schreiber. an dem Tage, wo er den Brief geschrieben, an einem ganzanderen, weit entfernteren Orte war, als an dem, an den, derBrief geschrieben war. Nachdem die Briefe verlesen waren, erklärtedie Verteidigung, dab im Schriftsatz der Verteidiger noch fünfzehnweitere Briefe verzeichnet waren, und forderte den Vor-sitzenden auf. zu erkären, ob er diese Briefe kür echthalte. Der Vorsitzende erklärte, er halte auch diese Briefefür gefälscht. Die Verteidiger erklären darauf, dah der Staats-anwaltschasl die Briefe schon seit August bekannt sind und das; sieder Verteidigung schon früher, spätestens am ersten Verhandlungs-tage hätten mitteilen müssen, daß sie diese Briefe für gefälschthalte. Weil das nicht geschehen, hatte die Verteidigungkeine Gelegenheit, sich darüber zu orientieren und Er-Mittelungen anzustellen. Deshalb behalte sie sich Anträgeauf Bussetzung der Verhandlung vor. Darauf wurde Sach-verständiger Jescrich vernommen. Er erklärt, daß er das Alter der10 Briefe nicht feststellen könne, aber nach den Untersuchungen müsse erannehmen, daß die Tinte, mit der die Briefe geschrieben sind, die-selbe Tinte sei, wie sie im Gericht und im Gefängnis benutzt werde.Die Verteidigung beantragt darauf, daß die schon erwähnten 15 anderenBriefe vom Sachverständigen untersucht werden, ob sie ebenfalls mitderselben Tinte hergestellt sind. Der Sachverständige erklärt, daßdas mindestens 14 Tage in Anspruch nehmen werde. Die Verteidi-gung behält sich darauf für morgen(Mittwoch) früh ihre weiterenBeweisanträge vor._Ein offizielles Dementi in der Doggerbankaffäre.In einem Artikel des.Tag" hatte der Legationsrat a. D.vom Rat behauptet, daß England zur Zeit des Doggerbankfalleswährend des russisch-japanischen Krieges sechs Unterseeboote in derNähe von Helgoland stationiert hatte, um jedes auslaufende deutscheKriegsschiff in die Lust zu sprengen. Die„Kölnische Zeitung'schreibt demgegenüber, daß in deutschen, amtlichen Kreisen, sowohlim Auswärtigen- wie im Reichsmarine-Amte, von einem solchenLorgange nicht nur nichts bekannt sei. sondern man sei auch iveitentfernt, an diese Möglichkeit zu glauben. Wenn man schon denEngländern eine solche hinterlistige Piratenpolitik zutrauen wollte,so sei es doch ganz unwahrscheinlich, daß sechs Unterseebote sichtagelang in der Gegend von Helgoland, die von deutschen Schiffenund Fischereifahrzeugen fortwährend befahren wird, hätten aufhaltenkönnen, ohne daß davon etwas bemerkt worden wäre. Auch hättendie englischen Unterseebote damals noch nicht einen solchen Grad derVollendung erreicht, daß sie zu diesem Zweck hätten verwendetwerden können. �_Der Mecklenburger Verfassungsstreit.Der neue Verfassungsentwurf für die beiden mecklenburgischenGroßherzogtümer soll jetzt endlich endgültig fertiggestellt sein. Wiedas»Verl. Tagebl." zu melden weiß, wird nach dem Entwurf dermecklenburgische Landtag künftig auS 106 Abgeordneten bestehen,von denen 50 aus allgemeinen, offenen, indirekten Wahlen(Drei-klassenwahlsystem) hervorgehen. 25 Abgeordnete sollen die Ritterstellen, 25 die Städte, 5 werden von den Großherzöge» auf Lebens-zeit ernannt, und einer wird vom Fürstentum Ratzeburg gewählt.Das Wahlrecht hat derjenige, der 25 Jahre alt ist und drei Jahrelang die mecklenburgische Staatsangehörigkeit besitzt, ein JahrSteuern bezahlt hat und einen eigenen Herd und einen eigenenHausstand besitzt. Ein Abgeordneter kann nur da gewählt werden.wo er wohnt._Aus dem Wahlkampf in Landsberg- Soldin.Aus dem Wahlkreis wird uns geschrieben:Ueber den Umfang der Agitationsarbeit in unserem Kreise kannman sich einen Begriff machen, wenn man erwägt, daß von liberalerSeite etwa 160 Versammlungen und von den Konservativen zirka 200abgehalten wurden.— So ,st der Kreis noch nie bearbeitet worden.Fast alle Versammlungen wurden von uns mit Rednern besetzt undsie kamen auch zum Wort. Hoffentlich ist die Arbeit von Erfolg füruns. Ein Glück, daß das Wetter gut blieb, denn eS kaffien zirka170 Orte in Frage, von denen viele nur in vielstiindiger Wagen-fahrt zu erreichen sind.— Welches Interesse die Bevölkerung der Wahlentgegenbringt, zeigten zwei Versammlungen unter freiem Himmel.In Lieh, einem Orte mit etwa 1000 Wählern, hatten sich über800 Menschen eingefunden und erfreulicherweise auch recht vieleFrauen. Hier sprach Genosse E i ch h o r n. Ebenso großartig ver-lief die Versainmlung in S o l d i n. in der Genosse Haß ausBerlin das Referat hatte.Die vereinigten Liberalen hatten bislang nur nattonal-liberale Redner, während der Linksliberalismus mehr dekorativeVerwendung fand. Neuerdings hat man aber auch Redner dieserRichtung ins Feuer geschickt, unter anderen Herrn Tischendörfer au«Berlin.— Für die Konservativen spricht unter anderen Herr Pauli-Potsdam und der bekannte Malermeister Hammer; außerdem eineAnzahl Landwirte aus— Berlin.— ES ist erheiternd zu, hören,wie diese Berliner Landwirte die Wähler bearbeiten. Die Herrenhaben samt und sonders ihren Besitz in der Dessauer Straße imBureau des Bundes der Landwirte. Sowohl für die Liberalenwie für die Konservative» arbeitet hier eine ganze Anzahl vonParteisekretären, die immer mehr den rednerischen Aufwand fastallein zu decken haben. Eine Freude ist eS, daß unsere Rednerihsien entgegentreten als Zugehörige der Partei, in deren Namensie sprechen, was die Angestellten aus der Deffauer Straße, wieOhni u. a. von sich nicht behaupten können.Am Sonntag wurde unser viertes und letztes Flugblatt überden ganzen Kreis verbreitet, eine Arbeit, die von zirka 60 Rad-fahrern und ebensoviel Fußgängern geleistet wurde. Am Somiabendsprach Getiosse Liebknecht in Landsberg vor 2000 Menschen.Der Saal war überfüllt und von vielen Angehörigen der bürger-lichen Parteien besucht.Am Donnerstag, dem Tage bor der Wahl, spricht GenosseR. Fischer hier.—Zur Erheiterung der Genossen diene der beifolgende Brief, derein Schlaglicht wirft auf die„ W a h l f r e i h e i t die auf demLande herrscht:Herrn Gastwirt Kaiser in Landsberg.Im Auftrage vieler Wähler theile ich Ihnen mit, das sie beiuns auf dem Lande nichts zu suchen haben; in der Stadt könnensie machen was sie wollen aber auf dem Lande sind wir Herrgeben sie sich keine Mühe bei uns die par demokratische Zettelschmeisien wir doch aus der Urne raus die zälen doch nicht mit,lvir halten treu und fest Zusammen.Ein BertrauenSmaiin des Bundes der Landwirte im Wartebruch,Kommunalwahlsiege.Bei den Stadtverordnetenwahlen in Finster-walde N./L, ist es der Sozialdemokratie zum erstenmal ge-lungen, zwei Mandate zu erobern. In der dritten Abteilungwurden zwei Genossen gewählt, während ein Genoffe in Stichwahlkommt. Der Sieg ist um so höher anzuschlagen, weil in Finster-walde noch ein BürgerrechtSgeld besteht, das 75 Mark beträgt.Die große Mehrzahl der Arbeiter hat daher kein Bürgerrecht. Trotzdieses Hindernisses sind die Bürgerlichen geschlagen worden.GEine preußische Gcmciudevcrwaltting mit sozialdemokratischer Mehrheit.Die Hoffnung unserer Parteigenossen in Höh scheid(nichtH o ch s ch e i d, wie c-Z in der Sonnabend-Nummer des„Vorwärts"hieß) bei Solingen, einer Stadtgemeinde von 15 000 Einwohnern.diesmal die Mehrheit in der Stadtverordneten-Versammlung zu erlangen, ist. wie bereits telegraphischberichtet wurde, in Erfüllung gegangen. Die Genoffen hattenvier Mandate zu verteidigen und gewannen ein» hinzu.Die sämtlichen Mandate der dritten Abteilung, acht an derZahl, sowie fünf Mandate der zweiten Abteilung befindensich in den Händen der Sozialdemokratie. In einem Wahlbezirkbeteiligten sich unsere Genossen sogar an der Wahl zur ersten Ab-teilung und hofften das Mandat zu gewinnen. Der bürgerlicheKandidat, ein praktischer Arzt, siegte aber noch einmal über denKandidaten der Sosialdemolratie, den Schleifermeister Henkels, mitnur 3 Stimmen Mehrheit. Diese Wahl wird übrigens angefochtenwerden, da sich behördliche Beeinflussungen bemerlbar gemacht haben.»Bei den S ta d tv er o rd n etenw ah len in Schwedt a.O.die am 9. November vorgenommen wurden, siegten in der drittenAbteilungdie vier Kandidaten der Sozialdemokratiemit 153— 161 Stimmen über die vereinigten Gegner, die 128—130Stimmen erhielten. Die ersten vier sozialdemokratischen Abgeordnetenrücken damit in das Stadtparlament von Schwedt ein.»Bei den Stadtverordnetenwahlen in Ober-Urseeroberte die Sozialdemokratie in der 3. Klaffe drei neueMandate, so daß die Fraktion jetzt sieben Mann starl ist.Einen erfreulichen Erfolg errangen unsere Genossen in Brieg(Schlesien). Sie vereinigten auf jeden ihrer vier Kandidaten345 Stimmen und kamen dadurch in die S t i ch w a h l; der S i e geines Genossen ist gewiß. Die Aussichten von zweianderen Kandidaten sind auch gute, da ihnen nur noch wenigeStinimen zur absoluten Majorität fehlten. Unsere Genossen be-teiligten sich zum e r st e n m a l an der Kommunalwahl.In Freiburg(Schlesien) kamen ebenfalls vier Genossenmit den bürgerlichen Kandidaten in die Stichwahl.Noch ein sozialdemokratischer Bürgermeisterin der Pfalz.Die Wahleines sozialdemokratischen Bürgermeisters in Rhein-g ö n n h e i m, einem Bororte von Ludwigshafen, die wir imgestrigen Blatte als bevorstehend meldeten, ist erfolgt. Gewähltwurde der Buchdrucker Genosse Horlacher, zum ersten Adjuuklenwurde der Lagerhalter Genosse Ullrich, zum zweiten Adjunktender Schlossermeister Genosse Reimer gewählt.I Kein einheitlicher Strafvollzug.Durch die Presse lief kürzlich die Nachricht, daß das Reichs-justizamt mit der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes betreffend dieeinheitliche Regelung des Strafvollzuges beschäftigt sei. Die Scherl-presse ist nun zu der Erklärung ermächtigt, daß man dem Reichs-justizamte wieder einmal zuviel zugetraut hat. Es ist dort nämlichnur Material über den Strafvollzug gesammelt worden. An eineeinheitliche Regelung dieser Frage denkt das ReichSjustizamt nicht.Angeblich bestehen Zweifel darüber, ob das Reich überhaupt befugtist, diese Frage einheitlich zu regeln, weil die Kosten von den einzelnenBundesstaaten getragen werden müssen. Dazu komme, daß nichteinmal im führenden Staate Preußen der Strafvollzug bisher ein-heitlich geregelt ist, sondern vom Justizministerium und vomMinisterium des Innern nach verschiedenen, teilweise erheblich voneinander abweichenden Grundsätzen gehandhabt wird.Der langen Rede kurzer Sinn ist der: Preußen willnicht. Und um das etivas zu verschleiern, stellt man die Kom-petenz des Reiches in Zweifel._Ganz unsere Meinung.In Sachen des Steuerbetrugs mit Hilfe der vielgenanntenRechnungslomtore schreibt die(agrarische)„Deutsche Volkswirtschaft-liche Korrespondenz" I„Die Staatsregierung fetzt für die Veranlagung der Ein-kommen- und Vermögenssteuer einen so festgefügten bureau«kratischen Mechanismus in Bewegung, daß dessen Unzulänglichkeitfür die Ermittelung der Wahrheit mindestens peinlich berührenmüßte. Nach unserem Dafürhalten können die Steuer-kommissionen, wenn die beteiligten Personen sich ihrerVerantwortung bewußt sind, auf die Dauer unmöglichhint'ers Licht geführt werden, selbst wenn einigeReckmungSbureaus mit skrupellosen Mitteln ihrer agrarischen Kund-schast zur Hand gehen sollten. Sind aber Täuschungen wirklichvorgekommen, so müssen sie rücksichtslos aufgedeckt werden,andernfalls bleibt an den staatlichen und ehren-amtlichen Steuereinschätzungsmitgliedern derböse Verdacht hasten, daß sie sich lässiger Pflichterfüllung schuldiggemacht haben."Das agrarische Blatt erhebt diese Forderimg, weil eS von derUnschuld seiner Schützlinge überzeugt ist oder wenigstens so tut.Nun haben wir genau dasselbe schon wiederholt verlangt. Wenndie Staatsregierung aber nichts dergleichen getan hat und auchweiterhin nicht tun wird, welche Schlüsse muß dann der beschränkteUnterianenverstand daraus ziehen? Man ist doch sonst beim Vor-gehen gegen Beamte in Preußen nicht zimperlich, wie eben erstwieder die Fälle Schücking und Zollitsch bewiesen haben.Aus dem sächsischen Landtag.In der ersten Sitzung der sozialdemokratischenLandtagSsraktion wurden die Genossen Frätzdorf undS i n d c r in a n n als Vorsitzende, ll h l i g und Keimling alsSchriftführer gewählt. Es wurde beschlossen, auf einen Vize-p r ä s i d e n t e n p o st e n im Landtage Anspruch zu machen.Dafür wurde Genosse Fräßdorf, zu Schriftführern im Landtagewurden die Genossen F l e i tz n e r und Hold vorgeschlagen.� �Die nationalliberal« Fraktion hielt ebenfalls eineSitzung ab, die sich mit der Präsidentenfrage beschäftigte. DerAbg. Hettner lehnte die Wahl zum Präsidenten ab. DieNationalliberalen brachten sodann den Abg. Vogel oder den Kon«servativen Dr. Spieß- Pirna in Vorschlag. Ueber den zweitenPräsidenten haben sich die Nationalliberalen mit den Konservativennoch nicht geeinigt._Schutztruppen-Fustiz.Im„Reichs-Anzeiger" vom 9. November publiziert der Reichs-kanzler die„Verordnung, betreffend das stttaf.gerichtliche Verfahren gegen Militärpek-sonender Kaiserlichen Schutztruppen" vom 2. November nebstAusführungsbestimmungen vom 6. November.Die Verordnung ist eine Ergänzung zur Militärstrafgerichts-ordnuug für das Deutsche Reich(vom 1. Dezember 1898), gemäßderen Bestimmungen ini übrigen nach wie vor das strafgerichtlicheVerfahren auch gegen die Angehörigen der Schutztruppen Anwen-dung findet._Zucker als Lohu für landwirtschaftliche Arbeiter.Den Agrariern ist ein neuer Fingerzeig gegeben worden,wie sie ihre bedauernswerten Arbeiter entlohnen tonnen, ohne ihnenmehr Bargeld geben zu brauchen. Die Vereinigung zurHebung des Zuckerverbrauchs, bestehend aus Agrariernund Zuckerindustnellen. wendet sich nämlich an die rübenbauendenLandivirte mit der Mahnung, ihren Arbeitern den Zuckergenußanzugewöhnen. Landwirte, die einen Versuch damit machten, habengefunden, daß die Arbeiter bei reichlichem Genuß von Zucker leistirngs-sähiger wurden, so daß eS sich für den Agrarier lohnt, feineArbeiter zum Zuckergenutz anzuhalten.In dem Mahnruf heißt eS:„Das Weihnachtsfest z. B. bietet Gelegenheit, den Arbeiternzur Anerkennung für geleistete Dienste Zucker zu verabfolgen,woraus besonders von den Frauen und Kindern Wert gelegt wird.In anderen Wirtschaften hat sich wieder ausgezeichnetbewährt, für gewisse Arbeiten, z. B. für das Hacken derRüben, das Verziehen, das Ausroden derselben, für denFall, daß diese Arbeiten gut ausgeführt sind, kleineGaben Zucker, vielleicht ein Pfund pro Morgen, alsGratifikation zu geben. Jeder Landwirt weiß, daßeS ein großer Unterschied ist, ob man die Rüben sorgfältig be-arbeitet oder nicht, und kann sich sehr leicht ausrechnen, daß. wennman stir diejenigen Flächen, die gut gehackt. ver;oacn und auf-genommen sind, je ein Pfund, im ganzen also 3 Pfund Zuckerpro Morgen gibt, was eine Ausgabe von 60 Pf. repräsentiert,diesem eine Mehreinnahme von 3 bis 10 M. und mehr proMorgen gegenüberstehen kann."Auch für Uederarbeit und SonntagSarbeit soll denArbeitern Zucker verabreicht werden. Die rübenbaueuden Agrarierwerden sich das nicht zweimal sagen lassen. In der Regel sind sienämlich auch Teilhaber von Zuckerfabrilen, so daß mit der Steige-rung des Absatzes auch ihre Dividende steigt. Sie hoben alsolediglich ihr eigenes Juteresse im Auge, wen» sie ihren Arbeiterndas Leben„versüßen"._franhrncb.Die Debatte über den Proporz.Paris, 9. November.(Pnvatdepesche des„Vorwärts".)B r i a n d hat gestern seine Politik enthüllt. Nachdem dieKammer in zwei Abstimmungen mit wachsenden Majoritätensich für die Einführung derProportionalwahlausgesprochen hatte, warf Vriand die Vertrauensfrageauf. um diesen wichtigen politischen Fortschritt zu ver-hindern. Er hat sich damit als Lebensretter des rück-ständigen sozialreaktionären kleinbürgerlichen Radikalismus undals Feind des politischen Fortschreitens der Arbeiterklasse be-währt. Es ist bezeichnend, daß selbst Millerand nicht so weitzu gehen wagte wie sein Kollege im Renegatenttim und sichbei der Abstimmung über die Vertrauensfrage der Stimmeenthielt._Die Ausreden Briands.Ministerpräsident Briand führte aus. er sei der Ansicht, daßdie Kammer am Schlüsse der Legislaturperiode, welche durch eineso wichtige Frage ausgefüllt sei, eine so einschneidende Aendcrungdes Wahlsystems nicht beschließen solle. Der Antrag betreffenddie Proportionattvahlen sei voller Dunkelkeiten. Ein solches Gesetzmöge der Initiative der Regierung überlassen werden, er könnenicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß die Kammerin der Erörterung der einzelnen Artikel fortfahre. Er stelle deshalbdie Vertrauensfrage.(Große Bewegung.) Die Kanimervotierte hierauf, wie bereits gemeldet, dem Ministerium mit einerMehrheit von 66 Stimmen das Vertrauen und lehnte denArtikel l im ganzen ab.(Lebhafter Beifall bei den Radikalen.Gcgenrufe bei den Soziali st en:„Bei den nach st enWahlen sehen wir uns wieder I">Für das Prinzip des Proportionalwahlsystemsstimmten die m e i st e n Sozialisten, die Mitglieder derdemokratischen Vereinigung und der republikanischen Vereinigung,die gemäßigten Republikaner, die gesamte Rechte und 69 Radikale.Die„Internationale".Paris, 9. November. In Laon haben einige auf der Zitadellegefangen gehaltene Soldaten des 45. Jnfanterie-RegimentS auS-zubrechen versucht. Als sie vor dem Obersten geführt wurden,stimmten sie die Internationale an. Sie werden dein„PetitJournal" zufolge vor das Kriegsgericht gestellt werden.Schweden.Friede?Die Frage, ob der wirtschaftliche Kriegszustand zwischen derSchwedischen Arbeitgebervereinigung und der organisierten Ar-beiterschaft nun endlich durch die von neuem angeknüpften Ver-Handlungen zum Abschluß kommen wird, läßt sich noch immernicht beantworten. Die Vertreter der beiden Parteien habenBeratungen mit den Schlichtungsbeamten gepflogen, aber irgend-ein greifbares Ergebnis liegt bis jetzt nicht vor. Nun sind auchdie besonderen Vertreter bestimmter am Kampfe beteiligter Be-rufsgruppen, wie der Lagerschneiderei, der Zellulose-, der Eisen-Hüttenindustrie usw., zu Beratungen mit ihren Schlichtung?-beamten zusammengetreten, die wahrscheinlich versuchen werden,den Parteien Einigungsvorschläge zu machen. Ob ihre Vorschlägedann Annahme finden werden, ist selbstverständlich immer nochfraglich.—Norwegen.Die StorthingSwahlen.J» den Stichwahlen, soweit sie bis jetzt erledigt sind,haben unsere Parteigenossen noch zwei Mandate erobert, sodaß neun Sozialdemokraten gewählt sind. Die bürgerlicheLinke hatte es bis Ende der verflossenen Woche erst auf27 Mandate gebracht, die Rechtenpartei auf 59. Die Konser-vativen sind sicher, im neuen Storthing �die Mehrheit zubilden. Sie haben diesen Sieg zu einem guten Teil derLinkenpartei zu verdanken, denn diese hätte es bei den Stich-wählen in der Hand gehabt, durch Zusammengehen mit derSozialdemokratie den Konservativen die Hälfte der Mandaicstreitig zu machen.Hmerfha.Ein Protest gegen einen politischen Mord.Nur der Appell an das Kuliurgewisien der Welt kann verhindern,daß sich in Amerika demnächst die Ferrcr-Tragödie wiederholt, viel-leicht nicht fo dramatisch, aber darum nicht minder tragisch. ES istder mexilanische Patriot De Lara, dem dieses Schicksal droht.Seit Jahren bat De Lara seinen Wohnsitz in Kalifornien und seitmehreren Monaten bekleidet er das Bcrtrauensamt des National»organifatorS(LandeSsekretärS) der Sozialistischen Partei der Ver-einigten Staaten. Sein Aufenthalt in der Union wurde nun kürzlichunterbrochen durch eine Reise, die er mit dem amerikanischenSchriftsteller John Kennoth Turner durch sein Vaterland unternahm,um ihm das Material zu einer Veröffpntlichlmg über„DaS barbarischeMexiko" zu verschassen, die gegenwärtig in einer Artikelserle des„American Magazine" erscheint und ein Gegenstück zu KennanS„Sibirien" zu werden verspricht. Nach der Rückkehr in Amerikawurde De Lara, der mit seinem Begleiter in Mexiko unerkannt ge-blieben war, auf Denunziation des mexikanischen Despoten Diaz ver-hastet, und es droht ihm Auslieferung auf Grund des amerika«nischen AuSIieferungSgesetzeS als„Anarchist", da die Regierung dieReise durch Mexiko als eine Unterbrechung des gut dreijährigenAufenthalts De Laras im Lande ansieht.(Nach dreijährigemAufenthalt kann eine Deportation auf Grund des Einwanderun'gS-gcsetzeS nicht mehr erfolgen.) Gegen De Lara besteht in Mexiko einTodesurteil, da« im Falle seiner Auslieferung von denSchergen des Diaz unfehlbar vollstreckt werden wird. Natürlich istunser Genosse nur als politischer„Verbrecher" zum Tobe verurteilt.Die sozialistische Partei organisiert eine mächtige Protest-aktion und ruft die öffentliche Meinung der Welt zur RettungDe Lara? auf.