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Nr. 115.

Erscheint täglich außer Montags. Breis pränumerando: Viertels jährlich 8,30 Mart, monatlich 1,10 mt, wöchentlich 28 Bfg. frei in's Haus. Einzelne Nummer 5 Pfg. Sonntags- Nummer mit illuftr. Sonntags- Beilage Neue Welt" 10 Pfg. Poft- Abonnement: 3,30 Mt.pro Quartal. Unter Kreuz­ band : Deutschland u. Defterreich­Ungarn 2 Mt., für das übrige Ausland 3 Mt.pr.Monat. Eingetr. in der Post- Zeitungs- Preisliste für 1893 unter Nr. 6708,

Vorwärts

10. Jahrg

Infertions- Gebühr beträgt für di fünfgespaltene Petitzeile oder dere Raum 40 Pfg., für Vereins- und Bersammlungs: Anzeigen 20 Pfg Inferate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr Nachmittags in ber Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochen­tagen bis 7 Uhr Abends, an Sonne und Festtagen bis 9 Uhr Vor­mittags geöffnet.

fernfprech- Anschlug Amt 1, Nr. 4186.

Berliner Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Mitbürger!

Arbeiter! Handwerker!

machten Lokalen.

Donnerstag, den 18. Mai 1893.

Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

Bor Jahren hatten sie noch ein menschliches Rühren, diese des Zeugnisses- zumal die Haltung der internationalen Franzosen. Da schickten sie doch wenigstens ihren Boulanger Sozialisten in Frankreich durch das Programm von selbst unserem Bismarck zu Hilfe und gewannen diesem die gegeben ist. Der Artikel lautet: Wahlschlacht vermuthlich aus Bosheit gegen das ver haßte deutsche Volt, das sie allerdings nicht grausamer strafen konnten, als durch drei weitere Jahre bismarck'schen Regiments.

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Wir fordern Euch nochmals auf, die Wählerlisten genau einzusehen. Leicht können Fehler in ihnen enthalten sein. Wer am 15. Juni seine Stimme nicht ab Jetzt aber find sie ganz toll geworden. Statt des giebt, der schadet der Allgemeinheit und sich selbst. Da Herzens haben sie einen Stein im Leibe. Unsere Reichs­aber nur diejenigen ihr Wahlrecht ausüben können, welche regierung hatte all ihre Pläne mit der Militärvorlage doch in die Wählerliste eingetragen sind, so muß jeder sich über- auf die Gefälligkeit der Franzosen gebaut und ihnen damit einen Beweis von Vertrauen gegeben, der selbst einen zeugen, ob auch sein Name in der Liste steht, ob Vor- und Shylock erweicht hätte. Doch diese Unholde sind keiner Zuname, sowie der Geburtstag und Geburtsort genau menschlichen Regung mehr zugänglich. Sie bauen keine stimmen. Wem es unmöglich ist, selber hinzugehen, der Bretterbaracken, konzentriren keine Soldaten, schimpfen nicht beauftrage einen der Genossen, die sich zur Durchsicht der auf die Deutschen , jubeln nicht, daß wir uns wehrlos Listen bereit erklärt haben, für ihn die Lifte nachzuschlagen. alledem nichts, gar nichts! Dagegen drehen die abscheu­machen und ihnen den Weg in unser Land öffnen von Die Liften liegen vom 18. Mai ab an den Wochentagen von lichen Burschen Herrn von Caprivi ganz respektlos eine Vormittag 9 Uhr bis Nachmittag 3 Uhr und an den beiden Nase, lachen über die Naivetät, die ihnen zumuthet, der Pfingstfeiertagen von 12 bis 5 Uhr Nachmittags aus, und deutschen Reichsregierung eine zweite Wahlschlacht zu ge­zivar in den vom hiesigen Magistrat bereits bekannt gewinnen, und haben sogar die Stirn- diese gewiffenlosen Heuchler!-uns Deutschen im Namen der Menschheit und Menschlichkeit Glück zu wünschen, zu wünschen, daß wir Wir machen nochmals darauf aufmerksam, daß ein uns endlich von dem Alp des Militarismus befreien suchen und damit der jeder, der die Listen für unrichtig oder unvollständig hält, zu gesammten namentlich aber auch dies innerhalb acht Tagen nach dem Beginn der Aus- Kulturwelt einen Dienst leisten ihnen, den Franzosen , die nun endlich auch Aussicht haben, legung derselben, also spätestens am 25. Mai d. I., die erdrückende Last von sich abwerfen zu können. Leim Wahlbureau des Magistrats in einem der in der Kurz die Franzosen thun, mit einem Raffinement, Magistrats- Bekanntmachung bezeichneten Lokale schriftlich| deffen sie niemand fähig gehalten hätte, genau das, was anzeigen oder dort bei den Kommissaren zu Protokoll geben den Bätern und Patronen unserer Militärvorlage möglichst kann; die Beweismittel für seine Behauptungen aber, soweit unangenehm ist, und unterlassen alles, worauf dieselben ge­rechnet hatten. tiese nicht auf persönlicher Bekanntschaft beruhen, beibringen muß. Zur Begründung der beantragten Nachtragung in die Wählerliste sind besonders empfehlenswerth der Mieths­kontrakt, die letzte Miethssteuer- Quittung oder die polizeilich bescheinigte Anmeldung für die angegebene Wohnung. Es ist nicht nöthig, persönlich die Liste einzusehen. Es kann einer für mehrere die Prüfung vornehmen. Wer aber irgendwie kann, gehe selber hin.

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Die abscheulichen Franzosen!

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Sogar die Frankfurter Zeitung ", die neuerdings ziem­lich viel in Chauvinismus macht, muß den Franzosen das Zeugniß ausstellen, daß sie die Rolle der Friedlichkeit ganz vortrefflich spielen, und daß von Chauvinismus keine Spur zu entdecken.

Allerdings, das ist ja" pure Verstellung", sagt das patriotische Karlchen Mießnick.

Nun, wir wollten nur, unsere Junker und Chauvinisten verstellten" sich ebenso gut. Die Verstellung würde ihnen vielleicht im Laufe der Zeit zur anderen Natur, und sie würden zuletzt ordentliche kultivirte, kulturfreundliche Menschen.

Ein paar französische Winkelblätter treiben zwar noch etliche Allotria, indeß Ausnahmen bestätigen die Regel, und der deutsche Reptilthaler ist international.

Es sind wirklich verflixte Kerle, diese Schelmfran- Als kennzeichnend für die Haltung der französischen zosen die ingrimmigsten Reichsfeinde, die kein anderes Presse theilen wir nachstehend in deutscher Uebersetzung Tichten und Trachten haben, als dem Deutschen Reich und einen, von dem bekannten Paschal Grousset geschriebenen der Deutschen Reichsregierung, die natürlich gleichbedeutend Artikel des radikalen Germinal" mit. Herr Paschal ist mit dem Deutschen Reich , bei jeder Gelegenheit einen Grousset, der in der Kommune thätig war, steht, wie man Echabernack zu spielen und schließlich in unaustilgbarer sieht, nicht mehr auf dem Boden der rein sozialistischen Auf­Revanchewuth einen bismard'schen" Stoß ins Herz" zu fassung, und wir können nicht mit seinen Schlußfolgerungen verschen. übereinstimmen, allein diese Mängel erhöhen nur den Werth

Feuilleton.

Nachorua verboten.)

Vom Stamm gerissen.

Von Elise Schweichel.

Liberalismus nichts hinausginge. Da kamen nun junge, geift­reich thuende Fante und ungebildete Gesellen und wollten ihm weißmachen, daß es noch ganz andere Dinge zwischen Himmel und Erde gäbe, als er sich träumen lasse und daß es wichtigere Fragen zu lösen gelte, als die politischen.

Die Last des Panzers.

Zum ersten Mal in seiner Geschichte vertritt der Deutsche Reichstag die Menschheit, das Menschenthum. Es war zum wenigsten der Nothschrei ganz Europas , der aus seiner Ab­lehnung der neuen Militärlasten herausklang.

Die Rüstung lastet erdrückend und erstickend auf den Nationen. Der Athem geht ihnen aus. Und es ist nur logisch und gerecht, daß Deutschland , die Mutter des Systems, ihm den ersten Fluch abringt, und daß Italien , der Frosch, der sich thörichter Weise zum Ochsen aufblasen wollte, den ersten Angst­schrei um Gnade ausstößt.

Der Geist steht verwirrt vor den Ziffern, die augenblick. lich die Ausgaben für die Heere und Flotten Europas_an­ geben . Man wird uns verzeihen, daß wir sie trotz ihrer Trockenheit hier wieder vorbringen, aber die Statistik allein vermag uns die Ungeheuerlichkeit der Zustände in ihrer tragi­schen Wirklichkeit darzulegen.

Betrachten wir nur die fieben Großmächte: Frankreich , Rußland , Desterreich Ungarn , das Deutsche Reich, Groß­ britannien , Spanien und Italien .

Ihre Gesammtbevölkerung beträgt, alles in allem, nicht mehr als 350 Millionen.

Und wieviel Menschen haben sie im Frieden, nur um sie zu üben", unter den Waffen?

Drei Millionen viermalhunderttausend. Das heißt beinahe einen Mann auf hundert Einwohner, fünfzig männliche Personen und zwanzig gesunde Erwachsene.

Ein Krieg würde fünfzehn bis zwanzig Millionen Soldaten ins Feld rufen.

Diese drei Millionen viermalhunderttausend Fußsoldaten, Reiter und Seeleute, die nichts produziren und alljährlich, gering geschäßt, einen Verlust von einer Milliarde für die menschliche Arbeit bedeuten, kosten ihren Nationen fabelhafte Summen.

In runden Zahlen toften sie jährlich: Frankreich 950 Millionen Franken, Rußland 935 Millionen, Großbritannien 700 Millionen, Deutschland 575 Millionen, Desterreich- Ungarn und Italien je 350 Millionen, Spanien 170 Millionen. Das heißt, diesen Großmächten insgesammt vier Milliarden im Jahr, mehr als hundert Milliarden in fünfundzwanzig Jahren -ungerechnet die Sonderausgaben für Befestigung und Aus­rüftung.

Doch weit beunruhigender und bedenklicher als diese Un fummen an sich ist, daß sie sich unaufhörlich in ganz regel­mäßiger Progression vermehren: innerhalb fünf Jahren in Deutschland um 53 pCt., in Italien um 51 pet., in Defter­reich um 48 pCt., in Rußland um 15 pCt., in Spanien um 8 pбt. und in Frankreich und England um 7 pt., durch­schnittlich also um 23 pCt.

Und dies, während die Einnahmen in den gleichen Ländern faum 1 bis 2 pet. jährlich steigen.

Eine ganz natürliche Folge hiervon ist, daß die Schulden­Taft allgemein wächst. In zusammen fünf der obengenannten Staaten stieg die Schuldenmasse von 52 Milliarden im Jahre 1882, auf 76 Milliarden im Jahre 1888 und im Jahre 1893 auf 120 Milliarden, die zu ihrer Verzinsung 4-5 Milliarden ver­langen.

Zweifellos sind die Ausgaben für Heer und Flotte nicht die einzige Ursache des stets wachsenden Druckes der öffent­lichen Lasten, aber bei Weitem die hervorragendste, unmittelbar

langte er mit dem gesundesten Appetit zu, und fand nur Zeit, hin und her ein giftiges Gebrumm über die ver­wünschten Aufwiegler" ertönen zu lassen. Von seiten der Frauen erfolgte hierauf keine Antwort, und so verlief der Rest des Abends, indem jedes seinen Gedanken nachhing. II.

Er ließ es denn auch nicht an leidenschaftlichen Aus­fällen gegen die ideologischen Weltverbesserer", die alles auf den Kopf stellen wollten, fehlen und perorirte nament- Kurt Dettinger war der Sohn eines höheren Offiziers, lich in seinem Laden, auf einem alten Lehnstuhle thronend, dessen Vorfahren, der Familientradition zufolge, mit den ver Ihre Furcht, daß der Vater ungeduldig geworden sein vor seinem Publikum von Schiffern und Landleuten triebenen salzburgischen Protestanten nach Ostpreußen ge­Und trotzdem fommen waren. Auf eine solche Abstammung deuteten wie der fönnte, war ganz unnüß gewesen. Herr Stern hatte ein über die Autoritätslosigkeit der Zeit. altes Beitungsblatt auf dem Tische entdeckt und sich darein hatte er im Geheimen eine große Sympathie für Name, so die dunklen Augen und Haare der männlichen Mit­konnte sich nicht so vertieft, daß er nicht einmal die Wiederkehr seiner Tochter die soziale Bewegung und ent glieder der Familie. Es mochte sich darin, wie in dem Schnitt bemerkte. Lesen war seine Passion geblieben, wie sehr der halten, in die Versammlungen der Sozialdemokraten zu des Gesichts, der Einfluß der Jahrhunderte langen römischen Mann und seine Lage sich auch verändert hatten. Sobald laufen und jede von ihnen ausgehende Schrift, deren er Ansiedlung in dem alten Norikum bemerkbar machen. er nur etwas Gedrucktes fand, war er der Gegenwart ent- habhaft werden konnte, zu lesen. Er hätte sich auch viel Dettinger, der Vater, zeigte diese Bildung, und die drei rückt. Infolge dieser alles verschlingenden Lesewuth hatte leicht zu ihnen bekehrt, wenn nicht gerade einer ihrer Apostel, Söhne sahen ihm sprechend ähnlich, doch nur in Kurt, dem er eine Menge Kenntnisse aufgespeichert, welche, da ihm die der, wie es meistens Aposteln geht, an Glücksgütern nichts jüngsten, hatte der Typus seinen edelsten Ausdruck erreicht, Basis einer soliden Bildung fehlte, unvermittelt und wie zu bieten und vermöge seiner politischen Richtung wenig fo wie fich in ihm auch alle geistigen Fähigkeiten kon­Kraut und Rüben durcheinander lagen, ihn aber mit einer Aussichten auf eine glänzende Zukunft hatte, das Herz seiner zentrirt zu haben schienen. Die älteren Brüder, Paul dünkelhaften Ueberlegenheit über andere Menschen erfüllten, ältesten Tochter gewonnen und diese sich gegen seinen Willen und Alfred, waren nicht besonders beanlagt, und der Bater pflegte mit kühler Unparteilichkeit zu sagen: Meine die er stets belehren zu müssen glaubte. Sein drittes Wort mit ihm verlobt hätte. So saß er denn auch jetzt, mit dem ganzen Oberarm Jungen sind gerade flug genug, um Soldaten zu werden." war daher: Das werde ich Ihnen alles erklären." In jenem Blatte nun hatte er einen Artikel, die soziale auf den Tisch gestützt und das Blatt dicht an die Lampe Aber nur die beiden ältesten waren ohne Widerrede Frage betreffend, gefunden, und das war ihm besonders haltend, und verschlang den Bericht, als Tuffy mit dem Soldaten geworden; Kurt hatte sich der Forderung interessant. Erst durch die Bekanntschaft mit Dettinger Abendbrot hereintrat. Auch Frau Stern schien nicht auf des Vaters widersetzt. Der wißbegierige, ungewöhnlich bes hatte er angefangen, sich um soziale Verhältnisse zu ihr Wiedererscheinen gewartet zu haben. Sie hatte mittler- gabte Knabe wollte studiren, es foste, was es wolle. Als fümmern. Aber so leicht beschwingt seine Phantasie weile die Spirituslampe angezündet und den Thee bereitet, er seinen Entschluß den Eltern verkündet, war es zwischen Aufnehmen dabei immer den Brief Valeska's in der Hand haltend und ihm und dem Vater zu einem harten Kampf gekommen, der so schwerfällig war sein Geist im neuer Ideen. Er selbst nannte sich einen Demokraten abwechselnd vor sich hinlächelnd und seufzend. Als der ge- bei des letzteren militärisch strenger, häuslicher Zucht wahr­vom reinsten Wasser und glaubte, daß über seinen deckte Tisch Herru Stern endlich von seiner Lektüre abzog, scheinlich mit Kurt's Niederlage geendet haben würde, wenn