nachdem die zwischen den mecklenburgischen Negierungen und den Ständen seit fast 6V Jahren resultatlos geführten Verfassung«!- Verhandlungen kürzlich wiederum geicheitert sind und nachdem die mecklenburgischen Negierungen den Ständen auf dem diesjährigen Landtage erklärt haben, daß ihnen angesichts der Haltung der mecklenburgischen Niltcrschafr Iveitere Verhandlungen zurzeit nicht mebr mögltch seien, daß sie die Hoffnung nicht mehr aufrecht er- hallen könnten, zu einer Verständigung zu gelangen, und das; sie bei Verhandlungen im Reichstage ihren bisherigen Standpunkt gegenüber einem Eingreifen des Reiches nicht aufrecht erhalten könnten?" Die beiden mecklenburgischen Regierungen werden also Ge- kegenheit haben, ihre Drohungen zu verwirklichen und im Reichstag für einen Eingriff des Reiches in die mecklenburgischen VerfasfungS- Verhältnisse zu plädieren._ Deutsch -schwedischer Handelsvertrag. Wie die„Norddeutsche Allgemeine Zeitung" meldet, ist am 14. d. M. durch einen in Berlin stattgehabten Notenwechsel die Gültigkeit deS am 31. Dezember 10 lv ablaufenden deutsch - schwedischen Handelsvertrags bis zum 1. Dezember 1011 verlängert worden. Der Notenwechsel wird nach den Weihnachtsfericn dem Bundesrat und Reichstag zur Beschluffsassung vorgelegt werden. Tie Fleischteneruug im sächsischen Landtage. Dresden , IS. Dezember. Die Zweite Kammer verhandelte in ihrer heutigen Sitzung über eine freisinnige Jnter- p e l l a t i o n betreffend die F l e i s ch t e u e r u n g. Der Ab- geordnete Koch begründete sie. Das wichtigste Mittel zur Ab- Wendung der Fleischteuerung sei die Oeffnung der Grenzen, vor allem gegenüber Dänemark und Amerika , natürlich unter Be- obachtung aller gebotenen veterinärpolizeilichen Maßregeln. Da- neben bedürfte es einer Ermäßigung der Getreidezölle und Herab- setzung der Futtermittelzölle. Der Minister Graf Vitzthum von Eckstädtlehnte mit scharf agrarischer Argumentation a b. ' Er machte besonders den Zwischenhandel für die Teuerung vcrant- » wortlich._ Kommunalwahle«. Eine Niederlage des Zentrums. Dortmund , 15. Dezember. Bei den gestern beendeten Stadt- verordneten-Stichwahlen wurden infolge der Parole der Sozialdemokraten: Gegen das Zentrum! die drei liberalen Kandidaten gegen die ZentrumSkandidoten mit großer Mehrheit gewählt. DaS Gesamtergebnis der diesjährigen Stadtverordneten- Wahlen ist, daß aus den sechs Wahlkreisen diesmal drei liberale rmd drei sozialdemokratische Stadtverordnete in da» Stadthaus einziehen, statt wie bisher zwei Liberale und vier Zentrumskandidaten. Der lokale Führer des Zentrums, der Ver- leger des ZentrumSblattS.Trcmonia', Lenfing. der feit 18 Jahren den dritte» Wahlkreis vertrat, muß seinen Sitz an die Liberalen abtreten. Wahlen tu Württemberg . In Neuenjbürg wurde neben zwei Nationalliberalen' und einem Bürgerlichen auch ein Sozialdemokrat in den Gemeinderat gewählt. In B a i h i n g e n a. F. wurde» neben zwei Bürgerlichen Kandidaten zwei Sozialdemokraten, die ersten Ver- 1 r« t e r unserer Partei, in den Gemeinderat gewählt. In Birkenfeld ging der sozialdemokratische Zettel, dem ein Gegenvorschlag garnicht erst gegenübergestellt wurde, glatt durch. Infolgedessen wurden zwei Sozial- demokraten und ein Bürgerlicher gewählt. In Knittlingen wurde der seitherige sozialbemo» k! r a t i s ch e Vertreter im Gemeinderat wiedergewählt. In Dürrmenz-Mühlacker wurden zwei Sozial- Demokraten neben einem AolkSparteiler und einem Unparteiischen gewählt. In Großsössen gelang es, den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Parteiorganisation mit der höchsten Stimmenzahl in den Gemeinderat zu wählen. In Geislingen siegte das Kartell der„Linken", bestehend aus Sozialdemokratie und Liberalen über das Zentrum. Es wurden zwei Liberale, ein Unparteiischer und ein Sozialdemokrat gewählt. In Lorch wurde neben vier Bürgerlichen ein Sozial- demokrat, der erste Vertreter der Partei, in den Ge- meinderat gewählt, In Schramberg war der Wahlkampf sehr heftig, die Be- telligung betrug S1 Proz. Sozialdemokratie, Bollspartei und frei- sinniger Bürgerverein gingen auf der einen, Zentrum und Rational - liberale(!) auf der anderen Seite zusammen. Gewählt wurden je ein Vertreter der Sozialdemokratie, der Volkspartei, des Bürgervereins und des Zentrums. In Hegensberg gelang eZ. einen Sozialdemo- traten in den Gemeinderat zu wählen. Eine dreistegumutung. Gegen die Gültigkeit der Stadtverordnetenwahl in H a h n a u, bei der bekanntlich sechs Sozialdemokraten gewählt wurden, ist von bürgerlicher Seite Einspruch erhoben worden, weil angeblich Richtwahlberechtigte abgestimmt haben sollen. Die Protestler verlangen nicht mehr und nicht weniger, als daß die unterlegenen bürgerlichen Kandidaten als gewählt zu be- trachten sind!_ Fürstenempfang und Wahlre«,)»soemo«stration. In Braunschweig fand am Mittwoch die Vermählung des S2 Jahre alten Regenten Johann Albrecht mit der 24 Jahre alten Prinzessin von Stollberg -Rvßla statt. Am Dienstagmittag hielt die junge Braut mit großem Gepränge ihren Einzug. Die reichen Fabrikanten ließen ihre Arbeiter zumeist feiern, ohne ihnen die Zeit zu entschädigen. Sie hatten wohl erivartet, daß auch die Arbeiter in Patriotismus machen würden. ES kam aber anders. Wohl fanden sich Tausende vvnArbeilern am DienStag- miltag in der Nähe de? Schlosse» ein; aber als die Galawagen mit den HvchzeitSgäsien vorbeifuhren, ertönte ein kräftiges Hoch auf dos allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahl» echt sowie der Ruf:.Nieder mit dem Klassenwahlrecht I" Erstaunt schauten die Herrschaften ans ob dieses sonderbaren Empfanges durch die arbeilende Bevölkerung. DaS Militär und die zahlreiche Polizei war der Deinanstralio» der Arbeiter gegenüber völlig machtlos. Unter dem brausenden Gesänge der Marseillaise zogen die Demonstranten schließlich ab. Später erfolgte» einige Verhaftungen. Anstandsregcl» für braunschtvcigische Volksschullehrer. Tie Direktion des Lehrerseminars zu Wolfcnbüttel hat an ihre Zöglinge eine Verfügung ergchen lasten, die sich„Berhaltungs- maßregeln und Ratschläge" betitelt. Im Abschnitt 11 dieser vom Jahre lg08 datierenden Verfügung heißt es: Es schickt sich nicht, die Wohnung des Vorgesetzten mit brennender Zigarre zu betreten. Stehst Du vor einem Vor- gesetzten, so darfst Du nicht die Hände lj» die Seiten stemmen oder die Hände in der Hosentasche l)aben. Trittst Du bei Deinem Vorgesetzte!' in das Zimmer, so bleibe in der Nähe der Türe stehen, bis Du etloa aufgefordert wirst, näher zu treten. Fordert er Dich auf. Dich zu setzen, so sitze gerade und lege oder stutze die Arme nicht etloa auf einen in der Nähe stehenden Tisch. Bei sogenannten steifen Visiten nimmt man den hohen Hut mit in das Zimmer, und zwar in der linten Hand. Wird Dir etwa von diesem Borgesetzten die Freundlichkeit zuteil, daß er Dir den Zutritt in sein HauS vergönnt, so mißbrauche diese Vergünsti- gung nicht. Wird in Deiner Gegenwart von Deinem Vorgesetzten oder von Deiner vorgesetzten Behörde schlechtes geredet, so stimme nicht ein. Die etwaigen Fehler derselben aufzudecken, ist nicht Deine Sache. Die Verhaltungsmaßregeln, die in den Abschnitten B:„Das Verhalten im Dienst", C:„Das Verhalten im sonstigen Verkehr" (fange keine Liebeleien an) und D:„Das Verhalten gegen die Seminardirektion" niedergelegt sind, reihen sich der vor- stehenden Probe würdig an. Die jungen zukünftigen Volksbildner und Erzieher, denen man solche Vorschriften seht, werden so dazu gedrillt, die äußere Unterwürfigkeit als das höchste zu halten. Per- sönlickieit und Inhalt nichts. Streberei und Form alles, Uniform das höchste— das ist der Inbegriff preußischer Kulturgrundsätze. Vom Sauherdcnton. Die«Kölnische VollSzeitung" beschuldigt in Nr. 1045 die libe- rale„Düsseldorfer Zeitung" einer„frechen Fälschung". Die „Rheinisch-Westfälische Zeitung" spricht in Nr. 1362 gegenüber der „Kölnischen VolkSzeiiung" von„maßloser Wut", von„Dreistigkeit". droht, sie der„frechen Lüge" zu bezichtigen und fügt hinzu, daß schon bei einer früheren Gelegenheit einer ihrer Mitarbeiter von der „Kölnischen VollSzeitung"„angepöbelt" worden sei. DaS hindert natürlich beide Blätter nicht, für sich die feinste Bildung in Anspruch zu nehmen und sich ollwöchentlich über die Roheit der sozialdemolratischen Presse aufzuregen. jDie Mastregelungen in Kattotvitz dauern fort. Die Regierung in Oppeln hat zwei Mittelschullehrern in Koltowitz eröffnen lassen, daß sie demnächst versetzt werden, weil sie bei der Stadwerordnetenwahl für die polnischen Kandidaten ge- stimmt haben. Das Zentrum, das diese Borkommnisse im preußischen Landtage zur Sprache bringen wollte, hat nun doch eine Jinerpellation in dieser Sache im Reichstag eingebracht, die jedenfalls bald nach den WeihnachtSferien zur Verhandlung kommt. Auch die Polen werden eine Interpellation einbringen. Die Tabakarbeiternot im badischen Landtag. Die Zweite badische Kammer verhandelte am Montag- abend über den sozialdemokratischen Antrag, die Re- gierung zu ersuchen, sie möge sofort im Bundesrat beantragen, daß die zur Unterstützung der durch das Tabak st euergesetz geschädigten Arbeiter zu überweisenden Mittel erhöht werden und daß die Vorschriften in einer Weise geändert werden, die den bei Feststellung und Auszahlung der Unterstützungen zutage getretenen Mißständen abhilft. Nach Verständigung mit den Antragstellern bat die Budgetkommission von dem zweiten Teil des Antrages abgesehen in Rücksicht ans neuere bessere Bestimmungen und den ersten Teil in der Abänderung empfohlen, daß die Regierung, falls sich die Mittel als unzureichend erweisen, rechtzeitig eine Erhöhung derselben betreiben solle. Regierung und Kammer haben sich damit ein- verstanden erklärt. In der zweistündigen Debatte, an der sich die sozialdemokratische Fraktion mit fünf Rednern beteiligte, wurden die schrecklichen Folgen deS Tabak st euergesetzeö für Baden eingehend beleuchtet. Von sozialdemokratiicher Seite wurde dabei noch darauf hingewiesen, daß dieses Gesetz gerode vom badischen Finanzminister v. Hansell empfohlen worden ist. Ministerialdirektor Moser verurteilte e-Z gleich dem sozialdemokratischen Redner, daß unterstützungsbedürftigen Tabak- arbeitern zugemutet worden ist, sich als Streikbrecher ge- brauchen zu lassen oder aus die Unterstützung aus dem Gesetz zu verzichten._ Oeftcrrdcb. Erneute Obstruktion. Wien , 15. Dezember. (Privattelegramm des„Vor- wärts".) Nachdem die erste Lesung des Budgetprovisoriums glücklich erledigt war, sollte ein Gesetz, das die Regierung zum Abschluß von Handelsverträgen mit den Bal- kanstaatew ermächtigt, zur Beratung kommen. An dieses Gesetz knüpfen sich wichtige politische Interessen, da eine Besserung der gespannten Verhältnisse zu den Balkanstaaten an die Voraussetzung einer Besserung der handelspolitischen Beziehungen geknüpft ist. Die Erleichterung der Lebens- mittel-, besonders aber der Vieheinfuhr aus den Balkan - staaten ist zugleich ein Lebcnsinteresse der österreichischen Be- völkerung. Die tschechischen Agrarier sind aber anderer Meinung. Sic kümmern sich weder um die Interessen des notleidenden Volkes, noch um die politischen Interessen des Staates und haben beschlossen, die endlich eingestellte Ob- struktion zu erneuern. Sie haben eine ganze Anzahl Dringlichkeitsanträge eingebracht, die heute ver- liandelt werden. Es wird aber der Versuch gemacht werdest, diese frivole Obstruktion zu brechen. Die arbeitswilligen Parteien haben beschlossen, Schichtwechsel einzuführen, um die Beschlußfähigkeit des Hauses dauernd aufrechtzuer- halten. Man will die Sitzung Tag und Nacht un- unterbrochen fortzusetzen. Es muß dem Volke klar- gemacht werden, welche Parteien und aus welchen Gründen sie die Arbeiten des ersten Hauses des gleichen Wahlrechts fortgesetzt verhindern. In der Sitzung kam es auch zu einem charakteristischen Zwischenfall. Als um 2 Uhr 30 Minuten nachmittags der Präsident die Sitzung auf eine Stunde unterbrechen wollte, um den Abgeordneten Gelegenheit zur Teilnahme an dem Leichenbegängnis des Grafen Harrach. eines volksfeindlichen, feudalen Herrenhäuslers, zu geben, erklärte Genosse S e i tz. die gegenwärtige Geschäftslage dulde eine derartige Unter- brcchung nicht: das Haus lehnte den Antrag des Präsidenten niit 179 gegen 96 Stimmen! ab. In Begründung eines Dringlichkeitsantrages sprach der tschechische Agrarier Kot- larz sodann mehrere Stunden. Steuerhinterziehungen. . Die Regierung hat in einer Novelle zum Personalein» kommen st euergesetz das Recht verlangt, die Bücher der Eingeschätzten einzusehen. Um die Notwendigkeit dieser Maßregel zu beweisen, erzählte der Finanzminister v. BilsnSki in seiner Etatrebe eine Reihe erbaulicher Geschichten. In einem Falle hat ein Steuerzahler sein Einkommen im dreijährigen Durch- schnitt auf 0000 Kronen angegeben und die Wahrheit seiner Angabe besonders betont. Als die Behörde aber nicht darauf einging, stellte er sofort einen Durchschnitt von 20 000 Kronen auf. Ein anderer hatte unter gleicher Versicherung seiner Wahrheitsliebee ein Ein- kommen von 765 000 Kronen zugesichert, auf Verlangen des Amtes aber den Satz auf 1 160 000 Kronen erhöht I Wieder einer gab 30 000 Kronen zu, bekannte sich aber nachher auf 366 000; ein vierter mußte von 87 000 auf 360 000 Kronen steigen! Ein armer Teufel rechnete sogar Verlust heraus. Glücklicherweise hatte er sich verrechnet und konnte danach über 200 000 Kronen Ein- kommen versteuern.„Eine wirklich ehrenhafte Firma" hat frei» willig die Bücher hergegeben, aus denen eine zu geringe Einschätzung gleich um 1 300 000 Kronen hervorging. Bei solcher Ehrlichkeit der armen Leute, die vom lieben Gott mit der schweren Bürde großer Vermögen belegt worden sind, begreift es sich, daß die Staat». einnahmen niemals langen und immer mehr indirekte Steuern. d. h. Armutssteuern aufgebracht werden müssen. Schwefe. Wahle». Zürich , 13. Dezember. (Gig. Ber.) Im dritten Wahlkreis der Stadt Z ü r i cb wurden unsere Genossen Dr. B a l s i g e r in den Kantonsrat. Gipser B r u h n und Schlosser H o ch st r a ß e r in den Großen Stadtrat gewählt. Dagegen unterlag der sozial- demokratische Kandidat R i e d e r bei der Stalthalterwahl im Bezirk Zürich mir 9110 gegen 15 874 Stimmen, mit denen der bürgerliche Gegenkandidat gewählt wurde. In Winterthur unterlag ebenfalls bei einer Ersatzwahl in den Großen Stadtrat mit 2140 gegen 2448 Stimmen der sozial- demokratische Kandidat, während aber gleichzeitig in der Gemeinde» Versammlung die Arbeiter die Mehrheit hatten und je vier Sozial- demokraten als Geschworene und als Mitglieder des Wahlbureaus wählten. Spanien . Die Gemeindcwahlen. Madrid , 15. Dezember. Das Ergebnis der Gemeinde- ratswahlen in Spanien stellt sich folgendermaßen: In 250 Gemeinden siegten die Liberalen, in 190 die R e p u b l i- k a n e r und S o z i a l i st e n, in 72 die Konservativen, in 34 die Katalomsten und in 18 die Katholiken. Snglancl. Gegen die Kriegsfurcht. London , 15. Dezember. Kriegsministcr Haldane erklärte auf einer Versammlung in Trcment(Schottland ) in Erwiderung auf eine Anfrage, er glaube nicht, daß Deutschland die gc- ringste Absicht habe, über England herzufallen. Die Deutschen wünschten mit den Engländern in gutem Einvernehmen zu leben; der Fragesteller könne aber sicher sein, daß England sein Pulver trocken halten werde. foikUnd. Bon der politischen Polizei im Ausland. Aus Petersburg wird uns geschrieben: Wie die„Rußkija Wjedomosti" erfahren haben, ist der be« rüchtigte H a r t i n g wiederum nach Brüssel zurückgekehrt, nach« dem er zuvor eine zweimonatige Inspektionsreise durch Italien und andere Westeuropäische Länder gemacht hatte. In Brüssel hat er sich im besten Hotel niedergelasien und wohnt daselbst unter seinem Namen. Das Hanptspionageguartier soll jedoch nach Namur über- siedeln, dem Domizil der Familie Hartings. Ueberhaupt wird jetzt eine vollständige Reorganisierung der russischen Geheim- Polizei im Auslände vorgenommen. Je nachdem eö sich opportuner erweisen wird, soll die Zentrale in Belgien oder Luxemburg ihre Zelte aufschlagen und ihre Filialen in London . Paris . Genf und Rom besitzen. Von den Botschaften losgelöst, soll sie ganz unabhängig sein. Berlin wird mit einer selbständigen Agentur beglückt, die ihre Filialen in Oesterreich und Skandi« navien haben wird. So wird demnach ein ganzes Heer von russischen Spionen und Provokateuren über Europa loZ- gelassen. Und dies nach den skandalösen Enthüllungen über Azeff, Harting, Schutschenko und ihresgleichen. /Iiis der Partei. Eine Sensationsnachricht. Wir haben vor kurzer Zeit unter obcnstehender Aufschrift die Nachricht dementieren können, wonach Maxim Gorki aus der russischen sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen worden wäre. Jetzt ersucht uns die offizielle Vertretung unserer russischen Genossen im Auslande um die Aufnahme folgender Erklärung in dieser Sache: „In einem Teil der ausländischen und russischen Presse zirkulieren immer noch die von jemandem hartnäckig und weit verbreiteten Geruchte über den Ausschluß des be- kannten Schriftstellers Maxim Gorki aus unserer Partei. Angesichts dessen stellen wir hiermit fest, daß alle diese Nachrichten ausnahmslos und vollkommen auf Unwahrheit beruhen. Als nicht minder falsch ist auch das Gerücht zu be- zeichnen, wonach Gorki selbst durch ein Schreiben an das Zentralkomitee seinen Austritt aus der Partei erklärt haben soll. Wir erlauben uns alle Zeitungen, die die falsche Nach- richt übernommen haben, zu ersuchen, unsere obige Feststellung zum Abdruck zu bringen. Mit Parteigruß DaS Auswärtige Bureau des Zentralkomitees der sozialdemo- kratische« Arbeiterpartei Rußlands ." Zum preußischen Parteitag. Als Delegiert« wurden in Breslau die Genossen Dorf, Rother. Scholich und Wiener gewählt. Ferri und die Partei. Rom , 11. Dezember.(Eig. Ber.) Ferris Haltung während der Krise fängt an. immer weitere Partcirrcise zu beschäftigen. Im „S e m p r e A v a n t i", der populären Wochenschrift Morgans, veröffentlicht Genosse P a ol on i einen offenen Brief an Ferri, in dem er ihn bittet, seinen vielen Prophezeiungen über die politische Zukunft Italiens doch eine solche über die politische Zukunft Enrico FerriS hinzuzufügen. Paoloni meint, daß eine unlängst von Ferri gebrauchte Wendung:„wenn der König mir die Ehre gegeben hätte, mich zu fragen", zu den allerpessimistischsten Urteilen über die Zukunft berechtigt. Auf alle Fälle sei eS ja kein Unglück, wenn Ferri nach seinen verschiedenen Wandlungen noch eine neue durch- mache. Er könnte ja dem„Vcrschlinger von Millionen"(Bettolo. Marineminister) die Hand reichen und seiner Wege gehen. Auch die Parteisektion von Suzarra, einer Stadt in Ferris Wahlkreis Gonzaga, hat eine Tagesordnung angenommen, die Ferris Haltung als nicht im Einklang mit dem Willen seiner Wähler stehend bezeichnet und ihn auffordert, einem Kongresse seines Wahlkreises Rechenschaft abzulegen. Gegenüber diesen Aeußerungen ist ein Interview interessant, das Ferri dem römischen Korrespondenten des Mailänder„Corriere della Sera " gewährt hat. In diesem gibt er ganz offen zu, daß er sich nicht im Einklang mit der Parteifraktion befände. Er erklärt, daß er früher wohl Gegner jeder Teilnahme der Sozialisten an der Regierung gewesen wäre; aber da» nur, weil er daö Proletariat noch nicht für reif gehalten hätte. Heute dagegen glaube er, daß die Stunde gekommen sei und die Arbeiterschaft Macht genug besäße, um in einem Sieformkabinett ihren Vertreter zu haben. Die Insinuationen, die seinem Gesin- nungSwechsel persönliche Motive unterschieben, weist er energisch zurück. Gegen den Vorschlag, ihn aus der Parlamentsfraktion auszustoßen, bemerkt er, daß die Frage seiner Stellung zum MmisterialiSmus am richtigsten durch den nächsten Parteitag gelöst würde. Aus dieser Wendung geht hervor, daß Ferri sich zwar nicht mehr als revolutionärer Sozialist, aber doch als Sozialist fühlt» der in dem Parteitag die höchste Instanz sieht, um über seine Haltung zu urteilen. Russische Zensur und deutsche Parteiprrsie. Die rnssiiche Zensur hat es auch ftir daö kommende Jahr für „nützlich" erachtet, unter vielen anderen Zeitungen dem.Vor» wärts" und der„Leipziger VollSzeitung" den Eingang nach Rußland versperrt zu halten.
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