sammlungen in Frankfurt, in Breslau usw. Im Landtag hättentvir ohne Zweifel große, starte Reden und krafwolle Worte ge-hört, und auch demonstratio hätten wir uns betätigt. Es seiaber doch das Gefühl da: Was soll nun weiter geschehen? Dererste Grund für das unsichere Gefühl der Genossen, daß man sichÜber den weiteren Weg nicht klar seß liege in der Tatsache, daßuns der Kampf ums preußische Wahlrecht auf ein ganz neuesGebiet stellte. Der andere Grund für jene Unsicherheit liege inder allgemeinen politischen Lage, die wir nicht beherrschten, sonderndie unS beherrsche. Redner ließ sich darüber näher auS und fuhrdann fort: So sehr man auch anerkennen müsse, daß wir von derPolitik der Gegner und der Regierung abhängig seien in derWahl unserer Maßnahmen, so sehr erfordere die gleiche Situationauf der anderen Seite, daß wir eine möglichst unzweideutige undklare eigene Politik führten. Und diese glaubten viele Genossenbei den uns bevorstehenden Kämpfen nicht klar gegeben und ge-währleistet. In dieser Beziehung bleibe in der Tat dem preußischenParteitage eine große Aufgabe und eine unvergleichliche Ver-antwortung. Denn es müsse befolgt werden, was dort beschlossenwird. Es handele sich um die tiefe Frage, wie wir die einzelnenMittel im gegebenen Moment aussuchen sollten, und um dieweitere wichtige Frage, wie sollten wir die Mittel bei unserenIntentionen durchführen. Und da stießen wir auf einen dialektischenProzeß. Wenn wir für den Wahlrechtskampf irgendein einzelnesKampfmittel vorschlagen und durchführen, so werde dieses Kampf-mittel sofort aus einem solchen der sozialdcmotratischen Organi-sation zu einem Kampfmittel der ganzen abhängigen preußischenBevölkerung, möge sie organisiert sein oder nicht. Darin liege einVorgang, der unS ein doppeltes Maß von Verantwortlichkeit auferlege, ein Vorgang, den wir nicht ganz in der Hand hätten. DieGefahr, die darin liege, müßte» wir uns gegenwärtig halten.Welche Mittel seien nun vorgeschlagen? Zuerst komme die Frageder Straßendemonstration in Betracht. In der Tat hätten wirdurch Straßendemonstrationen große Erfolge erzielt. Wenn auchnichts Positives erreicht sei, so hätten wir doch erreicht, daß siedie große Masse des indifferenten Publikums körperlich auf dieWahlrechtsfrage gelenkt hätten. Darüber herrsche kein Streit.Streitig sei höchstens, wenn sie im einzelnen organisiert werdenund wie sie vor sich gehen sollten. Aus seinen Erfahrungen her-aus meine er, daß sie viel geschlossener, viel bewußter in Zeitund Umständen organisiert werden müßten. Nicht nur. wann manauf die Straße gehe, müsse feststehen, sondern es sei auch für jedenEinzelnen festzulegen, wann er v o n der Straße zu gehen habe.Eö solle sich ja nur darum handeln, zu demonstrieren. Auch seidie Situation präzise auszuwählen. So dürfe es nicht vor-kommen, daß ein einzelner Kreis aus irgendeinem Anlaß aufeigene Faust eine Demonstration mache. Ein einheitlicher Zugmüsse hineinkommen:»In großen Momenten groß wirken, aberin kleinen Dingen sich nicht unnötig aufregen!"— Nun seien—wie ihm scheine, mit großem Recht— weiter- Forderungen gestelltworden. So sei vorgeschlagen die systematisch anzubahnende undmit bewußter Absicht durchzuführende Arbeitseinstellung zudemonstrativen Zwecken. Das fei, auch wenn man nur Deutsch-land im Auge habe, kein Experiment ins Blaue hinein. EinMusterbeispiel solcher politischen Arbeitseinstellung hätten wir inHamburg gehabt. Sie habe durch ihre Einheitlichkeit und Ge-schlossenheit einen großen Eindruck hinterlassen. Den Gegnern seibewiesen worden, welch hohes Maß von Energie und Kfrastbewußt-sein, von eigenem Denken und eigenem Wollen in der organi-sierten Arbeiterschaft ruhe. Wenn in diesem Sinne, bewußt undgeschloffen, mit bestimmtem einheitlichen Anfang und Ende, inPreußen mit Arbeitseinstellungen vorgegangen würde, dann würdenwir auch hier große erfreuliche Erfolge damit erzielen können.Natürlich falle kein Baum auf einen Hieb. Aber: steter Tropfenhöhlt den Stein! Das heißt, ein ständiges kraft, und zielbewußtesArbeiten werde auch in Preußen dem Iunkerbaum ins Stürzenbringen. Er boffe, daß uns der preußische Parteitag für denWahlrcchtskampf die rechten Mittel geben werde. Freudig würdenwir, bis zum letzten Mann und bis zur letzten Frau, den Kampfaufnehmen, um in die preußische NeaktionSpolitik eine Bresche nachder anderen zu schlagen. Immer vorwärts— rückwärts nimmer.(Lebhafter Beifall.)Diskussion:Genosse Gehrmann als erster Diskussionsredner sprachunter anderem zum Kommunalprogramm. Gerade für das flacheLand, wo wir mehr Gemeindevertreter hätten als Stadtverordnetein den Städten, sei vielfach nicht zu gebrauchen, waS wir bisherKommunalprogrammatisches hatten. Für die kleinen Gemeindenseien Ausführungsbestimmungen recht sehr erforderlich. Rednerbelegt dies mit den dort gemachten Erfahrungen.— Die Mittel,die Grunwald für den Kampf umS Wahlrecht vorschlug, müsseman sich überlegen. Der Vergleich mit Hamburg, wo die Masseüber die Verschlechterung eines geübten Rechts besondersempört war, sei nicht zutreffend. Dann sei auch die Arbeiterschaftaußerhalb der Großstädte ganz anders zu behandeln, und diewäre doch bei einem Demonstrationsstreik für das preußischeWahlrecht zu beachten. Buch noch in gewerkschaftlicher Beziehungwäre eS schwer, die Frage so brennend aufzuwerfen. Wenn z. B.die Bergleute, denen jetzt doch gewiß etwas zugemutet werde, wassie empöre, die Macht hätten, dann würden sie sofort kommen undzum 1. Januar den Streik beschließen. Diese Macht hätten sieaber nicht. Was weiter die von Grunwald verlangte Regle-mentierung für Wahlrechtsdcmonstrationen angehe, so meine Red-ner, solche Demonstration müsse auS sich selbst herauswachsen.Dann aber sei sie nicht zu halten. Darin liege aber auch ihreKraft. Gewiß müsse die Wahlrechtsfrage energisch propagiertwerden und wir als organisierte Arbeiter könnten uns auch überalle Kampfesmittel unterhalten. Erwägen aber müsse man immer,ob das tausendfache Elend, was eventuell geschaffen werden könnte,auch durch den Erfolg aufgewogen werde. Er stehe auf dem Stand-Punkt, daß durch die allgemeine Agitation für daS Wahlrecht eineKräftigung der Organisationen geschaffen werden müsse. Wennwir die Mehrheit politisch organisiert hätten, brauchten wir nichtmehr mit einem Halbtagsstreik vorzugehen. Mit einem verun-glückten Experiment könne man den ganzen Erfolg über denHaufen werfen. Er sage, wie Grunwald, daß wir unserenKampf für das allgemeine Wahlrecht mit� Bewußtheitführen müßten; dazu gehöre noch lange Agitationsarbeit.Genosse Wolfgang Heine teilte zunächst mit, daß Ge-nossc Grunwald die Diskussion nicht abwarten könne, sondernnoch in eine andere Versammlung gehen müsse.— Den Genossendes Landtags möge man es, meinte Redner, nicht übelnehmen,daß ihr Bericht noch nicht heraus sei. Sicher habe die ausge-zwungene Landtagswahl und die Notwendigkeit, die Mandate vonneuem zu erobern, die Arbeitskraft der Genossen sehr in Anspruchgenommen. Kämpfe führen und siegen, sei immer wichtiger alsüber Getanes berichten. Im übrigen sei ja allen in Erinnerung,wie trefflich die Genoffen im Landtag unsere Sache wahrgenommenhätten. Mir müßten ihnen unseren Dank dafür aussprechen.—Das Preußenkomitee nahm Redner hinsichtlich der Tagesordnungin Schutz. WaS Gehrmann sage in bezug auf den Ausbau desKommunalprogramms und die Anregung, eine kommunale Aus-k u n f t s st e I l e zu schaffen, erscheint ihm fruchtbar.— DieWahlrechtssrage sei selbstverständlich das wichtigste. Daß manin der Wahlrechtsbewegung auf einen toten Punkt gelangt wäre,sei eine falsche Annahme. Wer allerdings glaubte, mit der Pro-klamierung der Frage, mit den Versammlungen. Flugblätternund Demonstrationen Wunder zu wirken, der könne«eicht zusolcher Meinung kommen. Zu Jerichows Zeiten fielen zwarMauern um unter dem Schalle der Posaunen, heute aber nichtmehr. Die große Masse der denkenden Parteigenossen hat sicherauch nicht damit gerechnet. Es sei gar kein Grund zum Pessi-mismus vorhanden. Durch historische Darlegungen stützte Rednerseinen Standpunkt.— Die Idee, daß es so nicht weitergehenkönne mit dem Wahlrecht, daß die Herrschaft der Junker unddie ganze unpraktische ideallose und von Erfolg nichtgesegnete Bureaukratenherrschaft ein Unrecht sei, diese Ideeverbreite sich immer weiter. Das müsse gefördert werden. Des-halb sei es auch ganz richtig, auf dem Parteitag die preußische Ver-waltung gebührend zu beleuchten. Redner tritt Gehrmann darinbei, daß man in der Anwendung der Kampfesmittcl sehr überlegtsein müsse. Daß man eine Straßendemonstration pünktlich ab-brechen solle, sei leicht gesagt, aber nicht so leicht durchgeführt.Gerade deswegen sei Borsicht am Platze, weil man sonst die Ver-antwortung für Dinge übernehme, die wir nicht wollten. Dasselbegelte vom Streik. Bei der immer noch anhaltenden wirtschaftlichenDepression wäre ein Beschluß, durch einen zweitägigen Demonstra-tionsstreik für das Wahlrecht einzutreten, sehr zu bedauern. Eswürde ei» Fehlschlag sein. Die Hauptsache sei die Gewinnunggroßer Massen des Volkes. Nichts könne uns dazu besser helfen, alsein planmäßiges Hinarbeiten auf eine Wahlreform im Sinne derSozialdemokratie. Die agitatorische Tätigkeit dürfe nicht ruhen.Immer von neuem müßten Versammlungen und Flugblätter sichdamit befassen. Auch der preußische Parteitag werde die Fragewieder ins Land hinaustragen und uns vorwärts bringen. DieVerhältnisse seien günstig.Genosse Ad. H a r n d t findet, daß die Rede Gehrmanns einerFlaumacherei ähnle. Wenn auch für Preußen die Landdistriktc mitin Frage kämen, so müßten doch die großen Städte vorangehen.Er«volle ja nicht, daß unter allen Umständen ein Demonstrationsstreik in Szene gesetzt Voerde. Aber es sei doch angebracht, daß derpreußische Parteitag die Frage reiflich überlege: Was nun? Mansei auf einen gewissen toten Punkt angelangt. Als seinerzeit diegroße Erregung herrschte, hätte der Aktionsaussckuh eine Direktivegeben müssen, die sie nicht verpuffen ließ. Gewiß müssen wir auchorganisieren; aber die wüßten, was sie wollten, müßten immer dieanderen mit fortreißen.Genosse I u d i s stimmte den Ausführungen Grunwalds zu.Nachdem Gehrmann nochmals seinen Standpunkt vertretenund Genosse S t a I l in a n n sich ihm angeschlossen hatte, wurde dieDiskussion geschlossen.Als Delegierte wurden die Genossen August Pohl, KarlAst und Julius Riemer gewählt; zum Ersatzmann GenossePaul Harndt.An Stelle der ans dem Vorstand ausgeschiedenen GenossinSteinkopf«vurde Genossin Mittag in den Vorstand gewählt.Beschlossen wurde, den Bezirkssührern für die Sitzungen eineEntsihädigung von bb Pf. zu zahlen und zur Deckung dieser Küsteneinen Extrabeitrag von 10 Pf. im Vierteljahr zu erheben.Vierter Wahlkreis.Die Generalversammlung des Wahlvereins deS 4. Wahlkreisesfand in Freycrs Festsälen, Koppenstraße, statt. Das Referat überden preußischen Parteitag hatte der LandtagSabgcordnete GenosseH. Borgmann übernommen. Redner besprach die einzelnenPunkte der Tagesordnung des Parteitages. Bei dem zweiten Punkt,dem Bericht der LandtagSfraktion, machte er darauf aufmerksam,daß dieser Bericht sehr umfangreich sein werde, aber dies sei not-wendig geworden, denn eS liege jetzt, gleich zum erstenmal, so unge-heuer viel wertvolles Material vor, das zur Agitation im LandePreußen nutzbar gemacht werden müsse. Der Bericht werde sicherauch die Kritik herausfordern, aber das schade nilbts, er, Redner,heiße die Kritik«villkommen. Als er auf das Kommunal-Programm zu sprechen kam, meinte er, daß mit dem Entwurf end-lich einem erheblichen Mangel abgeholfen«verde» sollte, damitunsere Kommunalvertreter eine Richtschnur für ein einheitlichesHandeln gewinnen; der Entwurf, an dem er selbst mitgearbeitethabe, solle durchaus nicht als unantastbar gelten; die Beratungdurch den Parteitag werde das richtige treffen, damit der Sturmauf die Rathäuser, den wir gerade in der letzten Zeit mit Freudebeobachten konnten, die beste Unterstützung erfahre. Auf die W a h l-rechts frage ging der Redner zuletzt und sehr ausführlich ein.Mehr als je müsse diese Frage in den Vordergrund gestellt werden.Solle eine Reform des Wahlrechts zustand« koinmcn, so müsse vonunten herauf, von der breiten Masse der größte Druck ausgeübtwerden. Es handele sick nickt nur um eine Frage für die Ge.nassen in Preußen; diese Angelegenheit sei von einem allgemeinenInteresse für die Genossen im Reiche, denn die ganze deutsche Eni««vickelung werde gehemmt und gehindert durch das preußischeJunkertum, dessen Mackt gebrockcn werden müsse.Nach dem sehr beifällig aufgenommenen Vortrage brachte derVorsitzende, Genosse Hoffmann, einigeAnträgezur Verlesung, von denen mehrere abgelehnt wurden.Genosse Glaß legte den folgenden Antrag vor:„Der Parteitag möge beschließen, auf die Tagesordnung �esnächsten Parteitages zu setzen:„Die polnische Parteiorganisa.tion und die Sozialdemokraiie", und dazu einen polnischen Ge-nassen als Referenten zu bestiinmen."Genosse Glaß versprach sich viel Nützliches für die sozia-listische Be'vegung unter den Polen davon, wenn der Parteitag sichnäher mit ihre» besonderen Angelegenheiten beschäftigt. Eine wei-tere Diskussion fand über den Antrag nickst statt und die Vcrsamm-lung gab ihre Zustimmung dazu.Zum nächsten Punkt der Tagesordnung, dieWahl der Delegierten,erklärte der Vorsitzende, daß der Wahlverein sich in einer vorauf-gegangenen Generalversammlung für die Urabstimmung bei Delc-giertenwahlen zu deutschen, preußischen und Provinzial-Partei-tagen sowie zu den internationalen Kongressen entschieden habe.Die Aufgabe, die dem Voi-stai«de zuteil wurde, ein Regulativ fürdie Urwähler« auSzualbeiten, habe er erfüllt. Das Regulativ laggedruckt vor und die Persammelten erklärten sich mit den getroffenenBestimmungen einverstanden. Der Borsitzende verlas daraus dieNamen der Kandidaten, die in den Bezirken vorgeschlagen waren.Die Generalversammlung hatte die Vorgeschlagenen nur zu bc-stätigen. Die Wahl findet am Sonntag, den 12. Dezember, statt.Das Nähere darüber wird im„Vortvärts" bekanntgcmacht. ESwird viertelsweise getvählt. Die Leitung der Wahl liegt in denHänden der Viertelsleitung. Das Regulativ enthält noch die fol-genden Bestimmungen:„Zu den Wahlen ist daS Mitgliedsbuch mitzubringen und istnur derfenige wahlberechtigt, der mit seinen Beiträgen nichtlänger asS drei Monate im Rückstände ist.Das Wahlresultat ist von der Leitung in ein Protokoll ein-zutragen und von derselben zu unterzeicknen. Stimmzettel sowieWohlprotokoll sind sofort in einem verschlossenen Briefumschlagan den Vorstand zu senden.Der Vorstand hat das gesamte Resultat festzustellen und durchden„Vorwärts" bekanntzugeben.Bei der Wahl entsckeidet einfache Mehrheit.Als etwaige Ersatzmänner gelten diejenigen, die bei derWahl ausgefallen sind und die meisten Stimmen auf sich ver-einigt haben.Proteste gegen die Gültigkeit der Wahl sind innerhalb einerWoche, vom Tage der öffentlichen Bekanntmachung an gerecknet,unter Angabe von Gründen beim Vorstand anzubringen, welcherin Gemeinschaft mit den Biertelsl-eitungen über dieselben ent.scheidet.Wird eine Wahl für ungültig erklärt, so hat der Vorstandsofort eine Neuwahl anzuordnen."Am Schlüsse der Versammlung kamen noch einige interne An-gelegenheiten zur Erledigung. Adolf H o f f m a n n richtete dannauch an die Mitglieder, die der Freireligiösen Gemeinde angehören,das Ersuchen, am nächsten Freitag vollzählig in der beschließendenGemeindeversammlung bei Freyer zu erscheinen.Fünfter Wahlkreis.Der Sozialdemokratische Verein für den fünften Wahlkreishielt seine Versammlung«in alten Schützenhause ab. Ueber dieAusgaben des preußischen Parteitages referierte Genosse Wer-,m u t h. Ueber die beiden ersten Punkte der Tagesordi«ung desParteitages: Geschäftsbericht der Kommission und der Landtags«fraktion könne er hinweggehen, da beide Berichte durch den„Vor»Ivärts" veröffentlicht seien. Der Parteitag habe sich auch mit derWahlrechtssrage zu beschäftigen, die wahrscheinlich zu lebhaften De-battcn führen werde. Es werde die Frage erörtert werden, obunsere Wahlrechisdemonstrationen als erfolgbringend angesehenwerden könnten oder nicht. Er, der Redner, sei der Meinung, daßder Eindruck, den unsere Wahlrechisdemonstrationen machten, einüberwältigender gewesen sei. Viele Genossen seien der Meinung,weil man noch keine Erfolge sehe, deshalb hätten die Demonstra-tionen nichis genützt. Doch nach diesem Maßstab dürfe man denWert der Demonstrationen nicht beurteilen. Noch bilde die Herr-schaft deS Junkertums einen festen Wall gegen die Demokratisierungdes Wahlrechts. Ehe es uns nicht gelinge, diese Stütze des Drei-klassenivahlnnrechts ins Wanken zu bringen, könnten wir nicht er-warten, daß uns Zugeständnisse in bezug auf unsere Wahlrechts-forderung gemocht werden. Man dürfe aber nicht glauben, daßunsere Wahlrechtsdemonstrationcn keine Wirkung gehabt habe«?.Habe doch unter dem Eindruck unserer Bewegung der preußischeMinisterpräsident sich zu der Erklärung genötigt gesehen, daß eineReforin des Wahlrechts notwendig sei. Auch habe die Thronrede1903 eine organische Fortenttvickelung des Wahlrechts in Aussicktgestellt. Allerdings könne inan auf solche Erklärung nicht vielgeben, und wir seien die letzten, welche Hoffnungen darauf setzen.Wissen wir doch, daß nur eine energische Fortsetzung des Wahl-rcchtskampfes uns die Erfüllung unserer Forderung: Allgemeines,gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht in Preußen bringe«:kann. Mit der Wahlrechtsfrage innig verbunden sei die ebenfallsauf der Tagesordnung des Parteitages stehende Verywltung inPreußen. Auch in der Vcrlvaltung des Staates stoßen wir überallauf das Junkertum als Grundpfeiler der Rechtlosigkeit des Volkes.Auch hier gelte es, Mittel und Wege zu finden, wie der Herrsckmstder Junker ein Ende gemacht und freie Bahn gesckaffen werdenkönne für eine Staatsverivaltung,«velche dem Interesse des Volkesdiene. Eine«vichtige Aufgabe auf kommunalem Gebiet habe derParteitag zu lösen durch die Festsetzung eines einheitlichen Pro-gramms,«vclches unseren Genossen in den Gemeindevertretungeneine Richtschnur sei für ihre Tätigkeit. So werde der ParteitagGrundlagen schaffen für die praktische Arbeit unserer Partei-genossen. Doch dessen inüßten wir stets eingedenk sein, daß unsereArbeiten und unsere Kämpfe nur dann den gewünschten Erfolgbringen können, wenn ein« starke Organisation der Parteigenossendas Bolltverk bilde, auf das wir uns im Kampfe gegen die Volts-feinde stützen können.Der mit Beifall aufgenommene Vortrag gab keinen Anlaß zurDiskussion.— Anträge lagen nicht vor.Als Delegiert« wurden gewählt die Genossin Holzapfelund die Genossen Kitte und B e h l e.Sechster Wahlkreis.Die Generalversammlung des sechsten Wahlkreise? tagte inden„Prachtsälen Nord-West" in der Wiclefstraße. Das Referathielt Genosse L e d e b o u r. Es ist jetzt wieder die Zeit gekommei«,wo die Vertretung des preußischen Proletariats Stellung zunehmen hat zum preußischen Abgeordnetenhaus, der Geldsacks-Vertretung. Soviel sei sicher, daß von der gegenwärtigen Organi-sation des Landtages nicht die geringste auch noch so kleine Nc-form zu erwarten sei. Das preußische Proletariat hat alleS auf-geboten, die nächstliegenden Mittel zunächst, um einen Einflußauf die Gesetzgebung und Verwaltung Preußens zu gewinnen;und es ist ihm gelungen, sieben Abgeordnete in das Abgeordnete.«-Haus hineinzubringen. Daß es ihrer nicht mehr geworden sind,ist der Wirkung des preußischen Wahlsystems zuzuschreiben. Wärenach dem für den Reichstag bestehenden Wahlsystem, daS zwar auchnoch Mängel aufznweisen bat und unseren Anforderungen nochlange nicht entspricht, gelvähtt worden, so würde die Sozialdemo-kratie 36 Abgeordnete hineingebracht haben. Man sollte nunineinen, daß die bürgerlichen Parteien, die an diesem Wahlsystemso festhalten, sich hüten würden, durch noch obendrein kleinlicheMittel uns unsere Erfolge streitig zu machen. Man hat uns abertrotzdem vier Mandate geraubt, wodurch unser Genosse Hoff-«na nn. dessen sarkastische Reden den Herren so unangenehmin die Ohren klangen, wieder aus dem Landtage hinausbugsiert«vorden ist. DaS ist das jüngste Ereignis in der preußischen Wahl-bewegung, daS unS anspornen sollte, mit um so größerem Eiferdie Wahlrechtsbewegung zu betreiben. Der Parteitag müsse Au--klärung im Lande verschaffen und beraten, wie wir die Waffe««anwenden können. Der Redner zeigte dann noch, daß daS Per-waltungSsystem in Preußen ein bureaukratisches ist, d. h. die Eni-scheidung liegt in den Händen von Beamten, die nicht abhängigvom Volke sind. Der Einfluß des Landtages aus die ernanntenMinister und Beamten geht nur soweit, als diese zu bestimmtenMaßregeln die Zustimmung deS Landtages einzuholen haben. DerLandtag kann aber nicht durch entscheidende Beschlüsse eingreifen.Aehnlich«st eS im Kommunalwesen. Die Gemeindeverlvaltung istkeine Selbstverwaltung, sondern eine bureaukratische zweiter Ord-nung. Die Ereignisse der letzten Zeit deuten auf einen Zusammen-bruch hin; sie zelgen uns die Unfähigkeit der preußischen Bureau-kratie. Um eine Aendcrung in diesem Zustande herbeizuführen,mutz die Ersetzung des gegenwärtig bestehenden Dreiklassenwahl-systems durch ein wirkliche? volkstümliches Wahlsystem angestrebtwerden. Auch die liberalen Parteien geben vor, daS zu wollen,aber waS sie tun, beweist unS, daß sie es nicht wollen. In derGemeinde, wo sie zur Beseitigung des DreiilaffenwahlrechtS dieMacht besitzen, versagen sie vollständig. Die Sozialdemokratie istdie einzige Partei, die ernstlich in die WahlrechtSbewegnng einge-treten ist. Die Bewegung intensiver zu gestalten, sie durchStraßendemonstrationen vorwärts zu bringen, ist unsere Aufgabe.Die Bewegung müsse sich zum politischen Massenstreik auswachsen.Dieser läßt sich nickt vorher besthlietzen. er muß auS der Bewegungherauswachsen. Durch die fortwährend sich steigernden Käinpsesind die Massen zu schulen und zu organisieren, damit größereMacht der Sozialdemokratie gegeben wird.In derDiskussionnimmt daS Wort zunächstGenosse Weide: Er ineint, die Agitation müsse in andererForm betrieben werden, besonder? unter dem ländlichen Prole-tariat. Ab und zu erhielten die Landproletarier ein Flugblatt,auch einmal einen Kalender, sonst erführen sie nichts. Eine sichfortsteigernde Bewegung müsse in Angriff genommen werden.Redner empfiehlt der Versaminlung folgende Resolution zur An-nähme:„Die Versammelten erwarten vom preußischen Parteitag,daß er mit aller Entschiedenheit für eine intensivere Agitationzur Erringung des freien Wahlrecht? eintritt und als letztesMittel hierzu auch den politischen Massenstreik inS Auge fäßt."Fuhs sagt: Der Parteitag wird nicht nur zu prüfen haben,ob die angewandten Mittel zur Förderung der Wahlrechtsbewe-gung genügt haben, sondern auch, ob sie auch der jetzigen Situ-ation noch gewachsen sind. In der Wahlrechtsdemonstralion habenwir ein Mittel gefunden, das geeignet ist, unS ein ganze? Stückvorwärts zu bringen. Es hat dahin geführt, wie wir sehenkönnen, daß sich unsere„Freunde" von uns loS gesagt haben undwir jetzt auch wissen, wo unsere Feinde sind. Die Freisinnigenhaben nichts getan, um ihr eigenes Programm durchzubringen.Wir haben auch in Zukunft nicht auf sie zu rechnen. Wir müsseneben allein die Bresche in das Dreiklassenwahlrecht schlagen. Unszu zeigen, wie dies möglich ist. ist die erste Aufgabe deS Parteitags.Nachdem noch N i k o l e i im selben Sinne gesprochen hatte,nahm Ledebour das Schlußwort. Cr wies darauf hin, daß derpolitische Massenstreik vom Parteitag wohl als Mittel mit in?Auge gefaßt werden könne; wir dürften ihn aber nicht etwa über-morgen proklainieren wollen. Wir dürfen uns keinen« Ziveisclhingeben, daß die Beivcgung noch nicht zu der dazu erforderliche««Glut und dem Feuer gekoinmcn sei. Uin eine solche Machtent-saltung bewirken zu können, müssen wir erst noch ganz andereErfolge erzielen als bisher. Wir müssen also erst noch mit allenMitteln die Borarbeiten betreiben.