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Nr. 74. 27. Jahrgang. 2. Ktilam Ks »lim VilksblM Aonnerstilg. 3t. Marz lM ?attc!tsg der SozialdemoftratKcfyeD Parte)ngland$. ( In SStefl Ham, der großen Arbeitervorstadt Londons  , tagte gestern die dreißigste JahreSkonferenz der S. D. P.(Sozialdemo. Katische Partei). Einer der Parlamentsvertreter West HamS ist der Genosse W. T h o r n e. der der S. D. P. angehört, auch ist die Vor- stadt schon seit Jahren eine feste Burg des Sozialismus. Das er- klärt eS. daß der Bürgermeister, obwohl er nicht zu der Partei zählt, auf dem Parteitag erschien, um die L00 Delegierten, die aus allen Teilen des Landes herbeigekommen waren, im Namen der Stadt zu begrüßen. Bisher ist ,0 etwas»roch nicht vorgekoininen. Nach den Begrüßungsreden der Vertreter der lokalen Organi- sationen der Arbeiterschaft ergriff Genosse Hyndman   das Wort, um in seiner Präiidentenrede, wie es in England üblich ist, die Ge- schichte und den Stand der Partei wie auch die unmittelbar an die Organisation herantretenden Tagesfragen Revue passieren zu lassen. Er schilderte den schweren Kanipf des Sozialismus in England, die Entstehung der Demokratischen Föderation, die sich zur Sozial demokratischen Föderation entwickelte und jetzt den Namen Sozial demokratische Partei trägt: welche große Arbeit die Partei in den letzten dreißig Jahren geleistet habe, wie die Ideen des Sozialis- muS. die im Anfang der achtziger Jahre in England unbeachtet ge- wesen, jetzt eine Macht seien, mit der jede Partei rechnen müsse, wie aber die Früchte der Arbeit der Pioniere des Sozialismus in England von anderen eingeheimst worden, deren Politik des Kom­promisses der Gntwickelung einer klassenbewußten Arbeiterpartei hindernd im Wege stehe. Hyndman   wendet sich dann gegen die Arbeiterpartei, deren Führer er beschuldigt, sich den Liberalen dienst- fertig erwiesen zu haben, um ihre Sitze im Parlament zu retten; die Reaktion gegen diese Politik innerhalb der englischen Arbeiter- klaffe sei aber im Anzüge und es sei die größte Hoffnung vorhan- den, daß man bald in England eine feste und starke sozial- demokratische Partei sehen werde. In bezug auf die Kriegshetze führt Hyndman   aus, daß die englische Sozialdemokratie wie ihre Schwesterparteien in der ganzen Welt gegen den Krieg sei; die englischen Genossen hätten dies mit Einsetzung ihres eigenen Lebens bewiesen. Aber so lange noch das organisierte Proletariat nicht imstande sei, die Kriegspläne der herrschenden Klasse zu dirrchkreuzen, sei die englische   So- zialdemokratie für die Aufrechterhaltung einer Flotte, die etwaig? Angriffe auf England und die Freiheiten, die sich das englische Volk errungen habe, abwehren und die Lebens- mirtelzufuhr sicherstellen könnx. Zu verurteilen sei das bestehende Heer der Söldlinge, das sich im Felde als uirtauglich erwiesen habe und als Waffe argen das Volk gebraucht werden könne. Die Sozial- demokratie Englands forder« eine Bürgerwehr au Stelle des be» stehenden Heeres. Ein BegrühungStelegramm der deutschen   Sozialdemokratie an den Parteitag wurde mit großem Beifall aufgenommen. Der Se- kretär wurde beauftragt, die kameradschaftlichen Grüße der deut- schell Partei zu erwidern. Heber die weiteren Verhandlungen wird uns von anderer Seite geschrieben: Die Tagung war eine der interessantesten und durch ihr Er gebnis erfreulichsten, die die G. D. P. bis jetzt erlebte. Zivei hoch- wichtige Fragen beherrschten die Verhairdlungen: die des V e r- hältnisses der P artei zu den anderen soztalisti. scheu Organisationen Englands und zu der A r b e i- t e r p a r t e i und die des Militarismus und der deutsch  - englischen Kriegsgefahr. Die Beratungen über die erst- Frage standen unter dem frischen Eindruck des Ergebnisses der jüngsten Parlaments- wähle»?. Dieses Ergebnis war, wie der Bericht des Par- teivorstandes an die Konferenz selber Hervorhob, keines- iveas erfreulich. Sämtliche 9 von der S. D. P. aufgestellten Kandidaten fielen durch, und die Gesamtzahl der für sie abge- geben«» Stimmen blieb sogar hinter der bei den vorigen Wahlen erzielten zurück. Freilich waren die Umstände, loorunter dtz; Wahl- kämpf auSgefochtcn werden mußte, besonders ungünstig, und die Kandidaten der Unabhängigen Arbeiterpartei(D. L. P.) und der Arbeiterpartei, wo sie gleich denen der S. D. P. in dreieckigen Kämpfen gegen liberale Budgetgaukler und konservative Tarif- reform schwuldler standen, schnitten nicht besser ab als die der S. D. P. Aber daS ändert schließlich an der Tatsache nichts, daß die Unmöglichkeit, nach 39 Jahren ununterbrochener und eifrigster Agi- tation auch nur einen Vertreter in das Parlament zu bringen, die Kleines feuiNeton. Obrigkeit und UnsittNchkeit. Anläßlich der drohendenLex Eulenburg', mit der»»»an u>iS bei der Reform der Slrafgefetzgebung beglücken»nöckite, schreibt der Herausgeber desTürmers' Frbr. v. Grotthuh, in seinein Tagebuch: Man koinme uns doch nicht immer wieder mit der Bekämpfung der.Unsiltlichleit' von ObrigkeitS wegen. DieObrigkeit'»st schon sehr zufrieden. wenn das Voll sich amüsiert und die Politik links liegen läßt. Je mehr sich dieunteren Klassen' in ihren wenigen Feierstunden seichten Ver- gnügunge» hingeben, um so weniger Zeit und Neigung werden sie für politische Interessen hoben. In der Art dieser Vergnügungen darf man ihnen schon die Zügel etwas locker lassen. Pansin et circenoesl Brot verdienen und sich ainüsteren lassen. Politische Couplets werden der schärfsten Zensur unterworfen, dafür lvtrd dem Volke die Zote so ziemlich freigegeben. An Obszönitäten in VarietöS und Theatern zweiten und dritten Ranges darf eS sich nach Herzenslust rrluftieren. Gerhart Hauptmann  »nußte bis zun» Oberverwaltungs- geeicht gehen, um daS polizeiliche Verbot seinerWeber' riich gängig zu machen. In der Neuen Revue deS Metropol- Theaters s.Hallohj') kann man allabendlich das Aeutzerste an rafsinierter Aufgeilung.Revue' passieren lassen. Und, nachdem sich der Schwärm deS Premierenpublikums verlaufen hat vor einem zum grotzen Teil klenibürgerlichen Fainilienpublikum. Viel halbwüchsige» junges Volk, das bieten von ObrigkeitS wegen patronifiertenKampf gegen die U>»flttlichkeit' mit fieberglänzenden Augen begleitet. Aber irgendivo mutz die.patriotische" Marke aufgeklebt� werden, und je aufdringlicher daS geschieht, um so leichter schlüpft das .Stück' durch die Zensur. DaS wissen in Berlin   nicht nur die Leiter der.besseren' Etablissements, das weiß jeder ehemalige Bierzapfer, -»er in irgendeinem.Tingel' hoch im Norden«Personal engagiert' nnd.Direktor' spielt. Sin Kaiserbildnis in GipS oder Oeldruck darf selbstverständlich nicht fehlen, aber auch daS.Programm' mutz einige»patriotische Nummern' herausstecken. StatistU der Schülerfeltstmorde. Die häufigen Mitteilungen w der TageSpresse über die Schülerfelbstmorde lassen die Lnimh»ne zu, als ob nun die Schülerselbftmorde m den letzten Jahren in rapider Zunahme begriffen seien. Glücklicherweise ist dem nicht so, wie Geh. Rat Behla auf Grund authentischen amtlichen Materials jüngst in der.Berliner   Gesellschaft für soziale Medizin' bekannt gab. DaS preußische statistische Landesamt wendet diesein Kapitel seine besondere Aufmerksamkeit zu, seit 1883 werden über jeden Fall die genauesten Ermittelungen und Aufzeichnungen gemacht. Im Jahre 1907 ereigneten sich S1 Schülerfelbstmorde, darunter 18 auf höheren Schulen und 33 auf niederen. Von 1883 bis 1997 er- eigneten sich 1293 Schülerfelbstmorde, darunter 1192 Knaben und 191 Mädchen. Die jährlichen Schwankungen bleiben im allgemeinen gleich hoch, der jährliche Durchschnitt ist öS, eS> S. D. P. vor die Frage stellte, ob sie überhaupt damit rechnen könne, jemals mehr als eine bloße Propagandaorganisatisn zu werden und aus eigener Kraft, das heißt ohne sich in ihrer Politi- scheu Aktion mehr als bisher den übrigen Arbeiterorganisationen und namentlich den Gewerkschaften zu nähern, eine wirkliche po­litische Partei zu werden. Die Debatte auf dem Kongresse zeigte, daß fortan eine Mehrheit in der Partei vorhanden ist, die diese Frage verneinend beantwortet urrd darum auf eine Annähe- r u n g a n d ie I. L. P. und an die gewertschastlichc Arbeiter- bewegiing hinsteuern will. Die"Resolution, die dieser Debatte zugrunde lag, lautete: In der Emägung, daß es für die Sache des Sozialismus von ausschlaggebender Wichtigkeit ist, daß die Organisationen für seine Förderung alle umfassen, die die Befreiung der Ar- beiterschaft von der kapitalistischen   Unterdrückung erstreben, be- auftragt der Parteitag den Vorstand, die ihm nötig scheinenden Schritte zu unternehmen, um eine gemeinsaine AkhonSbasiS für Sozialisten zu sichern und so ein politisches Instrument für den Ausdruck des Sozialismus zu schaffen und ferner die freund- schaftlichsten Beziehungen zu der organisierten Arbeiterschaft herzustellen." Diese Resolution wurde vom Genossen F a i r ch i l d- Hackney begründet und namentlich von den Vertretern der größten Arbeiter- bezirke, wo die Zusammenarbeit der S. D. P. mit der I. L. P. und den Gewerkschaften die besten Erfolge gezeitigt hat, wie in West Ham  , Rochdale   und Southampton  , vertreten. Namentlich Genosse B u r r o w s kritisierte in scharfer Form die schroffe Haltung der Parteileitung und des ParteiorgansI u st i c e die die Masse der Arbeiter abstoße, anstatt sie zu gewinnen. Als Organisation für die Propagierung der sozialistischen   Lehren, meinte er, hat die S. D. P. ihre Pflicht getan und Erfolg gehabt, aber als politische Organisation ist sie bankerott; die Kritik der schlappen Haltung der Arbeiterpartei sei an sich berechtigt, aber man dürfe nicht ver- gessen, daß sie als Ganzes trotz der Schwäche einzelner Elemente in ihr in der Wirklichkeit die eikizige politische Vertretung der eng- glischen Arbeiterschaft ist. Im Namen des Parteivorstandes schloß sich Genosse S c u r r der Resolution an, die daraufhin mit 198 gegen 43 Stimmen angenommen wurde. Um einen Fingerzeig zu aeben für die praktische Durchführung dieser Resolution, schlug der Parteivorstand folgende Ergänzungsresolution vor: Die Konferenz beauftragt den Parteivorstand, über die An» strengungen, die die S. D. P. gemacht hat, um gemäß der Resolu» tion des Internationalen Kongresses von Amsterdam   die Eint- gung aller sozialistischen   Kräfte Großbritanniens   zustande zu bringen, und die leider nicht so, wie man eS redlicherweise er- warten konnte, von den anderen Organisationen beantwortet worden sind, einen Bericht zu redigieren und ihn dem Jnternatio. nalen Bureau vorzulegen, zu dem Zwecke, eine Besprechung der ganzen Frage deS Verhältnisses der verschiedenen Teile der sozia- listischcn Arbeiterbetvegung Englands zueinander auf dem Kopen. Hagener Kongreß Herbeizuführen, so daß der Ausdruck der Meinung des Internationalen Kongresses die Grundlage für die Verhandlungen bilden könnte, die notwendig sind, um das auf den Kongressen zu Amsterdam   und Stuttgart   gesetzte Ziel der sozia- listischen Einigung zu erreichen, in ähnlicher Weise, wie dies in Frankreich   und anderswo geschehen ist.' Nach kurzer Diskussion wurde diese Resolution mit überwälti- gender Majorität angenommen. Eine Reihe von Resolutionen, die sich gegen die Arbeiterpartei richteten, wurde daraufhin von der Tagesordnung gestrichen,»teil sie dem Geiste der beiden an- genommenen Resolutionen widersprachen. Eine Resolution, die der sogenanntenindustrialistischen' Be- wegung, die nach dem Muster der amerikanischen  Workers of the World" den alten Trade Unions neue syndikalistische Gruppen entgegenstellen will, ihre Sympathie aussprach, wurde mit über- wältigender Stimmenmehrheit abgelehnt. An ihrer Stelle wurde folgende, vom Genossen Jones in einer glänzenden Rede begründete Resolution angenominen: Die Konferenz fordert alle organisationsfähigen Mitglieder der S. D. P. auf, sich den bestehenden Trade Unions anzu- schließen und in ihrer Mitte eine kräftige Agitation für oie Grundsätze des Sozialismus zu führen, sowie zugunsten der Jen- tralisation aller Gewerkschaften auf Grund der Gemeinschaft nicht der Berufs-, sondern der Klassenzugehörigkeit." Die Debatte über die Frage des Militarismus und deS Weltfriedens wurde durch die Referate der Genossen Green und Queich eingeleitet. Green betonte, daß oie sozialdemokratische Politik in bezug aus diese Frage von dem drei- fachen Gesichtspunkte: der Wahrung des Weltfriedens, der Ein- schränkung der Rüstungen und deS Schutzes der Unabhängigkeit der Nationalitäten geleitet»verden müsse. Er unterwarf die kommt auf jede Woche ein Fall. Von einer erheblichen Zunahme ist keine Rede, auch von keiner steigenden. Ja. wenn man die Zahl vi für 1997 berechnet und die Zahl 63 für das Jahr 1883 damit vergleicht, so haben die absolute» sogar abgenommen. 1383 zählte Preußen rund 28 Millionen, 1997 38 Millionen Einwohner, auch ist die Zahl der Atistaltsn von 499 auf 799 gestiegen. Also trotz Vermehrung der Bevölkerung und Vermehrung der Anstalten ist die Durchschnittszahl im allgemeinen die gleiche geblieben. Wie lange Bakterien leben kSnnen? Im allgemeinen Iverden die Bakterien unter der Bezeicbnung Spaltpilze zu den Pflanzen gerecknet, obgleich man sie mi» ebensoviel Recht als niedrige Tierformen auffassen könnte. Jedenfalls ist es eine besonders fesselnde Aufgabe, die Eigenschaften der Bakterien nach der einen wie nach der anderen Seite hin zu vergleichen. Wenn dies nach ihrer Lebensdauer geschehen soll, von der natürlich für die Bekämpfung der gesundbeitssckiädlichen Folgen außerordentlich viel abhängt, so liegt eS am nächsten, dazu die Pflanzen heranzuziehen, weil auch die Bakterien sich durch Samen auf eine Weise fortpflanzen, die den entsprechenden Vorgängen i»n Pflanzenreiche ähnlich ist. Die ragestellung»vürde ungefähr so lauten: Me lange können wkterien und deren Samen oder Sporen unter verschiedenen Ver- hällnissen der Umgebung ihre Lebensfähigkeit bewahren? Von der Beantwortting wird begreiflicherweise manches für die richtige Beurteilung des Verlaufes und der Dauer von Epidemien abhängen. Mit diesem Gegenstande hat sich nun Professor Nestler in einem ein- gehenden Aufsatz der Frankfurter WochenschriftUmschau" beschäftigt. Auch er geht von der Lebensdauer der Pflanzensamen aus, von der er zusammenfassend sagt, daß die Körner der hauplsächlichsten Getreide- arten ungefähr 19 Jahre, die mancher Unkräuter 46 Jahre, die der gewöhnlichen Mimose 69 Jahre und endlich die der berühmten Lotosblume bis zu hundert Jahren lebensfähig bleiben können. Die Erzählung von dem Mumienweizen der ägyptischen Pyramiden, der noch nach Jahrtausenden nach erfolgter Aussaat gekeimt haben oll, gehört der Sage an. Wie die Sache mit den Pilzen. die den Bakterien am nächsten verwandt sind, steht, ist chon weniger leicht zu ermitteln. Man weiß nur so viel. daß ihre Sporen unter geeigneten Umständen jahrelang ent- wickelungsfähig bleiben. So ist für einen Schimmelpilz eine Lebensdauer von 21 Jahren erwiesen worden. Die Beob- achtungen an den Bakterien sind noch schwieriger. Ihre bisherigen Ergebnisse scheinen zu lehren, daß die Sporen der Bakterien ihr Leben im allgemeinen nicht so lange behalten, wie die der meisten Pilze oder gar der zäheste» Pflanzen. In gewisser Hinsicht könnte man diese Tatsache als ein Glück bezeichnen, obgleich immer wieder daran erinnert werden muß, daß weitaus nicht die Mehrzahl der Baktcrienarten zu den schädlichen Wesen zu rechnen ist und daß viele von ihnen höchst nützlich und geradezu unentbehrlich für den Menschen sind. Leider führen gerade manche gefährliche Bazillen den hartnäckigsten Lebenswandel. Während ein unschädlicher Heu« bazillus nur fünf Jahre und der dem Mensche,« schon schädlichere äußere Politik der britischen   Regierung einer scharfen Kritik und geißelte unter anderem ihre freundschaftliche Haltung dem rufst- scheu Zarismus gegenüber, die auf der internationalen Solidari- tat der GetdsackSinteresscn beruhe und dazu beigetragen habe, die russische Revotuticii zum Scheitern zu bringen. Zum Schlüsse forderte er eine Ivirksanicre Aufsicht der Völker über die Tätigkeit der Diplomatie, denn die Briten   könnten ebensowenig ihre Tiplo« maten kontrollieren,!vie der letzte russische   Bauer. Queich   be- schästigte sich in der Hauptsache mit den deutsch  -cn glischen Beziehungen und äußerte sich in sehr pessimistischem Sinne über d i e M ö glichkeit eines baldigen Krieges zlvi- scheu England und Deutschland  , weil es im Interesse der briti- schen Regierung liege, Deutschland   anzugreifen, bevor die Flotten- rüstungei» Deutschlands   imstande sind, die jetzige Uebermacht der englischen Flotte zu gefährden. Zwar habe noch vor kurzem ein englisches Regierungsblatt erklärt, daß nicht die geringste Wolke am politischen Himmel zu sehen sei, aber ähnliche Versicherungen habe man auch am Vorabend des deutsch  -scanzöftschen Krieges zu hören bekommen, und sie stimmen im übrigen sehr schlecht zu der Ungeheuerlichkeit der neuen 899 Millionen-Forderungen für die Flotte. Es komme deshalb darauf an, gemeinsam mit den So- zialdeinokraten der anderen Länder und namentlich Deutschlands  darauf hinzuarbeiten, daß der Krieg vermieden werde. Die eng- tische Sozialdemokratie könne dies nicht besser als dadurch besor- gen, daß sie für die Abschaffung des Söldnerheeres und für die Schaffung einer V o l k s in i 1 i z agitiere. Nicht nur würde bei dieser Form der Heeresorganisation die Kriegs- aefahr nahezu verschwinden und die Arbeiterschaft eine kostbare Waffe in ihrem Emanzipationskampfe gewinnen, sondern cS würde dann auch möglich sein, die nationale Unabhängigkeit und Auto- nomie wirksamer zu schützen als jetzt. Denn ebenso, wie die eng- lische Sozialdemokratie gegen die Unterdrückung der Auren durch die Engländer protestiert habe, müsse sie sich gegen die Möglichkeit einer Unterdrückung der britischen Nationalität durch eine fremde Macht verwahren. Das einzige Mittel, die Erfüllung der Pflicht der internationalen Arbeitersolidarität mit der der Pflicht der nationalen Selbstverteidigung zu verbinden, sei die Agitation für daS Milizsystem. Nach einer ziemlich kurzen Debatte, in derem Laufe sich Ge» nasse B u r r o w S gegen die Forderung des Milizsystems aus- sprach, Iveil es unter den jetzigen Verhältnissen in England nur darauf hinauslaufen könne, der Stärkung des Militarismus durch die Emführung der Konskription mit dem preußischen Kasernen- system Vorschub zu leisten, wurde folgende Resolution mit 121 gegen 24 Stimmen angenommen: Da die Kriege die natürliche und unabwendbare Folge der kapitalistischen   Gesellschaftsordnung sind, werden sie nicht vor dem Zusammenbruch des Kapitalismus selber abgeschafft werden können. Die Konferenz gibt der Meinung Ausdruck, daß das einzige Mittel, jedem kriegsprovokatorischcn Versuche der Regie- r.ung entgegenzuarbeiten, die Schaffung einer Bolksmiliz ist, die keinem militärischen Gesetze untersteht." Debattelos und fast einstimmig wurde sodann noch folgende Resolution angenommen: Die Konferenz proklamiert die Solidarität der Arbeiter aller Nationen und protestiert gegen das fortgesetzte Wachsen der Rüstmrgcn, die den Weltfriede» in»vachsendem Maße bedrohe»» und die Interessen der arbeitenden Klasse gefährden; sie fordert von der Regierung, daß sie ein Uebereinkommen mit Deutschland  zustande bringe, und fordert die Arbeiter aller Länder auf. jeder kriegsprovokatorischen Regierungspolitik mit äußerster Energie entgegenzutreten." Von den zahlreichen Beschlüssen der Konferenz, die sich auf die innere Organisation und die tägliche Tätigkeit der Partei beziehen, ist nur der hervorzuheben, der allen Parteimitgliedern einen Extrabeitrag von 1 Mark im Jahre für die Parlaments- Wahlagitation auferlegt. Eine begeisterte Rede des Vorsitzenden Hyndman, der nochmals auf die Notwendigkeit der internatio» nalen Solidarität der Arbeiter gegen alle den Frieden gefähe- denden Bestrebungen hinwies, schloß die Konferenz. Stadtverordneten- Versammlung. 12.(außerordentliche) Sitzung vom Mittwoch, de» 39. März, nachmittags 6 Uhr. Vorsteher Michelet   eröffnet die Sitzung nach b',h Uhr. Die Beratung des Stadthaushaltsetat für 1010 wird fortgesetzt. Kartoffelpilzbazillus acht Jahre in völlig ausgetrocknetem Zustande ihre EntivickelmigSmöglichkett bewahrten, ivurde für den berüchtigten Milzbrandbazillus eine Lebensdauer von wenigstens 22 Jahren unter gleichen Verhältnissen mit Bestimmtheit festgestellt. Wenn man be- denkt, daß von dem Samen dieses Pilzes etwa 299 Millionen Stück auf den winzigen Raum eines Kubikinillimeters gehen, so kann»na» sich kaum vorstellen, wie ein solches fast rn, meßbar kleines Lebe­wesen 23 Jahre lang eine geheimnisvolle LebenStäligkeit ausüben kann, ohne daß mit ihn» merkliche Veränderungen vor sich gehen. Andererseits läßt sich wohl auch nicht annehmen, daß die Lebenstütigkeit in diesen Körperchen vollständig erlischt, um bei»»» Eintritt eines für die EntWickelung günstigen ZilstandeS plötzlich auS dem Nichts von neuem zu erwachen. Neuere Untersuchungen haben dann für einige Bakterienkeime sogar noch höhere Ziffern der Lebens» dauer ermittelt, für den KartoffelbazilluS in einen» Fall sogar eine solche von 88 Jahren. Da es nach den Forsclumaen des englischen Physikers Dewar feststeht, daß Bakterien selbst bei Temperaturen von weniger als 259 Grad unter dem Gefrierpunkt nicht sterben, so kann man sich vielleicht über ihre außerordentliche Lebenszähigkeit auch gegen andere ungünstige Umstände weniger wundern. Humor und Satire. Dem verdienten Schutzmaunl Ein wirklicher Herr Gebcimerat, Der Freiherr von Manteuffel, Erließ vertraulich, per Schreibapparat, Sin Sympathiegeträufel. Gebildet hat fich. so hieß e» darw. Ein Komitee, ein privates, Das sammelt mit patriotischem Sinn Geld für die Diener des Staates. Wer dient am treusten dem Junkertum? Der schiieidige Schutzmann natürlich. Er säbelt nieder zu Preußens Ruhm Alles, was ungebührlich. Wer huldigt am meisten der Ungebühr? Selbstredend die bösen Roten. Sie demonstrieren vor jeder Tür, Weil ihnen das Wahlrecht verboten. Drum kriegt, wer einen Roten berkeilt, Pro Kopf bar zwanzig Märker. Einen Hieb übern Schädel, der niemals heilt» Belohnt man um dreißig Mark stärker. ES wird begnadet mit hundert Mark, Wer so versteht zu fiegen, Daß beim Gemetzel, als wär'S ein Ouark, Rasen und Ohren fliegen. nsw. Michel.