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ohne sich der großen Verantwortlichkeit bewußt zu sein. die ihm die nationale Frage auferlegt. Wir dürfen den Nationalismus innerhalb der Partei nicht überwuchern lassen, brauchen aber den Nationalismus auch nicht zu verspolten und nicht zu verhöhnen. In diesem Geiste, der unserem nationalen Programm entspricht, können wir die nationalistischen Aus- schreitungen beurteilen. Ich wünsche aber, daß dieser Geist nicht eine deutsche Einseitigkeit bleibe(Lebhafte Zustimmung), sondern daß alle sozialdemokratischen Parteien sich der großen Bedeutung der nationalen Frage für die ver- bündele Bruderpartei sich bewußt bleiben und immer ein- gedenk sind, daß die kleine nationale Eroberung nichts g�ilt und nichts gelten kann gegenüber dem un- geheuren Schaden, den sie oft anrichten kann, daß die nationale Versöhnung n: ehr wert i st, als jede nationale Eroberung.(Beifall.) Wir brauchen, wenn wir so handeln, nicht zu verzweifeln, denn dann wird jeder Genosse in dem anderen den Kampfgenossen sehen, und so einfach und schlicht dieser Gedanke ist. so unerschütterlich ist er in seiner Kraft, alle Schwierigkeiten zu überwinden und die Fahne des internationalen Sozialismus auch in Oesterreich stegreich zum Ziele zu tragen. (Stürmischer Beifall.) Hildebraud-Karlsbad : Ich beantrage, der Fraktion unser Ver« trauen zu votieren. Diese rückhaltlose Anerkennung schließt natürlich nicht aus, daß man in dem einen oder anderen Punkte abweichender Meinung sein kann. Der Gang in die Hofburg kommt nicht auf das persönliche Konto des Genossen Pernerstorfer, sondern auf das der Fraktion. Durch den Hofgang sind viele Genossen außer- ordentlich überrascht worden. Wir hatten geglaubt, daß außer den Pflichten, die dem Bizepräsidentcn un- nnttelbar zukommen, keine vorhanden ist; nun ist die Sache anders gekommen. Ich kann nicht zugeben, daß der Gang des Vizepräsidenten in die Hofburg ein amtlicher Gang war. Es ist eine schöne Sache, höflich zu sein; aber man hat die öfter- reichische Arbeiterklasse auch nicht immer höflich behandelt. Auch in unserer Fraktion waren ja starke Bedenken vor- handen. Der Vizepräsident der italienischen Kammer, Genosse C o st a, hat einen ähnlichen Besuch abgelehnt, und wir dürfe» ver- langen, daß die Fraktion auch auf Geschichte und Tradition der Partei einigermaßen Rücksicht nimmt. Aber das ist nur ein einzelner Punkt, der unser Gesamturteil über die Fraktion nicht abschwächen kann, und deshalb halten wir es für selbstverständlich, daß wir dem Verbände der sozialdemokratischen Abgeordneten für seine schwierige und erfolgreiche Tätigkeit einstimmig den Dank und das Ver- trauen aussprechen.(Lebhafter Beifall.) Hierauf wird die Diskussion geschlossen. In seinem Schlußwort geht Abg. Seitz ganz kurz auf die ein- zelnen in der Diskussion berührten Fragen ein. In bczug auf den Gang des Vizepräsidenten nach der Hofburg sagt er, daß diese Frage keine prinzipielle sei. sondern eine Frage, die nach den Empfindungen der breiten Masse der Partei- genossen beurteilt werden müsse. DaS werde in Zu- tunft geschehen.(Beifall.) Der Parteitag beschließt einstimmig das Vertrauensvotum für die Fraktion. Einstimmig wird der Antrag Adler auf weitere Ausgestaltung des jetzt schon bestehenden Nationalitäten- programniS angenonunen, ebenso einstimmig die Anträge der Ge- nossinnen Schlesinger und Popp auf Aufhebung des V e r b i n d u n g s- Verbotes politischer Vereine, auf Abänderung des Vereinsgesetzes in der Richtung, daß die Frauen politische» Vereinen angehören dürfen, und auf eine kräftige Aktion für die Erringung des allgemeinen Frauenwahlrechts. Angenommen werden auch die Anträge auf Reform des P r e tz g e s e tz e s, auf Erringung des allgemeinen Wahlrechts für die Einzellandtage und auf Ausarbeitung von Richtlinien für die Tätigkeit der sozial- demokratischen Vertreter in den Einzellandtagen und Gemeinde- Vertretungen. MittwochPtztMg. Der Parteitag tritt heute in die Verhandlungen über das neue O r g a n i s a t i o n s st a t u t für die Partei ein. Der von dem Genossen Seeliger- Teplitz ausgearbeitete Entwurf war einer Kam- Mission zur Vorberatung überwiesen worden. Genosse Seeliger- Teplitz schlägt als Berichterstatter dieser Kommission dem Parteitag als Grundlage für die Diskussion folgende Grundsätze vor: Jeder Parteigenosse mutz Mitglied der politischen Organisation seines Wohnortes sein. Die Grundlage der Organisation bildet überall der politische Verein. Wo sich die Umwandlung der Parteiorganisation in die Vereinsorganisation noch nicht vollziehen läßt, soll es bei der bisherigen losen Form der Organisation bleiben. Im ganzen Reiche soll eine einheitliche Partei- legitimation und eine einheitliche Beitragsmarke eingeführt werden. Der Mindestbeitrag soll im ganzen Reiche monatlich 20 Heller be- tragen. Die Aufteilung des Beitrages auf die verschiedenen Organi- sationen(Orts-, Kreis-, Landes- und Reichsorganisationen) soll durch Beschlüsse des Parteitages erfolgend Die Diskussion, die heute noch nicht zu Ende geführt und auf morgen vertagt wurde, drehte sich hauptsächlich um die Frage, ob die Vereinsorganisation an die Stelle der bisherigen losen Organisation treten solle oder nicht. Wellie Salbe. Die KnappschaftSberufsgenofsen schuft veröffent- licht ihren Bericht für daS Jahr 190S. Der offizielle Bericht muß bestätigen, daß sich die Lage der modernen Lohnsklaven des Berg- baue» gegen das Jahr 1907 verschlechtert hat. Insgesamt wurden in den acht Sektionen der Genossenschast 798 373 Versicherte beschäftigt; gegen 732 584 im Jahre 1907. Die Zahl der Beschäftigten ist um 85 794 gestiegen.. Die Gesamtlohnsumme betrug 1 117 140 014 M. Gegen 1907 ist die Gesamtlohnsumme um 88 169 392 M. gestiegen; dagegen ist der Lohn des einzelnen Arbeiters von 1407,31 auf 1399,26 M., gleich 8,05 M.(1903) gefallen. Damit ist offiziell bestätigt, daß trotz der weiteren Verteuerung der Lebensmittel und der weiteren Steigerung der Wohnungsmieten, die Löhne der Bergarbeiter nicht nur nicht gestiegen, sondern gesunken sind. Der Berichterstatter tröstet sich indes damit, daß der Rückgang de? Lohnes nichtallzu groß" sei. Ein recht trübes Bild zeigt der Bericht über den Kampf, den die Bergwerkssklaven im Kampf uin das tägliche Brot führen mußten. Die Opfer an Menschenleben und Gesundheit, den die Lohnsklaven im Bergbau im Ringen um ihre Existenz dem Moloch Kapital bringen mußten, sind ungeheuerlich hoch. Die Zahl der g e m e l d e t e n U n f ä l l e ist von 92 455(1907) auf 103 977 im Jahre 1908, das ist um 11 522(gleich pro Tausend von 126,20 auf 130,24) gestiegen. Die Zahl der entschädigungs- Pflichtigen Unfälle(solckie, die nach beendetem Heilverfahren bezw. nach Ablauf der 13. Woche erwerbsstürende Folgen hinterlassen haben) ist von 11382(1907) auf 12 799. daS ist um 1417(1903) gestiegenl Auf tausend Versicherte kommen 16,03 entschädigungspflichtige Unfälle gegen 15,54(1907). Schreckenerrregend hoch ist indessen die Zifter der mit tödlichem Ausgange endenden Unfälle. Die Zahl der Todesfälle ist von 1743(1907) auf 2051(1908) gestiegen. Oder auf i000 Versicherte kommen 2,57 Todesfälle. Das Jahr 1908 hat damit sogar den Rekord der Todesfälle von 1893 hier kommen auf 1000 Versicherte nur 2,53 Todes- fälle überschritten. Diese trockenen kalten Ziffern sprechen eine beredte Sprache: sie schleudern eine wuchtige Anklage gegen die Grubenkönige. Massenunfälle d. h. solche bei denen mehr als 10 Personen verletzt wurden sind im Berichtsjahre 7 zu ver- zeichnen. An erster Stelle steht die grausige Katastrophe von Radbod mit 369 Verletzten, darunter 343 Tote; dann folgen daS Stein- kohlenbergwerk Dudweiler mit 24 darunter 9 Tote; die Zeche KaroluS-Magius mit 20. darunter 11 Tote; die Grube König mit 21, darunter 4 Tote; das Kalibergwerk Großherzog von Sachsen mit 19. davon 1 Toter; die Zeche Maximilian mit 12 und Grube Kleophas mit 11 Verletzten. Die entschädigungspflichtigen Unfälle hatten in 2051 Fällen den Tod; in 39 Fällen dauernde völlige Krüppel; in 1322 dauernd teilweise Krüppel und in 6337 Fällen vorübergehende Erwerbsunfähigkeit zur Folge. Interessant ist die Feststellung der Unfälle nach Wochentagen ge- ordnet. Es entfallen auf den Sonntag.... 2163 Montag.... 16007 Dienstag.... 17 467 Mittwoch.... 16 678 Donnerstag... 16 361 Freitag..... 17 121 Sonnabend... 17 664 Unfälle. Der Sonnabend steht somit an erster Stelle, ihm folgt der Dienstag an zweiter Stelle. Die auffallend hohe Zahl der Unfälle am Sonnabend findet nach dem Bericht ihre Ursache in der Ermüdung der Arbeiter. Das ist ein sehr wertvolles Geständnis des Berichterstatters. Damit wird die Forderung der Bergarbeiter um Verkürzung der Arbeitszeit offiziell als berechtigt und dringend notwendig anerkannt. Daher, Regierung, her mit dem gesetzlichen achtstündigen Arbeitstag für die Bergarbeiter I Daß der Dienstag eine so hohe Unfallziffer aufweist, liegt nach dem Bericht an dem Feiern der Bergleute am Montag(blauen Montag), sintemalen auch die Bergmspeklionsbeamten derselben Ansicht sind. Ein Berginspektionsbeamter hat berichtet, daß infolge höheren Verdienstes weniger gearbeitet werde, namentlich an den Arbeits- tagen nach den Sonn- und Festtagen". Ein anderer Gewerbe- inspektionsbeamter bespricht die schädlichen Folgen des Alkohol- mißbrauchs und sagt, daß die Betriebsunternehmer besonders den blauen Montag fürchten. Feilere Gründe für die Unfall- gefahren als derAlkohol" sind just nicht zu finden. Der Berichterstatter hat eine merkwürdige Logik I Die inneren Ursachen der entschädigungspflichtigen Unfälle find nach dem Berichterstatter in 66,73 Proz. durch die Gefähr- lichkeit des Betriebes an sich, in 1,33 Proz. durch die Mängel des Betriebes im besonderen, in 3.58 Proz. durch die Schuld der Mitarbeiter und in 28,36 Proz. durch die Schuld des Verletzten selb st herbeigeführt. Nach dem Bericht ist der Prozentsatz der Unfälle der ersten Kategorie etwas zurückgegangen. Die zweite Kategorie der Unfälle weist eine kleine Steigerung auf, ebenso die durch die Schuld der Mitarbeiter und die durch die Schuld leicht- sinnige Handlungen usw. der Verletzten entstandenen Unfälle. Der Bericht wird den Unternehmern natürlich keine Schuld geben. So heißt es denn auch: Die Bemühungen, die Unfallziffer in bezug aufdie Gefährlichkeit des Betriebes an sich" herab- zudrücken, müssen an den dem Bergwerk anhaftenden und u n ab>o endbaren Gefahren scheiternl" Dagegen sollen fast ein Drittel aller Unfälle durch die Schuld der Arbeiter herbeigeführt sein. Diese hätten indessen durch Unterlassen vonleichtsinnigen" Hand- lungen zum größten Teil vermieden werden können. Der Berichterstatter scheint danach die Auffassung zu haben, daß die Bergarbeiter den Unfall herbeiführen, um nur eine Unfallrente erhalten zu können. Indessen die Unfallgefahren sind doch bis zu einem gewiffen Grade von den Maßnahmen der Unfallverhütung und der Ueber- wachung auf ihre Durchführung in den Betrieben abhängig. Be- trachten wir indes die Unfallverhütung, dann sieht es bei der Knappschafts-Berufs genossen schaft recht trüb aus, sintemalen in einer wirksamen Ueberwachung der Betriebe der vornehnr st e Arbeiter schütz liegt. Für den Erlaß von U n f a ll v e r h ü tun g s v o rsch r i ft e n wurden vom Genossenschaftsvorstand und den acht Sektionen insgesamt nur 2603,43 M. aufgewendet. Die Sektionen VI, VH und VllI haben indes nicht einen Pfennig dafür ausgegeben. Für die Ueberwachung der Betriebe gab die Sektion IV(Bez. Halle) 6698,23 Mark und die Sektion VIII(München ) 119,29 M. aus; während die Sektionen I, II, HI, V, Vi und VII nicht einen roten Pfennig für die Ueberwachung aufgewendet haben. Dagegen wurde für Vergütungen und Tagegelder an die Genossenschaftsvorstands- und Sektionsvorstandsmitglieder die außerordentlich hohe Summe von 35 007,27 M. ausgegeben, für die Unfallverhütung und Ueberwachung indes nur 9425,95 M. Die hohe Unfallziffer bei der Knappschaftsberufsgenossenschast findet ihre Erklärung in der grenzenlos leichtfertigen Ueberwachung der Betriebe, verbunden mit ungeheuer- licher Ausbeutung der Arbeiter durch zu lange Arbeitszeit. Indessen die soziale Fürsorge der Knappschaftsberufsgenoffen- schaft wird durch die Zahl der zugunsten der Verletzten durch die Schiedsgerichte erledigten Berufungen in das rechte Licht gesetzt. In 10 078 Fällen haben die Verletzten daS Schiedsgericht angerufen; davon wurden 8367 im Berichtsjahre erledigt. Von den erledigten Berufungen wurden von den Schiedsgerichten 6322 zurückgewiesen, 683 durch V e r g l e i ch und 968 durch Verurteilung der Knappschaftsberufsgenossenschaft beendet. In 1651 Fällen=- 19,75 der erledigten Berufungen versuchte die Berufsgenossenschaft die Verletzten um ihr Recht zu bringen, erst im Klagewege mußten sich die armen Teufel von Verletzten ihr Recht erkämpfen l Die soziale Fürsorge der Knappschaftsberufsgenossenschast scheint in der Tat nur weiße Salbe zu sein! ver belelülgte Oberstleutnant. Ein gerichtliches Drama, besten Akteurs zu den Spitzen der Gesellschaft von Königs-Wusterhauscn gehören, spielte sich am Dienstag vor dem Landgericht II Berlin (Strafkammer 3) ab. Gegen den praktischen Arzt Stabsarzt a. D. Dr. Zimmermann war von der Staatsanwaltschaft Anklage erhoben worden wegen Be- leidigung des Amtsvorstchers Oberstleutnant a. D. Herbst. Als Nebenkläger war Herbst zugelasten worden, der zugleich als Zeuge gegen Zimmermann auftrat. Beide Herren sind schon recht bejahrt: Z. ist hoch in den sech- zigern, H. steht in der Mitte der siebziger. Zwischen ihnen hatte, nachdem H. vor jetzt zwei Jahrzehnten in Königs-Wusterhausen Amtsvorsteher geworden war, sich bald ein gespanntes Verhältnis herausgebildet. H. verfolgte Z. mit mancherlei Strafmandaten und Strafanzeigen, die Z. aus bloßer Animosität erklären zu sollen glaubte. Auch die Beschuldigung unberechtigter Führung des Titels Stabsarzt a. D. wurde gegen ihn erhoben. Früher war Z. mal mit 40 M. Geldstrafe belegt worden, weil er sich Stabsarzt genannt habe, während er sich damals nur noch Stabsarzt a. D. habe nennen dürfen. H. meinte, daß ihm nicht mal mehr die Bezeichnung Stabs- arzt a. D. zukomme, und hielt sich für verpflichtet, ihm diesen Titel streitig zu machen. Wiederholt hat deswegen eine große Staatsaktion in Form einer Anklage gegen Z. geschwebt, doch hat schließlich das Kammergericht ihm Recht darin gegeben, daß er sich Stabarzt a. D. nennen dürfe. Eine der Anzeigen HS. gegen Z. wurde von diesem mit einem Schriftsatz beantwortet, in dem er auf vermeintlich dunkle Punkte in HS. Vergangenheit anspielte. Z. sagte darin, er wolle dahingestellt sein lassen, aus welchen Gründen H. seine frühere, immerhin einträgliche Stellung beim Rentamt verlassen habe. Auch sprach er von üblem Gerede, das gegen H. nach einer Wohltätigkeitsveranstaltung entstanden sei. Aus diesen Andeutungen wurde gefolgert, Z. behaupte, daß H. seine Stellung aus kompromittierenden Gründen habe aufgeben müssen, und daß er bei einer Wohltätigkcitsvcranstaltung sich habe Unregelmäßigkeiten zuschulden kommen lassen. H. versicherte ein reines Gewissen zu haben, und mit Rücksicht auf seinen mili- tärischen Rang stellte er Strafantrag, der zur Erhebung der Anklage gegen Z. führte. Vor Gericht erklärte der Angeklagte Z., gegen H. sei 1891 wegen einer Schuld von 1000 M. ein Schlächtermeister mit gerichtlichem Zahlungsbefehl vorgegangen, darauf sei eine unvermutete Revision der von H. verwalteten Kasse vorgenommen worden und hinterher habe er seinen Posten verlassen. Im Jahre 1903 habe H. nach einem Wohltätigkeitsfeste für die Ueberschwemmten Schlesiens ver- spätet abgerechnet und nicht soviel Geld vorweisen können, als auS den durch ihn verkauften Billetts erwartet wurde. Z., dem als Verteidiger der Rechtsanwalt Heine zur Seite stand, bot für diese Behauptungen den Wahrheitsbeweis an. Die unvermutete Kasscnrevision bei H. war im Auftrage der königlichen Hofkammer vom Ncchnungsrat Hermann im Dezember 1891 vorgenommen worden. Als Zeuge bekundet Hermann, über den Grund wisse er nichts, auch einer angeblichen Bestürzung HZ. könne er sich nicht erinnern. Eine außerordentliche Redision gebe es alljährlich, aber jene sei allerdings wohl gänzlich unerwartet gekommen. Festgestellt habe er eine kleine Differenz, wohl von 1,29 M., die durch irrtümliche Buchung entstanden sei. Herbst habe dann Anfang Juni 1892 seine Stellung zu Anfang«eptember gekündigt, man habe sie ihm aber interimistisch noch bis Oktober verwalten lassen. Der Vorsitzende hielt dem Zeugen vor, daß er später in Gegenwart des Nachfolgers von Herbst, des Rentamt- meister Pistorius, erzählt habe, bei jener Revision sei H. ihm so- gleich mit den Worten entgegengetreten:Neben Sie Gnade! Haben Sie Nachsicht!" Auch dessen e.'nncrte Hermann jich nicht, dagegen wurde diese Darstellung von dem Nentamtmeistcr Pistorius als zutreffend bestätigt. Auch Pistorius wußte nichts über die Gründe der Revision bei H. und seines späteren Abganges, aber geredet habe man, daß wohl beides mit den Schulden und dem Zahlungsbefehl im Zusammenhange gestanden habe. Im weiteren Verlauf der Beweisaufnahme, als dieser Anklagepunkt bereits ver- lassen worden war, meldete sich noch einmal Rechnungsrat Hermann und gab an, inzwischen sei auch ihm in Erinnerung gekommen, daß H. jene, vielleicht nur scherzhaft gemeinte Aeußerung:«Ueben Sie Gnade! usw." getan habe. Bezüglich der Abrechnung vom Wohltätigkeitsfest bekundete der Zeuge Magistratsbureauassistent a. D. Kruse, Beschuldigungen gegen H. wegen Minderabliefcrung seien ihm, der damals in Königs- Wusterhausen Zeitungsredakteur war, zugetragen worden von einer Person, die er im Hinblick auf das Redaktionsgeheimnis noch heute nicht nennen wolle, jedoch nicht vom Angeklagten. Auf Nennung wollte der Nebenkläger bestehen, doch lehnte der Vorsitzende mit Fug dessen Neugierde mit den Worten ab:Das mag für Sie von Interesse sein, für uns nicht." Kruse gab noch an, er habe die gegen den Oberstleutnant vorgebrachten Beschuldigungen später auch noch von anderer Seite gehört, sie seien überhaupt ein osfcncS Geheimnis in Königs-Wusterhausen gewesen. Näheres hierüber erfuhr man vom Zeugen Betriebsdirektor Witthöft-Kassel, der da- mals in Wildau bei Königs-Wusterhausen gewohnt und zum Fest- komitee gehört hatte. H. habe erst auf briefliche Mahnung bei ihm abgerechnet, der Betrag habe aber nicht gestimmt, doch habe H., als er ihm das sagte, geantwortet, er solle doch nicht so kleinlich sein. W. habe erwidert, in Geldsachen müsse man das allerdings sein. H. habe auch noch 10 Mark für einen Wagen berechnet, mit dem er zur verspäteten Abrechnung nach Wildau gekommen sei. Zur eidlichen Aussage wurde dann zugelassen der Nebenkläger Herbst. Der Herr Oberstleutnant hat noch die Stellung eines Rentamtsvorstehers und Amtsanwalts sowie eines Standesbeamten inne. Gegen Z. sei er nur pflichtgemäß vorgegangen, wegen des Stabsarzt a. D." werde er sogar noch einmal vorgehen, da erals Offizier" dieunbefugte" Führung dieses Titels nicht dulden könne. Er wisse, daß Z. aus seiner Stellung als Stabsarztent- lassen" worden sei. Demgegenüber stellte der Verteidiger fest, daß das Abschiedspatentdie nachgesuchte Entlassung bewilligt" hat. Zu der 1999 Mark-Affäre bestätigte H., daß wegen dieser cniS bielleicht acht Monaten" herrührenden Schlächterschulden ein Zahlungsbefehl ergangen war. Er habe, als die Hofkammer an- fragte, sofort bezahlt. Die unvermutete Revision bringe er nicht hiermit in Verbindung. Er gab zu, daß er bei der Revision gesagt haben könne:Machen Sie'S gnädig", oder ähnlich. Auf des Vor- sitzenden Frage, weshalb er denn gekündigt habe, antwortete H. schroff:Ja, das sind meine Gründe! Ich hab's nicht nötig, meine Gründe dem Angeklagten auf die Nase zu heften." Das wirkte wie eine Sensation. Befremdet fragte der Vorsitzende weiter: Hingen sie mit der Revision zusammen?"Nein," versicherte H., die Hofiammer war sogar verblüfft über meine Kündigung"; worauf der Vorsitzende kühl bemerkte:«Darüber werden Sie ja wohl keine persönlichen Wahrnehmungen gemacht haben." Der Verteidiger forschte sodann weiter nach den Gründen der Kündi- gung, die doch wichtig seien. H. beharrte bei seiner Weigerung, sein Rechtsbeiftand stimmte ihm bei, der Staatsanwalt desgleichen, und das Gericht beschloh darauf Ablehnung der Frage, dienicht zur Sache gehörig" sei. Ueber die Minberabrechnung nach dem Wohltätigkeitsfest be- kündete H., ein Gutsbesitzer Salomon habe ihm für 199 BillettS statt 50 M. 199 M. versprochen, H. habe das im voraus bekannt gegeben, hinterher aber habe S. nur 50 M. gezahlt und ihm dafür die sämtlichen 190 BillettS zu eigener Verfügung überlassen, und von disser Differenz habe H. dem Komitee nichts gesagt. Das Geld habe er durcheinander bei sich getragen, er habe nicht sogleich übersehen, welches der Erlös für die Billetts war. Ihm sei nicht eingefallen, zu sagen, man solle doch nicht so kleinlich sein; Vor- Haltungen habe man ihm überhaupt nicht gemacht. Nach Jahren noch habe er 74 vergessene BillettS bei sich gefunden, für die er den vermeintlichen Erlös mit 37 M. auS eigener Tasche bezahlt hatte. Sei er zur Abrechnung, die ohne seine Schuld sich verzögert habe, im Wagen gefahren, so habe er ihn selber bezahlt das nehme er auf seinen Eid. Der Zeuge Witthöft hielt demgegenüber alle seine Aussagen aufrecht. Der Staatsanwalt fand hiernach, gegen H. sei nichts Ehren- rühriges erwiesen.Herr Witthöft scheint," sagte er,die Sache sehr ernst aufzufassen, wenn bei solcher Abrechnung die Kasse nicht stimmt; ich kann mir nicht viel dabei denken." Gegen den An- geklagten, der in beleidigender Absicht und nicht in Wahrung be- rechtigter Interessen einen alten Offizier so tief gekränkt habe, sei eine Geldstrafe von 390 M. angemessen. Der Verteidiger Rechtsanwalt Heine beantragte Freisprechung, weil Z. berechtigte Interessen gewahrt habe, als er in jenem Schrift- sah zeigen wollte, daß H. nicht glaubwürdig sei. Erwiesen sei, daß H. seinen Rentmeisterposten unter Umständen, die auffielen, ver» lassen habe. Auffallen müsse auch jetzt noch seine Weigerung, die Gründe zu nennen. Erwiesen sei ferner, daß die Billettabrechnung geeignet war. zu unliebsamen Gerüchten Anlaß zu geben. H. wisse wohl nicht richtig mit Geld umzugehen, das zeige sein Schelten über Kleinlichkeit". Der Herr Oberstleutnant hatte diese Ausführungen mehrfach mit lebhaften Gesten des Widerspruchs und auch mit vernehmlichen Zwischenrufen unterbrochen, die der Vorsitzende ihm verwies. Sein Rechtsbeistand, Justizrat Kleinholz, bestritt, daß die bei der Revision gefundenen Unregelmäßigkeiten den Abgang veranlaßt hätten. Bezüglich der Billettabrechnung halte er H. für glaubhafter als Witthöft. Z. habe beleidigen wollen, sei daher zu bestrafen. Kleinholz hatte auch nochmals bestritten, daß Z.Stabarzt a. D." fei. Als Heine in seiner Replik sich nochmals auf das Abschieds- patent bezog, griff der Herr Oberstleutnant mit heftiger Bewegung nach den Akten seines Rechtsbeistandes, um nach kurzem Einblick sie auf den Tisch sinken zu lassen mit den ärgerlich hervorgestoßenen Worten:Ist ja so Wurscht!" Die Verhandlung endete erst abends um �8 Uhr. DaS Urteil wurde noch nicht gesprochen; eS soll in acht Tagen verkündet werden. Mag es wie es wolle ausfallen. Die Verhandlung hat die Psyche eines Amtsvorstehers und Oberstleutnants a. D. in chqrakteristischer Weis! beleuchtet. 4' Em der Partei. Dr. LinbemannS PublikationSorgan..__ Wir lesen im S o l i n g e r Parteiblatt, in derB e k g i s ch e n Arbeiterstimme": Bekanntlich wurde die Affäre der sieben Königsschwaben auf dem Leipziger Parteitag durch die Abgabe einer Erklärung seitens der betreffenden Landtagsabgeordneten erledigt. Am Sonnabend früh zu Beginn der Verhandlungen teilte der Vor» sitzende. Genosse Singer, mit, daß ein Brief des Genossen Dr. Linde- NSnn WS.Stpttgqpt eingegaitgen sei, iy cheldjem Li. Lindemgun