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Die Senatsvorlage des neuen franzöfischen Zolltarifs ist jetzt im Druck erschienen und bestätigt die schlimmsten Befürch- tungen. Der Deutsch -französische Wirtschaftsverein macht über sie folgende vorläufige Mitteilungen: Was die Deutschland interessierenden Artikel anlangt, so sind allerdings einige Ermäßigungen borgenommen worden. So ist der jetzt geltende Zollsatz von 9 Fr. für Bier aufrecht- erhalten worden, während die Deputiertenkammer(unter Speziali- sierung zuungunsten de» deutschen Produktes) Zollsätze von 12.75 und 14 Fr. eingesetzt hatte. Für Zinnfolien(unter 750 Gramm der Lluadratmeter) ist der seitens der Deputiertenkammer von 6 auf 20 Fr. erhöhte Zoll wenigstens auf 15 Fr. ermäßigt worden. Für sogenannte falsche Bijouterien, deren Zölle von 200 und 100 Fr, die Deputiertenkammer auf 300 und 150 Fr. erhöht hatte, ist eine Mittel- linie von 250 und 125 Fr. festgesetzt worden. Für Speckstein- b r e n n e r ist der von der Deputiertenkammer angenommene pro- hibitive Zollsatz von 15 Cts. pro Stück auf 10 Cts. ermäßigt(dafür freilich der für Kerzen mit Jsolierstücken aus Steatit und Stecolith noch auf 20 Cts. erhöhl) worden. Für Präzisions-Jnstru- mente, Manometer, Thermometer, Aerometer, Elektriziiäts- zähler usw.(bisher zollfrei) ist der von der Kammer angenommene enorme Zollsatz von 500 Fr. wenigstens auf 300 Fr. und der von der Depuliertenkammer von 30 auf 50 Fr. erhöhte Zollsatz für Zinngeschirr(worunter zum Beispiel auch die in großer Menge aus Deutschland exportierten Löffel, Bestecks aus Britannia- metall fallen), auf 40 Fr. herabgesetzt werden. Dagegen ist aber für alle mechanischen Spielwaren(mit Uhrwerken, elektrischem oder Dampfbetrieb) der Eingangszoll sogar auf den prohibitiven Satz von 125 Franks erhöht worden, da gerade diese GruppeSpielwaren" die Hälfte bis drei Viertel des ganzen Nürnberger Spielwarenexportes ausmacht, so bedeutet in diesem Punkte der Beschluß der Senatskommisston eine Verhängnis- Volle Schädigung der deutschen Interessen. Ferner sind für Sptralbohrer, welche bisher dem mäßigen Zollsatz derWerkzeuge aus Stahl oder gestähltem Schmiedeeisen" in Höhe von 22 Fr. unterlagen, die von der Deputiertenkammer ein- gesetzten Zollsätze von 50, 100 und 150 Fr.(je nach dem Durchmesser) verdreifacht worden: auf 150, 300 und 400 Fr. Der von der Deputiertenkammer von 4 auf ö Fr. erhöhte Zollsatz für HohlglaS, einfarbig und in der Masse gefärbt, ist für Reflektoren, Glocken, Tulpen und dergleichen Artikel zu Beleuchtungszwecken auf den Zollsatz derGläser und Zylinder für Beleuchtungszwecke" in Höhe von S Fr. heraufgesetzt worden. Der seitens der De- putiertenkammer von 13 auf 14 Fr. erhöhte Zoll für h a l b f e st- stehende Dampfmaschinen ist auf 16 Fr. erhöht, der für sch werfte Werkzeugmaschinen über 15 Tonnen Gewicht von 10 auf 12 Fr., für S e n s e n(bisher 12 Fr.) von 25 auf 30 Fr., für Schraubstöcke unter 1 Kilogramm Gewicht(hisher 22 Fr.) von 35 auf 45 Fr. usw. In einigen Fällen läßt sich die Bedeutung der eingetretenen Aenderung noch nicht genau beurteilen; so wenn der seitens der Kammer von 10 auf 17 und 25 Fr. erhöhte Zollsatz für gewöhnliche und seine Tapeten auf einen einheitlichen Zoll von 20 Fr. zusammengezogen oder umgekehrt der von 125 auf 140 Fr. erhöhte GewichtSzoll für Weckeruhren auf 1,25 und 1,40 Fr. für das Stück(je nach dem Gewicht unter oder über 250 Gramm) spezialisiert worden ist. Insgesamt aber dürften die vorgenommenen weiteren Zollerhöhungen die Ermäßigungen an Bedeutung überwiegen, während die für wichtige deutsche Ausfuhrartikel nach Frankreich von der Deputiertenkammer beschlossenen hohen Zoll» sätze meistens aufrecht erhalten worden sind. Die Jungen und die Alten. Wie derVorwärts" berichtete, hat dieKölnische Zeitung " die Jungliberalen am Rhein gerüffelt, weil sie in der W a h l r e ch t S f r a g e sich weiter links stellen, als dies den Herren Altliberalen recht ist, und einzelne Jungliberale sich sogarprinzipiell" für die Einführung deS allgemeinen, gleichen. geheimen und direkten Wahlrechts auch in Preußen erklärt haben. In einer Zuschrift aus jungliberalen Kreisen wird nun in der Kölnischen Zeitung " darauf hingewiesen, daß die Jungliberalen aus dieser Forderung nie ein Hehl gemacht hatten, noch auf dem preußischen Vertretertag der Nationalliberalen habe der Vor- sitzende des jungliberalen Reichsverbandes unter lebhaftem Beifall der Versammelten sich dahin ausgesprochen, daß daS Wahlrecht, das sich im Reich bewährt habe, auch Preußen zukomme. Die Kölnische Zeitung " erwidert darauf, ein Streit um daS beste Wahlrecht sei unter Umständensehr nützlich und vergnüglich", aberin kritischen Augenblicken, wo die Politik der Praxis größte Besonnenheit fordert", sehr bedenklich. Gerade jetzt könnte man sich unter Nationalliberalen über alles andere eher streiten als darüber, ob daS gleiche Wahlrecht auf Preußen zu übertragen sei oder nicht. Nach Magdeburg (dem nationalliberalen Preußentag) ist darüber ein Streit zum mindesten in den Tagen, wo die Fraktion in heißer und mühe- voller Arbeit danach strebt. daS preußische Wahlrecht liberalen Grundsätzen und Wünschen anzupassen, schlechterdings nicht zulässig. Einstimmig, also auch mit den Stimmen der Jungltberalen ist in Magdeburg beschlossen worden: Von der Einführung des ReichStagswahl- recht» i st abzusehen." Wer daher jetzt während der Beratungen der Wahlrechtsreform im Abaeordnetenhause immer wieder seiner Vorliebe für das gleiche Wahlrecht in Preußen die Zügel schießen läßt, stört den Magdeburger Gottesfrieoen und schadigt die nationalliberale Sache." Die Jungliberalen werden kuschen muffen. Ihre Abhängigkeit von der nationalliberalen Partei verurteilt sie zur Ohnmacht; ihrdemokratisches" Gebaren und ihreprinzipielle" Stellung- nähme imponiert niemandem, solange sie am Gängelbande der Alten hängen. _ »Der alte Kniff." Wir erhalten folgende Zuschrift: DerVorwärts" bringt in Rr. 53 unter dem TitelDer alte Kniff" folgende Mitteilung: Auf Mittwochabend hatte daS Zentrum in Esten eme interne Sitzung der BertrauenSleute der Zentruiuspartei einberufen, in welcher der Abg. GusbertS über den Wert von Straßen- demonstrotionen iprach." An dieier Mitteilung ist kein wahres Wort. Mir. wie aucki dem Borsitzenden des Wahlkreises Dr. Bell ist von einer solchen Sitzung nichts bekannt. Ich Hab« in einer solchen Sitzung nicht ge- sprochen und war in der gleichen Zeit nicht in Esten, sondern hrer in Berlin . GieSbertS. Wir müssen unserem Essener Korrespondenten überlassen, sich zu diesem Dementi zu äußern. Hat die Sitzung etwa ohne die Herren GiesbertS und Bell staltgefunden? Zur Maßregelung der Bremer Lehrer. Die sozialdemokratische Fraktion der Bremer Bürgerschaft hat einen Antrag eingebracht, in dem unter Berufung auf die verfassungsmäßig allen Staatsangehörigen zu- tesicherte Glaubens- und Gewissensfreiheit und Freiheit der »Meinungsäußerung die Einstellung deS Disziplinar- Verfahrens gegen die Lehrer und dje Zurücknahme der Kündi- gung gegen den am Mittwoch entlassenen Hilfslehrer verlangt wird. Die Bremer Parteigenossen veranstalten am Montag, den 14. März, fünf Demonstrationsvcrfammlungen, in denen gegen den neuen Gewaltstreich des Senats Protest ein- gelegt werden soll._ Die Unmündigen. Dasselbe traurige Schauspiel, das die katholische, dem Zentrum ergebene Arbeiterschaft bei der ReichSfinanz- reform bot, vollzieht sich auch jetzt wieder bei der preußischen Wahlreform. Damals erhoben die katholischen Arbeitervereine lauten Protest gegen die Vermehrung der indirekten Steuern und fie priesen da? Zentrum, das sich so entschieden gegen die Erhöhung der Volkslasten ausgesprochen habe. Nach der NeichSfinanzreforM drückten dieselben Arbeitervereine dem Zentrum ihr Vertrauen darüber aus, und ihre Führer zogen im Lande umher u?id lobten daS Zentrum dafür, daß es einenationale Tat" begangen, d. h. seinem Versprechen zuwider dem Volte eine neue Last von etliche» hundert Millionen Mark aufgehalst hatte. Genau so haben in den letzten Jahren die katholischen Arbeitervereine sich auch auf der- schiedenen ihrer Bezirkslagungen, so in Köln , Aachen , Düsseldorf usw. für die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts in Preußen ausgesprochen und dem Zentrum ihre Anerkennung dafür gezollt. daß es stets diese Forderimg vertreten habe. Und jetzt, nachdem der Verrat des Zentrums an der Wahlrechtsfrage offenbar geworden ist, fallen auch die katholischen Arbeitervereine gehorsamst mit um und preisen, was sie vorher verdammt hatte«. So haben im März 1908 die Köln-Mülheimer Arbeitervereine gegen das Unrecht deS DreiklassenwohlsystemS protestiert und für Preußen das Reichstagswahlrecht gefordert, wobei zugleich dem Zentrum wegen seiner Zuverlässigkeit in dieser Frage der Dank aus- gesprochen wurde. Jetzt im März 1910 ist in der ultramontanen Mülheimer Volkszeitung' zu lesen:Im katholischen Arbeiter- verein St. Antonius gab am Sonntag das Vorstandsmitglied Herr Werth einen klaren und ansprechend vorgetragenen Ueberblick über die politische Lage mit besonderer Berücksichtigung der Wahlrechts- frage. Er verurteilte den unklugenAlles- oder Nichts-Standvunkt" der Sozialdemokratie und rechtfertigte das Verhalten der Zentrumspartei bei den KommissionS- beratungen der preußischen Wahlrechtsfrage." Und im Westfälischen ist vorigen Sonntag folgender Beschluß zustande gekommen:Der BezirkSdelegiertentag der katholischen Ar- beiter» und Knappenvereine deS Dekanats Dorsten spricht der ZentrumSfraltion des preußischen Abgeord- i, etenhauses sein en Dan! aus für ihre bisherige Haltung bei der Beratung der Wahlrechtsvorlage. Er erkennt an, daß trotz der großen Schwierigkeiten, die sich einer wirksamen Reform hindernd in den Weg stellten, die Zentrumspartei unablässig bemüht war, wirkliche Vorteile zu erreichen, und daß es einzig und allein der klugen Taktik der Zentrums- Partei zu verdanken ist, wenn einerseits die geheime Wahl der Urwähler erreicht und wenn andererseits beabsichtigte Ver- schlechterungen, wie Beseitigung der Drittelung in den UrWahl- bezirken und Erhöhung de» Steuermaximums, verhindert werden. Insbesondere begrüßen die katholischen Arbeiter die Sicherung der geheimen Wahl der Urwähler, die sie als eine viel größere Not- wendigkeit bezeichnen, als die Beseitigung der indirekten Wahl." Zum Schluß verheißen die folgsamen Arbeitervereine dann noch, flch durch diesozialdemokratische Hetze' in ihrem Vertrauen zum Zentrum nicht beirren zu lassen und sich fernzuhalten von der sozial« demokratischen Wohlrechtsagitanon, die nur geeignet sei,die Gegner einer wirklichen Reform in ihrem Widerstände zu bestärken und das Ansehen des ArbeiterstondeS schwer zu schädigen". ES ist wirklich bedauerlich, daß eS noch weite Kreise der Arbeiter- schuft gibt, die sich derart jeder Selbständigkeit deS Denkens be­rauben lassen, daß sie auf Kommando jede beliebige Tat des Zen- lrums preisen und heute als schwarz«klären, was fie gestem noch als weiß ausgegeben haben._ Vagabunden erteile« wir nicht daS Wort!" DaS war die Antwort deshochgebildeten" Dortmunder Zentrumsführers Lenfing auf die Wortmeldung unseres Genossen Parteisekretär K l u p s ch in einer großen Zentrunisversammiung, in welcher der Zentrumsabgeordnete Herold daS Zentrum wegen seines Volksverrats bei der Finanzreform zu rechtfertigen suchte. Genosse Klupsch strengte wegen dieser Beleidigung gegen Lensing Klage an. die vor dem Dortmunder Schöffengericht zur Verhandlung stand. Die Aeußerung LensingS wurde durch Zeugen erwiesen. und sein« Bestrasung war gewiß. Er reicht« jedoch eine Anzahl Widerklagen ein. so daß die Verhandlung vertagt werden mußte. Die Widerklagen beziehen sich auf sozialdemolratische Flugblätter während des' StadlverordnetenwahlkanipfeS. ferner auf eine E r» klärung Klupsch' gegen die LandtagSrede Gro- n o w« l i s. Es ist also Aussicht vorhanden, daß die Zentrums« schwiiideleien über die Dortmunder Landlagsmahl gerichtliche Auf» klärung erfahren. Welch verdrehte Rudel übrigens dieser Lenfing ist, dafür noch ein Beispiel: In einer Dortmunder Versammlung, die der Genosse Klupsch leitete, soll ein Versammlungsteilnehmer den Lensing be- schimpft haben. Für diese angebliche Aeußerung eines Dritten macht Lensing Genossen Klupsch verantwortlich. Dadurch, daß Klupsch die Aeußerung nickt verhindert, habe er sie gebilligt und sich selbst einer Beleidigung LeusiugS schuldig gemacht. Tatsächlich hat Lensing des- wegen geklagt._ Geistliche als Glaubenszweifler. Im Reiche des Kardinal? Kopp haben in letzter Zeit eine An- zahl Geistliche ihrer Pfarramtstätigkeit und zum Teil auch dem katholischen Glauben Valet gesagt.»So unter anderem der Pfarrer Georg Seiffert und Aeritstodt; ferner der Pfarrer Edmund Kreusch in Gloschkau; der Pfarrer Alfons Breiter in AuraS;»schloßtaplan Hermann Mertz in Groß-Reichenau . Kopps Regiment erfreut sich bei seinen Untergebenen bekannt» lich keiner großen Beliebtheit, dagegen versteht es der Breslauer Fürstbischof, zu dessen Diözöse auch Berlin gehört, vorzüglich, sich bei Wilhelm II. beliebt zu machen. OeftermcK. Der Awischenrns Pernerstorffers. Wien , 11. März.(Abgeordnetenhaus.) Am Schlüsse der Sitzung kam cS nochmals zu einer lebhaften Auseinandersetzung zwischen den Sozialdemokraten und dem Abgeordneten M a l i k wegen der von dem Abgeordneten Pernerstorffer in einem Zwischenruf gemachten Aeußerung gegen die Habsburger und Hohenzollern . Pernerstorffer erklärte, seine Bemer- kung sei kein Zwischenruf, sondern nur eine private Aeuße- rung einem Abgeordneten gegenüber gewesen. Er bedauere seine Unvorsichtigkeit. Die»Sozialdemokraten überhäuften den Abgeord- neten Malik mit»Schmährufen. ES entstand großer Lärm, bei dem eS fast zu Tätlichkeiten kam. Der Präsident betonte, der Zwischen- ruf könne, da das stenographische Protokoll nichts darüber enthalte, auch nicht Gegenstand einer Perhandlung sein. 8cbr?ete. Trennung von Kirche und Staat. ' Basel , 7. März.(Eig. Ber.) Nach mehrjähriger Behandlung der Frag« der Trennung ser Kirche dam Staat im Kanton Dasei» Stadt ist es endlich am Sonntag zum entscheidenden Schritte ge- kommen, indem das Gesetz in der Volksabstimmung mit 7413 gegen nur 1036 Stimmen, also mit außerordentlich großer Mehrheit an- genommen worden ist. Die Katholiken hatten sich der Ab- ftimmung enthalten, Iveil sie mit dem Gesetz nicht einverstanden waren, aber auch nicht gegen dasselbe stimmen wollten. Die Kantone Basel und Genf sind die ersten, die die Kirche und den Staat voneinander trennten und wir möchten nur hoffen, daß andere Kantone das gute Beispiel befolgen würdest. Das Basler Trennungsgesetz klestimmt im wesentlichen folgen- des: die reformierte und altkolholische Kirche des Kantons Basel- stadt erhalten öffentlich rechtlichen Charakter, ordnen ihr? Verhält- nisse selbst und verwalten ihr Vermögen unter der Oberaufsicht der Regierung, ferner können sie Kultussteuern erheben. Alle anderen Kirchen stehen auf dem Boden de» Pridatrcchts, also auch die römisch-katholische Kirche . Diese forderte allerdings die Gleich- stellung mit den genannten beiden anderen Kirchen, also auch den öffentlich-rechtlichen Charakter und das Recht, Kultusstcuern zu erheben; allein die Dichrheit, darunter auch die Sozialdemokraten. ging darauf nicht ein. Angebahnt ist nun die völlige finanzielle Trennung von Staat und' Kirche, indem nach Verlauf des Ilcbergongsstadiums keinerlei Aufwendungen aus Staats- und Gcmeindemitteln gnehr gemacht werden dürfen. Ausgenommen davon sind nur die Aus» gaben für den Dienst von Geistliche» in den öffentlichen Spitälern. Asylen, Äefängmssen, Waisen- und Zwangsftirsorgcanstvlten. Während der UebergangSzeit werden aus öffentlichen Mitteln noch bezahlt die Pensionen der setzt bereits pensionierten Geistlichen und Kirchenbcamtcn sowie die Gehälter der gegenlvärtig amtieren- den Geistlichen bis zum Ablauf ihrer Wahl- oder Amtspcriode. Das Kirchen- und Schulgut sowie das in staatlicher Vcrwal- kung befindliche reformierte Stiftnngsgut(500 000 bis 600 000 Frank), besonders die von den beiden Konfessionen benutzten Kirchen gehen mit dem Inkrafttreten des neum Gesetzes in den Besitz derselben über. Der altfatholifeben Kirche werden ferner 150 000 Frank ans Staatsmitteln überwiesen. Ebenso viel erhält auch die römisch-katholische Kirche in drei Jahresraten, während ihr an der von ihr jetzt benutzten, dem Staate gehörigen Kirche nur das Nutznießungsrecht für Kultuszwecke eingeräumt wird. Die israelitische Gemeinde bekommt ebenfalls eine einmalige Ab» findung von 15 000 Frank aus Staatsmitteln. Mit dem öffentlich-rechtlichen Charakter der reformierten und altkatholischen Kirche kann es sich nur um ein Uebergangsstadium handeln, das schließlich der Gleichstellung aller Konfessionen auf dem Boden des Privatrechts platzmachen muß. franfcrctcb. Die Affäre Duez. Paris , 11. März. Deputiertenkammcr. In der fortgesetzten Beratung über die Unterschlagungen der Liquidatoren erklärte Ministerpräsident B r i a n d, er nehme jede Verantwortlichkeit für die Kontrolle bei der Liquidation der Kongregationen auf sich. Redner wies dann die Schwierigkeiten der Verbesserungen nach, die er in dem Verfahren habe vornehmen lassen. Wenn die Kammer sich eingehender mit der Angelegenheit Duez beschäftigt hätte, so würde sie das Zögern der Staatsanwaltschaft ver« stehen, Maßnahmen gegen Lecouturier zu ergreisen. Die Regierung habe sich entschlossen, zu warten, bis die Gerichtshöfe ihr Urteil in den eingeleiteten Prozessen gefällt hätten. Von Lecouturier habe niemand einen Nutzen und niemand eine straf- bare Gefälligkeit gehabt. Wenn das doch der Fall sein sollte, würden die Betreffenden bestraft werden. Briand verlaS sodann Dokumente, auS denen hervorgeht, daß er stets auf die bei den Liquidationen vorgekommenen Unregelmäßigkeiten hingewiesen und insbesondere Maßnahmen gegen Duez verlangt habe. Dann wie» er darauf hin, wie berechtigt eS von feiten der Justizver- waltung gewesen sei, daß sie zögerte, gegen Duez mit Strenge vor- zugehen, da dieser lange Zeit mildem Gericht zusammen­gearbeitet und sich dessen Vertrauen verdient habe. Später hätten seine(Briands) Nachforschungen gezeigt, daß Duez mehr ein übermüdeter und durch seine Aufgabe verbrauchter, als ein schuldiger Mensch fei. Als aber die Unredlichkeit Duez' an den Tag gekommen sei, habe er(der Minister) nicht gezögert, strenge vorzugehen, ohne Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen oder andere Umstände, lediglich im Interesse der Gerechtigkeit und ohne Rücksicht darauf, was daraus entstehen könnte. Im übrigen feien unterallenRegierungenSkandälevorgekommen, trotz aller Bemühungen, sie. zu unterdrücken. Nunmehr werde die Justiz ihren Weg gehen bis ans Ende und nachforschen, ob andere Liquidatoren sich durch Fälschung von Liquidatio- neu Vorteile verschafft hätten. Briand schloß mit der Er- klärung, daß er eine Abstimmung verlangen werde über den Gesetz- entwurf betreffend die Liquidation der Güter der Kongregationen, den er im Jahre 1903, alS er das Justizministerium übernahm, eingebracht habe. Die Sitzung wurde darauf bis Montag vertagt. Der neue Tarif. Pari». 11. März. Der Senat setzte die Beratung der Zoll- tarifrevision fort. Handelsminister D u p u y legte die Notwendig» keit der Revision des Zolltarifs dar, verlangte aber, daß die neuen Sätze vorsichtig genug bemessen würden, um die Förderung der kommerziellen Ausdehnung Frankreichs nicht zu stören. Das Ausland hat h öh e r e Tarife eingeführt als oiejenigen, welche Frankreich vorschlägt. Einige Länder gingen sogar soweit, Repressalien vorzuschlagen. Frankreich ging nicht bis zum äußersten seines Rechts; es wird kein gesetzmäßiges Interesse verletzen und vergaß niemals die zwischen den Völkern bestehende Solidarität. Rußland. Die Echtrussen gegen die Friedensgesellschaft. Petersburg, 11. März. Mehrere Abgeordnete von der Rechten der Reichsduma haben den Justizminister in einer Eingabe gebeten, auf Grund des Strafgesetzes gegen den Verbrecher» bund vorzugehen, der sich Russische Gruppe des Jnterparla» mentarischen Verbandes nenne. In der Eingabe wird mitgeteilt, daß der Borsitzend« der Russischen Gruppe Abgeordnete auffordere, zu einer»Sitzung in der Duma zu erscheinen, in der ein Ausschuß für die Russische Gruppe und eine Vertretung für den Zentralausschuß des Interparlamentarischen Verbandes ge- wählt werden solle. Der Justizminister möge es nicht zulassen, daß eine solche verbrecherische Versammlung zustande komme. Runrämen. Lockspivelarbeit. Man schreibt uns aus B u k a r e st: Am 22. Dezember wurde, wie damals berichtet, ein Attentat gegen den rumänischen Premier» minister verübt. Die Regierung und ihre Agenten(im Auslande die Gesandschaften) suchten die gewerkschaftlichen und politischen Organisationen dadurch zu verdächtigen, daß sie die Behauptung verbreiteten, das Attentat sei von der Arbeiterschaft organisiert. Außerdem wollte die Regierung aber noch ein Gesetz gegen Streik- versuche und das KoalltionSrccht der Staatsarbeiter durchdringen. Dafür sollte ein Attentat Stimmung machen. Lockspitzel gibt es nun genug in Rumänien einige Tausend und diese Leute brauchen auch Arbeit. Es wurde also das Attentat von der Ge, Heimpolizei organisiert und, wie man weiß, auch ausgeführt. Die Arbeiter blieben aber auch nicht untätig und leiteten ihrerseits eine streng geheime Untersuchung ein. Es gelang einigen in Paris be- findlichen Genossen den Hauptorganisator des Attentates, bester gesagt den Chef der Lockspitzel, zu dem Geständnis zu bringen, daß das Attentat von der Geheimpolizei organisiert worden ist. Als der Lockspitzel erkannt hatte, w e m er seine ver- traulichen Mitteilungen gemacht hatte, drohte er, den Genossen zu töten, wenn er von dem Geständnis Gebrauch mache, was natürlich die Veröffentlichung nicht im mindesten gehindert hat. Man sieht, die Infamien der Rumänischen Polizeiwirtschaft stehen der rufst- scheu nicht nach.