Einzelbild herunterladen
 

sondern man neige auch der Ansicht zu, dak der neue Kanzler, der in manchen Beziehungen einen von Bülows Gepflogen- heiten abweichenden Kurs einschlagen wolle, dies besser tun könne, wenn ein Mann seiner Richtung Leiter des Aus- wältigen Amtes sei. Ucber den Termin des Wechsels ver- laute noch nichts Bestimmtes: doch werde Herr v. Schorn auf jeden Fall noch sein Ressort im Reichstag vertreten. Delbrücks sozialpolitischer Kurs. Heute(Montagsmittag wurde die diesjährige Generalversamm- lung des Bundes der Industriellen in Berlin eröffnet. Anwesend waren die Vertreter von 32 angeschlossenen Vereinen, ferner als Vertreter des Staatssekretärs des ReichSamtZ des Innern Geh. LberrcgierungSrat Tr. Wiedtfeld, vom Rcichsschatzamt Ober- regieruugSrat Prof. Dr. Zöppel. Nach einem Bericht derNordd. Allgcm. Ztg." begriigte im Austrage deS Staatssekretärs Delbrück Dr. Wiedtfeld die Industriellen. Er sprach das lebhaste Bedauern aus, dast sein Chef verhindert sei, persönlich zu erscheinen. Der Staatssekretär lege Wert darauf, dah die vielseitigen Beziehungen, die das Reichsamt des Innern mit der deutschen Industrie seit Jahren verbinden, auch unter seiner Leitung anstecht erhalten, gepflegt und gefördert werden. Um so mehr bedauere er, nicht beim dritten Punkt der TageS- ordmlng, Stellungnahme zur Reichsvers icheru ngSordnung anwesend zu sein, als cS'sich um einen Gegenstand handle, der daS Reichsamt deS Innern besonders angelegentlich beschäftigt und ihm besonders am Herzen liege. Der frühere Herr Staats- fekretär im Reichsamt des Innern, der jetzige Herr Reichskanzler, habe ja den Entwurf möglichst frühzeitig der Oeffentlichkeit unter- breitet, weil es ihm geboten erschien, daß dieser weitschichtige Stoff, an dem der grötzte Teil der Bevölkerung, sei es als Arbeitgeber, sei es als Arbeitnehmer, interessiert ist, eingehend und stühzeitig einer Kritik unterzogen werde. Von dieser Kritik sei in ausgiebiger Weise Gebrauch gemacht worden. Hier sei nicht Zeit und Ort. darauf einzugehen, wie weit in den einzelnen Punkten die Kritik berechtigt war und tvie weit dnS ReichSamt deS Innern den Anregungen glaubte Folge leisten zu können. Ich kann nur versichern, dah allen Wünschen und Be» denken, die von den einzelnen Verbänden und Gruppen geäußert worden sind, im Reichsamt des Innern nachgegangen worden ist; und ich kann versichern, daß auch Ihre hier laut werdenden Wünsche einer Prüfung werden unter- zogen werden. Das eine kann ich schon jetzt erklären: die Bedenken, die die Industrie gegen den Entwurf erhoben hatte, sind im wesentlichen als be» rechtigt anerkannt worden. Bei der Kranken- Versicherung sind eS die Wünsche besteffend die Betriebs krankenkassen und deren Austechterhaltung. bei der Unfall Versicherung betreffend die Wünsche der Renten- festsetzung und daS anschließende Streitverfahrcn. Zur preußischen Wahlreform. Wie«mS Kiel gemeldet wird, hat der Verband schleSwig holsteinischer Bürgervcreine denKieler Neuesten Nachrichten" zufolge beschlossen, sofort nach Bekanntwerden der preußischen Wahlrechts- Vorlage einen außerordentlichen VerbandSwg nach Altona einzuberufen und für die geheime Stimmabgabe einzutreten, da die geheime Wahl für die städtischen Wahlen nur zu erreichen ist, wenn daS Landtags Wahlrecht die geheime Stimmabgabe enthält. Schädigung der Volksgesundheit durch daS Eofin. Die Regierung legt sich für daS Eosin mächtig ins Zeug. Sie hat sogar Mästungsversuche mit eosingefärbter Gerste angestellt und soll dadurch zu durchaus guten Resultaten gekommen sein. Immer hin soll sie sich nach Zeitungsnachrichten doch veranlaßt gesehe» haben, in Zukunft die Färbung der Gerste nur mit einer halb so starken Eostnlösung wie bisher zu gestatten. Hierzu wird uns auS schleswig -holsteinischen Kleinbauerkreisen mitgeteilt: Die Regierungsschweinezucht hat die kleinen Landwirte von der Unschädlichkeit der Eosiiifärbung absolut nicht überzeugen können. ES mag dahingestellt bleiben, ob die königlich preußischen Schweine, denen das Eosin so gut bekam, einen besonders guten Magen zur Verdauung des roten Farbstoffes hatten. Als sicher ist jedoch anzu- nehmen, daß die Regierung bei ihren MästungSversuchen mir guten, tadellosen Gerstenschrot, vielleicht mit Milch vermischt, verwendet hat. Der kleine Züchter aber, der den Gerstenschrot in kleinen Quantitäten von den Getreidehandlungen bezieht, kann wegen der Färbung nicht mehr wie früher die Ouali- tät des GerftenschroteS nachprüfen. Selbst eine aus- giebige Beimischung von Staub und Schmutz ist jetzt durch die rote Färbung nicht mehr zu er- kennen. Daß aber ein stark verschmutzter Schrot, der nur mit Wasser angerührt den Schweinen vorgesetzt wird, wie es bei den kleinen Züchtern aus Mangel an Milch vielfach geschehen muß, kein bekömmliches Futter stir die Tiere ist, sollte selbst die preußische Re- gierungSbureaukratie einsehen können. Selbstverständlich leidet die Qualität des Fleisches erheblich unter dem schlechten Futter. Außer dem Schaden, der dem Züchter durch das mangelhafte Gedeihen der Tiere erwächst, wird also durch die Eosinfärbung die Bolksgesundheit direkt gefährdet."_ Die lex Henke. Die Bremer Bürgerschaft hat vergangene Woche das Gesetz zur Bändigung dos gefährlichen Sozialdemokraten Henke beschlossen. Allerdings nicht in seiner ganzen ursprünglichen Schönheit, wo- nach ein sozialdemokratischer Bürgerschaftsverlreter. der sich die offenbare Parteilichkeit deS Präsidenten nicht stillschweigend gefallen lassen will, von mehreren Sitzungen bi« zu 12 ausgeschlossen werden konnte. Den Freisinnigen war eS dock klar geworden. daß sie sich durch Zustimmung zu solch' einem Manlkorbgesetz gar zu sehr bloimeren würden und so einigten sich dieLiberalen " der diversen Conleuren dann auf eine Milderung, wonach der Präsident das Gerechtigkeit fordernde Mitglied von der Sitzung des TageS ausschließen darf. So glauben sie die Autorität des Präsidenten und das Renommee des Freisinns gewahrt. Genosse Henke geißelte in der Verhandlung daS traurige Verhalten der Mehrheit und schenkte den..liberalen" Herren nichts natürlich vergeblich, das Bhaulkorbgesetz wurde beschlossen. Na- türlich irren sich die bürgerlichen Vertreter, wenn sie glauben, daß sich die Sozialdemokraten von dem klassenbewußten HerkN Präsi- denten alles gefallen lassen werden. Das sagte ihnen Genosse Henke denn auch in der deutlichsten Weise. Wohl fühlen sich die bürgerlichen Gesetzgeber der Republik Bremen denn auch gar nicht nach ihrer Heldentat. Sie scheinen sich ihrer sogar ein wenig zu schämen, denn eine Bremer Korrespon- denz der..Frankfurter Zeitung " schwindelt:Als wesentlich für Fernerstehende zur Beurteilung dieser Angelegenheit ist hervorzu- heben, daß eS sich in diesem Streit um die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Ordnung gegen planmäßige Störungen handelt." Woraus zu ersehen ist, daß der Bremer Korrespondent des Frankfurter Demokratenblattcs gerade soviel Wahrhaftigkeit besitzt, wie die Bremer Moulkorb-Libcralen Liberalismus. Ter Landrat als Kriegervereinsagitator. Der Landrat des Kreises Quedlinburg , v. Jacobi, hat an eine Reihe von Kreiseinwohnern folgende Zuschrift verschickt: Nach clner mir zugegangenen Mitteikultg sind Sie noch nicht Mitglied des dortigen Kriegervereins. Da es mir er- wünscht erscheint, daß alle gedienten Soldaten in diese, in erster Linie für sie in Frage kommenden Vereine eintreten und der in ihnen gewährten Wohltaten teilhaftig werden, bitte ich Sie hiermit, Ihren Beitritt zn dem dortigen Kriegerverein bei dem Herrn Vorsitzenden desselben erklären zu wollen. v. Jacobi." Wenn der Landrat sich als Privatmann für die Kriegervereine interessiert und für sie agitiert, so ist das sein gutes Reckt. Das erwähnte Schreiben gibt sich aber als offizielles Dienst- schreiben, auf dessen Umschlag selbst der Stempel des LandratS nicht fehlt. Ja. noch mehr! Um seine private Kor- respondenz recht billig erledigen zu können, versieht der Landrat diese Briefe mik dem weiteren Stempel: Frei lt. Avers Nr. 21. Kgl. Pr. Sondra t. Solchermaßen gekennzeichnete Briefe werden nämlich als amt- liche Schreiben von der Post portofrei befördert. Ob der Herr Landrat v. Jacobi nicht weiß, daß er mit seinen Krieger- vereius-Agitatioiisbriefen seine amtlichen Pflichten verletzt? Ein Brüderpaar. DieVoss. Zeitung", also das Hauptorgan des Freisinns, zitiert heute den Fastenhirtenbrief deö Kölner ErzbiichofS Fischer der bekanntlich gegen Wahlbündnisse mit der Sozialdcmokratte loS wettert. Das sonst so liberale und Kulturkampfpauken schlagende Blatt findet kein Wort der Zurückweisung dieser Einmischung eines Erz bischofS in die Politik. Im Gegenteil, eS ist mit diesem Reaktionärsten aller Reaktionäre ein Herz und eine Seele und unterstützt seine Aeußerungen durch Zitierungen ähnlich lautender Weisheiten des Fürsten Vülow. Höhnisch fragt eS das Zentrum, ob eS am Ende wagen werde, die erzbischöflichen Mahnungen nicht zu befolgen. ES hat wohl dann nicht übel Lust, mit Herrn Fischer zusammen das Zentrum in die Schranken zu fordern. Uns ist es natürlich furchtbar gleichgültig, wie der Freisinn sich zur Frage der Wahlbündnisse stellt. Unseres Wissens ist er nicht gefragt worden und wird was kann der arme Teufel bieten nicht ge­fragt werden. Aber bezeichnend für ihre urreaktionären Instinkte ist das Verhalten des braven FreisinnblaiteS immerhin. Im Haß gegen die Sozialdemokratie haben sich Herr Levy von der Vossischen Zeitung" und Herr Fischer von Köln sehr rasch ge- stmden._ Herr v. LoebeN. Der Oberpräsidcnt der Provinz Brandenburg , Herr v. Loebcll. der Handlanger BülowS, scheidet aus dem Staatsdienst. Das Wolffsche Tclcgr. Bureau" bestätigt, daß er sein Amt nicht über nehmen wird. Zwar hat sich sein Gesundheitszustand erheblich ge- bessert, jedoch inuß er sich auf ärztlichen Rat noch längere Zeit Schonung auferlegen. Mit Rücksicht auf die Bedeutung des Amtes hat Exzellenz v. Loebell auf weiteren Urlaub verzichtet und gebeten, seine Verabschiedung und die Ernennung eines neuen Oberpräsidente» herbeizuführen._ Die nachsichtige Staatsgewalt. In Bonn , der Prinzenuniversität, ist wieder ein KorpS, die Palatia" auf zwei Semester suspendiert loorden. DieSäuglinge der Wissenschaft" hatten nämlich einenBierbock" in Rüngsdorf ver- anstaltct. Nach Beendigung der Kneiperei begingen sie ans der Dampssttaßcnbahn grobe Ausschreitungen und zertrümmerten sämt liche Fensterscheiben. Wie die iveiterc Untersuchung ergeben hat, ist nur durch die Umsicht deS Zugpersonals ein Unglück vermieden worden. Das Strafgesetz setzt auf die Gefährdung eines Eisenbahn- tranSporteS sehr hohe Strafen. Um so bemerkenswerter ist die Milde der Behörde. Hier ist eS nicht mit dem Vorgehen des Universitätsrichters getan, hier hätte der Staatsanwalt zuzugreifen. Wir glauben nicht, ob man Arbeitern gegenüber im gleichen Falle auch mit solcher Milde verfahren wäre.-- Telegraphenarbeiter-Versammlung in Leipzig . Die Telegraphenarbeiter Leipzigs hielten am Sonlitag (28. Januar) eme Versammlung ab, in welcher der von der Post- Verwaltung gemaßregelte LundcSsekretär Ballenthin- Berlin über die Lage der Telegraphenarbeiter sprach. In objektiver, aber scharfer Weise schilderte er unter lebhaftem Beifall der Ber- sammlung die elende Lage der Arbeiter, Vorarbeiter und Hand werker in der Tclegraphenvcrwaltung, wie auch daS hinterhältige Verhalten der Parteien und ihrer Vertreter im Reichstage, die bei den Wahlen mit vielen und schönen Worten auch die Arbeiter der RcichSpostverwaltung zu umgarnen verstehen, durch ihre Taten aber dann beweisen, tvie wenig sie sich um die Telegraphenarbcitcr kümmern. Den Beweis hätte die famose Steuerreform geliefert, die das Gro« der Telegraphenarbeiter zur ständigen Unterernährung verurteilt habe. Auch von Kraetke sei nichts zu hoffen. Die Telegraphenarberter fordern deshalb vom Reichstage, daß er sich ihrer mehr als bisher annehme und daß er namentlich das Gesetz von 1835 aufhebe, daS die Anrechnung der Arbeiterjahre auf das Besoldungsdienstalter der zur Anstellung kommenden Telegraphcnarbeiter, Handwerker und Vorarbeiter un- möglich mache. Eine entsprechende Resolution wurde einstimmig an- genommen._ Der südwcstdeutsche Freisinn. In Wiesbaden wurde am Sonntag der fünfte Parteitag des süd westdeutschen Verbandes der Freisinnigen Volkspartei abgehalten. Beraten wurde die Frage der Fusion der drei linksliberalen Parteien. Nach einem Referat des Rechtsanwalts Dr. Heilbrunn(Frankfurt a. M.) und einer Diskussion, in der neben begeisterten Berttetern der Ver- schmclzung auch Skeptiker zu Worte kamen, ja sogar die runde Ab- l e h n u n g der Fusion empfohlen wurde, gelangte schließlich doch folgende Resolution einstimmig zur Annahme: Der Parteitag für Südwestdentschland tritt dem Beschluß des ZentralauZschusseS in allen Punkten bei und empfiehlt dem auf den 7. März einberufenen Parteitag die Annahme der Fusion auf Grmid des vorgelegten Programms und Organisation«- ftatut«." Nebenher hielt Rektor Kopsch noch ein paar Reden. Sonst ist kein Unglück weiter passiert._ Oeftemieb-Ctagarn. Die Wahlrechtsfrage in Ungarn . Budapest , 2«. Januar.(Privatdepcsche deSVorwärts".) Heute fand die Sitzung des Abgeordnetenhauses statt, in ber sich die neue unparlamentarische Regierung Khuen-Hedervary dem Hause vorstellte. Man sah der Sitzung mit Spannung entgegen, da man Sturmszenen erwartete und meinte, die Anhänger JusthS würden den Ministerpräsidenten nicht zu Worte kommen lassen. Doch be­schränkte sich die Opposition schon vorher hatte außer der Justh-, auch die Kossuthgruppe und die klerikale Volkspartei dem neuen Herrn ihr Mißtrauen ausgesprochen auf Widerspruch und zeitweise erregte Zwischenrufe. AuS der dann folgenden Erklärung KhuenS ist am wichtigsten die Stellungnahme zur W a h l r e f o r m. Der Ministerpräsident erklärte, daß er die Einführung der Pluralwahl fallen lasse und auf dem Boden deS allgemeine» Wahlrechts stehe. Doch schränlte er den Wert dieser Erklärung sehr durch de» Zusatz ein, er werdeden geschichtlichen Charakter des Staates wahren". Es ist wahrscheinlich, daß Khuen selbst über die Art der Wahlreform- vorlnge noch nicht im klaren ist. Diese wird vielmehr vom Gange der Entwickelung abhängen, einerseits von dem Widerstand, den das ungarische Pribikegienparlament dein Sachwalter der Krone entgegen« setzen wird, andererseits von der Kraft und Entschlossenheit des pro- lctarischen Wahlrechtskampfes. lieber den Verlauf der Sitzung wird uns telegraphisch ferner berichtet: Bei Beginn der Sitzung tvurde unter großer Spannung ein königliches Handschreiben verlesen, in welchem die Ent- Hebung de? Kabinetts Weierle und die Ernennung des Kabinetts Khuen-Hedervartz mitgeteilt Ivird. Der Präsident erklärte, das Handschreiben sei hiermit ordnungsgemäß publiziert und werde auch dem Magnatenhause zum Zweck der Publikation zu- gesendet werde». Hierüber erhob sich eine langwierige, sehr bewegte Debatte, in deren Verlauf der Präsident erklärte, diese Feststellung präjudizicrc nicht dem Rechte des Abgeordnetenhauses, die Ernennung d e S Kabinetts und das P r o g r a m m der Regierung in Diskussion z u ziehen. Erst gegen 1'/, Uhr erhob sich Graf Khuen-Hedervary und vcrlaS eine Erklärung der Regierung, in welcher eS heißt, der Zweck der Kabinettsbildung sei, die lange sich hinschleppende Krise durch st r e n g gesetzliche verfassungsmäßige Mittel zu lösen, sowie daS Verhältnis zwischen Krone und Nation vor Schaden zu bewahren. Das Kabinett zähle hierbei auf die Unterstützung des Abgeordneten­hauses. sollte diese veriagt werden, so beabsichtige das Kabinett Neuwahlen anzuordnen. Was die w i r l s ch a f t l i ch e U n- abhängigkeit betreffe, so sei dieses Recht Ungarns von keinem kompetente» Faktor in Zweifel gezogen worden. ES sei jedoch eine Frage der Z iv e ck m ä ß i g k e i t, ob dieses Recht in bisheriger Weise oder abweichend von dem jetzigen System aus- geübt werden solle. In der Bankfrage seien entgegen» gesetzte Anschauungen aufgetaucht, die Regierung werde seiner- zeit einen Vorschlag uiiterbrcilen, der den Jntcresien des Landes entsprechen werde. Der Ministerpräsident legte darauf das Budgetprovisorium und den Handelsvertrag mit Rumänien vor und erklärte, ihre Annahme sei unabhängig von der Vertrauensfrage. Die Annahme werde aber einen Prüf« stein bilden dafür, ob ein Zusammenwirken mit diesem Hause mög- lich sei. Die Debatte über den Antrag des Vizepräsidenten N a v a y aus Ueberweisung an eine Kommission wurde auf morgen vertagt. Spanien . Verhaftung eines Gemeinderats. Paris , 24. Januar. AuS Barcelona wird berichtet, daß der gesamte Gemeinderat von S a n F e l i o, wo ein Generalstreik ausgebrochen ist und bereits be- unruhigende Formen angenommen hat. auf Befehl des Generalgouverncurs verhaftet worden sei. Gegen die Zollerhöhungen Frankreichs . Paris , 24. Januar. Aus Madrid meldet man, daß die französischen Zollerhöhungen auch in Spanien leb- hafte Verstimmung hervorgerufen haben. Namentlich die Erzeuger von Korkpfropfen und die Südfruchthändlcr hätten das Ministerium ersucht, bei der französischen Regierung Zollermäßignngen durchzusetzen. Sckuveäen. Die Bombenaffäre. Lonbin, 24. Januar. Nach Verhandlungen von mehreren Mo- naten wurde heute durch das Polizeigericht die Auslieferung des schwedischen Gelehrten Dr. Eckenberg beschlossen, der des M o r d v e r s u ch s wegen Absendun g von Bomben durch die Post an mehrere Personen in Schweden verdächtig ist. Dr. Eckenbcrg hat die Erlaubnis erhalten, gegen das Urteil Be- rufung einzulegen. KulZlanä. Ein Poliieistreich gegen die Sozialdemokratie. Peteröbnrg, 24. Januar. Die politische Geheim» Polizei, welche Kenntnis erhalten hatte, daß die sozial- demokratische Organisation ain 22. d. M. zur Erinnerung an den Ausbruch der russischen Revolution vor fünf Jahren in einigen Fabriken Versammlungen ab- halten wollte, verhaftete in der Nacht auf den 20. das Petersburger Komitee der sozialdemokratischen Arbeiterpartei als ungesetzmäßiges Zentralbureau der Arbeiter- verbände. Die Prüfung des beschlagnahmten Archivs dieses Komitees hat jetzt nach amtlicher Feststellung ergeben, daß viele der Verhafteten an dem Antialkoholkongreß teilgenommen haben und bemüht gewesen sind, diesem einen regierungsfeindlichen Charakter zu geben.(Damit muß also die offiziöse Meldung selbst zugestehen, daß zu dem Willkürakt der Polizei nicht der geringste Grund vorlag.) Unruhen in Buchara . Petersburg, 24. Januar. Wie aus Neubuchara vom gestrigen Tage gemeldet wird, finden zu Buchara schon zwei Tage hindurch blutrge Zusammenstöße zwischen Sunniten und Schiiten statt. Aus beiden Seiten wurden Personen ge» tötet. Einige persische Läden wurden geplündert. Die Urheber der Unruhen, sunnitische Studenten, ziehen Haufen- weise durch die Straßen und haben eS auf Perser und schiitische Beamte abgesehen. Die Sunniten strömen aus der Um- gegend nach Bucharo und fordern die Absetzung deS Stadlhalters. Auf Bitte der bucharischen Regierung ist eine russischeTruppen- a b t e i l u n g nach Sieubuchara entsandt worden. Nach den letzten Nachrichten ans Neubuchara bat das Morde» gestern abend dort aufgehört. Die Zahl der Getöteten wird auf etlva hundert an- gegeben. Zum Schutz der russischen Institute, Banken und Transport- kontor» in Altbuchara sind russische Schildwachen aufgestellt worden. Cürhet. DaS RegierungSprogramm. Konstailtinopek, 24. Januar. Die Kammer nahm das An- erbieten der Prinzessin Nazimeh. einer Tochter deS verstorbenen Sultans Abdul Asis, an. die ihr Palais am Bosporus der Kammer chr Verfüg, mg stellt. Hierauf verlas der G r o ß tv e f i r das liegierungsprogramm, das lebhaften Beifall hervor- rief. Er sprach zunächst über die innere Politik deS Kabinetts. DrcseS fei durchaus homogen zusammen- gesetzt. Die erste Pflicht der Regierung sei die Beruhigung der Gemüter, die Befestigung der Ordnung und vernünftiges Hinüber- lenken deS Volkslebens in normale Bahnen, aus denen eS infolge der Aprilereignisse herausgerissen worden sei. Eine Abgrenzung der Be- fugmsse der Staatsgewalt fei nötig, die Beamtenfrage müsse gerecht leregelt werden, die Kräftigung der Eintracht zwischen den ver- chiedenen Nattonalitäten sc» unerläßlich, wozu auch die Ein- ührung der allgemeinen Wehrpflicht beitrage. Dann werden Spczialmaßnahmen für einige Provinzen angekündigt, ferner der Finanzlage deS Reiches entsprechende Maßnahmen zur Verstärkung der Armee und Flotte behufs Sicherung des Friedens. In der auswärtigen Politik werde das rabinctt die Politik des früheren Kabinetts beibehalten. in dem es feine Vertragspflichten erfülle, gegen niemand illegale oder aggressive Tendenzen verfolge. aber die Rechte deS Vaterlandes verteidige. Der Großwesir schloß: Jemehr die Legislative und Exekutive die Verfassung wahren und ich verfassiiugSwidriger Handlungen cntholtcn, desto mehr werden ie an Sympathien gewinnen, desto mehr werden wir bei der Wahrung der Rechte der Türkei Erfolg haben und desto leichter uns von den veralteten Kapitulationen befreien, die den Fortschritt verhindern. Die Kamurer nahm dann mit 187 gegen 84 Stimmen ein V e r» trauensvotum für da» Kabinett an.