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Nr. 263. 26. Jahrgang. 3. Beilage des Vorwärts  " Berliner Volksblatt. Mittwo. 10. November 1909.

Gerichts- Zeitung.

Buchstabenrecht.

Vor der Straffammer des Landgerichts I   hatte sich die zwanzigjährige Arbeiterin Klara Götsch, Neue Hochstr. 23 bei Rojahn wohnhaft, unter der schweren Anklage des Betruges und der schweren Urkundenfälschung zu verantworten. Die Berhand­lung bot ein Bild des Elends dar. Die Angeflagte ist mit einem Gärtnergehilfen verlobt. Beide suchen mit zähem Fleiß für sich und ihr fleines Kind zu arbeiten. Beide sind jedoch arbeitslos ge­worden. Die geringen Ersparnisse waren bald verzehrt, die Not kehrte ein. Hinzu kam, daß das kleine Kind kränkelte. Der Armen: arzt riet der jungen Mutter, dem Kinde die beste Säuglingsmilch zu geben. In der Angst, ihr Kind verlieren zu können, griff die Angeklagte zu dem Mittel, das sie nunmehr auf die Anklagebant gebracht hat. Sie bestellte bei der Dr. Hartmannschen Milchkur anstalt Säuglingsmilch. Den Zettel unterschrieb sie mit dem Namen ihres Bräutigams. Als der Kutscher Zahlung verlangte, eritärte fie, ihr Mann habe noch kein Geld geschickt; er arbeite außerhalb. Es wurden ihr dann noch 2 Liter Milch geliefert. Als fie darauf nicht bezahlen konnte, erstattete der Inhaber der Firma, der Chemiker Dr. Falt, gegen die notleidende Unglückliche Straf: anzeige. Die jungen Leute wurden hierdurch völlig kopflos und machten einen Selbstmordversuch. Bei diesem wurden sie gestört. Vor Gericht erklärte die Angeklagte unter Tränen, daß fie das, was sie getan hatte, nur getan habe, um ihr Kind zu retten. Der Staatsanwalt beantragte zehn Tage Gefängnis. Das Gericht sprach die Angeklagte von der Anklage wegen Urkundenfälschung frei und erkannte auf die niedrigste gefeßliche Strafe für Betrug

von 3 M.

Auch diesen Betrag kann die Wermste, die jest nicht einmal Milch für ihr neun Monate altes Mind hat, nicht bezahlen. Dem Rechtsempfinden hätte es durchaus entsprochen, wenn die hart­herzige Strafanzeige abgelehnt oder wenn die Angeklagte mit Rüd­ficht auf ihre Notlage freigesprochen worden wäre.

Konventionalstrafe gegen das Kaufhaus des Westens. Das Kaufhaus des Westens hatte einen Kaufmann B. für die Zeit vom 1. August 1906 bis 31. Juli 1911 als Einkäufer und Leiter angenommen. In dem Anstellungsvertrage wurde folgende Bestimmung aufgenommen: Die Firma. ist verpflichtet, für den Fall, daß Herr B. vor Ablauf des Vertrages grundlos entlassen wird, an diesen zur einwandfreien Abgeltung aller seiner Ansprüche, mit Ausschluß seines nach§ 3 eventuell gesparten Gut­habens, eine Konventionalstrafe zu zahlen, welche für die ganze Vertragsdauer auf 10 000 M. festgesetzt wird und in Höhe des Teilbetrages der abgelaufenen Vertragsdauer zu zahlen ist."

Beträgen in den ersten Tagen der Anstellung. Diese eigenartige Auffassung wurde vom Landgericht und vom Kammergericht zu Berlin   berworfen. Es wurde der Auslegung seitens des Klägers dahin beigetreten, daß die Bestimmung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dahin aufzufassen sei, daß die grundlose Entlassung vor Beginn der Vertragszeit eine Vertrags die Entlassung nach Ablauf einer gewissen Vertragszeit erfolge, sich strafe von 10 000 m. nach sich ziehe, während dieser Betrag, wenn

entsprechend mindere.

ist jetzt vom III. Zivilsenat des Reichsgerichts zurückgewiesen. Die Die gegen dieses Urteil des Kammergerichts gerichtete Revision Auslegung des Berufungsgerichts beruhe auf einer tatsächlichen Feststellung, die einen Prozeßverstoß nicht erkennen laffe. Die Bertragsstrafe sei vorliegend dazu bestimmt, für den Kläger   eine Abgeltung für seine Ansprüche im Falle eines Vertragsbruchs feitens der Beklagten zu bilden. Diese Ansprüche seien aber bei Beginn des Vertrages am höchsten und mindern sich um so mehr, je mehr sich der Vertrag seinem Ende nähere, weil die teilweise Bertragserfüllung die Klägerischen Ansprüche herabmindere.

Der nächtliche Einbruch in die Kirche in Tegel  fand gestern vor der 5. Straffammer des Landgerichts III   seine bezw. Anstiftung und Begünstigung waren folgende Personen an gerichtliche Sühne. Wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls geklagt: der Arbeiter" Paul Specht, der Arbeiter" Paul Hinge, der Schlächter Karl Gluckmann, der Krankenwärter Ferdinand Prill, der Arbeiter" Henri Labbé, die Frau Hedwig Kaufmann und der Glaser Hermann Schäfer. Die sämtlichen Angeklagten sind vorbestraft. Die Verhandlung, welche bis in die späte Abend= ftunde dauerte, endete mit folgendem Urteil: Es wurden ver urteilt: Specht zu 6 Monaten Zuchthaus zufäßlich, Brill zu 14 Jahr, Hinge zu 1 Jahr und Gludmann zu 6 Wochen Gefängnis. Die übrigen Angeklagten wurden mangels ausreichenden Beweises von der Anklage der Begünstigung freigesprochen

Das Lichtbilderverbot vor dem Oberverwaltungsgericht. Zu der in Nr. 259 unter obiger Ueberschrift mitgeteilten Ent­scheidung ersucht uns Genosse Grempe um die Veröffentlichung folgender Buschrift:

Grund der zahlreichen Paragraphen des Strafgesebbuches bewirkt habe, wußte der Beamte nichts zu antworten und der Herr Ge­richtspräsident trug denn auch dieser Verlegenheitssituation Recy nung, indem er die Erörterung dieses Punttes abbrach. Daß in der Tat die polizeiliche Angst und Sorge wegen der öffentlichen Ruhe und Ordnung" vollkommen unberechtigt war, beweist schlagend die weitere Tatsache, daß die in Farburg von den meisten Städten so ziemlich aller deutscher Bundesstaaten ge­der Polizei so unangenehm empfundenen Projektionsvorträge in halten worden sind, ohne daß deshalb auch nur ein einziges Mal folgt wäre!" eine Anklage versucht, viel weniger denn eine Verurteilung er­

Wiederaufnahme des Kolanderprozesses.

In der bürgerlichen Bresse verlautet, der Staatsanwalt habe haupten gar zugunsten- Kolanders eingeleitet. Da durch den ein Wiederaufnahmeverfahren zuungunsten einige Blätter be­letzten Prozeß der Meineid einiger Zeugen festgestellt ist, seien die Voraussetzungen für ein solches Verfahren gegeben. Die Nachricht der bürgerlichen Bresse widerspricht der Wahrheit. Sie beruht auf einer falschen Kombination. Nach der Strafprozeßordnung fann ein Wiederaufnahmeverfahren( zugunsten und ungunsten des An geklagten) stattfinden, wenn ein Zeuge durch seinen Zeugeneid schuldig gemacht hat. Das Wiederaufnahmeverfahren ist jedoch urteilung erfolgt ist. Da im Kolanderprozeß die Mädchen mit Recht nur zulässig, wenn wegen des Falscheides eine rechtskräftige Ver­freigesprochen sind, ist mithin die Voraussetzung zur Wiederauf­nahme des Verfahrens nicht gegeben.

Aus der Schulstube.

Wegen Störperverlegung im Amte ist am 24. August vom Bandgericht Halle a. S. der Lehrer K. an 60 M. Geldstrafe, außer von 60 m. verurteilt worden. Der Schüler hatte eine Aufgabe dem zu einer an den Nebenkläger Schüler A. zu zahlenden Buße nicht gelernt, zeigte sich widerhaarig und wollte im Trok während der Stunde die Schule verlassen. Der Lehrer strafte ihn durch Stockschläge auf Gesäß und Oberschenkel, traf aber auch zweimal den Kopf und gab überdies dem Knaben noch Ohrfeigen, wodurch mehrere Badzähne gelodert wurden. Das Landgericht hat Ueber­schreitung des Büchtigungsrechtes angenommen. Die vom Neben­fläger eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht am Montag verworfen.

Ein Schadensersaßprozeß wäre einem weit höherem Schadens­anspruch gerecht gerecht geworden. Durch die Zuerkennuna der recht geringen Buße ist dieser Anspruch beseitigt. Witterungsübersicht vom 9. November 1909, morgens 8 Uhr.

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" Die Wendung des vom Oberverwaltungsgericht gefällten Ur­teils:" Nach den Erfahrungen mit früheren Grempeschen Vor­trägen hätte die( Harburger) Polizei das qu. Verbot erlassen fönnen", muß bei jedem Unbefangenen den Eindrud eriveden, als hätten diese früheren Versammlungen zu irgendwelchen Beanstan bungen oder Bestrafungen geführt. Ich brauche wohl weniger zu betonen, daß meine Zuhörer in Harburg niemals in meinen Versammlungen oder infolge meiner Reden strafbare Handlungen begangen oder sonst etwas unternommen haben, das geeignet ge wesen wäre, die berühmte öffentliche Ruhe und Sicherheit" zu stören. Wichtig ist aber die Betonung der Tatsache, daß die Har­burger Polizei die vor dem qu. Verbot von mir gehaltenen Vor­B. wurde nach zirka breivierteljähriger Tätigkeit ohne Vor- träge mit Lichtbildern( über" Rußland  " und über" Karikaturen") pamburg 768 28 3 bebedt Itegen eines wichtigen Grundes entlassen und forderte deshalb die überwachen ließ. Sie hat aber nicht einmal eine Strafanzeige Berlin 768 NR 3 bedeckt angemessene Vertragsstrafe als Entschädigung. Das beklagte Kauf- deshalb versucht. Das ist doch der beste Beweis dafür, daß wirklich Fran.a. M. 770 ND haus billigte einen geringen Teil zu, indem es den Vertrag dahin Niebuhr in einem infolge des Verbotes gegen ihn unternommenen ten berechtigte Bedenten nicht obgewaltet haben können! Als Genosse Münden  ausgelegt wissen wollte, daß die 10 000 m. gezahlt werden sollten, Beleidigungsprozeß dem Harburger Polizeipräsidenten   die Frage falls der Kläger   nach Ablauf der vertraglichen 5 Jahre grundlos vorlegte, warum er denn, wenn wirklich die früheren Grempeschen entlassen worden wäre, dagegen absteigend bis zu den geringsten| Vorträge so schrecklich gewesen wären, nicht Strafanzeige auf fällen und lebhaften südwestlichen Binden.

Stommembe 767 23

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HERMANN TIETZ

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