»■255. R-w-a-. i Keilsge tes Imiills" Kerlilltt NolkstlM. MrtichsNIicher Aochenbericht. Berlin . 30. Oktober 1909. Bam Kalisyndikat.— Ein Schutzgesetz gegen Arbcitsfreiheit.— Rentabilität im Kalibergbau.— Sorgen im Armr�suibikat_ Prcisüberspannung. Der deutsche Kalibergbau liefert ein Musterbeispiel für den Widersinn kapitalistischer Produktionsweise. Es handelt sich hier um Erdschätzt, also um Volkseigentum. Wie die Kohle, hat man auch das Kali dem Privatkapital zur Ausbeute— und zu wildester Spekulation überlasien. Mehr noch als in anderen Industrien fanden die Gründer im Kalibergbau das Objekt umfangreicher hoch lohnender Tätigkeit. Reiche Ausbeute trieb den Preis der Bergwerksanteile zu dem 10- bis Lvfachen ursprünglichen Ein- siandssatz hinauf. Die Gründer hielten überreiche Ernte. Da- durch wurden die Anlagen naturgemäß finanziell dauernd belastet, was selbstverständlich eine ungünstige Wirkung auf die Preisgestaltung für die gewonnenen Produkte ausübte. Das geschah in erhöhtem Matze infolge der fortgesetzten Neugründungen und stetig wachsenden Produktionsmöglichkeiten. Diese fanden wiederum ihren besonderen Anreiz in der hohen Rente, die der Kalibergbau vcrhietz. Garantiert war die Rentabilität durch das Kalisyndikat. Dieses regelt den Markt nach der üblichen Praxis. Tie Preise werden nicht nach den tatsächlich erforderlichen Selbst- kosten, sondern nach den Gewinnbedürfnissen festgelegt. Die Werke dürfen nicht ihre vollen Produktionsmöglichkeiten ent- falten, damit nicht durch das Angebot der Preis auf das durch ungebundene kapitalistische Wirtschaftsweise bestimmte Matz zurückgedrängt werden kann. Das Syndikat verteilt den durch seine Preispolitik begrenzten Gesamtabsatz ratierlich auf die einzelnen Werke. Diese können mit der zugewiesenen Menge in manchen Fällen aber nicht einmal die Hälfte ihrer Förder- und Leistungsfähigkeit ausnützen. Da kann man sich denken, datz zwischen den Syndikatspreisen und denen, die bei freier Kon- kurrenz herauskommen würden, ein arges Mißverhältnis besteht. Das ist denn auch durch den Zwiespalt im Syndikat, die grotzen Verkäufe der Schmidtmanngruppe nach Amerika , zur allgemeinen Kenntnis gelangt. Diese Verkäufe sind auf der Grundlage eines Preises von 7 M. pro Doppelzentner abgeschlossen worden, während der Shndikatspreis 14 M. beträgt. Da die Abschlüsse außerhalb des Rahmens des Syndikats erfolgten, fallen sie nicht in die Be- teiligung; die betreffenden Werke können ihre volle Leistungs- fähigkeit ausnutzen. Und wegen dieser Dispositionsfreiheit er- möglicht ihnen der auf die Hälfte des Syndikatssatzes ermäßigte Preis einen immer noch rentablen Betrieb. Natürlich war nicht Konsumenteninteresse, sondern kapitalistischer Expansionsdrang, das Verlangen, die einengenden Syndikatsfesseln für sich selbst zu sprengen, die Triebfeder zu dem Vorgehen der Schmidtmann- gruppe. Die billigen Auslandsverkäufe schädigen naturgemäß die Interessen der übrigen Kaliwerke; entweder sie müssen ihre Pro- duktion um die von der genannten Gruppe nach Amerika ab- geschlossenen Mengen noch weiter einschränken, oder aber das Syndikat ist gezwungen, für die Verkäufe nach Amerika noch unter die Preise der Schmidtmanngruppe hinabzugehen. An diesen Klippen droht das Syndikat mit seiner ganzen bis- herigen Politik zu zerschellen. Zwar ist vor einigen Monaten ein Notvertrag zustande gekommen; ihm fehlt aber die Kraft des Zu- sammenhaltens. Man fürchtet, datz mehrere der größeren Werke zum freien Konkurrenzsluge rüsten und von der Bestimmung, laut welcher ab 2. Januar 1910 jedem Mitgliede die Kündigung des Vertrages freisteht. Gebrauch machen wollen. Und die Kündigung?- frist beträgt nur sechs Wochen! Um der hier heraufziehenden Ge- fahr zu entgehen, soll auf Verlangen der Syndikatsgetreuen, und dazu gehört auch der preußische Fiskus, die Gesetzgebung ein- greifen. Daß die Regierung die Syndikatsinteressen als die ihrigen betrachtet, haben schon offizielle Auslassungen während der letzten Reichstagsverhandlungen dargetan. Der„B.-C." konnte sodann am 7. Juli die Richtlinien für die verlangte Aktion bekanntgeben. Das Blatt schrieb damals:„Wie wir von zu- ständiger Seite hören, hat bei Schluß des Reichstags angesichts der Besorgnisse über die stockenden Syndikatsverhandlungen eine vertrauliche Besprechung privater Art zwischen RegierungS- Vertretern und Parlamentariern stattgefunden, welche die im Interesse der Kaliindustrie zu ergreisenden Maßnahmen zum Gegenstande hatte. Hierbei wurde allerseits davon aus- gegangen, daß ein reiner allgemeiner Ausfuhrzoll„Gerechte und Ungerechte" in gleicher Weise treffen könnte, was unerwünscht bleibt und unbedingt zu vermeiden sei. Es wurde deshalb als Ziel ins Auge gefaßt, das Gesetz so zu gestalten, datz eine syndikatliche Werksvercinigung, welche die bundesstaatlichen Bergwerke und die große Mehrheit der Kali- Produzenten umfaßt(selbst wenn sie ein„Rumpfsyndikat" bliebe), von dem Zoll nicht getroffen werden dürfte. Hierzu erachtet man zwei Wege als gangbar: Entweder eine Art Strafzoll für solche Außenwerke, gegen welche der begründete Vorwurf der Benach- teiligung von Nationalvermögen zu erheben ist. Oder(was als der staatsrechtlich ebenere und daher als wahrscheinlichere Weg angesehen wurde): Die Einführung eines allgemeinen Zolles, mit der Rückgewährung des Zollwertes an das Kalisyndikat in der Form einer Exportbonifikation." In der Tendenz deckt sich mit diesen Richtlinien der Entwurf der Regierung, wie ihn das „B. T." dieser Tage wie folgt umrissen hat: Der Gesetzentwurf wird in der Hauptsache eine Kombination von Ausfuhrzoll und Zwangskontingentierung enthalten. Der Ausfuhrzoll soll nicht in starrer Höhe von jedem, gleichviel zu welchem Preise, ausgeführten Doppelzentner Kali erhoben werden, sondern er soll nur die Spannung zwischen einem von der Reichs- regierung festzuhaltenden(ungefähr den jetzt geltenden Auslands- preisen entsprechenden) Sollpreise und dem tatsächlichen niedrigeren Verkaufspreise ausfüllen. Die Reichsregierung will den Differenz- ausfuhrzoll durch die Kontingentierung ergänzen, die den Absatz der einzelnen Werke umgrenzen und insbesondere die forcierte Ausfuhr, wie sie jetzt zum Beispiel von den Werken Aschersleben und Sollstedt beabsichtigt ist, unterbinden soll. Das Gesetz wird Kontingentsüberschreitungen der einzelnen Werke nicht direkt ver- bieten, aber doch durch Auferlegung einer hohen Steuer un- rentabel, ja sogar vielleicht verlustbringend gestalten. Noch eine dritte Maßnahme zur Regulierung des Kaliabsatzes ist an- scheinend von der Regierung vorgesehen. Sie lehnt sich eng an die famose„kleine Kontingentierung" des Brausteuergesetzes an, und belegt alle Kaliwerke, die während einer bestimmten(wahr- scheinlich dreijährigen) Frist neu in Angriff genommen werden, noch mit einer besonderen prohibitiv wirkenden Produktionssteuer. Natürlich wird versucht werden, für eine solche Aktion mit den Schlagworten vom„Schutz der nationalen Arbeit",„Verhinderung der Verschleuderung nationalen Volkseigentums" usw. Stimmung zu machen. Sonst soll die nationale Arbeit gefördert werden. indem man mittels Einfuhrzölle für den Inlandsmarkt ein mehr oder minder geschlossenes Monopol schafft, das die Ver- schleißer in den Stand setzt, dem Jnlandsverbraucher Preise zu diktieren, die von denselben Verkäufern auf dem Auslandsmarkt weit unterboten werden. Im Kalisyndikat dagegen besinnt man sich darauf, daß im Interesse der nationalen Arbeit billige Aus- landsverkäufe verhindert werden müßten. Ja, zu diesem Zwecke soll die Gesetzgebung in scharfer Weise in die Freiheit der Arbeit eingreifen. Daß die Bodenschätze nicht verschleudert werden sollen, ist natürlich gerechtfertigt, aber in dem vorliegenden Falle handelt es sich in Wirklichkeit doch nur um die Hochhaltung eines Preises, der in den zur Gewinnung der Salze notwendigen Selbstkosten keine Rechtfertigung findet. Gehört doch, trotz der stark begrenzten Ausnutzung der Leistungsfähigkeit der Werke und der enormen Gründer- und Spekulationsgewinne, die oft ein Vielfaches der sachlich erforderlichen Anlagekosten darstellen, der Kalibergbau zu den lukrativsten industriellen Unternehmungen. Im Septemberheft der Monatsschrift„Die Welt des Kaufmanns" macht Dr. Albert» Stange Angaben über die Selbstkosten im Ver- hältnis zum Berkaufspreis. Nach seinen Berechnungen hatte ..Burbach" 190S: 41.9. 1906: 44. 1907: 40 Proz..„Justus" im Jahre 1906: 69 und im Jahre 1907: 69 Proz., Neustaßfurt 1905: Hundert. Die Ergebnisse der Selbstkostenuntersuchung find»n ihre Die Differenz zwischen Selbstkosten— einschließlich Löhne— und Verkaufspreis schwanken demnach zwischen 31 bis 58,1 vom Hundert. Die Ergebnisse der Selbkostenuntersuchung finden ihre Bekräftigung durch eine Darstellung der Endrente in der Kali- industrie. Dr. Felix Pinner hat eine Berechnung bei 21 Werken angestellt. Das Ergebnis seiner Zusammenstellung ist dieses: Die 21 Vergleichswerke erzielten im Jahre 1906 Reingewinne in Höhe von 15,9 Proz. ihrer Anlagekapitalien und brachten eine Durchschnittsdividende von 13,5 Proz. zur Verteilung. Letztere gehört wohl zu den höchsten Jndustrierenten unserer Wirtschaft. Nach einer sehr günstig aufgestellten Berechnung erzielte der Kohlenbergbau in guten Jahren nur eine Durchschnittsdividende von 11 Proz. In den letzten Jahren ist die Kalirente infolge des kleines f euillctoii. Mnfelmanisch» Ehegcsetze. Der Generalgouverneur von Algerien veröffentlicht einen interessanten Kodifikationsentwurf: die Gewohn- heitsrechte der algerischen Muselmanen sollen gesammelt und in das Gesetzbuch eingeordnet werden, um für die eingeborene Bevölkerung wirkliche Gesetzeskraft zu erlangen. Der„Figaro" entnimmt dem Abschnitt„Eheschließung" einige bemerkenswerte Vorschriften: Demjenigen, welcher bereits vier legitime Frauen hat. ist es untersagt, noch eine fünfte heimzuführen. Der Mann darf die Frau, die er schon dreimal davongejagt hat. nur dann noch ein viertes Mal heiraten, wenn sie sich inzwischen mit einem anderen Manne verheiratet hatte, und wenn diese Ehe aufgelöst worden ist. Z 19 verbietet die Ehe. die für eine Frau eine Mißheirat bedeuten würde, zum Beispiel die Ehe einer tugend- hasten Frau mit einem liederlichen Manne. Der Mann dagegen kann heiraten, wen er will, ohne eine Mißheirat zu tun, da das Gesetz den umgekehrten Fall gar nicht in Betracht zieht. Sehr merkwürdig sind die Paragraphen, die die Rechte des Gatten betreffen. 8 61 gibt dem Manne das Recht, der Frau zu verbieten, ohne seine ausdrückliche Erlaubnis das Haus zu verlassen. Der Gatte kann der Frau auch verbieten. Besuche zu machen, die sonst selbst der muselmanische Kodex gestaltet— d. h. Besuche bei den Eltern und bei den nächsten Verwandten,„mit denen sie nie eine Ehe würde schließen können"—, wenn solche Besuche die Frau zwingen könnten, die Nacht außerhalb des ehelichen Daches zu verbringen.„Es gibt Pariser Ehemänner". bemerkt dazu der„Figaro",„denen eS sicher nicht mißfallen würde. zu den algerischen Muselmanen zu gehören". Kunst. Im Lichthof des Kunstgewerbemuseums sind Arbeiten von Schülern der Unterrichtsanstalt ausgestellt. Nur Zeichnungen und Modelle, keine fertig ausgeführten Sachen, die die Lehrwerkstätten erst bei Beginn des nächsten Schuljahres vor- führen werden. Die Ausstellung— die erste, seit Bruno Paul , der frühere ,.Simplicissimus"-Künstler, die Leitung der Schule übernommen hat— zeigt, daß mit dem neuen Direktor glücklicher- weise auch ein neuer Geist in die Anstalt eingezogen ist. Die Me- thoden, nach denen die Schüler zur Ausübung dekorativer Künste erzogen werden, sind in wesentlichen Punkten reformiert worden. Das Verständnis der Traditionen der vergangenen Stilepochen wird freilich noch immer in erster Linie«pflegt, daneben aber ist dem Naturstudium die ihm gebührende Stelle eingeräumt. Wir ersehen aus den Arbeiten der Tagesschulabteilungen, in welcher Weise die Zöglinge zum Erkennen der dekorativen Werte in den Erscheinungen der Natur angeleitet werden und wie sie diese deko- rativen Werte verwenden lernen. Dabei wird jedes gewaltsame Stilisieren vermieden. Man legt mit Recht das Hauptgewicht auf die Pflege des Gefühls für gute und geschmackvolle Form und auf die Pflege des FormengedächtniffeS. Stoffe und Röbel , Pflanzen und lebende menschliche Modelle werden den Schülern während der Dauer von zehn Minuten gezeigt und erklärt und müssen dann frei aus dem Gedächtnisse wiedergegeben werden. Durch Blumen- malübungen sucht man die Ausbildung des Farbengefühls zu fördern. Diese allgemeinen UnterrichtSpringipicn, nach denen in den Tagesschulen der Lehranstalt verfahren Ivird, sind durchaus zweck- mäßig, und daß mit ihnen gute Erfolge erzielt werden können, be- weisen die ausgestellten Arbeiten der Fachklassen. Freilich scheint mir, als ob die vom Bildhauer S ch m a r j e geleitete Klasse für dekorative Plastik sich noch allzu eng an die überkommenen archi- tekwnischen Stilformen anschließt und der persönlichen Phantasie zu wenig Spielraum läßt. Den rechten Weg zeigt in dieser Hin- ficht die Metallfachklasse(Professor Petersen), deren Arbeiten bei allem kultivierten Kunstgeschmack durchaus frisch, modern und individuell anmuten. Was der Direktor Bruno Paul als Lehrer leistet, läßt sich nach dieser Ausstellung schwer beurteilen. Er leitet die Fachklasse für Architektur und Raumausstattung und zeigt uns in farbigen Blättern eine stattliche Menge Interieurs, die seine Schüler entworfen haben. Das Verständnis für Linien- und Farbenharmonien, die jeden einzelnen Raum zu einem künstlerisch organischen Ganzen gestalten, und das Bestreben, mit leisen Anklängen an alte gute Traditionen Neues und Eigen- artiges zu schaffen, tritt in diesen Entwürfen unverkennbar her- vor. Aber um den Wert des einzelnen beurteilen zu können, müßte man doch erst Proben von ausgeführten Arbeiten gesehen haben. Da sind die Graphikerabteilungcn besser dran, die uns in fertigen Drucken, Illustrationen, Plakaten, Buchschmuck, Ex- libris usw. die glücklichen Lösungen praktischer Aufgaben zeigen können. Was aus diesem Gebiet namentlich die Schüler O r l i ck s leisten, verdient uneingeschränktes Lob. Sehr im argen liegt aber leider noch immer die Behandlung der Schrift, bei der fast regel- mäßig die dekorative Wirkung auf Kosten der Lesbarkeit allzu- sehr berücksichtigt wird. Indessen wird der Wert solcher Schülerausstellungen weniger durch die größere oder geringere Vollkommenheit der einzelnen Arbeiten bestimmt, als durch den Geist, der aus dem Ganzen spricht. Und da können wir frohen Herzens konstatieren, daß unsere Berliner Unterrichtsanstalt sich hinter anderen ihrer Art nicht mehr zu verstecken braucht. Der Direktor Bruno Paul und die modernen Künstler, die neben ihm als Lehrer wirken, haben frisches Leben in das rückständige Institut gebracht. Wir wollen hoffen, daß die Anregungen, die von ihnen ausgehen, auch bald das Borliner Kunsthandwerk befruchten, dem eine Auffrischung wahrhaftig sehr not tut. J- L. Notizen. — Kunst abend e. Sonntagabend 8 Uhr findet im K l i n d- Worth-Scharwenka- Saal der Otto Ernst - Abend (Vorlesung des Dichters aus eigenen Werken) statt. — Musikchronik. Im S o nnta g k o n ze r t de» Schiller- Theaters Charlottenburg(Beginn mittags 12 Uhr) werden schnellen Anwachsens der Werke, die alle am Futtertische des Syndikats ein Plätzchen suchten und fanden, allerdings ziemlich erheblich gesunken; für die in Betracht kommenden Unternehme» stellt sich die Durchschnittsrente auf 9,5 Proz. Mit dieser Aus- heute bleibt die Kaliindustrie aber doch noch erheblich über der Durchschnittsdividcnde der deutschen Aktiengesellschaften. Nach der Zusammenstellung im Kaiserlichen Statistischen Amt brachte?» sämtliche deutschen Aktiengesellschaften pro 1907 und 1907/08 eine durchschnittliche Rente von 8,2 Proz. auf das dividendcnberechtigts Aktienkapital heraus. Es läge Grund genug vor, die nationale Arbeit zu schützen— indem man die Lohn- und Arbeitsverhältnisse im Kalibergbau gründlich verbesserte. Die von der Regierung geplante Aktion dient jedoch lediglich dem Schutze der Profit- macherinteressen. Preisüberspannung hat auch dem Zementsyndikat große Schwierigkeiten bereitet. Die EntWickelung der Zementindustrie hat starke Aehnlichkeiten mit der im Kalibergbau. Die sachlich ungerechtfertigt hohen Preise, die von den verschiedenen Organi- sationen unter Führung des Nheinisch-Westfalischen Zementsyndikats den Konsumenten diktiert wurden, reizten zu jinmer neue» Anlagen. Dadurch wuchs die Leistungsfähigkeit üller die Absatzmöglichkeit hinaus. Die vorhandenen und immer noch neu erstehenden Betriebe konnten nicht voll ausgenutzt werden. Und noch ein anderes, noch schlimmeres Uebel für die Unternehmer stellte sich ein. Die hochgespannten Preise gaben der Auslands- konkurrenz die Möglichkeit, auf dem deutschen Markt festen Fuß zu fassen. Besonders belgische Werke konnten mit weit unter Syndikatspreisen sich haltenden Angeboten ihren Abnehmerkreis stetig mehren. Zum Syndikat gehörende Werke, die unter dieser Konkurrenz besonders litten, drängten schon seit längerer Zeit auf Aenderung der Syndikatspolitik. Um das verlorene Terrain zurückzugewinnen, um den belgischen Zement zu verdrängen, besonders auch, um die deutschen Außenseiter zum Anschluß an das Syndikat zu veranlassen, sollte der Preis pro 10 Tonnen von 400 auf 300 M., also um 100 M. gleich 25 Proz. ermäßigt werden. Solche Forderung fand bei anderen Interessenten, die weniger unter der Konkurrenz zu leiden hatten, Widerspruch. Man wollte einem Preisnachlaß von nur 50 M., im allerhöchsten Folle von nur 75 M. zustimmen. Nun hat daS Syndikat die Preise für 1910 wie folgt festgesetzt: Per 10 Tonnen 265 M. einschließlich Säcke ab Beckum und 280 M. einschließlich Säcke ab Wesel , Duis- bürg, Köln , Oberkassel und Aachen . Gegenüber dem bisherigen Frankopreis von 400 M. bedeutet das eine Ermäßigung, die teil- weise sogar noch die erwähnte weitgehendste Forderung überragt. Diese Konzession ist auf jeden Fall ein schlagender Beweis dafür, daß die Preise, rein sachlich geurteilt, viel zu hoch waren. Aber so ist es überall: Die Syndikate, Kartelle usw. dienen nicht dem Zwecke erhöhter Produktivität, um dem Konsum billigere Erzeugnisse zur Verfügung zu stellen; da« treibende Motiv und die allseitig betriebene Praxis ist Hoch- spannung der Preise, um die Profitrate zu erhöhen. D. Für den schwedischen Generalstreik. Bei der Berliner GewerkschaftSkommission gingen ferner für die ausgesperrten und im Generalstreik stehenden schwedischen Ar« beiter ein: 12335 Metallarbeiter v. Bergmann, Wilhelmsruh , Slbt. Daiidwalzwcrk 9,50. Verband der Buchbinder Berlins aus solgende Listen: 12075, 12031 und 12037 21,05. Buchbinderei Jazert 11,05. 12001 Böttcher und Hand- werler der Unions- Brauerei 13,25. 6581 Bauhilfsarbeiter 4,70. 5435 Dach» dcckcr 9,95. 13082 Piaiiofabrlk W.©offmann 6,60. Verband bei Sattler und Portefeuiller, LitSverwaltuns Berlin , 9. Rate, aus Listen 131,95. 8814 11,50. 3047 Blauen Hecht 5,—. Handtuchsahrer R. Bach, S. Rate 8.—. Handtuchsabrik v. Figner, 10. Rate 8,—. 13817 Buchdruckerei E. Billig Aachs., 10. Rate 19,65. 12106 Ebilarbeiter Jakisch Aachs. 3.—. 13603 Vcrgoldcr von Adolf Werkmeister, 7. Rate.18,85. Tischler Rösler u. Schmidt, 10. Rate 19,85. 13987 Dreherei PinkuS, 10. Rate 12,—. 13723 Tischlerei L. Kießbur,. Rate 16.—. 13000 Buchdruckerei Rosenthal u. Co., 10. Rate 14,25. 13577 Holzarbeiter v. Klapproth u. Hoppe, 5. Rate 6,75. 13652 Metallarbeiter v. Tbiele u. Co., 7. Rate 20,75. Buchdruckerei W. Köbke, 11. Rate 15,—. Ükorbmacher bei Heinemann, 7. Rate 7,60. 14376 Tischlerei Wolsbardt n. Grildschmidt 16,70. 9917 Buchdruckerei Litsah Erben 10,50. 13990 Tischlerei Hanke u. Kaebcr, 10. Rate 13,95. 12866 Tischlerei I. C. Psass, Saal 4 7,30." 13330 Tischlerei v. Kukulcnz 10,90. 13976 Tischlerei Abb u. Daum. 11. Rate 17,10. 14312. 14313, 14, 15 u. 16 Buchdruckerei Hcmpcl u. Co., 6. Rate 70,30. 13610 Ewiarbciter A. Kann, 10. Rate 17,95. 14436 Personal Bnrlholdh u. Klein Mozarts Strcichauartett in B-dur und Beethoven « Streichguartett in G°dur aufgeführt. Außerdem kommen Arie» von Bach und mehrere Lieder von Schumann und BrahmS zum Bortrog. Vorträge. Im Papicrhaufe(Dessaucrftraße 2) spricht Sonn- tag. den 31, Oktober, vormittags'/zll Uhr Felix B urg er über Zinkätzung.— Prof. Ludwig Gurlitt hält am Deutschen Monistenbund einen Vortrag über„Schiller als moderner Erzieher". Der Vortrag findet am 1. November im Bürgersaal des Rathauses abends 8'/« Uhr statt. — Der Streit um die Lionarbo-Büste, die Direktor Bode entdeckt haben will, geht weiter. Während die Bode- offiziöse Presse bisher die ganzen Angriffe als Schwindel abzu» serttgen versuchte, muß sie jetzt schon zugeben, daß die Wachs« bnstc doch wohl aus dem Besitze bei Bildhauers Lucas stammt. Bode meint allerdings, Lucas habe sie erworben., um sie als Vorbild zu benutzen. So viel aber ist sicher, daß. die Wachs- büste weder gut erhalten(vielleicht überarbeitet) noch zweifellos echt ist. Und dafür soll Bode die Kleinigkeit V»» 160 000 M. ausgegeben haben. In der Tat eine nette„Entdeckung"! Wenn die Annahme des„Berl. Tagebl." zutreffen sollte, daß Bode über die Anschaffung allein entschieden habe, ist eS höchste Zeit, daß im preußischen Landtage die Bode- Wirtschaft unter die lritische Lupe genommen werde. Bei aller Anerkennung, die man für seine Ver» dienste haben mag, geht dann sein Diklaturstreben doch zu weit. Die Rolle, die Bode bei der Verdrängung TschudiS«nS der National- galerie gespielt hat, scheint keine guten Folge» zu zeitigen. — Ein Segantini -Denkmal wurde in Arco (Svd- tirol). dem Geburtsorte des Malers der Alpenwelt, enthüllt. ES ist von Segantinis Freund Bistolfi entworfen. Auf einem aus großen unbehauenen Felsblöcken geschichteten Sockel, der einer Fclskuppe des Hochgebirges gleicht und aus dessen Fugen Moose, Farnkräuter. Alpenveilchen hervorsprießen, erhebt sich— nach einem Bericht der „Franks. Ztg."— freistehend in ganzer Figur und natürlicher Größe die Bildsäule des großen Malers des Hochgebirges. Wie aus freier Bergeshöhe stehend schaut er, in der kleidsamen Tracht der Berg« bewohner, Pinsel und Palette in der Hand, als hätte er sich eben erst von der Staffelei erhoben, hinaus über seine geliebten Berge, die keiner in so wunderbarer, naturgetreuer HerrIichk->« ruf die Leinwand zu zaubern verstanden hat wie er. Den Hintergrund de« Denkmals bilden prachtvolle Cedern. großblumige, immergrüne Magnolien, Palmen und Lorbeerbäume. — Cook schwört. Während eine? Vortrages des„Nordpol- entdeckers" Cook in Hamilton (Montana ) kam es zu einem Skandal. Der Führer Barrill, mit dem Cook den Berg Mac Kinley bestiege» haben will, stellte ihn zur Rede und forderte ihn auf, dies zu be» schwören. Cook hob die Hand und schwur. DaS Publikum war aber damit keineswegs überzeugt.— Nun haben wir hoffentlick endlich Ruhe vor den beiden Nordpolentdeckern; man lasse sie(und alle weiteren) einfach schwöre», daß sie am Nordpol waren. Wozu wisienichaftliche Beweise i In Amerika schwört man und die Sache ist erledigt.