Nr. 263.

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Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutschlands  .

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Mittwoch, den 10. November 1909.

Schiller und die Hufklärung.

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Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.

Den großen Dichter und Denker, dessen Hundertund-[ redet wird. Und so finden wir alle die Losungsworte des flärer am besten durchaus Individualist, wie, bon fünfzigster Geburtstag heute begangen wird, in einem Atem Zeitalters der Aufklärung bei Schiller  , natürlich auch das den Räubern" angefangen, zahlreiche Stellen seiner Werke mit dem heutigen deutschen   Bürgertum nennen, hieße ihn Wort„ Aufklärung" selber, wovon er in allen Perioden zeigen, so z. B. das Epigramm: beleidigen diese ideallose Klasse hat mit dem begeisterten seines Lebens spricht als von einem Ziele, das anzustreben Ehret ihr immer das Ganze; ich fann nur einzelne achten: Borkämpfer idealer Zwecke nichts mehr gemein. Und schon sei und wenigstens teilweise schon erreicht ist. Die Immer im Einzelnen nur bab' ich das Ganze erblickt." die Wortführer des Bürgertums der neuen Aera, die Schiller Bernunft soll an alles als einziger Maßstab angelegt werden. Das Jdeal von Freiheit und Gleichheit, das Schiller vor­bei seinem hundertsten Geburtstag als den ihrigen in Der Bürger des Universums fühlt sich frei und den Großen schwebt, ist im letzten Grunde die damals im Entstehen be­Anspruch nahmen, verunglimpften den großen Toten, indem der Erde gleichberechtigt: die Vernunft ist die einzige Mon- griffene bürgerliche Konkurrenzgesellschaft, freilich von ihm nicht sie aus dem republikanischen Weltbürger einen gemäßigt. archie in der Geisterwelt. Was die Vernunft erkennt, ist die in ihrer häßlichen Wirklichkeit vorausgeahnt, sondern als liberalen Nationalvereinler machten. Das hindert aber nicht, Wahrheit. In der Jenenser Antrittsrede spricht Schiller   sogar Bringerin der Möglichkeit harmonischer Entwickelung für alle daß Schiller   allerdings ein bürgerlicher Denker zu nennen von seiner Zeit als von dem Zeitalter der Ver- gedacht. Dies glaubten ja auch die Physiokraten, die ist: bürgerlich wohlverstanden in dem umfassenden Sinne nunft", das die barbarischen Ueberreste aus früheren Dekonomen des Aufklärungszeitalters, deren Grundanschauungen jener vorrebolutionären Zeit, als es noch bürgerliche Ideale Perioden, Geburten des Zufalls und der Gewalt nicht ver- auch Schiller zweifellos geteilt hat: die freie Konturrenz ist gab, als zum Bürgertum, zum dritten Stand, alles zählte, ewigen werde, womit denn der Feudalismus gemeint für sie die natürliche Ordnung; mit ihr meinen sie voll­was nicht zu den privilegierten Ständen gehörte, als ein ist. In seinem Vortrag über die Schaubühne als tommene Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit einzuführen vierter Stand sich kaum erst vom dritten loszulösen begann. moralische Anstalt( 1784) rühmt Schiller   dem Theater und allen Klassen der Gesellschaft den höchsten Grad von Deshalb springt auch der bürgerliche Grundzug von Schillers auch sein Verdienst um die Aufklärung des Verstandes nach: Wohlhabenheit und Wohlbefinden zu sichern. Denten nicht ohne weiteres ins Auge. Wenn man seine„ Richtigere Begriffe, geläuterte Grundsäge, reinere Gefühle Der Gleichheitsbegriff, wie er bei Rousseau   eine so große revolutionären Jugenddramen mit ihren fortgefeßten An- fließen von hier durch alle Adern des Volkes; der Nebel der Rolle spielt, war auch Schiller nicht fremd. Er ist wie Rousseau  griffen auf die damals bestehende Staats- und Gesellschafts- Barbarei, des finsteren Aberglaubens verschwindet, die Nacht der Meinung, daß ursprünglich allgemeine Gleichheit herrschte ordnung liest, so liegt nicht ganz an der Oberfläche, daß auch weicht dem siegenden Licht." Diese Gedanken findet man auch und daß der Ursprung der Ungleichheit erst von der Scheidung hier die Gedankenrichtung im Wesen bürgerlich ist. Hier in seinen späteren Schriften, nur daß er über den Erfolg der Auf- der Menschen in Ackerbauer und Hirten datiert. Er malt und da in seinen Schriften aber läßt Schiller   ein Wort fallen, das flärungsarbeit nicht mehr so optimistisch denkt wie als Jüngling, dann die Suspigung der Standesunterschiede durch Entstehung den bürgerlichen Standpunkt geradezu hervorkehrt. So preist das meiste noch zu tun findet und dabei der ästhe: des Gegensatzes zwischen Arm und Reich aus:„ Der Reiche er in seiner Jenenser: Antrittsrede von 1789 als Schöpfer tischen Stultur eine noch weit größere Rolle anweist als wurde reicher durch des Armen Fleiß; seinen Reichtum zu unfeter ganzen Kultur", den, wohltätigen Wittelstand", in dem früher. vermehren, vermehrte er also die Zahl seiner Knechte; viele

ein dauerhaftes Glück für die Menschheit heranreife. In. Alle die Hauptgrößen der Aufklärung haben auf Schiller   also sah er um sich, die minder glücklich als er waren, viele seiner Abhandlung über Völkerwanderung, Mittelalter und stark gewirkt: die Deutschen   sowohl wie die Franzosen  . Der hingen von ihm ab. Der Reiche fühlte sich und wurde Streuzzüge ist die Aufgabe, für die Freiheit zu kämpfen, das Denker, der auf den jungen Schiller den größten Einfluß stolz. Er fing an, die Werkzeuge seines Glückes mit Wert­neue Europa zur Freiheit zu führen, dem dritten Stande" gehabt und seinen ganzen Gedankengang in eine bestimmte zeugen seines Willens zu verwechseln. Die Arbeit vieler zugetiesen. Richtung hineingedrängt hat, ist Jean Jacques   fam ihm, dem einzigen, zu gut; also schloß er, diese bielen

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eigene Meinung, wenn im Fiesco  " der erste Fürst ein Mörder genannt wird, der den Purpur eingeführt habe, um die Flecken seiner Tat in dieser Blutlache zu ersticken".

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Sonst wird man sich über Schillers Stellung in Rousseau  . Gleich in Schillers dramatischem Erstling seien des einzigen wegen da er hatte nur einen fleinen den Klassengegenfägen feiner Zeit am besten spielt das Rousseausche Ideal der Rückkehr von den ab- Schritt zum Despoten. Sittenverderbnis wurde allgemein, flar, wenn man sein Verhältnis zur Aufklärung geschmacteu Konventionen" des Gesellschaftslebens zur ge- das Recht des Stärkeren tam auf, Macht berechtigte zur ins Auge faßt. Bei dem immer noch obwaltenden Vorurteil funden Natur die größte Rolle, und wie ein roter Faden Unterdrückung, und zum ersten Male zeigten sich Tyrannen." gegenüber der Aufklärung", das bei diesem Worte ganz zieht sich dieser Gedanke durch Schillers poetische wie prosaische Schiller meint, daß der erste König ein Usurpator gewesen, irrtümlich bloß an die philisterhaften, Seichtbeuteleien von Arbeiten. Jm Spaziergang"( 1795) erscheint die den nicht ein freiwilliger, einstimmiger Ruf der Nation, fon Nicolai und Genossen denkt, könnte es als Tempelschändung Sehnsucht nach der Natur als Hebel der Revolution. Da dern Gewalt und Glück und eine schlagfertige erscheinen, Schiller   unter die Aufklärer" zu rechnen. wird die Unnatur einer entarteten Stultur ausgemalt, die, in Miliz auf den Thron setzten. Man sieht, es ist Schillers Aber tatsächlich ist dies durchaus berechtigt. Mehring in seiner die Regeln des Ständestaats gepreßt, lange mumienhaft fort­Schiller- Biographie hat es bereits ausgesprochen, daß Schiller   besteht: im letzten Grunde zu den bürgerlichen Aufklärern ge- ,, Bis die Natur erwacht und mit schweren, ehernen Händen hörte in die Reihe der Diderot   und Rousseau   und An das hohle Gebäu' rühret die Not und die Zeit. Voltaire, der Lessing und Herder  , die auf dem Gebiete der Weit entfernt bom Glauben ans göttliche Recht der Aesthetik, der Historie, der Philosophie; der Poesie nach ver- Aufsteht mit des Verbrechens Wut und des Elends die Menschheit, Monarchen, sieht Schiller   mit Rousseau   bloß den Gesell. nichtenden Waffen gegen die feudale Weltanschauung suchten." Und in der Asche der Stadt sucht die verlor'ne Natur." schaftsvertrag als Begründung rechtmäßiger Gewalt -Da erscheint der Aufflärer Schiller in sehr guter Gesell- Und so wird auch in dem mit dem Spaziergang" un an: in der Jenaer   Antrittsrede wie in den„ Aesthetischen schaft, und man darf noch einen hochberühmten Namen nennen, gefähr gleichzeitigen Aufsatz über naive und sentimen Briefen" von 1793 ist von der Herrschaft der Verträge, dem der für Schiller   bedeutungsvoll gewesen ist. Der Kritiker der talische Dichtung der Gang der historischen Ent- Stand der Verträge die Rede. Demgemäß ist Schiller auch Vernunft nämlich, auf dessen Philosophie Schiller   in seinem wickelung so gezeichnet: Unsere Stultur foll uns, auf dem mit den Franzosen  , vor allem mit Rousseau  , ein Anhänger Mannesalter gefußt hat, Immanuel Kant  , gehört auch Wege der Vernunft und der Freiheit, zur Natur zurück der Lehre von der Volkssouveränität. In seinem Vortrag zu den Aufflärern"; seine Worte stellen die philosophische führen."- Wie Rousseau  , so nimmt auch Schiller   einen Natur- über Solon  ( 1789) erklärte er es für einen wichtigen Schrift Krönung der Aufklärung dar. Stants Aufsatz von 1784: zustand an, in dem die Menschen noch nicht in Gesellschaft, zur fünftigen Freiheit von Athen  , daß die anfänglich lebens­Was ist Aufklärung?" beantwortet diese Frage dahin: Auf- sondern bereinzelt lebten. Der Mensch ist ihm nicht von längliche Dauer des Archontenamts auf zehn Jahre flärung sei geistige Mündigkeit und führe den Wahlspruch: Natur ein Gesellschaftswesen", mit Aristoteles   zu sprechen. So beschränkt wurde. So trat das Volt öfter in den Genuß Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen." finden wir in der Glode" den ungesell'gen Wil  - feiner Souveränität, und dadurch blieb ihm immer in Stant stellt weiter die Frage: Leben wir jetzt in cinem auf- ben". Auch die Jenenser Antrittsrede spricht vom um frischem Gedächtnis, was die Untertanen erblicher Monarchien getlärten Zeitalter?" und antwortet: Nein, aber geselligen Höhlenbewohner" und erwähnt den Fortschritt des zulegt ganz vergessen, daß es selbst die Quelle der höchsten in einem Zeitalter der Aufklärung"; die Menschen von einer feindseligen Einsamkeit zur Gesellschaft". Gewalt, daß der Fürst nur das Geschöpf der Nation ist." Mehrheit der Menschen ist noch nicht mündig; sie ist noch Dieser Zustand roher Natur das erkennt Schiller   anist Er blieb also bei dem, was er schon als junger nicht fähig, in Religionsdingen die Leitung eines anderen zu bei feinem Volt und Zeitalter nachzuweisen, und er betont Mann in der Thalia" als sein politisches Glaubensbekenntnis entbehren, aber sie ist auf dem Wege dazu. Um den einmal nachdrücklich, daß dieser Naturstand nur in der Idee ausgesprochen hatte.„ Das Grundprinzip, worauf alle Weg beschreiten zu können, dazu bedarf die Aufklärung der eriſtiere. Man sieht hier, wie recht Mary in seiner Schrift Staaten beruhen müssen, ist, daß die Bürger sich selbst die Freiheit, von der Vernunft in allen Stücken öffentlichen Ge Zur Kritik der politischen Dekonomie" hat, wenn er in dem Geseze geben müssen, denen sie gehorchen sollen, und daß Ge­brauch zu machen. Meinungsfreiheit, damit Auf- Naturzustand" der Auftlärer nur eine ideologische horsam und Pflichterfüllung aus Einsicht und Liebe zu den flärung in religiösen Fragen verbreitet werden kann, diesen Rückverlegung dessen in eine graue Vorzeit erblickt, was in felbstgegebenen Institutionen und nicht aus fflavischer Furcht Begriff der Aufklärung im engeren Sinne des Wortes führt Wirklichkeit als Werdendes in der Richtung der damals vor bor Strafe oder aus blinder und schlaffer Ergebung in den Stant hier vor. Daß auch da hinter der Klassen gegen- fich gehenden Entwickelung zur bürgerlichen Gesellschaft lag. Willen eines Oberen entspringt." saz zwischen Bürgertum und privilegierten In dieser Gesellschaft der freien Stonkurrenz erscheint der So war Schiller   denn auch ein Anhänger des Rechts auf Ständen steckt, spricht schon das Kommunistische Manifest einzelne losgelöst von den Naturbanden usw., die ihn in Revolution. In der Einleitung zum Abfall der Niederlande  " mit den Worten aus:„ Als die christlichen Jdeen im 18. Jahr früheren Geschichtsperioden zum Zubehör eines bestimmten,( 1788) erklärte er den Gedanken für groß und beruhigend: hundert den Aufklärungsideen unterlagen, rang die feudale begrenzten, menschlichen Konglomerats machen. Den Propheten daß gegen die trogigen Anmaßungen der Fürstengewalt Gesellschaft ihren Todestampf mit der damals revolutionären des 18. Jahrhunderts, auf deren Schultern Smith und Ricardo endlich noch eine Hilfe vorhanden ist, daß ihre berechneten Bourgeoisie. Die Ideen der Gewissens- und Religionsfreiheit noch ganz stehen, schwebt dieses Individuum des 18. Jahrhunderts Plane an der menschlichen Freiheit zu schanden werden, daß sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz auf dem das Produkt einerseits der Auflösung der feudalen Gesellschafts- ein herzhafter Widerstand auch den gestreckten Arm eines Gebiete des Wissens aus." formen, andererseits der seit dem 16. Jahrhundert neu ent- Despoten beugen, heldenmütige Beharring feine schrecklichen Zu den Aufklärern als Dentern, die vor der bürger wickelten Produktionskräfte- als deal bor, dessen Existenz Hilfsquellen endlich erschöpfen kann. Bei der Geschichte der lichen Revolution die Köpfe revolutionierten, gehört nun auch eine bergangene fei. Nicht als ein historisches niederländischen Revolution hat den Historiker Schiller   dieser Schiller. Er vertritt die Gedanken des Zeitalters der Auf- Resultat, sondern als ein Ausgangspunkt der Gedanke besonders lebhaft durchdrungen, und er will sie mi flärung in der umfassendsten Weise. Am ersten fönnte es Geschichte. Weil dies Individuum als das Naturgemäße als Denkmal bürgerlicher Stärke vor der Welt aufstellen, als noch im„ Don Carlos" scheinen, als ob er sich auf die Auf- erschien und ihrer Vorstellung von der menschlichen Natur ein Beispiel: was Menschen wagen dürfen für die gute Sache flärung im landläufigen Sinne des Wortes beschränken, bloß entsprach, erschien es nicht als ein geschichtlich Entstehendes, und ausrichten mögen durch Vereinigung. Und er hatte die Gewissenstnechtung. Aberglauben, pfäffisches Wesen bekämpfen sondern von der Natur Geseztes. Diese Täuschung ist jeder niederländische Volkserhebung ausdrücklich auch als Vorbild ivolle: Gedankenfreiheit fordert Marquis Pofa. Aber das neuen Epoche bisher eigen gewesen." Schiller   hatte von für Deutschland   im Auge; denn in der Einleitung standen soll nicht das A und O feines Programms sein, fondern in diesem Sachverhalt eine dunkle Ahnung, aber mehr auch nicht. weiter auch die Worte, die erst später weggelassen worden den Briefen über Don Carlos" erscheint hinter der Forderung Wie den übrigen konsequenten Aufklärern erschien auch ihm sind und sich in neueren Ausgaben nicht mehr finden:„ Die allgemeiner Duldung und Gewissensfreiheit weiter das die feudale Gliederung der Gesellschaft in Stände, erschienen Straft, mit der das niederländische Volt handelte, ist unter fühnste Jdeal einer Menschenrepublik", und Posa ihm die ökonomischen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit uns nicht verschwunden; der glückliche Erfolg, der sein Wage­wird als Verkörperung republikanischer Zugend Hingestellt, des Einzelnen als Abweichungen vom Natürlichen, die verstück krönte, ist auch uns nicht versagt, wenn ähnliche Anläffe als ein Charafter, wie er sich bilde, wenn allgemeine schwinden müssen, wenn das Individuum zur natürlichen uns zu ähnlichen Tateu rufen." Gärung der Köpfe, Kampf der Vorurteile mit der Ver- Freiheit gelangen soll. Schiller hat bis an sein Ende nicht, wie Reaktionäre unft, Anarchie der Meinungen, Morgendämmerung der Schiller war und das bezeichnet den bürgerlichen gern unter Berufung auf die bekannten Verse in der„ Glocke" Wahrheit die Signatur der Zeit ist, von Menschenrechten ge- Charakter seiner Weltanschauung und der der übrigen Auf- behaupten möchten, zu den grundsäglichen Gegnern jeder

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