Nr. 236. 26. Jahrgang. I KeilM des Jotiüärts" Snlinct IsIMInlt. Sitasfuj!, 28. Stplmte 1909. Kreisaeneralveriammluos von nieder- barnitn. Im Cafe Bellebue in Mummelsburg wurde am Sonntag die Generalversammlung des Kreiswahlvereins von Niederbarnim ab- gehalten. Auf der Tagesordnung stand die Berichterstattung über den Parteitag. Die Delegierten Wessel, Massa, Brühl und Frau K i e n a st gaben referierend Uebersichten über die Verhandlungen und Beschlüsse des Parteitages. Genosse Brühl , der unter anderem über die Behandlung der Maifeier berichtete, bezeichnete die vom Parteitage angenommene Vereinbarung zwischen dem Par- ieivorstande und der Generalkommission als einen Fortschritt in der Maifeierangelegenheit. Daß Genosse Müller als Referent die Maifeierfrage kühl besprochen habe, sei von manchen Parteiblättern gerügt worden. Der Redner ist der Meinung, daß diese Frage nicht anders als kühl und ruhig behandelt werden dürfe. Erregte De- hatten könnten die Maifeier nicht fördern. Bömelburg habe mit Recht gesagt, die Maifeier sei eine sehr gute Sache; aber es sei schon viel zu viel über sie gesprochen worden. Nachdem die Berichterstatwng beendet war, teilte Sonnen- bürg namens der Mandatprüfungskommission mit, daß die Gene- ralversammlung besucht ist von 63 Delegierten, 21 Bezirksleitern und 14 Kreisvorständen, im ganzen 93 gültige Mandate Es fehlen 14 Delegierte, 4 Bezierksleiter und 3 Kreisvorstände. Hierauf wurde die Diskusston über die Berichte der Delegierten eröffnet. N i t s ch k e bezeichnete die Stellung der Fraktionsmehrheit zur Frage der Ablehnung der Erbanfallstcuer als eine solche, die wohl im Prinzip richtig sein möge, für die praktische Politik aber nicht förderlich sei. Durch praktische Arbeit und praktische Politik werde der Sozialismus zum Siege kommen. Der Maifeier würde mit der Entwickelung der Großindustrie ein Ende gemacht werden. Im allgemeinen ist der Redner mit dem Resultat des Parteitages ein- verstanden. Ein erfreuliches Zeichen sei es, daß das Genossen- schaftswescn auf dem nächsten Parteitage behandelt werden solle, und daß es gerade Z u b e i l war, der diesen Antrag begründete. Taraus sehe man, daß die Notwendigkeit, praktische Arbeit zu leisten, auch in radikalen Kreisen mehr und mehr eingesehen werde. Schönberg erklärte, daß auch er mit dem Verlauf des Parteitages sehr zufrieden sei. Mit besonderer Freude begrüße er den Branntweinbohkott. Erfreulich sei auch die Erledigung der schwäbischen Hofgängerei durch die Erklärung der Betreffenden, daß sie eine Dummheit gemacht hätten, die nicht wiederholt werden solle. Der Beschlutz der Fraktion, für die Erbanfallsteuer zu stimmen, sei ein Akt der Klugheit gewesen und müsse als ein ver- nünftiger Beschluß bezeichnet werden, denn wenn von den ge- forderten Steuern auch nur ein Zehntel den Besitzenden auferlegt voerden solle, so müßten wir für diese Besteuerung des Besitzes sümmen. Hinsichtlich der Maifeier stimmte der Redner den Aus- führungen des Genossen Brühl zu. Sonnenburg führte aus: In der dritten Lesung hätte für unsere Fraktion die Losung sein müssen: Fort mit der Erb- anfallsteuer, die ein Hohn ist auf eine wirkliche Besitzsteuer und nur den Zweck hatte, die indirekten Steuern zur Annahme zu bringen. Das Abkommen betreffs der Maifeier bezeichnete der Redner als erfreulich. Der Schnapsbohkott werde dem Fuselgenuß entgegenwirken, dadurch habe er eine große kulturelle Bedeutung. B ü h l e r schlug zur wirksamen Durchführung des Schnapsboykotts vor, daß der Vorstand ein Flugblatt herausgebe, welches namentlich in den ländlichen Orten des Kreises verbreitet werden solle. Weiter trat der Redner ein für eine rege und planmäßige Agitation unter dem weiblichen Proletariat. Hinsichtlich der Maifeier trat er den Ausführungen des Genossen Nitschke entgegen. Nicht durch die Entwickelung der Industrie werde der Maifeier ein Ende gemacht. Aber selbst, wenn das zu befürchten wäre, dann müßten wir umso- mehr für die Durchführung der Maifeier agitieren. Hindernisse dürften uns nicht zurückschrecken. Die Erbanfallsteuer sei von der lliegierung doch nur deshalb beantragt worden, um die bürgerliche Linke zur Annahme der indirekten Steuer zu bewegen. Wenn es sich also darum handele, eine Mehrbelastung an indirekten Steuern abzuwenden, dann müßten wir natürlich auch gegen eine direkte Steuer stimmen, die nur dex Annahme der indirekteg Steuern dienen solle. Genossin Arendsee trat für die Förderung der Frauen- organisation ein. Liesegang führte aus, in der Frage der Erbanfallsteuer kleines Feuilleton. Verlorene Briefe und Postpakete. Die Zahl der Briefe. Post- karten, Zeitungen, Drucksachen, Bücher, Warenproben, Pakete kleineren Ilmfanges, die während des Geschäftsjahres 1997/08 der britischen Postverwaltung zur Beförderung anvertraut wurden und den' Adressaten nicht ausgehändigt werden konnten, belief sich auf mehr als 31 Millionen. Auf den ersten Blick dünkt uns das geradezu enorm, aber man urteilt milder. Wenn man erfährt, daß den 31 Millionen Postsachen, die als unbestellbar zurückkamen oder spurlos verloren gegangen sind, fast 5 Milliarden richtig bestellter. Postsendungen gegenüberstehen. Nach der offiziellen Statistik, aus welcher..Chambers Journal" Auszüge veröffentlicht, wurden von 11745 992 Briefen, die während des Jahres 1997/98 zur Post ge- geben wurden, 1 145 551 nicht bestellt. Unter den Briefen, deren Adressaten nicht ermittelt werden konnten, befanden sich 393 298, welche Geldsendungen enthielten, und zwar 387 599 M. in Bank- voten und 12 733 999 M. in Checks, ZinSscheinen und anderen Wertpapieren. Die Geldsendungen, die die Postverwaltung Groß- britaniens den Adressaten nicht zustellen konnte, beliefen sich also im Geschäftsjahre 1997/93 auf mehr als 13 Millionen Mark. Es sei hinzugefügt, daß für die Absender nicht alles Geld verloren war. da die Postberwaltung ihnen, mit sehr wenigen Ausnahmen livenn die Absender nicht ermittelt werden konnten), die abge- schickten Summen zurückgeben konnte. Daß die Angaben auf Brief- adressen nicht immer ganz genau sein können, ist leicht begreiflich; loas man aber nicht versteht, ist, daß sehr viel zerstreute Leute Briefe in den Briefkasten werfen, ohne sie überhaupt mit einer Adresse versehen zu haben. Man hat im Jahre 1994 in England eine Statistik dieser adressenlosen Postsendungen aufgestellt, und die Zahlen, die die offiziellen Berichte ans Licht brachten, über- inegen selbst die kühnsten Erwartungen. Die Zahl der Briefe, die keine Spur von einer Adresse aufwiesen, belief sich in jenem Jahns auf 379 426; es befanden sich darunter 4199 Briefe, welche Geldsendungen enthielten, und zwar 7999 M. in Banknoten und 195 999 M. in Checks und anderen Wertpapieren. Ein Mann schickte im Brief einen Check im Werte von 39 999 M. und vergaß den Brief zu adressieren. Der zerstreute Herr konnte ermittelt werden, so daß man ihm sein Eigentum tvjeder zustellen konnte. Künstliche Eier. Eine ganze Industrie, die sich mit der Her- stellung künstlicher Eier beschäftigt, existiert bereits in New Jork und beginnt nun, den Export nach den Ländern Asiens zu betreiben. In einem Bericht des Ackerbau-DepartementS in Washingten wird näheres über diese merkwürdige Produktion mitgeteilt. Der Handel mit künstlichen Eiern hat sich uns der Tendenz entwickelt, scheide sich die Stellung der Genossen nicht nach Revisionisten und Radikalen. Habe doch selbst Bebel erklärt, daß er in dritter Lesung für die Erbschaftssteuer gestimmt haben würde. Aber trotz dieser Erklärung Bebels müsse gesagt werden: Im Interesse des Volkes hätten unsere Genossen gegen die Erbschaftssteuer stimmen müssen. K l i e m wandte sich gegen die Ausführungen des Genossen Nitschke und meinte, man solle doch nicht behaupten, daß nur die Revisionisten praktische Arbeit leisten und die Radikalen nur Phrasen gebrauchen. Hierauf wurde die allgemeine Diskussion über den Parteitag geschlossen und eine besondere Debatte über die folgende An- gelegenheit eröffnet: Dem Parteitage lag ein vom Bezirk Pankow gestellter Antrag des Kreises Niederbarnim bor. Mit Bezug auf den Pankower Konflikt wollte der Antrag eine Entscheidung des Parteitages herbeiführen über die Frage: Ist ein Kreiswahlverein berechtigt, einen Be- zirksverein aufzulösen?— Nachdem bei der Beratung des Organi- sationsstatuts auf dem Parteitage Genosse E b e r t als Referent erklärt hatte, daß sich die Bezirksvereine den Beschlüssen des Kreis- Vereins zu fügen haben, hielten die Niederbarnimer Delegierten den Antrag ihres Kreises für erledigt und zogen ihn zurück.— Der gegenwärtigen Generalversammlung lag nun eine von der Pankower Funltionärkonferenz beantragete Resolution vor Die- selbe bedauert die Zurückziehung des Antrages auf dem Partei- tage, die dem Willen der Generalversammlung vom 1. August widerspreche und die Pankower Parteiverhältnisse erheblich beein- trächtige. Wetter sagt der Antrag: Da ein Parteitagsentschetd in dieser Frage nicht getroffen werden konnte, solle die Generalver- sammlung die Auflösung des früheren Pankower Wahlvereins für einen Mißgriff der damaligen Kreisleitung erklären. > Zur Begründung th«r Resolution führten die Pankower Delegierten aus: Es sei nicht ihre Absicht, den Pankowcr Streit wieder aufzurollen. Man müsse unterscheiden zwischen dem Fall Röder und dem Fall der Vergewaltigung der Pankower Genossen. Die Annahme des vorliegenden Antrages sei das einzige Mittel, um in Pankow wieder gesunde Verhältnisse zu schaffen. Jetzt herrsche in Pankow offener Aufruhr, weil die Delegierten den An-' trag zurückzogen anstatt es zur Entscheidung des Parteitages kommen zu lassen. Die Auflösung des Pankower Wahlvereins werde von den Pankower Genossen für unberechtigt gehalten. Sie wünschen, daß dies offen anerkannt werde. Die besten Kräfte in Pankow ständen jetzt abseits der Organisation oder sie beteiligten sich doch nicht an den Parteiarbeiten. Das seien Genossen, die nicht etwa zu den Freunden Röders gehören, sondern nichts von ihm wissen wollen. Wenn es so weiter gehe, werde es nicht möglich sein, bei der nächsten Wahl eine Bezirksleitung in Pankow zusammen zu bringen und die Pankower Bezirksorganisation müßte dann kommissarisch verwaltet werden. Die Annahme der Resolution würde den Frieden in Pankow wieder herstellen. Massa rechtfertigte die Haltung der Parteitagsdelegierten. Die Zurückziehung des Niederbarnimer Antrages habe mit seiner Stellung zu der Pankower Angelegenheit selbst nichts zu tun. Da die Kreisversammlung seinerzeit die Auflösung des Pankower Wahlvereins als berechtigt anerkannt habe, liege ein Beschluß der Kreisorganisatwn vor, wonach die Auflösung des Bezirksvereins ausgesprochen worden sei. Nachdem der Parteitag sich auf den Standpunkt gestellt habe, daß die Beschlüsse der Kreisorganisation für die Bezirksorganisationen bindend seien, sei der Niederbarnimer Antrag tatsächlich erledigt gewesen und konnte zurückgezogen werden. In der mehrstündigen Diskussion zeigten alle Redner das Be- streben, dem endgültigen Frieden in Pankow die Wege zu. ebnen. Viele stimmten auch dem Pankower Antrage teilweise zu. Andere Redner hatten Bedenken gegen die Form des Antrages, namentlich gegen die ausdrückliche Zurücknahme des ftühcren Generalver- sammlungsbeschlusses. Im Laufe der Debatte gingen noch sechs verschiedene Anträge zu dieser Angelegenheit ein. Nach Schluß der Debatte erklärte Liesegang, der Kreisvorstand sei für die An- nähme der Pankower Resolution, zu der er eine kleine Aenderung vorschlug. Als der Kreisvorstand die Auflösung des Pankower Vereins aussprach, habe er diese Maßnahme im Parteiinteresse für notwendig gehalten. Jetzt dagegen könne er den Pankower Ge- nossen, welche die Auflösung für einen Fehler halten, nicht Unrecht geben. Die Pankower Resolution wurde schließlich nach einigen Aende- rungen in folgender Fassung mit allen gegen 13 Stimmen an- genommen: Die heutige Generalversammlung spricht ihr Bedauern aus über das Verhalten der Niederbarnimer Delegierten auf dem Parteitage in Leipzig gegenüber dem vom Kreis Niederbarnim gestellten Antrag 9, der bezweckte, eine Entscheidung des Partei- das Maismehl möglichst auszunutzen. Die Herstellung erfolgt in vier verschiedenen Phasen. Zunächst wird das Gelbei bereitet aus einer Mischung von Maismehl, Getreidestärke, Oel und ver- schiedenen anderen Ingredienzien, die dem Gelb eine große Aehn- lichkeit mit dem natürlichen Eigelb geben. Diese dicke Masse erhält durch eine Maschine eine gerundete Form und wird dann mit einer weißen Schicht umgeben, die wie das Naturei aus Eiweiß besteht. Die Substanz wird hart und erhält nun eine ovale Form. Durch eine dritte Prozedur erhält das so geformte Ei eine zarte Haut aus Eiweiß und wird dann durch eine besondere Maschine mit eine Gipsschale umgeben, die nur wenig dicker ist als die natürliche Eierschale. Das Ganze wird einer plötzlichen Erhitzung ausgesetzt, toobei die Schale sogleich trocknet und das Innere schnell fest wird. DaS Produkt steht ganz so aus wie ein natürliches Ei. schmeckt recht gut und ist auch sehr gesund; es läßt sich gut transportieren und besitzt als billigstes Nahrungsmittel in Amerika eine gewisse Beliebtheit, die sich immer mehr verbreitet. Humor und Satire. Schückings Abschied. Heilig, heilig ist der Landrat. hüte dich vor seinem Zorn, weil er eine mächt'ge Hanb hat, so von hinten wie von vorn: Kann er dich nicht offen fällen. weil du brav und engelrein, nun, so weiß er dir zu stellen— irgendwo und-wann ein Bein. Bfft du etwa Bürgermeister, glaube nicht, du sei'st etwas, denn auf deine Würde schmeißt er wie vom Dach der Vogel'was. Viele wandeln ja auf Erden, die man Bürgermeister nennt, aber Landrat' kann nur werden Adel, Leutnant, Korpsstudent. Hüte stets dich vor Verneinung. wo der Landrat Ja gesagt, habe keine eigne Meinung, denn sonst wirst du angeklagt und entlassen:„Scher dich fort, Hund, denke ja nicht an Pension I"... Und als Rechtsanlvalt in Dortmund singst du mit gedämpftem Ton: tage» darüber herbeizuführen, ob ein K r e i s wahlvcrein einen Bez i r k s wahlverein auszulösen berechtigt sei. Die Zurückziehung dieses Antrages widerspricht nicht nur dem Willen der Generalversammlung vom 1. August d. Js., sie ist auch geeignet, die Wiedergesundung der Pankower Partei- Verhältnisse erheblich zu beeinträchtigen. Nachdem infolge der Zurückziehung des Antrages ein Par» teilagsentscheid in dieser Frage nicht getroffen werden konnte, sieht sich nunmehr die heutige Generalversammlung veranlaßt, den Beschluß der Generalversammlung vom 28. Februar d. Js., der hervorgerufen war durch die Maßnahmen der damaligen Pankower Ortsleitung, zu revidieren und die Maßnahme der Auflösung des früheren Pankower Wahlvereins für einen Miß- griff der damaligen Kreisleitung zu erklären. Hierauf wurde noch ein Antrag des Genossen Bühl er an- genommen, welcher besagt, damit der Branntweinbohkott wirksam durchgeführt werde, erwarte die Generalversammlung, daß der Zentralvorstand von Groß-Berlin ein aufklärendes Flugblatt in dieser Angelegenheit herausgebe. Damit war die Tagesordnung erledigt. Der Vorsitzende Brühl schloß die Versammlung mit der Bemerkung: Er könne die Verhandlungen dahin resümieren, daß alle Delegierten mit den Beschlüssen des Parteitages einverstanden sind und für die Durch- führung derselben wirken werden. Er hoffe und wünsche, daß, nachdem die Pankower Resolution angenommen wurde, nunmehr geordnete Verhältnisse in Pankow eintreten werden, und daß jeder Genosse sich sage, die Wünsche des Einzelnen müßten zurücktreten hinter den Interessen der gesamten Partei. vom vlertrieg. Dortmund . Der Bierkrieg ist in Dortmund in eine neue Phase getreten. Die Brauereien haben mehreren an den großen industriellen Werken gelegenen Wirten die Lieferung des Bieres entzogen, weil die Wirte zu den alten Preisen verkauften. Der Genuß alkoholfreier Getränke ist in den Wirt- schaften hierdurch erheblich gestiegen. Die Wirte haben die Schilder der Brauereien entfernt und dafür Schilder alkoholfreier Getränke angebracht. Frankfurt a. M. In sieben Versammlungen der Parteiorganisation von Frankfurt a. M. wurde mit 2658 gegen 1854 Stimmen der verschärfte Bierbohkott ausgesprochen. Das Abkommen der Parteifunktionäre mit Brauereien und Wirten(ein Pfennig Er- höhung für drei Zehntel und vier Zehntel) wurde abgelehnt. Bei der Abstimmung wurden die Stimmen in sämtlichen Versamm- lungen gezählt._ ßeamtenlsorruption. Ein großer Bestechungs- und Aktenunterschlagungsprozeß be- schäftigte drei Tage lang die 3. Strafkammer des Landgerichts Köln . Die Verhandlupgen deckten ein ungeheuerliches Bild von Beamte nkorruption auf. Der Rechtskonsulent S. Rosen bäum war der Beamtenbestechung und der Unter- schlagung angeklagt. Neben ihm saßen mehrere Polizei- und Gerichtsbeamte, die ihm gegen Entgelt gewohnheitsmäßig Akten und behördliche Verfügungen überbrachten. Die vier an- geklagten Beamten waren aber nur ein Teil derjenigen, die den Rechtskonsulenten regelmäßig bedienten. Mehrere Zeugen bekundeten, daß viele Beamte ständig bei Rosenbaum verkehrten. Sie alle hatte der Rechtskonsulent in der Tasche. Ein Polizei- beamter erklärte:„Rosenbaum kannte die ergangenen Verfügungen eher als wir". Gerichtsakten lagen bei ihm nur so herum. Er brauchte es nur zu wünschen und schon brachten ihm Gerichtsdicner die Akten, deren er bei seiner Berufstätigkeit be- durfte. Wollte er einen„Klienten" im Gefängnis besuchen, so konnte er sich einen der von dem zuständigen Richter blanko unterschriebenen Scheine beschaffen. Als ein Verurteilter seine Strafe nicht zahlen konnte, wurden die Akten einfach tagelang verlegt. Ein Zeuge er- klärte, es sei üblich gewesen, Akten zu verlegen, um eine Sache hinzuziehen. Rosenbaum hat sich gerühmt, mit den Akten der Polizei könne er machen was er wolle; in Köln könne nian jeden Beamten für einen Taler in die Tasche stecken. Rosenbaum war die Ausübung seines Berufes untersagt. Er hielt sich deshalb einen ehemaligen Staatsanwalt und einen früheren Landgerichtsrat als Strohmänner, die er natürlich dafür entschädigen mußte, obwohl R. die Arbeit selbst machte. Die ihn oft treffenden Geldstrafen bezahlte er nie recht- zeitig. Wenn dann gegen ihn ein Haftbefehl erging, war er nie zu Heilig, heilig ist der Landvat, So von hinten wie von vorn, weil er eine mächt'ge Hand hat, hüte dich vor seinem Zorn! Franz. Notizen. — Neue Freie Volksbühne(Metropol-Theater).„L u m- pacivagabundus." Zauberposse mit Gesang in drei Aufzügen von Joh. Nestroy. Daß es die Aufgabe eines Instituts ist, wie die Neue Freie Volksbühne, das sich die Devise„Die Kunst dem Volke!" gesetzt hat, diese alte Nestroysche Zauberposse ihren Mitgliedern vorzusetzen, das möchte ich verneinen. Wenn sie es aber tut, dann müßte sie wenigstens für eine andere. besser ausgereifte Darstellung sorgen, als sie im Metropol-Theater geboten wurde. Allerdings, das liederliche Kleeblatt(Julius W i l l h e i m, Josef Giampietro und Martin K e t t n e r) war köstlich. und daneben gab's noch einiges Erfreuliches, wie die famose Wirtsfigur, die Herr Hugo Hummel auf die Beine stellte. Aber schlimm war das Vorspiel im Geisterreich und arg ins Milieu des Metropol-Theaters übersetzt der Auftritt beim reichgewordenen Schneidergesellen, wobei nicht zu verkennen, daß im Rahmen dieses Milieus die Damen Margarete Binde und Ida Perry sehr hübsch und pikant tanzten und sangen. Kurz— so herzlich auch gelacht wurde, eine einheitlich befriedigte Stimmung ließ die Vorstellung nicht aufkommen. It. — Die Dolomiten, jene wilde Bergkette der süptiroler Alpen, bringt der neue Lichtbildervortrag der Urania in Wort und Bild zur Anschauung. Farbige Naturaufnahmen, die prächtig geraten sind, führen das Publikum auf der erst in diesem Jahre fertig gewordenen neuen Dolomitenstraße, einer glänzenden Leistung der Wegebautechnik, von Bozen aus durch das ganze Gebiet der Dolomiten und lassen eine Fülle von Naturschönheiten vor dem Blicke des Zuschauers vorüberziehen. Mit Staunen sieht man die wilden FelS- höhen dieses Gebietes zu den Wolken emporragen; der Langkofel, der Rosengarten, der Antelao, und wie sie alle heißen, die furchtbaren Berghäupter der Dolomiten, tauchen auf und werden einem etwa? mehr als bloße Namen, mit denen sich keine Vorstellung ver- knüpfen läßt. Herrliche Gebirgsseen, der Karer-, der Misurina-, der Dürren-, der Pragser Wildsee , entzücken durch ihre großartige lim- gebung das Auge, und besonders der Karer-See, durch sein wunderbare? Farbenspiel. Der begleitende Vortrag sagt das Nötige zur Erläuterung der Bilder und läßt höchstens das zu wünschen übrig, daß die Sprache mitunter etwas reichlich blumig und hochtrabend ist und vielleicht mit Vorteil hier und da von dem poetischen Pegasus zu dem SchusterSrappengang gewöhnlicher Redeweise sich herabließe. Im ganzen aber darf die Vorführung als wohlgellMgeu und der: reiche Beifall als wohlverdient bezeichnet werden.— y,
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