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zum Zwecke von Schachergeschäften ein Wahlkartell eingingen. Nach der»Kölnischen Zeitung* soll die nationalliberale Partei der Damm gegen die Sozialdemokratie sein; in Baden jedoch hißte sie auf diesem Damm die rote Fahne, um so ihre bisherige Stellung als zweitstärkste Partei in der Volks- kammer an die Sozialdemokratie abzutreten. Die sächsischen Nationalliberalen erhielten nach der Hauptwahl von dem Organ der Berliner Parteileitung das EhrenattributBollwerk gegen die sozialdemokratische Flut*. Dafür beeiferten sich dann die badischen Nationallrberalen, dieses Bollwerk einzureihen, damit die sozialdemokratische Flut höher denn je anschwellen könne.* Bald wird in den Reihen der nationalliberalen Staatsmänner der nach ihrem Hinauswurs aus dem liberal-konservativen Block auf« getauchte oppositionelle Geist wieder verschwunden sein und die natioualliberale Partei demutsvoll die Zulassung zum Schnapsblock begehren._ Aus dem Wahlkreise Landsberg -Soldin. Ein gutes Vorzeichen für die kommende Reichstagswahl sind die Stadtverordneten Wahlen in Landsberg , die am Montag stattfanden. Es wurden im ganzen 1310 Wahlzettel abgegeben. Die vier sozialdemokratischen Kandidaten erhielten 636, 620, 61g und 618 Stimmen. Genosse K a y s e r ist gewählt und wird als e r st e r Sozialdemokrat in das Landsberger Stadtparlamcnt einziehen. Die Wahlbeteiligung war gut; unsere Stimmenzahl stieg von 250 auf 632, während die Gegner es nur auf 441 Stimmen brachten. Da drei der zu wählenden Stadtverordneten Hausbesitzer sein müssen, so gehen der Sozialdemokralie drei Mandate leider verloren. Zur ReichstagSnachwahl im Kreise machen alle Parteien die größten An- strengungen. Täglich finden eine Reihe von Versammlungen statt. die von Liberalen und Konservativen einberufen und gut be- sucht sind. Die Sozialdemokraten sind überall dabei und nützen die kurze Redezeit weidlich aus. Am Montag sprach in Landsberg der konservative Kandidat Holtschke und nach ihm der Abgeordnete Pauli. Die Versammlung war zum Brechen voll und wurde poli- zeilich abgesperrt. Unsere Genossen waren in der Mehrheit. Pauli besprach nur die Mittelstandspolitik und enthielt sich jeder An- griffe auf die Sozialdemokratie. Eine interessante Debatte folgte hierauf, in der die ersten Redner unsere Genossen P ä tz e l und Wels waren, ihnen folgte ein freisinniger Mittelständler, der das Unglück hatte zu erklären, daß die Liberalen eintreten für das gleiche Wahlrecht in Reich, Staat und Gemeinde. Der Unglücksmann wußte nicht, daß unsere Liberalen diese Forderung nur in Versammlungen erheben, aber gar nich4 daran denken, sie, wo sie die Macht haben, zu verwirklichen. Pauli feierte daher einen billigen Triumph, als er die liberalen Helden hierauf gehörig fest- nagelte. Interessant war der Schluß. Der Vorsitzende wollte die Versanimlung schließen und tat das mit den Worten, die Versamm- lung möge das Gehörte prüfen und das von Pauli Gesagte als richtig hier übertönte feine Worte der Zuruf des Genossen WelS:»nicht anerkennen!* Der Herr Vorsitzende fuhr fort: und am 12. November dem Kandidaten hier trat Genosse Pätzel aus dem Hintergrunde vor und machte der Versammlung eine Verbeugung, was einen solchen Jubel auslöste, daß die Schlußworte des Vorsitzenden verhallten. Die Erregung im Kreise ist ungemein groß. Unsere Genossen hoffen, daß ihre eifrige Arbeit belohnt wird. Eine deutschsoziale Unterschlagung. DieDeutschsozialen Blätter', das Organ der deutsch -sozialen Partei sdie Antisemiten um Liebermann), hat sich in der Hitze der Polemik verschnappt. In der Nr. 88 vom 3. November schreibt dieses von der deutsch -sozialen Parteileitung inspirierte Blatt: »Schack wurde in eine bekannte Nervenheilanstalt gebracht, in der er sich noch immer befindet. Er lebt dort völlig ab- geschlossen, die Verbindung mit der Außenwelt wird nur durch seine nächsten Angehöngen aufrecht erhalten, Zeitungen liest er nicht, und seine einzige politische Kundgebung war eine aber« malige Zuschrift, datiert von Mitte Oktober, in der er n o ch- malS sein Mandat niederlegt. Aber auch diese ist, aus den- selben Gründen wie die erste, einstweilen zu den Akten geleg t worden, bis der P a r t e i v o r st a n d sich durch das Gutachten der Schack behandelnden Aerzte objektiv davon überzeugt hat, daß er in der Lage ist, eine unter allen Umständen gültige Willenskundgebung abzufassen. Dann wird die Niederlegung des Mandats soforl erfolgen, da Monate, vielleicht Jahre vergehen werden, ehe Schack völlig wiederhergestellt sein wird und eine parlamentarische Tätig- keit schon aus diesem Grunde ausgeschlossen ist. Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Nervenheilanstalt kann heute noch nicht be- stimmt werden, und daß die MandatSniederlegung vorher erfolgen kann, ist sehr unwahrscheinlich." Der Parteivorstand der deutschsozialen Antisemiten hat also ein Tchriftstück. das an das Bureau des Reichstags abzugeben wäre, für sich behalten. Als Grund gibt er an, daß nicht feststehe, ob Herr Triole geistig gesund ist und ob er also eine gültige Willens- erklärung abgeben kann. Darum haben sich indes die Herren Raab. Lattmann und Liebermann nicht zu bekümmern, sondern der Reichstag . Das Verhalten der Antisemiten bezweckt natürlich lediglich ein Hinausschieben der Nachwahl, da sie wissen, daß daS Mandat für sie verloren ist. Daß Herr Triole als Reichstags- abgeordneter unmöglich ist, das empfinden selbst die Herren Deutsch - sozialen, wie die Notiz ihres Organs nur zu deutlich zeigt. Der Reichstag wird indes nach seinem Zusammentritt allen Grund haben, nach dem Mandatsverzicht des Herrn Schack bezw. nach den deutsch - sozialen Akten über seinen Fall zu fragen. Bo-rufstsches. Durch eine Art Ueberrumpelung des Reichstages ist es im borigen Jahre bei der Beratung des Marineetats zu einer Generaldebatte nicht gekommen. Der daraus gezogene Schluß, daß mit der Marineverwaltung allgemeine Zufriedenheit bestehe, ist ent- schieden falsch. Die kommende Reichstagssession dürfte für den Admiral v. Tirpitz nicht so glatt verlaufen. Der jetzt in Kiel schwebende Prozeß hat ja bereits Mißstände auf der Kaiserlichen Werft erkennen lassen, wie sie in Rußland auch nicht viel schlimmer sein können. In den»Danziger Neuesten Nachrichten* wird darauf hin- gewiesen, daß eS bei dem Verkauf ausrangierter Schiffe ebenfalls in einer Weise zugeht, die nicht als im Interesse der Steuerzahler gelegen bezeichnet werden kann. Die HofjachtKaiseradler", die trotz ihres Alters noch in durchaus bordniäßigem Zustande ist, kommt demnächst zum Verkauf. Dieser Verkauf von Schiffen nun geschieht in folgender Weise: Die Werft taxiert das betreffende Schiff auf Abbruch, d. h. es wird der Wert ermittelt, den die einzelnen Materialien(Eisen, Maschinen, Holzteile usw.) am Tage des Berkaufs darstellen, ohne auf den Gebrauchswert des Schiffes Rücksicht zu nehmen! Für den Ankauf der Schiffe kommt stets nur ein kleiner Kreis von Personen in Frage. Die Angebote werden geheim gc- halten. Macht nun jemand, der diesem engen Kreise nicht angehört, ein höheres Angebot, so ist mit Bestimmtheit darauf zu rechnen, daß noch im letzten Moment eine Ueber bietung durch die Korona erfolgt, die sich offenbar auf irgend eine Weise Kenntnis von der Höhe der erfolgten Angebote verschafft i... DerGewährS- mann derDanziger Neuesten Nachrichten* sagt dazu: Ich halte es für nötig, daß beim Verkauf eines Kriegs- schiffcS alle in Betracht'kommenden Reedereien bezw. Schiffs- makler über den Bau des Schiffes und Geeignetheit in Kennluis gesetzt werden, damit Konkurrenz geschaffen wird; sodann muß der Verkaufsmodus derart sein, daß Gaunereien i la Kiel aus­geschlossen sind." Die»Germania * ist in der Lage, all das bestätigen zu können. DaS ganze Einkaufs- und Verkaufssystem bei der Marineverwaltung züchtet eben geradezu die Ringbildung. Daß diese Quelle der Korruption im Reichstage einer schonungslosen Kritik unterzogen werden mutz, ist selbstverständlich. Hoffentlich wird Herr v. Tirpitz bis dahin nicht von»Gesundheitsrücksichten* befallen. Wie sich ein liberaler Magistrat zu helfen weist. Der Passus im Zolltarif von 1003, der die Aufhebung des Oktrois für den 1. Januar 1910 bestimmt, macht manchen Stadt- Verwaltungen schweres Kopfzerbrechen. Einen originellen Ausweg aus dem Dilemma fand der liberale Magistrat der Stadt Kulmbach . Er bestimmte, daß an Stell e deS zu beseitigenden Oktrois eine.Beschaugebühr" für eingeführte Lebens nrittel in gleicher Höhe wie die seit- herigen Abgaben zu treten habe! Ei» Riesenprotest gegen polizeiliche Bcvormnndnng. Bekanntlich hat die fürsorgliche Polizeibehörde der Republik Hamburg eine in der letzten Woche auf dem Heiligcngcistfelde unter freiem Himmel geplante Versammlung, die sich mit der famosen Reichsfinauzreform und dem spanischen Henkerregiment beschäftigen wollte, mit der anmutig klingenden Motivierung verboten, daß Ansammlungen von großen Menschenmengen unter freiem Himmel eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bilden! Da aber, wie zu Krähwinkels Zeiten, auch in einer Republik nicht alle Ansammlungen von Menschenmengen verboten werden können, sahen sich die auch von einer Saalverweigerung betroffenen Ge- nassen des zweiten Hamburger Wahlkreises nach einem geeigneten Versammlungsraum um, den sie im Zirkus Busch fanden. Die polizeiliche Reklame für diese Busch-Versammlung hatte riesige Menschenmengen auf die Beine gebracht. Schon lange vor der festgesetzten Zeit Sonntagnachmittag 1 Uhr war der weite Zirkusraum bis auf den letzten Platz besetzt, so daß wohl an 6000 Personen amvesend sein mochten, während eine gleiche Menschen- masse keinen Einlaß fand. Das Referat hielt Genosse Adler- Kiel, der in sarkastischer Weise sich seiner Aufgabe entledigte. Die Abwanderung aus Ostprensten. Wie aus dem soeben erschienenen Geschäftsbericht des Vor­standes der Landesversicherungsanstalt Ostpreußen hervorgeht, sind im Jahre 1007 aus Ostpreußen 91 576 Versicherte abgewandert. Im Jahre 1008 haben dagegen 99 160 Versicherte Ostpreußen ver- lassen, so daß also gegen das Jahr 1907 im letzten Jahre 7584 Ver- sicherte mehr nach anderen LandeSteilen abgewandert sind. Seit Inkrafttreten des Jnvalidcnversicherungsgesetzes(1891) beträgt die Abwanderung der Versicherten aus Ostpreußen (bis Ende 1908) 980 280. Gegenüber diesen Zahlen der Abgewanderten ist die Zahl der aus fremden Anstaltsbezirken nach Ostpreußen Zu- gewanderten auffallend klein. Im Jahre 1907 waren es 14 109, im Jahre 1908 14 316. Die Zulvanderung iff also im letzten Jahre um 207 gegen 1907 gestiegen. Seit 1891, dem Inkrafttreten der Versicherungsanstalt, sind bis Ende 1908 166 622 Versicherte nach Ostpreußen zugewandert, gegenüber 980 286, die abgewandert sind. Es sind also in den letzten 17 Jahren aus Ostpreußen 813 664 Ver- sicherte mehr abgewandert als zugewandert. Der Zug nach dem Westen geht unaufhaltsam weiter. Ost» Preußen wird von der arbeitenden Bevölkerung immer mehr ent- blößt._ Ein netter Vorgesetzter. Das Kriegsgericht in Dresden verurteilte den im 17. Dienstjahre stehenden Feldwebel Berger vom Pionier- Bataillon Nr. 12 wegen Unterschlagungen und Betrügereien zu einem Jahre neun Monaten Gefängnis, Degradation, Versetzung in die zweite Klaffe des Soldatenstandes und zwei Jahren Ehrverlust. Der Angeklagte hatte in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter die ihm von Untergebenen anvertrauten Gelder in Höhe von 625, 120, 105, 105, 16 und 7.50 M. unterschlagen. Weiter hat er für Kleidungsstücke mehr verlangt, als sie kosteten und sich dadurch in den Besitz von 70 M. versetzt. Im Kasino und in Restaurants hat der Angeklagte auf Kosten Untergebener Zechen in Höhe von 5, 9 und 10 M. gemacht; ja sogar auf Kosten Untergebener seiner Frau Effen in die Wohnung geschickt. franhrefeb. Eine Demonstration gegen Arbeitszeitverlängerung. Paris , 2. November. Da die Leitung eines großen Basars in der Rue de Rivoli den Ladenschluß auf Vfo Uhr anstatt wie bisher auf 7 Uhr angesetzt hatte, wurden gegen Abend vor dem Warenhause Kundgebungen veranstaltet. Mehrere Trupps besetzten unter dem Gesauge der Internationale die Ver- kaufsräunw und forderten die Angestellten auf, ihre Posten zu verlassen. Die Polizei räumte das Warenhaus und zerstreute die Manifestanten, deren Zahl auf 20 000 Personen geschätzt wird. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen. Die Krise im Gemeinderat. Paris , 3. November. Der Ge m e i n d e r a t hat heute ein neues Bureau gewählt, nachdem das vorige Bureau aus Anlaß der Ablehnung seines Antrages, eine Pariser Straße nach F e r r e r zu benennen und die Kinder FerrerS zu adoptieren, seine Ent- lassung gegeben hatte. Zum Vorsitzenden wurde der Progressist Ernest C a r o n gewählt. Die Mitglieder des Bureaus gehören gleichfalls sämtlich der Opposition an. Sie sind dissidicrendc Radikale oder unabhängige Republikaner . Velglen. Die Kongoreformeu. Brüssel, 30. Oktober. (Eig. Ber.) Die Reformvorschläge für den Kongo, die am Donnerstag dem Bureau der Kammer vor- gelegen haben, würden bei einer wirklich ernsten Durchführung nicht mehr und nicht weniger als das Ende des Leopoldlnischen Raub- und Schandshstcnis bedeuten. Denn sie stellen die Verwirklichung einer Forderung in Aussicht, die von allen Gegnern des bisherigen Systems, das die königliche Firma des»Unabhängigen Kongostaats* gedeckt hat, als erste und wichtigste eines ReformprogrammS reklamiert wurde. Den Eingeborenen soll die von Leopold konfiszierte H a n d e I S- f r e i h e i t wieder zurückgegeben und ihnen gestattet werden, die Landesprodukte, die hauptsächlich in Kautschuck und Kopal bestehe», frei zu ernten. Die Gebiete sollen den Eingeborenen in drei Etappen erschlossen werden: der südliche Kongo mit dem Kasai und Katangagebiet ab 1. Juli 1910, der übrige Teil(mit Ausnahme der Belgien vorbehaltenen 600 000 Hektar) ab 1. Juli 1911 bezw. ab 1. Juli 1912. Damit hätte sich also die Regierung dazu verstanden, einer Forderung nachzugeben, die ihren Vertretern, dem Sozialisten Vandervelde ebenso wie dem Gelehrten Ca tti er oder dem christlichsozialen Pater Vermeersch die grimmigsten Borwürfe des AntiPatriotismus eingetragen haben. Hatte man doch alle jene, die es wagten, rücksichtslose Kritik an der Leopoldinischen Wirtschaft zu üben, kurzerhand als Agenten Englands hingestellt I Und heute sieht sich die Regierung gezwungen nachdem der Minister R e n k i n sich den Kongo ein wenig angeschaut hat mit dem vom seligen Preßbureau einst glorifizierten System völlig zu brechen. die Forderungen der»Kongofeinde* und derHändler von Liverpol* zu erfüllen. Die Wiedererstattung der Handelsfreiheit an die Eingeborenen ebenso wie die Aufhebung der Natural- und die Ein- führung von Geldsteuern ist aber zugleich eine gründliche persönliche Niederlage des Königs, in dessen seinerzeitigen»Reformen* einst hochmütig jede Abweichung vom bisherigen System abgelehnt wurde. Mag man auch den schönen Ministerworten des Motibenberichtes, der die Eingeborenen als Mündel anspricht, die ein Recht auf Belgiens Schutz haben, daS gegen die Vormundschaft aller Kolonienbesitzer gebotene Mißtranen entgegenbringen, so bedeuten doch, für sich betrachtet, die vorgeschlagenen Reformen einen Bruch mit der bisher geübten Ausplünderungsmethode, die den Negern das Land geraubt und die Möglichkeit deS Erwerbes genommen hatte. Was indes die»feierliche Versicherung* deS Ministers betrifft, daß sich die jetzige K o n g o v e r w a l« tung von der unter Leopold II. spricht der Bericht wohlweislich nicht keinerlei Grausamkeit und Unterdrückung gegen die Neger schuldig gemacht habe, so ist ihre Bestätigung erst von anderer Seite abzuwarten. Daß das Morden, Fesseln, Foltern, die Aussendung der berüchtigtenStrafexpeditionen*, das Einäschern von Dörfern alsAusmunterungsmittel" zur Negerarbcit noch immer im Kongo zu Hause ist. hat der kürzlich von Vandervelde in der Kanuner vorgebrachte Fall Dörpinghaus bewiesen, der vom Minister selbst bestätigt werden mußte. Die»Kongofeiude* werden auch sürderhin noch»antipatriotische* Arbeit genugsam zu leisten haben. Das Ferrcr-Teukmal. Brüssel, 31. Oktober. (Eig. Ber.) In seiner gestrigen Sitzung nahm der Brüsseler Gemeinderat mit allen gegen die acht Stimmen der Klerikalen einen Antrag an, in welchem er sich für die Errichtung eines dem Andenken FerrerS gc- widmeten Denkmals ausspricht, daS die Gedankenfreiheit und den Kampf gegen die Intoleranz symbolisch ausdrücken soll. Für den Antrag sprachen die Sozialisten und Liberalen, dagegen nur ein Klerikaler, der den spanischen Justizmord verteidigte. Dem Dcnkmalkomitee gehören u. a. der Rektor der Universitü Nouvelle*. D e G r e e f, der Demokrat I a n s o n, die Sozialisten Furnemont, Camille Huysmans und H aekel an. Cnglanci. Die Etatdebatte. London , 2. November. Unterhaus. In Erwiderung EhamberlainS sagte der Attorney-General, daß der Re- gierung bei der Erweiterung der Steuergrundlagen drei Wege offen gestanden hätten, unter denen die Wahl nicht schwierig gewesen sei: einmal eine Steuer auf unverdienten und oft völlig unerwarteten Wertzuwachs, dann die Besteuerung der Industrie und schließlich die der» Arbeit in Form einer Steuer auf den allgemeinen Konsum. Die Regierung habe sich dafür entschieden, daß das geeignetste Steuerobjekt der Wertzuwachs sei, es sei aber klar, daß Chamberlain Handel und Arbeit be st euer» wolle. Das vorliegende Gesetz habe die Finanzen in eine höhere Sphäre gehoben. England habe den Weg des Fortschritts betreten, hinweg von den bösen Zeiten, in denen die A r m e n damit b e l a st e t w u r d e n, einem b e« gün st igten Teile der Gesamtheit Nutzen zu verschaffen. Gegen diese Art von Politik seien die Vorschläge des Budgets gerichtet. Die Opposition möge für die Vereitelung dieser Vor- schlüge wirken, und je mehr sie durchkreuzt würden, desto mehr würde darüber debattiert werden und mit desto größerer Ent« schlossenheit würde das englische Volk darauf sehen, daß diese Vor- schlage auch angewandt würden. Ihre Anwendung könnte dann in Formen geschehen, die bei den Uniomsten das Bedauern hervorrufen würden, dem Budget opponiert zu haben. Snowden(Arbeiterpartei) erklärte, das Budget sei nur wenig sozialistisch und nicht revolutionär. denn es würde einer Revolution vorbeugen. ES müsse von diesem Parlament etwas geschehen, um die großen Ungleichheiten zwischen Reichtum und Armut, zwischen Luxus und Not zu be« s e i t i g e n. Im weiteren Verlauf seiner Ausführungen gegen die Tarifreform erwähnte Snowden dann die letzten Wahlen in Deutschland , die ausschließlich unter dem Eindrucke der jüngsten Steuergesetze auSgesochten worden seien. Alle deutscben Soziali st en seien auf Grund ihrer schmerzlichen Erfahrung Freihändler. Wenn es möglich sei, durch Be- steuerung des Auslandes Einkünfte zu erzielen, warum tue«S Deutschland nicht? Dänemark . DaS radikale Programm. Kopenhagen , 3. November. Ministerpräsident Zahle hielt heute im Follething seine Programmrede. Er erklärte, die Regierung betrachte es als ihre erste Aufgabe, nach der A l b e r t i- Affäre eine Reinigung vorzunehmen. Sie wolle jedoch nicht selbst die Initiative zu einer Anllage beim Reichsgericht gegen Alberti und andere frühere Minister ergreifen, sondern die Entscheidung hierüber dem Follething überlassen. Die Regierung ivolle ferner auf avministrntivcm Wege jeder Korruption innerhalb des Beamten st andes entgegenarbeiten und Gesetze ausarbeiten, durch die festgesetzt wird, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen Staatsbeamte zugleich private, be- soldete Aemter bekleiden und Parlamentsmitglieder in besoldete Staats stellen eintreten können. Die Regierung beabsichtige eine neue Wahlkreiseinteilung vorzuschlagen, durch die die Zahl der Wahlkreise nicht mehr als notwendig erhöht, aber die Wahl» lreise gerecht über da» Land verteilt würden. Die angenommenen Landesverteidigungsgesetze würden durchgeführt werden, doch werde die Regierung die größte Sparsamkeit üben und zu keiner Steuererhöhung schreiten, um die Militärgesetze schnell durchzuführen. Falls sich im Follething eine Majorität gegen die Regierung bilden sollte, werde diese an die Wähler appellieren. perllen. Nene Unruhe«. Petersburg, 2. November. (Meldung der Petersburger Tele« graphen-Agentur.) Die in der Nähe des Kaukasus ansässigen Stämme der Schahsewennen und Karaschadagen haben beschlossen, für den früheren Schah einzutreten; sie belagern gegenwärtig Ardebil . Da den dortigen russischen Untertanen G e- fahr droht und andererseits die aus Täbris und Teheran ent- sandten persischen Truppen nickt so bald dort eintreffen werden, hat die russische Regierung beschlossen, unverzüglich die Schutzwache ihres BizekonsulatS in Ardebil zu v e r st ä r k e». Amerika. Niederlage von Tammany Hall . New Aork, 2. November. Bei den" heutigen st ä d t i- s ch c n Wahlen wurde Tammany Hall geschlagen. Nur ihr Kandidat für den Posten des Bürgermeisters, der irüherc Richter G a y n o r. wurde gewählt. Für die Aemter des städtischen Finanzministers und deS Stadtratspräsidenten wurden die Kandidaten der Vereinigten Republikaner und Unabhängigen Demokraten gewählt, die sehr lebhaft gegen die Mißwirtschast Tammany Halls aufgetreten waren. Der Ausfall der Wahlen nimmt Tammany Hall jeden Einfluß auf die städtische Verwaltung. Die sozialistische» Stimme». New Aork, 8. November. Die hier abgegebenen Stimmziffern der Sozialisten sind auf die Hälfte zurückgegangen. In San Francisco sind die Kandidatenlisten der A rb ei tergewerksch ästen durchgegangen.