von einem Spaziergang zurückgekommen und hatte in das Haus,in dem er wohnt, nicht hineingekonnt, weil Bewohner es zumSchult gegen die Polizei bereits verschlosien hatten. Schutz-ntann Schütz bekundete, M. sei nicht weitergegangen, da habeer ihn sistiert. Ob die Tür wirklich verschlossen gewesen sei. daswisse er nicht; er sei mit Ausreden so oft gefoppt worden, daßer hierauf nichts gegeben habe. Ein Postbeamter Sei tzaus demselben Hause beistätigtc, dajj die Tür tatsächlich vonfliehenden Personen verschlossen worden sei. Auf des Staats-anwalts Frage, warum denn Menz sie nicht aufgeschlossen habeund hineingegangen sei, antwortete dieser:„Dazu hatte ich jagar keine Zeit, ich wurde ja sistiert."„Sie verlangen doch nicht,daß man Ihnen das glaubt!" sagte der Staatsanwalt, under beantragte 5 M. Geldstrafe. Diesmal aber erkannte dasGerichtauf Freisprechung, weil doch möglich sei, daß die Polizei den An-geklagten gehindert habe, in das Haus hineinzugelanaen.Vor derselben Schösfenabteiluna stand dann noch ein Ar-heiter Tottleben, dem die Polizei 10 Tage Haft zu-diktiert hatte, weil er am 13. Februar um �2 Uhr mittagsnach Schluß einer unserer Protestversammlungen in der Sophien-straße überlaut gesungen und die Aufforderung, ruhig zu sein,nicht befolgt habe. Polizeileutnant Arendt sagte aus,Tottleben habe ihn, den Herrn Leutnant, geradezu zu über-schreien gesucht, als er Ruhe gebot. KriminalschutzmannBraak war, so bekundete er.„mit im Zuge", als die Versamm-lungsteilnehmer sich der Rosenthaler Straße zuwandten; da habeer ganz genau gehört, daß Tottleben sehr laut sang. Der Staats-a n w a l t beantragte, es bei 1 0 T a g e H a f t zu belassen, weil T.groben Unfug verübt und das Ruhegebot nicht befolgt habe, unddas Gericht entschied so.Endlich hatte sich vor einer anderen Schöffengerichtsabieilungnoch der Vergolder Hübner zu verantworten. Er soll alsTeilnehmer an einem Wahlrechtsdemonstrationszuge den Schutz-leuten das Wort„Bluthunde" entgegengeschleudert haben. Erbestritt die Täterschaft. Der A m t s a n w a l t beantragte zweiWochen Gefängnis, das Schöffengericht kam jedochzu einer Freisprechung, da es mit dem Verteidiger Rechts-anwalt Rahm der Ansicht war. daß die Möglichkeit einer Per-sonenverwechsclung nicht�ganz von der Hand zu weisen sei.Auch Prozesse wegen der Ferrer-Prote st versamm-langen beschäftigen noch immer die Gerichte. Vor dem Land-g e r i ch t I(Strafkammer 8, unter dem Vorsitz des Landgerichts-Direktors Quast) stand gestern ein Fensterputzer Schmidt,der am 17. Oktober mittags nach Schluß unserer Proteswersamm-lungen auf offener Straße mit lauten Schimpfreden die Polizeibeleidigt und dadurch zugleich groben Unfug verübt und auch dieAufforderung, weiterzugehen, nicht befolgt haben soll. Im Januarhatte das Schöffengericht ihn wegen Beleidigung und Unfugzu einer Woche Gefängnis und wegen Nichtbefolgung zu einerWoche Haft verurteilt, indem es als festgestellt ansah, daß Schmidtnach Schluß der in der Hasenheide abgehaltenen Versammlungeinem nach dem Stadtinnern marschierenden Zuge von Versamm-lungsteilnehmern als radfahrender Kundschafter gegen die Polizeivoraufgeeilt sei, am Kottbuscr Tor der ihn wegweisenden Polizeinicht Folge geleistet habe und im besonderen einem Schutzmannzugerufen habe:„Schaffen tun wir's doch, Euch Blauen laufenwir auf den A..., daß Euch die Beine in die Luft fliegen."Gegen das ihn verurteilende Erkenntnis hatte er Berufungeingelegt mit der Begründung, er habe sich an keinem Demon-strationszuge beteiligt, sei vielmehr an jenem Sonntag in denMittagstunden damit beschäftigt gewesen, seinem Sohn bei derBesorgung von Botengängen für eine Buchhandlung zu helfen.Vor der Strafkammer führte er aus, er habe dabei mitseinem Rade die Straßen befahren müssen; offenbar sei er damit einem anderen Radfahrer verwechselt worden. Demgegenüberblieb Schutzmann Freyer bei seiner Aussage, daß Schmidtim Radfahreranzuge immer wieder den Zug begleitet habe.Schließlich sei Zeuge von ihm in der oben angedeuteten Weise be-schimpft worden. Ueber Schmidts Persönlichkeit könne keinZweifel bestehen, auch dem Polizeileutnant Döring, der dieSistierung anordnete, habe Zeuge sofort gesagt:„Das ist derselbeHerr, den ich schon vorhin gesehen habe. Das bestätigte derZeuge Polizeileutnant Döring, nur daß er FreherSZeugenaussage dahin korrigierte, Freyer habe ihm gesagt:„HerrLeutnant, das ist ja der Kerl, den ich schon lange beobachtet habe."Der Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Kurt Rosenfeld,suchte durch Befragung beider Zeugen festzustellen, was für einenAnzug Schmidt getragen habe. Freyer sagte zunächst:„EinenRadfahreranzug!" Als er belehrt wurde:„Er hat ja gar keinenRadfahreranzug." berichtigte sich Freyer:„So? Na. ich habe esdafür gehalten." Auch Döring behauptete zunächst:„Er hatteKniehosen an." Ans einen dagegen geäußerten Ziveifel erwiderteSr:„Ja, soweit ich mich besinne, hat er welche gehabt." In Wirk-lichkeit hatte aber Sch. lange Hosen angehabt. Auch wurde durchVernehmung des Heilgehilfen Bringmann von derSanitätswache am Grünen Weg festgestellt, daß tatsächlich Schwedtdort in der Mittagstunde eine von einem Arzt abonnierte Zeit-schrift abgegeben habe. Der Verteidiger beantragte hier-nach Freisprechung, weil ein Irrtum der Polizeibeamtenanzunehmen sei. Der Staatsanwalt beantragte Verwerfungder Berufung. Durch dasUrteilwurde die Strafe wegen Beleidigung auf 3 Tage Gefängnis herabgesetzt, grober Unfug für nicht vorliegend erklärt und die Nicht-befolgung mit 20 M. Geldstrafe geahndet.politische üeberiichtBerlin, den 80. März 1910Nationalliberale Volks verräterei.Die Natioualliberalen erhoffen vom Herren-hause eine weitere Verschlechterung des Wahlrechts. In den„Grenzboten" hat ein Abgeordneter seine Wünsche dahin zu-fammengefaßt:1. Die Wiederherstellung der Steuerdrittelung inden Gemeinden; 2. die Zulasiung der Auswahl von Wahl»männern in den Urwahlbezirken aus dem zögehörigen Land-krei'e; 3. Beseitigung der Ein- und Zweimännerwahlobteilungen;eine anderweitige Regelung der Privilegierung von Urwählern;6. Vermehrung der Abgeordnetenzahl in den größeren Wahl-gezirken.Dia Freikonservativen machen die Forderung zu 1zur Voranssetzung ihrer Zustimmung zun, Gesetz und halten imübrigen die anderweitige Regelung der übrigen Punkte zum Teilfür wünschenswert.Zu diesen Vorschlägen bemerkt die„Kölnische Zeitung":Diese Forderungen der Nationalliberalen gehen in einigenPunkten über das in Magdeburg Geforderte hinaus; ferner stellensie noch einmal grundsätzlich das in den Bordergrund, was inden Kämpfen um die Vorlage arg vernachlässigt worden war; dieVermehrung der Abgeordnetenzahl in den benachteiligten Wahl-bezirken; dre direkte Wahl freilich wird nicht gefordert. Die Fragewürde dann also so zu stellen sein, ob die direkte Wahl soschwer wiegt, daß dagegen die übrigen fünf Forderungen.von denen jede einzelne eine Verbesserung des Wahlrechts Iv, II, zu leicht befunden werden müßten.Das„Berl. Tagcbl." bemerkt hierzu:„Aus den Kreisender Nationalliberalen des Reichstags, aus den Reihen derErwählten des allgemeinen gleichen Wahlrechts, ist erstkürzlich wieder der Mahnruf ergangen. die liberaleSolidarität zu pflegen. Mit dieser Solidarität treibt aberniemand ein gefährlicheres Spiel als die Nationalliberalen despreußischen Landtags. Sie haben es bisher ängstlich der-mieden, sich auch nur auf den Teil der MagdeburgerBeschlüsse festzulegen, der liberales Gemeingut ist.Sie lassen vielmehr immer wieder durchblicken, daß sie umden Preis einer plutokratischen Ver-schlechterung der„Reform" bereit wären, auf sämtlicheMagdeburger Beschlüsse zu pfeifen. Und sie arbeiten durchdiese Zweideutigkeit ihrer Haltung, die schon HarlanVerräterei grenzt, nur den Konservativenin die Hände._Aufhebung der städtischen Lebensmittelabgaben.Nach§ 18 des Zolltarifgesetzes vom 2S. Dezember 1902 dürfenvom 1. April d. I. ab Abgaben auf Getreide, Hülsenfrüchte, Mehlund andere MüHlenfobrikate sowie Brot, Vieh und Fleisch fürstädtische Rechnung nicht mehr erhoben werden. DaS bayerischeMinisterium des Innern hat aus Anlaß des Inkrafttretens dieserBestimmung an die Kreis«, Bezirks- und Gemeindebehörde»einen ErlaH gerichtet, in dem ausgeführt wird, daßder Ausfall an gemeindlichen Einnahmen, der sich ausder Aushebung des Oktrois ergibt, in Bayern nach demStande von 1908 rund 4 Millionen Mark betragen und sich auf1000 Gemeindien verteilen werde. Um diesen Betrag würden sichzunächst die Betriebskosten der beteiligten Gewerbe-treibenden usw. mindern. Es liege aber natürlich in derAbsicht des Gesetzes, daß diese Minderung auf den Verkaufs-preis der bezeichneten Waren entsprechend rückwirke. Insbesonderekäme in Bewacht die Erhöhung des Brotgewichtes,die Bergrößernng der Wurstwaren usw. Es heißt dann in demErlaß wörtlich:.Es besteht Anlaß, auf diese Umstände weitereKreise aufmerksam zu machen. Wenn die öffentliche Meinung mitNachdruck dahin wirkt, daß der Wegfall der bisherigen Aufschlägeder Allgemeinheit, nicht bloß den beteiligten Erwerbslreisen, Nutzenbringe, so wird auch auf einen entsprechenden Erfolg gerechnetwerden können. Jedenfalls ist es angezeigt, daß die staatlichen undgemeindlichen Tiehörden alle Bestrebungen solcher Art nach Möglich-keit unterstützen. Wo polizeiliche Vorschriften über daS Brotgewichtoder über das Gewicht der Fleischzuwagen nach Art. 143 deS Polizei-Strafgesetzbuchs bestehen, werden diese nötigenfalls zu ändern sein."Ausgespielt.Gouverneur v. Schuck», ann ist erledigt. Er wird nicht, wieseine agrartonservativen Freunde wünschen, nach Südwestafrikazurückkehren, um dort fernerhin konservative Politik nach preußisch-landrätlichem Rezept zu treiben. Die letzte Nummer der„Wind-huker Nachr." veröffentlicht folgende, ihr angeblich von glaubwürdigerSeite zugegangene Mitteilung:„Etwa eine Woche vor seiner Abreise hatte Seine ExzellenzHerr Gouverneur von Schuckmam, eine Abendgesellschaft gegebenund bei dieser Gelegenheit mit mehrerei, Herren, darunter unseremGewährSmanne, ein längeres Gespräch über LandeSangelegen-heilen geführt. Hierbei kam Seine Exzellenz auf seinenGesundheitSurlaub zu sprechen und verneinte die an ihn geridbteteFrage, ab seine Rückkehr im Bereiche der Mög-lichkeit liege, aufs bestimmteste. Diese Möglichkeitsei ausgeschlossen wegen der.großkapitalistischen Politik", welcheer nicht mitmachen könne; dann aber auch wegen des schwerenVorwurfs, welchen Staatssekretär Dernburg im Reichstage gegendie Beamten der Kolonie erhoben hätte. Dreißig Jahre— soführte Seine Exzellenz ungefähr aus— diene er seinem Kaiserund habe niemals auch nur einen Verweis erhalten, und jetztmüsse er sich diesen schweren Vorwurf vor der breiten Oeffentlich-keit machen lassen I— Der Herr Gouverneur soll noch hinzugefügthaben, die Herren könnten dies einem jeden, der es hören wolle.wiedersagen."_Die Reichsversicherungsordnuugist bekanntlich erst am 16. März den Reichstagsmitgliedernmitgeteilt. Wetteren Kreisen konnte das dickleibige Werk erstvom 23. d. M. ab durch den Buchhandel zugänglich gemachtwerden. Das Einfllhrungsgesetz zu dem Entwurf sowie derHilfskassengesetzentwurf ist bislang bei dem Reichstage nochnicht eingegangen. Einen Ueberblick über die Vorschriften des1754 Paragraphen umfassenden Entlvurfs konnten wir bereitsam 16. d. M. unseren Lesern bieten. Eine Zusammenfassungdes auf die Aerztefrage bezüglichen Teiles veröffentlichten wiram 22. d. M. unter Benutzung der 784 Seiten umfassendenBegründung der Reichsversicherungsordnung. Bei der großenWichtigkeit der im Entwurf behandelten Fragen beabsichtigenwir— in ähnlicher Weise wie wir das beim Vorentwurf imApril 1909 taten— eine Uebersicht über die wesentlichstenTeile des Gesetzentwurfs außer der erforderlichen Besprechungdes reaktionären Werkes in seiner Gesamtheit unseren Lesernzu bieten. Wir beginnen in der heutigen Nummer mit derDarstellung der auf die K r a n k e n v e r s i ch e r u n g bezüg-lichen Partien._Konservativer Terror.Wie die.Nationalliberale Korrespondenz" mitteilt, ist auf Be-treiben des Londrats im Kreise Johannisburg dein leitendenArzt des dortigen Kreiskrankenhauies seine Stelle gekündigt worden.Das nationalliberale Organ führt das zurück auf die Tätigkeitdes Arztes im Interesse der nationalliberalenPartei._Komische Angst.In bürgerlichen Zeitungen Bremens stand dieser Tage folgendesInserat:.Von der Garnisonverwalwng Bremen werden 2200 Kilo-gramm Makulalurpopier(Zeitungen ohne sozialdemokra-tischen Inhalt) zu kaufen gesucht. Angaben ulw."Die Angst vor der sozialdemokratischen Presse scheint in derGanrison Verwaltung sehr groß zu sein, sonst würde sie kaum zudiesem Schildbürgerstreich, der sie der Lächerlichkeit aussetzt, gegriffenhaben.Wir möchten empfehlen, daß die königliche Garnisonverwaltungin Bremen ein Bureau einrichtet, in den, eine Anzahl preußischerGeheimräte die erworbenen 2200 Kilogramm Zeitungen vor demGebrauch Zeile für Zeile prüfen, damit keine rot angehauchte Silbedurchschlüpft._Der Kampf um das Posener ReichstagSmandat.In Posen fanden in den letzten Tagen zahlreiche Wähler-Versammlungen statt, die sich mit der Aufstellung eines polnischenKandidaten für die kommende Ersatzwahl beschäftigten. Von derdemokratischen Richtung unter den Polen, den Abgg. Seyda undKorfanty, wird der Arbeitersekretär Nowicki als Kandidat vor-geschlagen, der auch in der überwiegenden Zahl der Wähler«Versammlungen fast einmütig als polnischer Kandidat akzepliertwurde. Die polnische Großgrimdbesitzerpartei sah sich durch diedemokratische Strömung, die in den letzten Monaten durch diepolnische Bewegung ging, veranlaßt, ebenfalls einen Arbeitersekretärnamens S o s i n S k, vorzuschlagen, der indessen nur in einigenländlichen Bezirken Anklang fand. DaS kann aber immerhin dieFolge haben, daß zwei polnische Kandidaten einander gegen-überstehen._Splendid!Herr v. Breitenbach, dem die Verwaltung der preußischenEisenbahnen anvertraut ist, hat sich zu einer Großtat ersten Rangesaufgerafft. Er hat nämlich verfügt, daß die Belohnungen für lang-jährig tätige Eisenbahnarbeiter um je 20 M. erhöht werden. Wersich'35 Jahre im Dienste der preußischen Eisenbahn als Arbeitergeschunden und geplagt hat, der erhält die fürstliche Belohnungvon 80 Mark, und wer es im Reiche des Herrn v. Breitenbachgar 50 Jahre anSgehalten hat, der erhält 300 Mark. Esunterliegt natürlich keinem Zweifel, daß den Eisenbohnarbeitern eineanständige Bezahlung für ihre Arbeit entschieden lieber wäre, alseine„Belohnung", die man sich doch nur mehr oder weniger durchLiebedienerei erwerben kann.Unterm neuen Vereinsgesetz.Dem Vorsitzenden des sozialdemokratischen WahlvereknSfür den Rcichstagswahlkreis König sberg-Neumarkging am 25. März das folgende Schreiben zu:Meine Ihnen am 10. März d. I. erteilte Erlaubnis zurAbhaltung einer öffentlichen Versammlung unter freien, Himmelauf den, Grundstück des Büdners Ernst Schulz in Bralitz am28. März d. I.(2. Osterfeicrtag), nachmittags 3 Uhr, ziehe ichhiermit zurück und untersage die Abhaltungdieser Versammlung, weil dadurch die öffentliche Sicher-heit gefährdet ist.Die Gründe für diese Versagung sind: Erstens hat sich dieallgemeine Erregung der Bewohner nicht vermindert und zweitensweil der Bersaminlungsort in unmittelbarer Nähe des Begräbnis-Platzes der Gemeinde Bralitz, von dem er nur durch eü, Draht-gewebe resp. Lattenzaun gelrennt ist, liegt.Oderberg/Bralitz, 24. März 1910.Kupper. Amtsvorsteher.Das Schreiben läßt wieder einmal erkennen, wie wenigdie Versammlungsfreiheit der Bürger geachtet wird und wieauch durch das neue Vereinsgesetz daran nichts geändert wird.Drei Tage vor dem Stattfinden der Versammlung wird dieGenehmigung wieder zurückgezogen, nachdem bereits alle Vor-kehrungen getroffen und verschiedene Ausgaben gemacht wordensind. Vierzehn Tage hat der Amtsvorsteher gebraucht,um Gründe zu finden, die, falls sie zutreffend wären,doch schon am>0. März bestanden haben müssen.Auch schon am 10. März hat das Grundstück an der bewußtenStelle gelegen. Das war dem Amtsvorsteher bekannt, da erdie örtlichen Verhältnisse genau kennt. Was die Lage abermit der öffentlichen Sicherheit zu tun hat, ist ganz un-verständlich.Ganz hinfällig ist auch der Hinweis auf die Erregung derBevölkerung. Es wäre ja wahrhaftig nicht verwunderlich undsogar wünschenswert, daß die Bevölkerung über das Wahlrechts»machwerk des Schnapsblocks in Erregung geraten wäre—jedenfalls ist diese Erregung bisher durch nichts öffentlichkundgegeben worden, und sicherlich spricht nichts, aber auchgar nichts dafür, daß diese sehr berechtigte Erregung in derVersammlung die öffentliche Sicherheit gefährdet hätte.Gegen das Verfahren des Amtsvorstehers ist der Beschwerde-iveg beschritten worden._Schrittmacher der Sozialdemokratie.Der Herausgeber des„Türmer", Frhr. v. Grotthuß, führt denWahlrecktsgegnern folgende Betrachtungen zu Gemüte:„Eine solche„Reform" wie die der Regierung oder der kon»servativ-klerikalen Parteidiltatur mußte das ganze Bürgertum,soweit eS Selbsiaclitung und gesundes Denken noch nicht ganz verlernthatte, auf die Schanzen rufen und der Sozialdemokratiean die Seite treiben. Und das ist der größte Fehler,den eine schwächliche Regierung unter der unverdüllten, dabeiwiderstandslos, ja diensteifrig übernommenen Herrschaft sogenannterMehrheitsparteien von ihrem Standpunkte aus begehen konnte.Sie hat— was keine Agitation erreichen konnte das Bürger»tum in eine Front mit der Sozialdemokratie genötigt, es ge-z w u n g e n, Schulter an Schulter mit ihr zu kämpfen: Unddie bitterste Pille mit, die die Regierung dabei herunterschluckenmuß. ist. daß in diesem Kampie für eine gute und gerechteSache, für eine unabweisbare nationale Aufgabe die Sozial-demokratie als Bannerträgerin auch des BürgerMmS erscheinendarf. Einen größeren Dienst bat wohl nie eine Regierung, habenWohl nie herrschende Parteien ihrem geschworenen Feinde geleistet.„Ich liebe eine gesinnmigstüchtige Opposition," sagte FriedrichWilhelm lV. Bitter nottut uns eine gesinnmigstüchtige Sozial«demokratie, wird sich jetzt mancher bürgerliche Wahlrechtskämpferim stillen Kämmerlein sagen, wenn er auch nach außen hin, ausGeschäfts- und anderen Gründen, immer noch weit— vielleichtweniger weit mit dem Stimmzettel— von ihr abrücken wird.Der Bann ist gebrochen, nicht bei allen, aber doch bei vielen, beisehr vielen. S o wird die Sozialdemokratie bei uns zu Lande„bekämpft" I Ist das die Möglichkeit?"Die Ortszulagen der preußischen Lehrer.Kürzlich wurde berichtet, daß die Bürgermeister der Rhein«Provinz sich verständigt hätten, an die Lehrer keine Ortszulagen zuzahlen. Diese Meldung wurde offiziös bestritten. Jetzt berichtetdas Schulblatt der Provinz Sachsen:„Sämtliche Bürgermeister der Städte von mehr als 10000Einwohnern haben— wie Oberbürgermeister Banst in der Stadt-verordnetenversammlimg zu Quedlinburg am 17. August erklärte—beschlossen, vorderhand keine Ortszulagen zu zahlen. Nur Magde»bura gewähre solche."Gemäß diesem Beschluß sind wiederholt Anträge auf Gewährungvon Ortszulagen von den Magistraten abgelehnt worden.Italien.DaS aeue Ministerium.Rom, 30. März. In den Wandelgängen der Kammerhält man es für gewiß, daß das neue Kabinett sich wie folgtzusammensetzt: L u z a t t i. Ministerpräsident und Inneres:Di san Giuliano, Aeußeres; Fant, Justiz; Tedesco.Schatz: Facta. Finanzen; General Spingardi, Krieg;Konteradmiral Leonardi, Marine; Credaro, Unter-richt; Sacchi, Oeffentliche Arbeiten; Ciuffelli, Post.Das Kabinett wird sich morgen konstituieren.englanci.Der Kampf gegen daS Oberhaus.London, 30. März. Ein oppositionellesAmendement zu den Resoluttonen der Regierung wirdam Donnerstag beantragt und die Debatte ani Montagabendgeschloffen werden. Das Amendement, welches von SirRobert F i n l a y beanttagt werden wird, ist folgendes: NachAnsicht dieses Hauses ist eine starke wirksame Kammer not-wendig. Das Haus ist bereit. Vorschläge für die Reform unddie Zusammensetzung der bestehenden Zweiten Kammer in Er-wägung zu ziehen, lehnt es aber ab. sich mit Vorschlägenweiter zu befassen, welche den ganzen Nutzen jeder ZweitenKammer, wie sie auch zusammengesetzt sein möge, vernichtenund die einzige Sicherung entfernen würden, dagegen, daßdie Regierung große Aenderungen nicht nur ohne die Zu-stimmung, sondern sogar gegen die Wünsche der Mehrheit derWähler vornimmt.Rußland.Die Entrechtung Finnlands.Petersburg, 30. März. Nach zweistündiger Debatte be»schloß die Reichsduma gegen die Sttmmen der Kadetten.