Freisinniges.Am 1. Mai war den Genossen des im Wahlkreise Nordhausen-Grafschaft Hohenstein liegenden Städtchens Ellrich verbotenworden, den alljährlichen Ausflug in den Stadtwald zu unternehmen.Das Verbot hatte die seltsame Begründung, daß infolge deram Orte bestehenden Arbeitslosigkeit durch denAusflug Erbitterung wachgerufen und die öffent-liche Ruhe und Ordnung gestört werden könnte.Einem Gesangverein wurde bei einer Fahnenweihe im Juli d. Js.polizeilich untersagt, rote Abzeichen zu tragen. UnserNordhäuser Parteiorgan, die„Nordh. Volksztg kritisierte diese Polizei-lichen Maßnahmen und machte auch die fteisinnigen Stadtverordneten— in Ellrich sind mit wenigen Ausnahmen alle Stadtverordnete»Wiemerianer— dafür verantwortlich, daß sie es nicht der Mühe fürwert hielten, die Polizeiverwaltung zu interpellieren und zu ver-langen, daß die Arbeitervereine nicht anders behandelt würden wiedie bürgerlichen Vereine am Orte. Nach öfteren Anbohrungen desNordhäuser Parteiblattes brachen die fteisinnigen Stadtväter und derBürgermeister als Polizeidezernent Ellrichs ihr Schweigen undäußerten sich am Montag dieser Woche zu der Angelegenheit.Die Debatte war bezeichnend für den Ellricher Freisinn und fürdie Stellung der Polizeiverwaltung zur Arbeiterbewegung. DerStadtverordnetenvorsteher, ein Oelmühlenbesitzer namens Holz-hausen, machte dem fteisinnigen Stadtkollegium alle Ehre durchdie Erklärung, aus staatserhaltendem Interesse undunter Wahrung des Regierungsstandpunktesmußte die Polizei allen Vereinigungen, welche ver-suchten die bestehende staatliche Ordnung um-zustürzen, besondere Maßregeln auferlegen.Und der Herr Bürgermeister, ein ftüherer Fregatten-kapitän Schaumann, sagte, daß er es sich zur Pflichtgemacht habe, Vereinigungen, die die staatlicheOrdnung untergrüben, mit allen Mitteln zu b e-kämpfen; in Zukunft würde er diesen Vereinen seinebesondere Aufmerksamkeit widmen und mit allerSchärfe gegen sie vorgehen. Die freisinnigen Stadt«Väter hatten nichts dagegen einzuwenden.Die beiden Herren Redner regieren schon längere Jahre in demindusttiellen Ellrich, haben aber noch nicht vermocht, die Mehrungder Sozialdemokratte zu verhindern. Noch immer überflügelt unsereStimmenzahl bei der Reichstagswahl alle gegnerischen in geradezuinajestätischer Weise. Und das wird auch künstig so bleiben: trotzPolizeiregiment und„freisinniger" Verleugnung des Grundsatzes:„Gleiches Recht für Alle!"_Tie polnische Reichstagsfraktion und die Polen.Zu einer Verurteilung der polnischen ReichStagSfraktion wegenihrer Haltung bei der Finanzreform kam es am Sonntag in einerPolenversammlung, die nach Kellers Festsälen in der Koppensttaßeeinberufen war. Der Referent sRybicki) und die Diskussions-redner bedienten sich der polnischen Sprache, da manmit Bezugnahme auf die bevorstehenden Landtagsersatzwahlen dieZusammenkunft als Wahlversammlung angemeldet hatte, inder polnisch verhandelt werden durste. Allerdings leitete die BerlinerPolizei daraus das Recht her, den Frauen, als Stichtwahl-berechtigten, den Zutritt zu verweigern I Gegen die polnischen Ab-geordneten wurden die bittersten Vorwürfe erhoben: Durch ihreHaltung bei der Finanzreform hätten sie einen Verrat an sderpolnischen Arbeiterschaft und an der polnischenNation begangen. Einstimmig wurde folgende Resolution an-genommen:„Die Polen Berlins verdammen die würdelose PolitikderPolenfraktion bei derReichSfinanzreform.die die wichtigsten Interessen der Masse der polnischen Bevölkerung,die lange genug geschwiegen hat, preisgibt. Nur'eine kraftvolleOpposiliou würde den Polen die Sympathie aller anständigen Menschenerwerben, während die polnischen Volksvertreter vor den ärgstenFeinden ihres eigenen Volke? katzbuckeln und den polnischen Namenschänden. Der wirksamste Protest der Versammelten gegen die preußischeRegierung wird darin bestehen, daß sie allen PolenBerlins empfehlen, bei den Berliner Land-tagSersatz Wahlen für die Sozialdemokrateneinzutreten."Daß dies das gescheidteste ist, IvaS sie tun können, haben wirden Polen schon immer gesagt._Triolen- Erotik.Herr Wilhelm Schock, der Leiter des Deutschnattonalen Hand-lungSgehilfenverbandes und Reichstagsabgeordneter für Eisenach-Dermbach, hat nach der Versicherung seiner politischen Freunde undGeistesverwandten lediglich deshalb den Versuch der Kon-struktion eines kuriosen TriolenverhältnisieS unternommen,weil seine ideal- romantische Gemütsanlage unter demDruck übergroßer Arbeit zu einer Nervenüberreizung, einer Artneuer Lauras dttonia soxualio geführt hat, die jedoch nicht so schlversein soll, daß Herr Schock nicht bald wieder als Reichstags-abgeordneter fungieren könnte. Diese eigenartige, bisher von derärztlichen Wissenschast noch nicht näher erforschte sexuelle Krank-hett soll, so wird weiter behauptet. Herrn Schock ganzplötzlich befallen haben. Eine etwas seltsame Behauptung;denn auch schon ftüher hat dieser„Idealist" unter denantisemittschen Geistesgrößen sich in origineller Weise mitsexuellen Fragen beschäftigt und in seinem romantischen Liebessehnenden„kraftvollen, stolzen Hengst" als sein Ideal ge-priesen. Sogar das Jahrbuch des Deutschnattonalen Handlnngs-gehilfen- Verbandes mußte ihm dazu dienen, in allerlei ab-geschmackten Ergüssen seine Seele um die sie plagenden sexuellenBetriebsstörungen zu erleichtern. So hat er zum Beispiel in demJahrbuch für 1908 allerlei Auszüge aus seinem.Tagebuche" ver-öffentlicht. Unter diesen folgende schöne Stilblüten:Bornehme Naturen werden Weiberhasser.Liegen sie doch in beständigem Kampfe mit ihren Begierden undempfinden das Unterliegen immer aufs neue als Schwäche, derenUrsprung das Weib ist.Redet nicht vom Weibe, die Ihr mit Prostituierten inPolygamie lebt.— Wie ich mich schämen muß, ein Mann zusein! Armselige Geschöpfe, denen sich kein weiblicher Busen ohneBezahlung entgegenhebt, wie seid Ihr bejammernswert I Ihrhabt niemals etwas von der stolzen und sieghaften Gewaltkennen gelernt, die das Weib zu unfern Füßen niederzwingt:Herr, ich bin Deine Magd.— Was wißt Ihr denn vom Weibe?Ich weiß schon, wenn die männliche Kraft usw.— natürlich,dann muß sie je nach dem Bestände Eures Geldbeutels mit Silberoder Gold wieder auf die normalen 1b Grad herabgestellt werden.Und Ihr wagt, das auszusprechen und werdet nicht schamrot?DaS starke Geschlecht im hochgeschlagenem Rockkragen, mitGamaschen und der Fünfminuten-Liebe I Es geschieht Euch ganzrecht, daß sich Euch die Tore zur Kühlung Eurer Brunst nurgegen Bezahlung öffnen. Denn so mertt Ihr doch wenigstens andem, was Euch das Liebste ist, am Gelde. daß Ihr minderwertigeGeschöpfe seid, die sich mit einem Klumpen Fleisch und Knochenbalgen und dann meinen, sie hätten geliebt.Seht den kraftvollen, stolzen Hengst, wie an ihm jede Fiberzittert, wie sich sein ganzes Wesen � ach so, ich vergaß, Ihr seidja nur � Menschen.Wenn ich ein Weib wäre, und die Natt« hätte mir Schönheitverliehen, jene sieghaste Schönheit, vor der Männer niederknien.so würde ich hundert von ihnen zu meinen Füßen niederzwingenund als Königin unter einer Schar von Bettlern allein auftechtstehen. Ich würde mich an diesem Anblick weiden, ich würde denAugenblick der Huldigung auf ewem Bilde festhalten, es ausstellen und mit edlem Stolze darunter schreiben lassen: Dasstarke Geschlecht.Der gepriesene„Idealismus" Schacks ist demngch rechtgeiler Art._Beamten-Koalitionsrecht.Wir berichteten in der letzten Donnerstagnummer nach den Mit-teilungen einer halboffiziösen Korrespondenz, daß die preußische Re-gierung beabsichtige, dem Dreiklassenparlament den Entwurf einesGesetzes vorzulegen, das den Beamten ein völlig wertlosesKoalitionsrecht gewährt. Sofort kamen einige diensteifrige Blätterund bestritten, daß die Regierung derartige Absichten hege. Daraufantwortet jetzt die betreffende Korrespondenz sWoth):In unserer letzten Ausgabe hatten wir Mitteilungen über dieGruudzüge eines neuen Beamten-Organisationsgesetzes gemacht.Diese Mitteittisigen sind von zwei Seiten, die keinen amtlichenCharakter haben, als unrichtig bezeichnet worden.Demgegenüber erklären wir:„Die Mitteilung halten wir in allen Teilen aufrecht, ein dies-bezüglicher Entwurf existiert und liegt den zuständigen Ressortszur Prüfung vor, er zeigt zurzeit die von uns mitgeteilte Gestalt.ES ist nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich, daß der Entwurfnoch Abänderungen unterworfen wird. Ein amtliches Dementiunserer Meldung ist nicht erfolgt und kann auch nicht erfolgen."Schwarz-weih.»Eine Mahnung an deutsche Eltern und Erzieher" wird in der„Nordd. Allg. Ztg." amtlich publiziert. Es handelt sich darum,die Elteru liebegirrender deutscher Mägdlein darauf aufmerksam zumachen, daß ein verfänglicher Briefverkehr zwischen diesen undeiner Anzahl schwarzer Jünglinge in den Schutzgebieten einenUmfang angenommen haben soll, der unserer besorgten RegierungAnlaß zu schwerem Kummer bietet...Nun ist's ja allerdings richttg, daß die jungen Damen unsererBourgeoisie den gelben, braunen, schwarzen Herren der Schöpfungoft eine unangenehm erotisch betonte„Verehrung" entgegenbringen,aber daß sie, wenn sie sonst anständig korrespondieren, sich durcheinen solchen Briefwechsel mit den Eingeborenen der Kolonien etwamehr„vergeben", als wenn sie hier zu Lande in derselbenWeise Leutnants oder Schauspieler anschmachten, das möchten wirder„Nordd. Allg. Ztg." denn doch ganz entschieden bestreiten.Und wen trifft übrigens die Schuld daran, daß dre Mädchen soverrückt geworden sind, partout mit Prinzen und wären'S auchnur schwarze— in Beziehungen tteten möchten usw.? Einzigund allein doch die besten Freunde der„Nordd. Allg. Ztg.": dieHerrschaften, die den Byzantinismus und den Kolonialenthusiasmusim Volke gar nicht üppig genug emporwuchern sehen können und diegar keinen Anlaß haben, sich zu entrüsten, wenn ihre eigene schwarz«weiß-rote Saat so üppig in die Halme schießt.Ausweisung von Oesterretchern aus Preusten.Von den preußischen Behörden sind eine AnzahlOe st erreicher aus K a t t o w i tz ausgewiesen worden,darunter der Inhaber eines Cafss, der seit 24 Jahren inDeutschland lebt. Die Ausweisung dieses Cafetiers soll wegeneiner Uebertretung der Gewerbeordnung erfolgt sein. SeinSchwiegersohn und fem Neffe haben ebenfalls dieerhalten.—_Eine neue Methode der Denunziation.Die„Arbeiterzeitung" zu Dortmund brachte zurFeier der SOOjährigen Zugehörigkeit der Mark zu Preußen gelegent-lich der Anwesenheit Wilhelms El. auf der Hohensyburg am19. August d. I. eine besondere Begrüßungsnummer mit der Ueber-schrift:«Der Vaterlandslosen Fe st grüß". Gleich nachdem Erscheinen dieser Nummer versuchten die nationalen Blätter desJndustriebezirks wegen der in dem Artikel betonten republikanischenund revolutionären Gesinnung der Sozialdemokratie den Staats-anwalt scharfzumachen.Wie sich jetzt herausstellt, ist die Nummer in Bochum in vielentausend Exemplaren vervielfältigt und ohne Angabe desDruckers, des Verlegers oder des Absender? an alle möglichen Parla«mentarier, Minister und sonst irdendwie einflußreiche Persönlichkeitendes Reiches versandt worden. Eine Anzahl dieser Drucksachen warennicht zu bestellen. Die Post gab deshalb diese Briefe an die„Arbeiter-zeitung" zurück. Sie veröffentlichte nun eine Liste der verschiedenenAdressaten, unter denen sich vornehmlich HerrenhauSmitglieder undMinister befinden.Die Absicht der Vervielfältigung der„Arbeiterzeitung" ist ganzoffensichtlich. Man will offenbar scharf machen gegen die Sozial-dcmokratie. Bochum, von wo aus die Briefe versandt wurden, istder Sitz des Generalsekretärs der nationalliberalen Partei.Eine geborstene Ordnnngssäule.Teufel Bitru hat wieder einmal seine Krallen nach einem heilig-mäßigen Vertreter der guten Zentrumssache ausgestreckt und ihn zuFall gebracht. Der der Versuchung erlegene ist kein Geringerer alsder erste Präsident des Windthorstbundes Rechtsanwalt AugustH e i S in Landshut(Niederbayern), der sich in zweitägiger Ver-Handlung unter Ausschluß der Oeffentlichkeit vor der Strafkammerin Landshut wegen eines Verbrechens wider die Sittlich-keit zu verantworten hatte. HeiS war ein eifriger Förderer desVereins zur Bekämpfung der llnsittlichkeit; während er seinenGesinnungsgenossen die Jagd nach Nuditäten überließ, finger mit einem noch nicht vierzehnjährigen Mädchen eineLiebelei an und brachte es zu Fall. Er machte mit dem KindeAusflüge im Auto nach München, übernachtete hier mit ihmgemeinsam in einem Zimmer eines Hotels, wobei er sein Opfer alsseine Schwester ausgab. Als sich die Folgen seines Umgangs beidem Mädchen einstellten, ließ er sich von München ein Mittel zurAbtreibung der Leibesfrucht schicken.— Heis behauptete in der Ver-Handlung, daß er daS Alter des Kindes nicht gekannt habe. Erhabe auch nicht gewußt, in welchem Alter die Kinder in Bayern ausder Schule kommen, eine Behauptung, die den Vorsitzenden ver-anlaßte zu erwidern: das sei von einem Manne, der i mpolitischen Leben st ehe und Rechtsanwalt sei,doch kaum anzunehmen.— Der Staatsanwalt be-antragte gegen den. sonderbaren Hüter der öffentlichenSittlichkeit 1 Jahr 2 Monate Gefängnis und sofortige Ver-Haftung. Die Verteidiger beantragten primär Freisprechung eventuelleine mildere Strafe; unter allen Umständen aber wolle das Gerichtdie sofortige Verhaftung nicht aussprechen und boten dem Gerichtein diesem Falle eine Kaution von 49999 M. an. DaS Gericht gingüber den Antrag des Staatsanwalts hinaus, erkannte auf eine Ge-sängnisstrafe von 1'/, Jahren, lehnte da« Anerbieten der Kautionab und ordnete die sofortige Verhaftung des Angeklagten an.Schweiz.Kein konfessioneller Neliglonsunterrichk."iZürich. 2. Oktober.(Eig. Ber.)'Ueber die Einführung des konfessionellen Religionsunterrichtsverhandelte der Große Rat des Kantons Aargau anläß-lich der Beratung der Revision des Schulgesetzes. Gegenwärtigwird der konfessionslose Religionsunterricht vom Lehrer erteiltund nun benutzten die katholischen Politiker weltlicher und geist-licher Sorte die schöne Gelegenheit zur Aufrichtung ihres Reichesder'Finsternis, indem sie die Einführung des konfessionellenReligionsunterrichts durch Geistliche beantragten. Die richtigeAnwort auf diesen klerikal-reaktionären Ansturm war ein liberalerGegenantrag auf völlige Streichung des Religionsunterrichts inder Schule und Ersetzung desselben durch Line reine Sittenlehre«da der ReligiottZünterricht nicht Sache der Schule sein könne. Inder nach lebhafter Debatte erfolgten Abstimmung wurden beideAnträge verworfen, und zwar der klerikale mit 95 gegen 38, derliberale mit 87 gegen 42 Stimmen, so daß es beim gegenwärtigenZustande des konfessionslosen Religionsunterrichts durch denLehrer vxrblxibt») x''franfcmd).Die Postbeamten.Paris» 4. Oktober. Millerand teilt mit, daß für den1. November alle verabschiedeten Postbeamten wiedereingestellt sein werden mit Ausnahme von einigen«Rädels-führern", deren Wiedereinstellung überhaupt unmöglich sei. Eshandelt sich nicht um eine Amnestie, sondern um einen Akt der all-gemeinen Beruhigung.Italien.Ordnungsblätter als Poftbetrüger.Rom, 2. Oktober.(Eig. Ber.) Durch wiederholte Anstrengungvon Parteigenossen ist jetzt wieder ein neuer Skandal der Post-Verwaltung in die Oeffentlichkeit gedrungen. Zwei NeapolitanerTageszeitungen, der„Mattino" und der„Giorno", genießenseit Monaten für ihre Elaborate Gratisbeförderung durch die Post.Die italienischen Tageszeitungen haben für den Eiuzelversand einKontokorrent mit der Postverwaltung und zahlen 1 Cent, für jedesExemplar, deponieren aber die Portospesen im Voraus. Die beidenedlen Neapolitaner Blätter hatten dagegen schon eine Schuld vonmehr als 3999 Lire angehäuft und schickten ruhig weiter, ohne daßdie Postverwaltung Einspruch erhoben hätte. Die beiden Heraus«geber der Blätter, die getrennt lebenden Eheleute EduardScarfoglio und Matilde Serao haben sich in dem Versuch,die Postverwaltung zu begaunern, wieder einmal gefunden, nachdemsie im Privatleben spinnefeind und in der Journalistik Kon-kurrenten und Gegner geworden sind. Die übliche Erhebung ist imGange, soll sich aber mehr gegen den Beamten richten, der dieDuldsamkeit der Post an die große Glocke gebracht hat. als gegendie duldsamen Beamten selber.—Spanien.Ein neuer Regierunosmord.Barcelona.'4. Oktober. Auf der Feste Montjuich ist heuteein Mann namens Namon Elemente wegen Teilnahme ainAufstande, Leichenschändung und. Brandstiftung erschossenworden,.>_Der Krieg in Marokko.Der offizielle SicgeSjubel war nur von kurzer Dauer. Heuteist bereits klar, daß das Vordringen der Spanier inMarokko nur zur Folge hat, daß immer neue Stämme sichanschicken, ihre Heimat gegen die eindringenden Räuber zuverteidigen. Und wie bisher nach jedem neuen„Sieg", so fordertauch diesmal der General Marina neue Verstärkungen und derverbrecherische Ministerrat, den kapitalistische Raffgier in dasAbenteuer gestürzt hat, schickt immer neue Opfer in den afrikanischenTod. Auch jetzt wurde wieder die Entscheidung getroffen, un-verzllglich noch eine Division nach Marokko zu schicken. Dadurchsollen die Effektivbestände in Melilla auf ö9909 Mann gebrachtwerden.In Madrid wächst die Erbitterung gegen die Dynastie unddie Regierung, deren einzige Politik die Irreführung und Täuschungdes Volkes über die Tragweite und Gefahr des Krieges ist. Dochist nach der Niederlage Barcelonas ein neuer Ausbruch des Volks-Widerstandes nicht zu erwarten._Die rachsüchtigen Henker.Paris, 4. Oktober. Der„TempS" berichtet aus Barcelona,daß die fortgesetzten Verhaftungen unter der Bevölkerung große Bc-«nruhigung hervorrufen und daß diese Verhaftungen denCharakter einer übertriebenen Demütigung tragen. Wie andererseitsaus Barcelona berichtet wird, hat das K r i e g s g? r i ch t gegendrei deS AuftuhrS beschuldigte Personen ein Gerichtsverfahren ein-geleitet. Der Staatsanwalt beantragte für den eine» die Todes«st r a f e und für die anderen sechs Jahre Zuchthaus und sechsMonate Gefängnis.Englanck.Die Lords und der Etat. �-------London, 2. Oktober.(Eig. Ber.) Das Schicksal desEtats scheint bereits besiegelt zu seim Die Lords werden dieInteressen der Grundherren und des Großkapitals wahrenund die englische Verfassung in den Schmelztiegel werfen.Nur über die Form der Ablehnung scheinen noch Zweifel zu be-stehen.Die in unserer letzten Korrespondenz ausgesprocheneMutmaßung, daß die Lords den Etat nicht formell verwerfen,sondern ihn dem Volke zur Entscheidung vorlegen werden,wird von der liberalen Presse scharf zurückgewiesen. Die„Westminster Gazette" erklärt, die englische Verfassung seiwohl demokratisch, aber nicht plebiszitär; sie wisse nichts vonReferendum und gebe den Lords kein Recht zu einem solchen.Noch schärfer ist die Ansicht der„Nation", die sagt:„Auchwenn die Regierung geneigt wäre, das Recht der Lords, einReferendum zu erzwingen, anzuerkennen, so gibt es doch keineMacht auf Erden, die den Geist der Wähler auf diesen einenGegenstand beschränken könnte.,.. Die Negierung wird zumVolke gehen, um von ihm das Mandat zu verlangen, dasVetorecht der Lords zu zerstören, und schon die Notwendigkeitder Regierung, ein solches Mandat zu verlangen, ist ein kräf-tiger Beweis dafür, daß die Lords ihr Vetorecht mißbrauchen."Der„Spectator" erklärt:„Im gegenwärtigen Augenblickesollte es das höchste Ziel aller Menschen von gemäßigten An-schauungen sein, diese Regierung loszuwerden."Die kleine, aber einflußreiche Gruppe der freihändleri-schcn Konservativen beschwört den rechten Flügel der liberalenPartei, zu den Lords zu halten, die doch das Land vor dersozialistischen Gefahr retten wollen. Warum sichum konstitutionelle Gebräuche herumschlagen, wenn die ganzeGesellschaftsordmmg bedroht sei?In Deutschland dürste dieser Ton nicht fremd sejn: esist Blockmusik,.Dänemark.Alberti uud Christensen.Kopenhagen, 4. Oktober. Der König empfing heute nachmittagzwei Deputationen, welche zusammen 149 099 Männer und Frauenrepräsentierten und Adressen überreichten, in welchem der Wunschausgesprochen wird, daß durch daS Reichsgericht eine Untersuchungin der Alberti-Angelegenheit eiugeleiiet werden möge, uudgleichzeitig das Bedauern über die Aufnahme des VerteidigungsministersC h r i st e ii s e n in die Regierung. Der König sprach hierauf seinBedauern über die in den Adreffen gemachten Angaben aus, dieer aus konstituttonellen Grünben nicht berücksichtigen könneund die unberechttgterweise Männer verdächtigten, die er für ge»eignet ansehe, an der Regienwg teilzunehmen.