshalb besser gewesen, wenn in die Erörterung der nun schon alte Gegen- sotz zwischenRadikalen" und.Revisionisten' nicht so stark hinein« g-ipielt hätte, der immer Mißtrauen in da» beste Wollen de» andern letzt. Daß diese spezielle Frage nicht unter dem Gesichtspunkt dieser Scheidung beurteilt werden darf, ergibt sich wohl am klarsten au» dem Umstände, daß unser alter Bebel sich auf die Seite der Genossen stellte, die man gemeinhin al».Revisionisten' bezeichnet. Hätte die Fraktion, wenn eS zur dritten Lesung der Erbschaftssteuer gekommen wäre, auch in dieser für die Steuer gestimmt, wie Bebel für richtig erklärte, so hätte sie damit sicher weder gegen unser Prinzip, noch gegen das Parteiprogramm verstoßen, da» ja die Erbschaftssteuer fordert. Der auf dem Verwendungszweck für die Steuern basierende Einwand ist unseres Erachtens hinfällig, denn darum handelte es sich im Moment nicht, vielmehr darum, durch die An» nähme der Erbschaftssteuer die Annahme anderer Volk?» bedrückender Steuern zu verhindern oder wenigstens deren Summen zu verringern, möglicherweise aber die Ablehnung der ganzen.Finanzreform' und damit eine Reichs­tag e a u fl ö s un g herbelzufuhreii, um da» Volk in der Sache entscheide» zu lassen. Von der entscheidenden Stellungnahme der raktion zur Erbschaftssteuer hing nach allen vorausgegangenen ämpfen darum, nachdem sie der gegensätzliche Pol für die Partei- gruppierung geworden war. auch fllr das Urteil der BolkSmassen über die Sozialdemokratie viel ab. ES wäre«ine für den Erfolg unserer Agitation vielleicht verhängnisvoll«