Nr. 8. 27. Jahrgang.I KilW des Joteirte"5itiis!«5, 11. Jdiitint 1010.9er Krei$waf)lvereln von nkderbarnimna�m in seiner Generalversammlung, die am Sonntag inRummelsburg abgehalten wurde, den Bericht seiner Delegiertenvom preußischen Parteitage entgegen.Der erste Berichterstatter, Genosse Bühler, verbreitete sichüber die Verhandlungen, die den Geschäftsbericht der Landes-kommission und den Bericht der Landtagssraktion betrafen.Der Bericht des zweiten Delegierten, Genossen M u t h, er-streckte sich auf das Kommunalprogramm und die Wahlrechtsfrage.Zur Wahlrechtsfrage sagte der Redner, die Verhandlungen hättenihn enttäuscht. Er habe erwartet, daß uns klar und bestimmt an-gegeben worden wäre, was wir zu tun und welche Mittel wir anzu-wenden hätten, um den Wahlrechtskampf mit Erfolg zu führen.Es habe ihm nicht gefallen, daß der Parteitag, hypnotisiert durchdie Begründung des Genossen Adler, gar nicht in eine Diskussionüber die Rede des Genossen S t r ö b e l eingetreten sei. Die vorigeGeneralversammlung sei beseelt gewesen von dem Gedanken despolitischen Massenstreiks zur Erringung des Wahlrechts. Davonstehe aber nichts in der vom Parteitage angenommenen Resolution.Sie sage zwar, daß wir im Wahlrechiskampfe alle uns zu Gebotestehenden Mittel anwenden wollen, und der Referent habe erklärt,daß man darunter auch Massenstreik und Straßendemonstrationenverstehen könne, aber die Ge.. offen, welche die Anwendung dieserKampfmittel für geboten halten, seien durch die Resolution nichtbefriedigt.Genossin M i r u s berichtete über den letzten Punkt der Ver-Handlungen des Parteitages: Die Verwaltung in Preußen.Hierauf gab Genosse Sonnenburg den Bericht derMandatprüfungskommission. Anwesend sind 64 Delegierte, 21 Be-zirksleiter, 17 Mitglieder des Kreisvorstandes. Es fehlen 13 Dele-gierte, und zwar je 2 aus Bernau, Rummelsburg. Weißensee undRiederschönhausen(von letzteren ist einer entschuldigt). Je eineraus Friedrichsfelde, Lichtenberg, Neuenhagen, Reinickendorf-Ost,Tegel. Von den Bezirksleitern fehlen 4, und zwar aus Herzfelde,Rummelsburg, Waidmannslust und Weißensee.Da sich zur Diskussion über den Parteitagsbericht niemandmeldete, so konstatierte der Vorsitzende Brühl, daß die Versamm-lung mit den Beratungen und Beschlüssen einverstanden sei.Auf Antrag des Vorstandes beschloß die Versammlung, indiesen, Jahre ein Sommerfest für den ganzen Kreis zu ver-anstalte».Zum Schluß verwies der Vorsitzende auf die Einmütigkeit,mit der der Parteitag seine Aufgaben gelöst habe. Zum Zweckder praktischen Durchführung des Kommunalprogramms werde derVorstand eine Sitzung der Gemeindevertreter des Kreises ver-anstalten. Das beste Kommunalprogramm sei, wie GenosseSinger gesagt habe, daß jeder die an ihn herantretenden Fragenvom Standpunkte des Sozialdemokraten prüfe. Das treffe nichtnur für die Gemcindevertreter zu, sondern in diesem Sinnemüßten alle Genossen handeln, die im öffentlichen Leben stehen.—Mit einem Hoch auf die Sozialdemokratie schloß der Vorsitzendedie Versammlung.lMeiior 9r Rutzland gegen ProfessorDr. Biermer.Der Beleidigungsprozeß des Professors Dr. Ruh I and gegenden Professor Dr. Biermer- Gießen gelangte gestern vor derneunten Strafkammer des Landgerichts I in zweiter Instanz zurVerhandlung. Den Vorsitz führte LandgerichlSdireklor Neuen feld,dem Privatkläger stehen die Rechtsanwälte Kurt U lr i ch- Berlinund Dr. Putz- München zur Seite, der Angeklagte wird durchLlechtsanwalt Leop. G o t t s ch a I k verteidigt. Als Zeugen sind gc-laden: Bureaudirektor P l a s k u d a, Frhr. v. W a» g e n h e i»,,Rittmeister a. D. v. K i e s e w e t t e r, RittergutsbesitzerDr. Roesicke, Abg. K ö h l er- Langsdorf, GutsbesitzerAus dem Winkel, Geh. Rcg.-ZIat Prof. Dr. v. Savigny. AlsSachverständige sind geladen: Prof. S o m b a r t, Wirkt. Geh. RatProf. Dr. Adolf Wagner, Prof. Dr. L e x i s- Göttingen, Prof.Dr. Gustav v. S ch m o l l e r und Geh. Reg.-Rat Dr. Elster.Letzterer legte ein Schreiben seines Chefs vor, wonach seine Ver-nebmung als Sachverständiger im dienstlichen Interesse nichtgestattet werde. Das Gericht beschließt, ihn als Zeugen zuhören. Professor v. S ch m o l I e r ersucht unter Ueberreichung eineskleines feuilleton.Der Kinematograph im Dienste der Wissenschaft und desUnterrichts. Schon seit längerer Zeit sind Bestrebungen im Gange,den Kinematographen als Unterrichts- und Bildungsmittcl frucht.bar zu gestalten. Die Direktion der Urania, die sich diesen Bc°s-rebungen angeschlossen hat, veranstaltete am 8. d. M. vor einemgeladenen Publikum durch den Oberlehrer Dr. D r i e seit- Char-lottenburg, einem.Hauptvertreter der kinematographischen Lehr-Methode, einen Demonstrationsvortrag, der den Nachweis für denWert des Kinematographen als Forschungs- und Unterrichtsmittelliefern sollte. 1Ini> wir müssen zugestehen, daß dieser Nachweisdem Vortragenden im allgemeinen voll gelungen ist. Als unbc-dingt geeignet und geradezu hervorragend sowohl als Mittel derForschung wie auch des Unterrichts erwies sich der Kinematographfür alle jene Gebiete, die der Redner im ersten Teil seines Vor-träges behandelte, wie die Technik und Betriebslehre, die Medizin,die Physik, Botanik, Zoologie und Biologie, ferner� für die imzweiten Teil des Vortrages behandelten Gebiete: Erdkunde, Gc-werbelehre. soziale Hygiene und für das Militärwesen. Auf diesenGebieten dürste die Verwendung des Kinematographen rein wissen-schaftlich von Werte sein, indem sie uns neue wichtige Erkenntnissegibt. Man denke nur an die Untersuchungen über die Bewegung»-weise der Tiere und ähnliches. Hier ist sie zugleich auch die einzigeMöglichkeit, den Unterricht wirklich anschaulich, lebendig undfruchtbar zu gestalten. Dagegen ist als geradezu verunglückt zubezeichnen der Versuch, den Kinematographen auch in der Literatur-gcschichte zu verwenden. Die kinematographische Vorführung vonSchillers Ballade„Die Bürgschaft" löste geradezu Lachsalven aus.Für dieses Unterrichtsfach ist es besser, man läßt den Kinemato-graphcn außer Spiel und das gleiche gilt, wenn vielleicht auch nichtso unbodingt, auch für die Geichichte und die Kunst. Wäre als Bei-spiel der Verwendungsmöglichkeit des Kinematographen für' dieGeschichte nicht gerade Zeppelins Berlinfahrt behandelt worden, alsoein Beispiel geivählt worden, das eigentlich dem Gebiete der Gc-schichte der Technik entnommen ist, so wäre wohl auch hier derNachweis nicht so gut gelungen und auch das, was der Vortragendeschließlich als Beispiel für die Verwendung des Kinematographenin der Kunst vorführte, dürfte manchen Zuschauer nicht befriedigthaben, mindestens war der zur Darstellung gebrachte Stoff nichtgut gewählt. L.Der Vesuv in Ferien. Der Vesuv hat in den letzten Jahren weitmehr als in früheren Jahrzehnten dafür gesorgt, seine Umgebung inAtem zu halten. Der große Ausbruch im Jahre lS66 scheint aberdie Gesinnung de» Vulkans wesentlich geändert zu haben, wie immernach einer starken Entladung eine Zeit der Ruhe einzutreten pflegt.Die Lava sinkt dann im Schlot des Kraters zurück, erkaltet undverstopft den Ausgang mit festen Massen. Dann nimmt im Innerndes Berges die Spannung allmählich wieder zu bis sie sich früheroder später wieder gewaltsam einen Weg nach außen bahnt. Dieärztlichen Attestes, von seiner Vernebmung als Sachverständigerabzusehen, da der zweitägige Aufenthalt in dem kleinen Gerichts-zimmer bezw. auf dem Korridor ihm schädlich sein würde. DasGericht beschließt, Herrn Professor Dr. v. Schmoller morgen alssachverständigen Zeugen zu vernehmen, und zwar mit Rücksicht ausdie Eröffnung des Herrenhauses, dessen Mitglied er ist, gleich zuBeginn der morgigen Sitzung.Auf die Frage des Vorsitzenden nach der Möglichkeit einesV e r g l e i ck> s erklärt Professor Dr. Biermer, daß er bereit sei,verschiedene Ausdrücke in seiner Streitschrist, die in dem Urteil ersterInstanz als zu weitgehend bezeichnet worden sind, zurückzunehmen,von dem materiellen Inhalt der Schrift aber nichts zurücknehmenkönne. Der Privatkläger erklärt, auf dieser Grundlage zu einemVergleich nicht bereit zu sein. Es wird daher in die Verhandlungeingetreten.Grundlage der Privatklage ist, wie unseren Lesern erinnerlich,die von Professor Dr. Biermer vor Jahren herausgegebene Streit-sckrift„R u h l a n d, K ö h l e r- L a n g s d o r f u. Co." In der-selben wird u. a. ausgeführt: In Preußen, insbesondere in derNationalökonomie und Theologie gebe es Strafprofessuren, um ausde» Universitäten die freiheitlichen Regungen nicht aufkommen zulassen, trotzdem sei es dennochProf. Ruhlaudnoch nicht gelungen, in Preußen einen Lehrstuhl zu finden. Ruhlandsei viele Jahre hindurch Freihändler, Goldwährmigsmann und Güter-zertrümmerer gewesen, der im Auftrage eines Großindustriellen, derauch Großgrundbesitzer werden wollte, zahlreiche Bauerngüter fürdiesen aufgekauft habe. Er habe seinerzeit der demokratischen„Frankfurter Zeitung" den Vorschlag gemacht, eine Antiagrar-l i g a zu gründen, sei aber mit diesem Vorschlag heraus-komplimentiert worden. Plötzlich sei er dann mit einer Broschüreüber die Notlage der Landwirtschaft hervorgetreten, in welcherder Freihandel heftig bekämpft wurde, sei für Doppelwährungeingetreten und habe den Antrag Kanitz als unerläßlicheForderung seines Agrarprogramms bezeichnet. Bald darauf sei erdann als bezahlter Experte des Bundes der Landwirte tätig gewesen.Jene Broschüre Ruhlands sei ein Beweis des mgiigelnden Berständ-nisseS für das soziale Empfinden der Volksmassen. Professor Ruhlandwird dann als wissenschaftliches Chamäleon behandelt, der eS fertiggebracht habe, obwohl er Protestant sei. eine Professur an derkatholischen Dominikaner-Lehranstalt in Freiburg(Schweiz) zuübernehmen. Alle anständigen deutsche» Katholiken hätten sich vondieser Lehranstalt abgewandt, weil sie fortgesetzt das Deutsche Reichbefehde. Der antisemitische hessische Landtagsabgeordnete K ö HI e r-Langsdorf gehe in der zweiten hessischen Kammer unter Berufungauf den Bund der Landwirte in der oufdriitglichsten Weise für eineProfessur Ruhland an der Universität Gießen hausieren, es sei derFirma„Ruhland, Köhler-Langsdorf u. Co., G. m. b. H. für akademische Stellenvermittelung, aber noch nicht gelungen, einen Erfolgzu erzielen.Die ans Grund dieser Streitschrift angestrengte Privatklageendete im November 1963 damit, daß das Schöffengerichtnach zweitägiger umfangreicher Verhandlung den Angeklagten derBeleidigung für schuldig, aber für st r a s f r e i erklärte und diegerichtlichen Kosten des Verfahrens jeder Partei zur Hälfte auf-erlegte. Das Schöffengericht erwog bei seinem Urteil, daß dieBiermersche Streitschrift vom 7. Februar 1963 unmittelbar als Ent-gegnung auf die durch den Privatkläger in seinem Aufsatz in den„Gießener Neuesten Nachrichten" an demselben Tage erfolgte Be-leidigung in der durch diese Angriffe hervorgerufenen Erregung ge-schrieben sei.Gegen das schöffengerichtliche Urteil ist vom Privatkläger Be-r u f u n g eingelegt worden.Nach Verlesung der gesamten Streitschrift des ProfessorsBiermer erklärt dieser die Gründe, die ihn zu der Abwehrschriftbewogen haben. Er behaupte, daß nur Zweckmäßigkeits-gründe den Professor Ruhland bewogen haben können, seinenationalökonomischen Ansichten so plötzlich ins Gegenteil um-zuwandeln, wie es Ruhland getan. Dieser sei von HerrnKöhlcr-Langsdorf als agrarischer Professor der Nationalökonomiesür Gießen lanciert worden, nachdem ein ähnlicher Versuch schon mMünchen gemacht worden war. Ruhland sei der Zukunftskandidatfür eine agrarische Professur, und dies sei ihm, dem Angeklagten, be-kannt gewesen, als er den plötzlichen Ueberfall des Herrn Köhler-Langsdorf zurückweisen mußte. Es seien bei Prof. Ruhland zweiPerioden zu unterscheiden. Herr Ruhland, der iirsprünglich Landwirtgewesen, habe seinerzeit zweifellos in ernster wissenschaftlicher Weisezu den ökonomischen Problemen Stellung genommen. Es geschahdie» in der zweifellos freihändlerischen und manchesterlichen MißVeränderungen, die sich jetzt am Vesuv vollziehen, sind nur äußerlicher Art. Der letzte Ausbruch hatte große Massen von Auswurf-stossen um den Kraterrand angehäuft, die zum Teil keinen sicherenBoden gewonnen haben und daher nun in mächtigen Lawinen inden Abgrund zurückstürzen. Ebenso wie die echten Lawinen ver-Ursachen sie einen starken Luftdruck, durch den ungeheure Staubwolkenaufgewirbelt werden. Da diese von weitem wie Dampswolken aus-sehen, so entstehen immer wieder irrtümliche Gerüchte von neuenEruptionen. Nach einer Schilderung von Frank Perret, einem Be-amten des Veiuv-Observatoriunzs, ist der Niedergang einer Lawinein den Vesuvkrater eines der großartigsten Schauspiele, die man sichdenken kann. Die Ablösung der Massen erfolgt zuweilen ganz laut-los. häufiger aber mit einem scharfen Krachen. Da die Kraterwändefast senkrecht nach innen abstürzen, erlangen die Massen eine Be-schleunigung fast wie im freien Fall. Kolossale Blöcke, die vonden Rändern der Lavaströme herstammen, schießen wagerecht durchdie Luft, während die Hauptmasse der Lawine in wirbelnden Wollenmit einem donnerähnlichen Geräusch von Absatz zu Absatz stürzt,bis sie schließlich auf dem Kraterboden verschwindet. Die entstehendeStaubwolke, die erst senkrecht wie eine flammende Fackel in die Höhesteigt, zerteilt sich dann in der Form eines mächtigen Blumenkohl-kopfes über dem Krater.Theater.Freie Volksbühne(im Herrnfeld-Theater):„ D e r HerrSenator". Von Schönthan und 5ia de Iburg. Zu dergehäuften Unwahrscheinlichkeit, zu der unbekümmerten, jede» sanfteGemüt befriedigenden Harmlosigkeit dieser Kompagniearbeit solltekeinesfalls irgend welche trivial wirkende manierierte Ausfassung undWiedergabe bei den Darstellern treten. In dieser Hinsicht tatenFrida Richard und Poldi Ruß ivirklich allzuviel. So spital-mäßig läßt sich die Frau de» Senators denn dochnicht vorstellen; und die Agathe müßte ein jüngeresAussehen haben und entweder, richtig hamburgerisch scheinenoder lieber darauf verzichten. Toni Willens einwickelteals Stephanie sprudelnde» Temperament. Indes trachte sie vonvornherein danach, ihr Spiel zu verfeinern, statt durchbillige Effekte verblüffen zu wollen. Sie hat das Zeug, bei ernstemStudium auf die Höhe wirklicher lüiffllerischer Leistungen zu gelangen.Wanda Treu mann(Sophie Petzoldt) bringt eine gewinnendeBühnenerscheinung mit. Fritz Junkermann(Mitlelbach) gab sichin seiner Zwitterstellung recht humorvoll. Fritz Kleinke könntedem Dr. Gehring dreist noch einige keckere Nuancen geben; jeforscher, desto besser. Brillant war Arnold Stange als SenatorAndersen. Die Regie könnte mehr aus dem Lustspiel herausholen,namentlich dort, wo es schon ziemlich abgeblaßt erscheint. Anzeichendes Alters lassen sich gar wohl durch energische Netouche beseitigen.v. k.Mufik.Der Verein für Frauen und Mädchen derArbeiterklasse hat mit seiner Konzertreihe im C h o r a l i o n-schen Zeitschrift, und darin wurden manchesterliche Gedanken indurchaus wissenschaftlicher Weise begründet. In dem 1894 er-schienenen„Leitfaden der Agrarpolitik" geschah dies nebenanderen Schriften und Artikeln. Ruhland habe in dieserPeriode antischutzzöllnerische und ansibimetallistische Ansichten ver-fochten und sich beispielsweise auch die„Frankfurter Zeitung"ausgewählt, um in einem Artikel die Berechtigung der bimetallistischenAnschauungen zu bestreiten. Ein Jahr später erschlen plötzlichdie Schrift des Privatklägers:„Die internationale Notlage derLandwirtschaft", in welcher er den Antrag Kanitz„als eine unerläßlicheForderung seines Agrarprogramms" bezeichnete, während er ein Jahrvorher die Erhöhung der Getrcidepreise im Wege des Protektiv-nismus als total verkehrt erklärt hatte. In diese Zeit falle diewichtige Tatsache, daß Ruhland zu dem leitenden Chefredakteurder„Franks. Ztg.", Dr. Oeser, ging und in einer Unterredung vor-schlug, man möge eine Liga bilden in Siiddeutschland mit Tendenzen.die' das Gegenteil von dem darstellen sollten, was derBund der Landwirte erstrebe. Wenn man keine andereTatsache als diese Wandlung kennen lernen würde, so würde man sieauch schon als durch äußere Gründe erklärbar auffassen können. DerAngeklagte verweist in seinen weiteren Darlegungen auf die Tat-fache, daß angesichts des Exodus der acht Professoren aus derDominikanerlehranstalt in Freiburg in der Schweiz der Privatklägerals Protestant sich nicht gescheut habe, einen Ruf an diese stiitnngS-mäßig katholische Hochschule anzunehmen— an dieser Hochschule,die eine Brutstätte polnisch-französischer Verhetzung gegen das DeutscheReich sei. Die Wandlungen seien ganz überraschendund für ihn lägen mehrere Momente vor. die ihn zu der An-nähme berechtigen, daß äußere Gründe matzgebend für die Wandlungwaren.Der Privatkläger Prof. Ruhland wies alle in der Biermer«scheu Broschüre gegen ihn erhobenen Vorwürfe entschieden als un«berechtigt zurück. Er habe fein ganzes Leben als ehilicher Kerl die-jenige» Ansichten vertreten, die er auf Grund seiner Erfahrungenals die richtigen erkannt habe. Aeußere Momente hätten aus die Ge-staltang seiner Ueberzeugungen niemals maßgebend eingewirkt. Erhabe aus seiner praktischen Erfahrung heraus den Wertbegriff ge-funden, den er in seiner nationalökonomischen Methode vertrete. Ersei nie ein ausgesprochener Freihändler in dem Siiine gewesen, wieer von der Wissenschaft mit diesem Worte verbunden wird, er seinie extrem für«Schutzzoll oder für Freihandel eingetreten, sondernhabe immer eine mittlere Linie iiinegehalten. Er wollte denFreihandel der Grundstücke beseitigt wissen und die Ansicht vertreten,daß die Schutzzölle wohl einmal notwendig sein können, aber keinHeilmittel, sondern nur ein Linderungsmittel seien. Dies sei i» seinenSchriften stets zum Ausdruck gekommen. Eine Wandlung in seinenAnschauungen sei mit seinen Beziehungen zudemBund der Landwirte keineswegs eingetreten. Erhabe seiner Anschauimg. daß unter Umständen Zölle notwendig seien.vorher schon in ähnlicher Weise Ausdruck gegeben, insbesondere auchim Jahre 1388. als er von seiner Reise durch die Getreideländerder Welt zurückkehrt sei und in der„Norddeutschen AllgemeinenZeitung" eine» kurzen Bericht erstattete. Auch dort schon habe ersich für Schutzzölle ausgesprochen, als an den Bund der Landwirtenoch nicht zu denken'war. Er habe seine wissenschaftliche Ucber-zeugung stets festgehalten, sich auch nicht für den Antrag Kanitzerklärt, sondern für den modifizierten Antrag Kanitz, der seinen An-schauungen entsprochen habe. Auch im Bunde der Landwirte habe erseine Anschauung in beziig auf die Frage der Gold- oder Doppel-Währung durchaus nicht aufgegeben. Der Privatkläger verwahrt sichferner gegen den in der Broschüre erhobenen Vorwurf, daß er alsGüterdirektor für Herrn Schmidtmann in Pinzgau bei der„ Güter schlächterei" desselben mitgewirkt habe. Es habe beidem Schmidtmannschen Unternehmen ein Ausnahmefall vor-gelegen, der erste Versuch eines Großbetriebes, bei dem die Jnter-essen der Bauern durch uns nicht zu Schaden kamen, denn dabei kames gleichzeitig darauf an, die Bauern aus einer drängendenSchuldenlast herauszureißen. Er habe sich bei dem Ankauf derBauerngüter nur beteiligt, soweit die Waidinger Sümpfe in Fragekamen. Dabei handelte es sich darum, durch große Geldaufwendungenaus einem Sumpfgcbiet Wiesen zu schaffen. Aus der Stellung alsGiiterdirektor sei er ausgeschieden, als er sich als Privatdozentetablieren wollte. Es sei auch ganz unrichtig, wenn behauptetwerde, daß er nachträglich in mehreren Veröffentlichungen HerrnSchmidtmann bloßgestellt und damit einen Vertrauensbruch gegendiesen begangen habe. Für die„Frankfurter Zeitung"habe er nur landwirtschaftlich-technische Artikelgeschrieben. Er habe sich niemals als Mitarbeitereiner sozialdemokratischen Zeitung angeboten,s a a l einen so guten Griff getan, daß selbst für den engen Rahmenunseres Referates eine Besprechung auch seines zweiten Konzertessich lohnt, das am Sonntagnachmittag stattfand. Wieder war einFragebogen ausgegeben, dessen Beantwortungen ein Bild von denEindrücken des Gehörten zustandebringen sollten. Diesmalhieß es. der Frageversuch habe zweckdienliche Resultate ge-zeitigt. Wir bedauern jedoch, daß die Ergebnisse des ersten Konzertsnicht bereits i» dem jetzigen Programm oder an einer sonstigen leichtzugänglichen Stelle bekannt gemacht wurden.Mit Recht bevorzugen die genannten Konzerte das kleinere undnicht allzu geläufige Material der„Kammermusik" Iveitesten Sinnes.Da steigen wir allerdings kaum jemals in tragische Tiefen hinein,bleiben vielmehr hübsch auf der Soimenseite des Kunstlebens undwandeln gemächlich im hellen Scheine dessen, was man„schön" imengeren Sinne nennt. Ganz kleine Zusammenspicle mit anderen alsden heute gebräuchlichsten Instrumenten liegen besonders aus derRokokozeit in so dankbarem Vorrate vor, daß eine Auswahlwie die des Hornkonzertes von Mozart nur freudigst be-grüßt werden kann. Die Gefahr liegt allerdings nahe,einen solchen Komponisten dann lediglich von der Seite deslieblichen TonspieleS au» zu betrachten; und sie tritt noch näher,wenn ein Werk wie die(zehnte) Violinsonate in B-ciur von Mozartnur als zartes Tongewebe vorgetragen wird. Darüber hinaus-zukommen, kann wohl auch als eine Aufgabe solcher nicht bloß nnter-haltenden Veranstaltungen betrachtet werden. sz.Notizen.— Eine Wilhelm H o l z a m e r Gedächtniö-Feierwird zum Besten der Kinder des so jäh verstorbenen Dichters amSonnabend, den 15. Januar, nachmittags 4 Uhr im Saal derKammerspiele(Schmnannstraße) veranstaltet. Ihre Mitwirkung habenTilla Durieux. Harry Walde n. JulinS H'a r t, undfür den musikalischen Teil Frau Fredrich-Höttges.Edmund Schmids und Hjalmar Arlberg zugesagt.Billetts sind jetzt an der Kasse der Kammerspiele und bei Ll. Wert«heim zu haben.— Freie Hochschule Berlin. Da der Bürgcrsaal in«folge de» Brandes im Rathause vorläufig nicht benutzt werden kann,findet der Vortrag von Dr. M. Apel über den Kampf um dieWeltanschauung in der Gegenwart am 12. Januar,8Vs Uhr, in der Aula des K ö l l n i s ch e n Gymnasiums.Jnselstr. 3/5(nahe Spittelmarkt) statt.— Die Berliner„Große O P e r", die am Kurfürsten-dämm erbaut werden soll, hat als Direktor den Leiter des Deutsche»LandestheaterL in Prag A» g e l o N e n m a n n engagiert.— Shackleton wird seine beiden öffentlichen Vorträgein Berlin am 14. d. M.(Singakademie), am 16. d. M.(Mozartsaal)in deutscher Sprache halten. Auf einem in Berlin ihm zu Ehren ge-gebcnen Festmahl kündigte Shackleton an, daß er einen zweiten Bor-stoß ins antarktische Gebiet zu unternehmen gedenke.