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®rleiilitnl8> fcaft«t von den industriellen Verhältnissen auch kein Verständnis besitzt� die ganze Negelnng den Verwaltungsorganen. Und nun waltet der heilige Bureaukratius seines AmteS, am schlimmsten in Preußen und in Sachsen . Nach einer Mtteilung der Dresdener Handelskammer betrug der Lohnausfall in den sächsischen Zigarrenfabriken vom Ib. bis 30. August schon 8 b 000 M. z doch eine Unterstützung aus dem Viermillionensonds haben die arbeitslosen Tabakarbeiter bis setzt noch nicht erhalten. Die hellen sächsischen Beaniten er. strecken ihre Ermittelungen nämlich auf alle Dinge, auch aus solche, die sie gar nichts angehen. In Dresden wurde U- a. ein Tabak- arbeiter. der schon dreißig Jahre verheiratet ist. befragt, ob er seine Wohnungseinrichtung schon bezahlt, ob er Schulden habe, ein anderer Verheirateter, ob er Alimente zu zahlen habe, ein dritter. ob er ein Sparkassenbuch besitze usiv. Natürlich werden die vom Bundesrat erlassenen, äußerst un- klaren Ansfiihrungsbeslimmungen von den Zollbehörden ganz ver- schieden ausgelegt, aber bei allen waltet die Tendenz ob, so wenig wie nur irgend möglich zu zahlen. Arbeiter, die in Zigarrenfabriken Zigarrenkisten bekleben, sind nach der Entscheidung des Hauptzollamtes keine Tabakarbeiter. Sie erhalten daher keine Unterstützung. Ausländer, denen man anfänglich anstands- los in Altona Unterstützung gewährt hat, erhalten jetzt nichts mehr. selbst dann nicht, wenn sie schon 10 bis 20 Jahre ununterbrochen in Deutschland im Tabakgewerbe arbeiten. Ist ein Arbeiter vom 1. Juli 1003 bis zum 30. Juni 1000 krank, arbeitslos oder beim Militär gewesen, so berechnet die Behörde seinen Verdienst nur für die Zeit, in der er gearbeitet hat, teilt diese Summe durch 52 Wochen und zahlt ihm hiervon drei Viertel. So erhalten die schwächlichen Personen, die Kranken, die Krüppel vielfach nur den vierten Teil von dem, was ihre körperlich gesünderen Kollegen erhalten, eine Härte, wie sie grausamer gar nicht gedacht werden kann. ZigarrenhauSarbeiter, die Hilfsarbeiter beschäftigen, versucht man in Altona völlig abzuschieben, indem man ihnen die Eigenschaft als selbständige Gewerbetreibende andichtet. Ist der Unterstützungsanspruch eines Tabakarbeiters anerkannt und erhält er zeitweilig wieder Arbeit, so wird ihm in Bremen die Summe, die er während dieser Zeit über den festgestellten Unterstützungsanspruch hinaus verdient, in der nächsten Woche, in der als Arbeitsloser auf Unterstützung wieder Anspruch macht, ohne weiteres wieder abge- zogen. Durch- diese Methode wird bald die Mehrzahl der Tabak- arbeiter dauernd ein Viertel, die Kranken und Krüppel je nach der Dauer ihrer Erwerbslosigkeit bis zu drei Viertel von ihrem bisherigen Verdienst einbüßen müssen. Auch zieht man in einigen Orten Deutschlands Tabakarbeiter zu Llrbeiten in anderen Berufen heran, die zu ihrer Körperkonstitution in schreiendem Widerspruch stehen: das Amt Ennigloh bei Bünde in Westfalen versuchte sogar die arbeitslosen Tabakarbeiter zu verpflichten, Streikarbeit anzunehmen, bei einem Bremer Zigarrenfabrikanten, der die jetzige Notlage der Ar- bester zu erheblichen Lohnreduktionen ausnutzte. Aus allen Distrikten Westfalens vernehmen wir den Notschrei der Tabakarbeiter, dieselben entsetzlichen Klagen kommen aus Baden und aus den übrigen Jndustriegegenden.und dabei ist doch alles erst der Anfang. Alle Industriellen sind sich darüber einig, wenn die Wcihnachtsarbeit fertig ist. wenn erst die vollen Wirkungen des Ge- setzes zutage treten, wird der Rückgang des Konsums noch weit größer sein. Höchstenfalls bis zu Weihnachten er- klären die Zollbehörden wird der Viermillionensonds reichen. Was dann? Selbst wenn der Reichstag mehr bewilligt, wird der Bundesrat dem zustimmen? Die jetzige rigorose Handhabung der Unterstützungsbestimnumgen läßt nicht darauf schließen. Was Not, was Elend der Tabakarbeiter.das Reich braucht Geld!" All; den Matterhöhlen des Zaren! Vor einigen Wochen ging die Nachricht durch die russische Presse, daß der politische Gefangene S s o k o l o w im Gefängnis zu B a l a s ch o w Selbstmord verübte, indem er sich mit dem Kopfe voran in den Unratkübel stürzte. Ein Augenzeuge dieses entsetzlichen Vorfalles schreibt darüber folgendes:.Ende Juli ertrank in der Tat der Gefangene Ssokolow in dem Unratkübel in der Zelle. Das geschah folgendermaßen: Das Gefängnis in Balaschow ist überfüllt. Der Typhus und andere Krankheiten wüten dort furchtbar. Die Krankel, sind zusammen mit den Gesunden placiert. Eine Krankenpflege ist nicht vorhanden; der Feldscher, der die Zellen täglich aufsucht, betrachtet alle Kranken als Simulanten. Die Kranken werden gezwungen, stch ohne fremde Hilfe zum Schmutzkübel zu schleppen. Der kranke. kaum lebende Mensch schleppt sich irgendwie dort hin und sinkt dann zu Boden. Man muß annehmen, daß der kranke Gefangene Ssokolow auf diese Weise in den Schinutzkübel stürzte und ums Leben kam. Die Gefangenen im Balaschower Gefängnis müßten eigentlich unter diesen Bedingungen taglich zu Dutzenden sterben, und es ist nur einem glücklichen Zufall zuzuschreiben, daß täglich nicht mehr als ein Toter gezählt wird.- Die hier geschilderten Zustände bilden keineswegs eine Ausnahme- erscheinung. Die Interpellation, die unsere Genossen in der Duma wegen der Greuel in den russischen Gefängnissen einbrachten, enthält zahlreiche Beispiele der unmenschlichen Behandlung, der nicht nur die gesunden, sondern auch die kranken Gefangenen ausgesetzt werden. Da wird geschildert, wie die G e i st e s k r a n k e n zuerst im Karzer .kuriert- und dann in der gemeinschaftlichen Zelle an ihrem Bett angeschnallt werden, wo sie sich in ihren Exkrementen wälzen «nd wütend um sich schlagen: wie die S ch w i u d s ü ch t i g e n vor den Augen ihrer Genossen dahinsiechen und in ihren Fesseln sterben: wie die Skorbut - und TyPhuskranken sich, an Händen und Füßen gefesselt, auf ihrem Lager wälzen. Der Genosse K u s n e tz o w führte in der Duma ei» Beispiel an, daß sich ein Gefangener in Nikolajew , der um seine Ueberführung nach dem Spital bat, beide Augen ausstechen mußte, ehe man seinen Wunsch erfüllte. Und noch unlängst wurde demProletarier" aus Ekaterinoslaw geschrieben, daß die Gefangenen im dortigen Gefängnis, wo ein Drittel aller Internierten am Typhus daniederliegt, sich glücklich schätzen, wenn sie in die Typhusbaracken übergeführt werden. Jeden Abend, schreibt der Korrespondent, kann man in den Straßen, die aus dem Gefängnis zur Typhusbaracke führen, folgendes Bild beobachten: Auf einem Wagen, der früher zur Aus- fuhr von Schutt und Unrat diente, liegen einer über dein anderen kranke Gefangene, mit Matten und Lumpen bedeckt; die Köpfe einiger von ihnen schlagen hilflos gegen die Räder, und auf dem Bock sitzt ein Gefangenaufseher und knackt gleichmütig Sonnen- blumenkerne. Aber die Gefangenen betrachten es als ein Glück für sich, auf diesen Wagen zu geraten, denn er bringt sie nach der �yphusbaracke, wo wenigstens sich sin Feldscher befindet, während die meisten von ahnen in den überfüllten Gefängniszellen zurück- bleiben, wo sie erkrankt sind." Aber mich in den Gefäpgnisspitälern werden die Greuel fort- gesetzt. Wir wissen aus dem erschütternden Briefe deS früheren Dumaabgeordneten L o m t a t i d s e, welchen entsetzlichen moralischen Martern die Gefangenen im Gesängnisspital zu Sebastopol aus- gesetzt werden, bor deren Fenstern sich die Hinrichtungen abspielen. In den Spitäler» herrscht uneingeschränkt die Faust und die Knute, und in den meisten Fällen spricht die Behandlung der Kranken den elementarsten Forderungen Hohn. Im Rigaer Zentralgefängnis müssen sich die Kranke» beim Erscheinen der Mitglieder der Gefängnisadmini- stration in Reih und Glied ausstellen und sie laut begrüßen. Bei dem ge- ringsten Vergehen gegen die Subordination werden dt» Kranken in den Karzer geschleppt oder gar in die allgemeine Zelle zurückgeschickt. Es kommt häufig vor, daß diese Gefangenen nach einigen Tagen als Schwerkranke in das Spital zurückgeschafft werden müssen. Be- zeichnend ist ferner folgender Vorfall in Ekaterinoslaw, Als»in Gefangener aus der Typhusbaracke entfloh, befahl die Administration, allen übrigen Kranken zur Strafe das Essen fortzunehmen und es unter den Dragonern zu verteilen, die die Baracke um- zingelt hatten. Es versteht sich von selbst, daß auch die kranken Gefangenen in den Spitälern von he» meuchelmörderischen Schüssen der Schild- wachen nicht verschont werden. So wurde noch vor kurzem im Rigaer Zentralgesängnis die Genossin Emma P o d s i n(Mlda Ritter) meuchlings ermordet, als sie an dys Fenster des Gefängnis- spital? trat._ poUtifcbe dcberltcbt . Berlin , den 80. September 1009. Die letzten der neuen Steuern. Morgen, am 1. Oktober, treten die letzten der neuen Steuern in Kraft, die in seiner Fürsorge für dasVolks- wohl" der konservativ-klerikale Block bewilligt hat, nämlich die Branntweinsteuererhöhnng, die Zündwarensteuer, die Steuer auf Belenchtnngsgegenstände und die Scheckstcmpelsteucr. Di» Branntweinsteuererhöhung setzt die Ver- brauchSabgabe von der innerhalb des Kontingents hergestellten Alkoholmenge von 60 auf 105 Pf. für das Liter, von dem außer- halb des Kontigents hergestellten von 70 auf 125 Pf. hinauf. Zu- gleich erfährt der Einsuhrzoll für ausländische Fabrikate ein? wesentliche Erhöhung. Branntwein und Fabrikate daraus, die sich am 1. Oktober in Höhe von mehr als 20 Liter im Besitze von Gewerbetreibenden oder in Höhe von mehr als 10 Liter in Haus- Haltungen befinden, müssen mit 35 Pf. für das Liter Alkohol nach- versteuert werden. Die Steuer auf Beleuchtungsmittel belegt die Glühkörper zu Gasglühlichilanipen mit 10 Pf. für das Stück; die Brennstifte zu elektrischen Bogenlampen werden für Stifte aus reiner Kohle mit 60 Pf. und für Stifte aus Kohle mit Leuchtzusätzen mit 1 M. für das Stück versteuert. Brenner zu Ouccksilber- dampf- und ähnlichen Lampen werden mit 1 M. Steuer für das Stück belegt. Bei elektrischen Glühlampen und Brennern zu solchen wird die Steuer nach der Wattstärke und der Beschaffenheit abgestuft. Der Mindestsatz ist 5 Pf. bei Kohlenfadenlampen bis zu 15 Watt; bei solchen von 101 bis 200 Watt beträgt der Satz bereits 50 Pf. und steigt dann bei je 100 Volt um 25 Pf. Metallfaden- lampcn, Nernstlampen usw. zahlen die doppelte Steuer. Alle am 1. Oktober im freien Verkehr befindlichen BeleuchtungSmittet müssen nachverstenert werden, die in Hanshaltungen befindlichen bleiben frei. Die Zündwarensteuer beträgt bei Zündhölzern für die Schachtel mit weniger als 30 Stück 1 Pf., mit 3100 Stück l'/z Pf., mit mehr als 60 Stück l'/a Pf. für je 00 Stück oder einen Bruchteil davon. Stearin- und Wachsstreichhölzer zahlen für je 20 Stück oder einen Bruchteil davon 5 Pf. Für alle am 1. Oktober im freien Verkehr vorhandenen Vorräte ist die Nach- bcsteuerung vorgesehen, während die in Haushaltungen vor- handenen von der Steuer befreit bleiben. Der S ch e ck st e m p e l, der sich auch auf Quittungen auf Geldsummen erstreckt, die ans Depositenguthaben gezahlt werden, betrögt 10 Pf. für den Scheck usw. Die Steuer trägt der Empfänger des Geldes oder Schecks. Inländische Postschecks mid Schecks, die dem Wechselstenipel unterliegen, bleiben stenerfrei. Kennzeichnend für die bureaukratische Wirtschaft im Finanz» Ministerium ist übrigens, daß man dort ganz übersehen hat. zur richtigen Zeit Scheckstempclmarken herstellen zu lassen und in den Verkehr zu bringen. Die Nichterfüllung der Ver- pflichtung zur Entrichtung der Stempelabgabe wird mit einer Geldstrafe bis zu 20 M. bedroht. Das preußische Finanzministerium, das die Ausführung des Scheckstenipel- gesetzes zu bewirken hat. hat aber vergessen, diese Stempel- marken rechtzeitig in genügender Anzahl herstellen zu lassen, so daß in Berlin solche Stempelmarken nur auf dem Hauptzollamt, nicht aber bei den amtlichen Stempelverteilern zu haben waren. Daß sich dieser- halb in der Geschäftswelt eine große Mißstimmung geltend macht, ist nach Lage der Sache begreiflich. Wenn der Staat aus dem Checkverkehr Geld ziehen will, dann muß er doch mindestens Vorsorge treffen, daß die Einziehung des Geldes zu dem bestimmten Termin auch möglich gemacht wird. Taktlos und beleidigend. Als ReichStagSkandidat für Halle-Saalkreis hat Herr R e i m a n n in seiner Jungfernrede das liberale Kriegsbeil gegen die Agrarier geschwungen und damit bei dem Bund der Landwirte arg angeeckt. Jnsolgedeffcn trat in letzter Stunde der konservative Verein des Wahl- kreises nochmals zusammen und beschloß trotzdem nach sehr lebhafter Debatte, worin das Auftreten des freisinnigen Kandidaten R e t m a n n gegen die Agrarier in der jüngsten Einführungsversammlung als takt- l o s und beleidigend erklärt wurde, mit allen gegen eine Stimme Unterstützung des Freisinns gegen die Sozialdemo- kratie in Stadt und Land. Hoffentlich entspricht die Größe dieser Unterstützung der Stärke der agrarischen Begeisterung für die liberale Sache. Dabei könnte Herr Reimann zu der Einsicht gelangen, daß die Schlacht ohne die Agrarier schon vor ihren: Beginn für seine Partei verloren sein müßte. Kurz, ein Krüppel hat keinerlei Veranlassung, die eigene Krücke zu schmähen._ Eine Stilübung a la Reichsverband leistet sich dieBerliner Volkszeitung- bei der Berichterstattung über unsere Berliner Parteiversammlnngen vom Dienstag. In dem Bericht des»Vorwärts- über die Versammlung im vierten Kreise heißt es: » H a ck e l b u s ch beklagt es auch, daß diesmal die Berichte desVorwärts" zu kurz und mangelhaft aeiuesen seien. Da für das Protokoll doch ein neuer Satz hergestellt werden müsse, so seien wahrscheinlich die Unkosten eher größer als sonst, und die Befürchtung am Platz, daß daS Protokoll noch teurer werde als in den letzten Jahren." Aus diesem Bericht geht deutlich hervor, daß Hackelbusch die Kürze der Berichte, die er beklagt, hauptsächlich ans dem Wunsche nach Kostenersparnis herleitet. Er war offenbar davon unterrichtet, daß neben dem Wunsch der Redaktion, das Blatt nicht stofflich zu überlasten, auch die Kostenfrage bei der kürzeren Anlage der Berichte mitgesprochen hat.' WaS macht nun dieVolks-Zeitung- aus seinen Ausführungen? Sie setzt diese ihren Lesern so vor: Im 4. Wahlkreis beklagte man sich über die Berichte des Vorwärts" vpm Parteitag. Diese seien kurz und mangelhaft gewesen, da das Blatt das, waS ihm nicht in den Kram paßte, weggelassen habe." Der ganze Bericht derVolks-Zeitung- ist auS dem ausführ- sicheren desVorwärts- zusammengestrichen. Zum Dank dafür, daß wir es ihm so bequem geboten habe», verdächtigt das Blatt die Quelle, aus der es selbst schöpft I Die einzige journalistische Zutat derVolks-Zeitung" zu dem Tatsachenmaterial desVorwärts" ist »ine Fälschung! Skrupelloser kann man wohl nicht sein. Vor diesem demokratischen Schelmenstückchen muß selbst der Reichs-Lügenvekband die Segel streichen!_ Bayerischer Nationalliberalismus, Der Fall Casselmann, über den wir in Nr. 2Z1 desVorwärtS- berichteten. entwickelt sich mehr und mehr zu einer Hanswurstiade. die die Skrupellosigkeit und innere Verlogenheit des bayerischen Nationalliberalismns in schönster Beleuchtung zeigt. Nicht Herr Casselniann, dessen Theorie und Praxis in einem so seltsamen Ein- klang mit einander stehen, wird von den Größen des bayerischen NatipnalliberalismuS abgesägt, fondern die jungliberalen Führer, die die Redensarten des Herrn Casselniann im bayerischen Landtage ernst genommen und sich gegen sein Verhalten erklärt haben. Der ge« schäftsführende Ausschuß der nationalliberalen Landespartei in Bayern hat nämlich demverehrten Parteifreu nd" Dr. Casselmann seinungeschmälerles Vertrauen" aus- gesprochen und zugleich einstimmig beschlossen, den Führer der Jnngliberalen, Hübsch- Nürnberg, der aus der jungliberalcn Tagung in Roth den«verehrten" Parteifreund Casselmann unsanft angegriffen hatte, wegen Schädigung der national- liberalen Partei aus deren Listen gestrichen. Auch die liberale Landtagsfraltion hat in ihrer gestrigen Sitzung eine Ver» trauenskniidgebung für den Abgeordneten Casselmann beschlossen. Das Verfahren ist charakteristisch für den Nationalliberalismus, dessen Presse sich noch kürzlich über die angebliche Intoleranz in der sozialdemokratischen Partei entrüstete. Wegen Verletzung der poli- tischen Grundsätze kann allerdings kein Mensch ans der national- liberalen Partei ausgeschlossen werden, da dieses seltsame Partei- gebilde keine Grundsätze hat; wer sich aber gegen die heilige Autorität derverehrten" Parteihäuptlinge auflehnt, mögen diese auch noch ein so falsches Intrigenspiel treiben, der fliegt. Die Judustricbeamten«nd der Hansabund. Die Erkenntnis, daß der Hansabund ausschließlich die Vertretung der Unternehmcrinteressen bezweckt, dringt in immer weitere Kreise. Auch die Ortsgruppe Bremen des Bundes der technisch- i n d u st r i e l I e n Beamten hat ihren Austritt aus der Bremer Ortsgruppe des Hansabundes erklärt. Sie motiviert diesen Schritt i« einer längeren Veröffentlichung. Es heißt darin: Die Leitung des Hansabundes, die sich trotz aller entgegen- gesetzten Behauptungen in den Händen der Großindustrie und des Großkapitals befindet, glaubt die Interessen von Angestellten und Arbeitgebern am besten gewahrt, wenn sie eine möglichst auto» kratische Satzung schafft. Wir müssen sagen, daß der Leitung dieses meisterhaft gelungen ist und daß der Zweck, den An- ge st eilten keinen nennenswerten Einfluß ein- zuräumen, vollständig erreicht ist.... Bei dein jüngsten Konflikt der technischen Angestellten mit der Maschinenfabrik ÄugSbnrg, die einen Ingenieur knndignngSlos entließ, weil er durch das Vertrauen seiner Kollegen in den Angestelltenausschuß der Angsburger Handels- k a m m e r gewählt war, hat sich gezeigt, daß selbst die Maschinenfabrik Augsburg, deren Generaldirektor Dr. v. Riepe! im Gesamtansschub des Hansabniidcs sitzt, für diese von der bayerischen Staatsregierimg im gemeinsamen Interesse von Unternehmern und Arbeitnehmern ge- schaffene Instanz kein Verständnis hat. Daß der Hansa- bnnd gegenüber dieser Handlungsweise der Maschinenfabrik Augsburg nicht ein Wort der Mißbilligung ge- snnden, ist für uns ein weiterer Beweis dafür, daß die geistigen Väter des Hansabnndes nicht die Objektivität und Vorurtcilslvsig- keit besitzen, die man nach den programmatischen Erklärungen er- warten durfte." Der Katzenjammer ist dem Hansabnnd-Ransch schnell gefolgt. Hoffentlich sehen die Angestellten allmählich nicht nur ein, wo ihre Interesse» nicht vertreten werden, sonder» auch, wo sie allein nach- drücklich wahrgeliommen werden. Aus dem bayerischen Landtag. München , 20. September. Der Landtag wurde heute eröffnet. Haus und Tribünen zeigten volle Besetzung. Der Präsident begrüßte in üblicher Weise die Abgeordneten, warf einen kurzen Rückblick auf die schöne Pfalzreise und beglückwünschte ein Mitglied, das es vierzig Jahre im bayerischen Landtageansgehalten" habe. Die nun folgende Budgetrede des Finanzministers einwarf ein recht dunkles Bild von den bayerischen Finanzen. Dasselbe Bild wie im Reich und in den übrigen Bundesstaaten: Steigende Aus- gaben, ganz besonders für die Beamtenanfbesserungen und- ein Zurückbleiben der Einnahmen aus den Verkehrsanstalte», namentlich der Eisenbahnen. Der dadurch entstehende Fehlbetrag ist für bayerische Verhältnisse außerordentlich groß. 28 Millionen Mark. Er soll beseitigt werden durch eineReform- des Gebührenwesens, eine bedeutende Erhöhung der Bier st euer und eineErhöhung der direkte»Steuern um 20 P r o z. Zu der ungeheuerlichen Belastung durch die neuen Reichsstcnerit tritt also eine sehr große Belastung durch den bayerischen Staat, die um so drückender einpsunden werden wird, als unser System der direkten Steuern ebenso alt als sozial ungerecht ist. Die große Erbitterung im bayerischen Volk infolge des 500 Millionenranbcs wird durch die Budgetrede des Finanzministers eine weitere Steige- rung erfahren._ Kapitalistische Kolonialpolitik. Erst kürzlich berichteten wir über die Grausamkeiten, deren sich eine englische Gesellschaft für Kautschukgemmnung in Peru gegen die unglücklichen Eingeborelten zuschulden kommen ließ; jetzt veröffentlicht Herr Morel, der sich schon oft um die Aufdeckung der skandalösen Ausbeutniigswirtschaft im K o n g o st a a t verdient gemacht hat. in denDaily NcluS" Berichte von Augenzeugen über die Greuel, die die Belgier dort verüben. Es»verden da folgende Schändlichkeiten be- richtet: Hunderte Männer, Frauen«nd Kinder wurden Ott» b r a n n t. Andere Frauen wurden mit Stricken aneinander ge- fesselt und dienten als lebendige Schießscheiben für die Revolver- schießübnngen der belgischen Beamten der Gesellschaften, die das Kongogebiet ausbeuten. Viele Eingeborene wurden für die ge- ringsten Vergehungen mit Peitschenhieben bestraft. Manche erhielten bis' zu hundert Streichen am Tage. Ein Häuptling, der sich weigerte, der Gesellschaft Copalharz zu liefern, wurde an Händen und Füßen aufgehängt und auf seine Brust ein Gewicht von 70 Psnnd gelegt. In dieser Lage mußte er die ganze Nacht und zwei Tage zubringen. Infolge der furchtbaren Marter ist der Mann gestorben. Seine Frau wurde lebendig be» graben. Ganze Dörfer der Eingeborenen sind im Auftrage der Beamten der Gesellschaft niedergebrannt, die Bewohner mit nägeldurchflochteuen Peitschen geschlagen und aus die furcht-