Diese Bestimmungen regeln im wesentlichen die Vergehungen. welche unter der Bezeichnung deS„groben Unfugs" zusammen- gefaßt werden. Zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen dieser Uebertretung gehört eS, daß dadurch die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gestört wird. Eine solche Störung würde vorliegen, wenn es bei Gelegenheit der hier fraglichen Hochrufe zu ungebühr- lichen, ruhestörenden Ausschreitungen gekommen wäre. Das ist aber nicht der Fall gewesen. Es bleibt daher zu prüfen, ob die De mon st ratio n an sich als Gefährdung der öffentlichen Ruhe. Ord- nung und Sicherheit anzusehen war. Nach der Ansicht des Gerichts ist dies zu verneinen. Die Betätigung des Eni- schlusses, auf eineAenderung des zurzeit in Preußen geltenden Landtags- Wahlrechts mit hinzuwirken, muß an sich als durchaus zulässig angesehen werden. Sie wird aber dadurch nicht rechtswidrig, daß sie sich in öffentlich bemerkbarer und dadurch b e- sonders eindringlicher Weise an das politisch denkende Publikum wendet, wofern sich die Demonstration nur in den durch die öffentliche Ordnung überhaupt gezogenen Grenzen hält. In dieser Hinsicht trifft aber die Beraustalter, insbesondere den Be- schuldigten, kein Vorwurf. Er mußte daher kostenlos freigesprochen werden. Dieselbe Ansicht ist neuerdings auch durch das Kammer- gerichts vertreten.('Vergleiche„Deutsche Juristen-Zeitung" vom 1ö. Februar 1910 Nr. 4 S. 254.)" Leider haben die meisten preußischen Gerichte, die bisher in WahlrcchtSprozessen zu urteilen hatten, diesen vernünftigen Stand- Punkt nicht einzunehmen vermocht, sondern haben die politische Kundgebung unter den„groben Unfug" rubriziert, was eine Ve- leidigung sowohl für die Demonstranten als auch für die angeblich belästigten und beunruhigten loyalen Bürger ist. Eine beachtenswerte Urteilsbegründung. Wegen„tätlichen Angriffs gegen zwei Polizeisergeanten" gelegentlich der großen Wahl- rechtsdeMvnstration am 6. März in Solingen hatte sich dieser Tage der Schmiedcgeselle Jakob L. aus Voh- Winkel vor dem Schöffengericht in S o l i n g e n zu verantworten. Ihm wurde zur Last gelegt, dem Polizei- sergeanten Hagemann, als dieser sich bei der Polizei- a t t a ck e am R a t h a u s e, über die der„Vorwärts" in seiner Nr. 57 ausführlich berichtete, bückte, um eine rote Fahne aufzuheben, einen Fußtritt beigebracht und einen zweiten Polizeisergeanten, der ihn deshalb festnehmen wollte, einen Stockschlag auf die Hand versetzt zu haben. Der Angeklagte bestritt die Tat energisch. Man habe ihn erst lange nach der Attacke, als er vor dem Rathause stand, einfach sistiert und seinen Nomen festgestellt, ohne daß man ihm die Gründe, wcöhalb dies geschehen, angegeben habe. Die Polizei- beamten b e s ch w o r en Vber, in dem Angeklagten den Nichtigen gefaßt zu haben, weshalb der Amts- anwalt eine Gefängnisstrafe von zivet Monaten bean- tragte. Das Gericht setzte die Strafe auf einen Monat fest und führte in der Urteilsbegründung folgendes aus: „Die Beamten hätten sich, als sie. einem Befehle folgend, die roten Fahnen aus dem Zuge holen wollten, in rechtinäßiaer Ausübung ihres Amtes befunden. Ob das Einschreite» gegen die Fahnenträger diplomatisch war, könne dahingestellt bleiben; nach- dem die WahlrcchtSkundgcbung selbst gestattet loordcii war, konnten die Teilnehmer, die de» Zweck der Lcranstaltung, die Erkämpfung deS allgemeinen nnd gleichen Wahlrechts, als ebenso ideal ansehen mochten wie die Teilnehmer einer Prozession die Verehrung Gottes, leicht in Erregung geraten, als ihnen die Fahnen, die bei anderen öffentlichen Ans- z ü g« n nicht b e a n st a n d e t werden, abgenommen werden sollten. Die Erwägunge» liehen die schweren Au«- schreltmige», die dem Angeklagten zur Last gelegt würde», in einem etwas milderen Lichte rrichainen." Jedcnfallü ist dieser Richter eiu weißer Rabe unter seinen preußischen Richtcrkollegen._ Ter wirtschaftliche Wert der deutsche» Kolouien. Unsere Dernburgbegeisterten haben die deutsche Kolonialpolitik von neuem damit gerechtfertigt, daß die Schutzgebiete dem Mutter« lande wirtschaftliche Vorteile bieten sollen. Ein guter Maßstab für die reale Größe dieses Wertes der deutschen Kolonien ist der Warenverkehr mit dem Mnttcrlandc. Die betreffenden Ziffern lauten für die einzelnen Schutzgebiete im Jahre 1909 Einfuhr Ausfuhr aus dem nach dem Mutterlande Ostafrika ... 1,79 Millionen 11,58 Millionen Südwestafcika.. 8.31, 13,81„ Kamerun ... 11,11 7,03 Togo ..... 8,76„ 3.41 Neuguinea ... 1.28, 1,35 Samoa .... 1,90„ 0,41, Kiautschou ... 0,10„ 3,26 insgesamt 29,25 Millionen 40,85 Millionen Der gesamte Warenverkehr betrug 70 Millionen gegen 53 Millionen im Vorjahre, d. i. eine Zunahme von 12 Millionen. Und Dernbura hat in einer schönen Rede auf dem deutschen HandolStag erklärt, daß diese Summen sich mit den Jahren riesig steigern würden, da daS Plantagengebiet immer erst eine Anbau- und Reifungsperiode durch- »nachcn müsse. Dieser Zukunftsmusik wird mau freilich recht skeptisch aegenüberstehen, wenn man den Warenverkehr der ocm deutschen Volk so„teuer" gewordenen überseeischen Besitzungen in Vergleich setzt mit dem Verkehr Deutschlands mit den Kolonien anderer Staaten, Im Jahre 1909 bezogen wir lieferten wir Kolonien Waren im Werts von Millionen Mark britische......... 781,00 240.0 holländische........ 185,00 40,0 französische........ 51,00 10,0 portugiesische....... 17,00 9,0 deutsche........ 29,00 41,0 Di« Einfuhr aus den deutschen Kolonien(hauptsächlich Sisal- Hanf, Baumwolle, Kautschuk, Kaffee, Kupfererz, neuerdings auch Diamanten) hält demnach gar keinen Vergleich aus mit der au« de» englischen Kolonien; die letztere ist ihr um 2600 Proz. überlegcnl Und die Ausfuhr nach den deutschen Kolonien stellt im deutschen Außenhandel auch noch eine recht kleine Ziffer dar. Und die Kosten dieser Kolonialwirtschast, die Deutschland vom nichtdeutschen Welthandel unabhängig machen soll? 1900 betrugen allein die direkten Ausgaben— indirekte Ausgaben für Kolonial- Politik befinden sich noch im Marineetat und in den Dampfer- fubventionen— 33 416 710 M. l „Christlich ". Die«Germania " bringt eine Korrespondenz auS Madrid , in der von dem antiklerikalen und republikanischen Senator S o l y O r t i g a gesprochen wird,„der von Rechts wegen dem Br.*. Fcrrcr Gesellschaft leisten müßte." Die Ermordung Ferrers hat also den Blutdurst des frommen Blattes noch nicht gestillt. Ja, wenn die Klerikalen die Macht hätten!_ Ein Fiasko des Breslauer Polizeipräsidenten. Am Mittwoch hat das Schöffengericht zu Breslau die Genossen L ö b e und Neukirch freisprechen müssen, die die Breslauer Polizei mit je einem Strafmandat von 150 Mark bedacht hatte, weil sie in ihnen die Veranstalter und Leiter der Straßendemonstration erblickte, die gm 13. Rärz im Anschluß an die WahlrechtSbersaMPluNgen in Motgenau von Lee Polizei durch die bekannten praktischen Absperrungsmahnahmen verursacht worden war. Die Polizei nahm das an, weil die beiden Genoffen einen Polizeikommiffar ersucht hatten, die von der Versammlung Heimkehrenden durchzulassen. Das Gericht erklärte ganz zu- treffend, daß in dieser Tatsache nicht der Beweis dafür erblickt werden könne, daß die beiden Genossen Veranstalter und Leiter der Demonstration gewesen seien. Der sächsische Landtag ist am Freitag nach Erledigung des Finanzgesetzes, das gegen die Stimmen der Sozialdemokraten angenom- m e n wurde, mit einer Thronrede geschlossen worden. Ein Edler, der keine Steuern zahlt. Von den Edlen Ostelbiens ist man es gewohnt, daß sie sich vor der Steuer drücken und daS Stenerzahlen lediglich für eine Pflicht des gemeinen Volkes halten. Aber auch im Westen gibt es solche Edlen, die vom Steuerzahlen nichts wissen mögen. In der west- fälischen Landgemeinde Wickede besitzt der Frhr. v. Böselager ein Gut, 120 Morgen Acker und Wiesen und 10 Morgen Wald. Die Bewirtschaftung des Gutes besorgt er aber nicht selbst, sondern er hat das Gut verpachtet zum JahreszinS von 2400 Mark. Sollte man nun glauben, daß der Herr Frei- Herr v. Böselager st e u e r f r e i ist? In der letzten Geineinderats- sitzung wurde den Vertretern amtlich mitgeteilt, daß der Frei- Herr in der Gemeinde von seinem Gute nur ein Einkommen von— 37 M. habe, das also st e u e r f r e i sei. Den Bewohnern von Wickede wird eS schwer, zu begreifen, daß der Mann wirklich nur 37 M. Einkommen habe. Auch die Ge- meindevertretung hält eS für sehr notwendig, daß die Verhältnisse des Gutes streng geprüft werden. Die Gemeindeeingesessenen sind sehr ungehalten, da doch die Korn- und Düngerwagen deS Gutes die Wege ruinieren und die steuerzahlenden Arbeiter und Bürger für die Kosten aufzukommen haben I franhmeb. Eine annullierte Wahl. Alitis, 13. Mai. Nachdem die Wahlprüfungskommission gestem einen unabhängigen Sozialisten an Stelle eines g e- einigten S o z i a l i st e n, der vor der Richtungstellung der Wahlziffern für gewählt galt, für gewählt erklärt hatte, kam es abends zu lebhaften Kundgebungen, in deren Verlaus die Fensterscheiben der Präfektur zertrümmert wurden und ein Ar- beiter durch einen Dolchstich verletzt wurde. Kundgebungen der Warenhausangestellte«. Paris , 13. Mai. Die Angestellten der Warenhäuser setzten gestern ihre Kundgebungen zugunsten de« Sieben-Uhr-Laden- schlusses fort. Auf dem Republikplatze kam es zu einem ernsten Zusammenstoß mit der Polizei, wobei mehrere Verhaftungen vor- genommen wurden; drei Polizeiagentrn sind ernstlich verletzt worden. Auffallend war die große Beteiligung weiblicher Angestellter- Die Liquidatoren. Paris , 13. Mai. Infolge der durch den Duez-Skandal veranlaßtcn Ausfordernna des Justizministers haben die Appell- gerichtSpräsidenten und Oberstaatsanwälte neue Bestimmungen be- treffend die Ernennung von gerichtlichen Liquidatoren ausgearbeitet, die vermehrte Bürgerschaften für die berufliche und moralische Eignung der Liquidatoren bieten. Ueberdie» soll der Körperschaft der Liquidatoren gesetzmäßig eine gemeinsame Wer- antwortlichkeit auferlegt werdem_ Bcamtenforderungeti. Paris , 13. Mai. Der Ausschuß des Nationalen Verbandes der Beamten verlangt, daß in das vom Parlament zu beratende Beaintenstatut ein Artikel aufgenommen werde, der sämtlichen Beamten einen wöchentlichen Ruhetag zusichert. Cnglanck. Keine Sympathie. London , den 13. Mai. Sieben Jrländer von den 39 Mit- gliedern deS Dubliner AenieinderateS haben gegen die Sympathietagesordnung gestimmt, welche an die Königin Alexandra und an die übrigen Mitglieder des königlichen HauseS gerichtet wurden. Sie erklärten, daß sie an den Freuden und Leiden der Engländer, welche den Jrländern die Autonomie verweigern. nicht teilnehmen können. finnlancl. Die Ablehnung des russische» Rcgierungsvorschlages. Helsingfors , 8. Mai. (Eig. Ber.) In ernster, gehobener Stim- mung fand gestern die Landtagssitzung statt, welche die Antwort auf den schnöden Rechtsbruch der zarischcn Regierung abgeben sollt«. Daß die finnische Volksvertretung einmütig den frechen Antrag Stoly- pins zurückweisen witd, war ja für alle klar; eS kam aber in der gestrigen Debatte darauf an, noch einmal dem finnischen Volke und der ganzen zivtlsierten Welt auseinanderzusetzen, warum eS sich in diesem Kampfe um Finnlands staatliche Autonomie handelt. Außerdem muhten in dieser Debatte alle nichtigen'Scheingründe und juristischen Lügen zerstört werden, mit denen die Stolypinsche Regierung ihre Gewaltpolitik maskieren will. Denn man plant nicht nur Finnlands Selbständigkeit zu zertrümmern, man will außerdem der ösfentlichen Meinung Rußlands und Europas den Glauben beibringen, als handle dabei die russische Regierung im Einklänge mit den bestehenden Gesetzen und Rechtsprinzipien. Ein Versuch in dieser Art war daS dem RegierungSvorschlage mit» gegebene offizielle Memorial, ein elcndeS Machwerk, welches im Auf. trage Stolypins von seinen Tschinowniks geschrieben war. In der De. batte wurden nun all die Fälschungen und Entstellungen der historisch-rcchtlichen Tatsachen nachgewiesen und die Ignoranz und Skrupellosigkeit der offiziellen Soldschreiber festgenagelt. Als erster sprach Leo Mechelin , der bekannte bürgerlich- konstitutionelle Vorkämpfer für Finnland » staatliche Autonomie, und ihm folgte dann eine Reihe bürgerlicher und bäuerlicher Red- ner, die alle den Ernst der Stunde hervorhoben und ihre Hoff- nungen in dem begonnenen Verfassungskampfe bald auf die Wider- standskraft des eigenen Volkes, bald auf den Beistand der öffent- lichen Meinung Europas , bald auf den endlichen Sieg de»„ethisch- rechtlichen Prinzips" bauten. Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion sprach Genosse Tokoi. Er betonte noch einmal, waö Finnlands Autonomie für die sinnische Arbeiterklasse bedeutet: freies Selbstbestimmungsrecht des Volkes, die eroberten demo- kratischcn Rechte, den Fortschritt der Kultur und de? Sozialismus. Der Kanipf für Finnlands Freiheit zugleich ein Kampf gegen den Zarismus, gegen Reaktion auf allen Gebieten, gegen Barbarei und Despotie! Dann ersparte unser Genosse auch den bürgerlichen Klassen den Vorwurf nicht, daß sie sich immer dagcgengestemmt haben, die materielle Lage des arbeitenden Volke» zu heben und es auf solche Weise widerstandsfähig zu machen zum Kampf gegen die russische Reaktion. Schließlich wies Tokoi noch hin auf die Solidarität des sinnischen und russischen klassenbewußten Prole- tariats. Als letzter sprach noch der altsinnische Führer D a n i e I s o n- K a l m a r i und ganz wehmütig tlang die Rede des Mannes, der sein ganzes Leben hindurch durch diplomatische Nachgiebigkeit den bkvspjtcheMll Küllslikt mit dex xussischen Regierung gpjxehren Kollke, und' der sich jetzk nun sagen muß', daß diese klägliche Kotn« promißpolitik vollständigen Schiffbruch erlittön hat. Er meinte noch an die bessere Einsicht des Menschen und der russischen gesetz- geberischen Institutionen appellieren zu müssen, aber er mußte sich doch sagen, daß von der Seite keine Hilfe zu hoffen ist. Dann schritt man zur Abstimmung, wobei— wie schon telcgraphisch gemeldet worden ist— e i n st i m m i g die Resolution zur Annahme gelangte, daß der finnische Lantag nicht auf das ihm zustehende Recht der Entscheidung grundgesetzlicher Fragen der- zichten kann und daß er deshalb kein„Gutachten" über das russische Regierungsprojekt abgeben kann. Genosse W u o l i j o k i bean- tragte, aus der Motivation des Landtagsbeschlusses den Passus zu streichen, wo von dem„guten Willen" des Landtages die Rede war. die strittigen Fragen in einer die beiden Völker befriedigenden Weise zu lösen. Er führte aus, daß man diese Sätze als Nach- giebigkeit auffassen könne und daß man bei der jetzigen Lage der Dinge nicht die Vertreter des russischen Volkes, sondern die reaktio, nären Machthaber und die schwarze Duma vor sich habe. Sein Vor- schlag wurde nur von 40 Stimmen unterstützt, die größere Hälfte der Fraktion fühlte sich durch den Kommissionsbeschluß gebunden. Der finnische Landtag hat seine Antwort gegeben— jetzt hat die Stolypinsche Regierung das Wort. Soviel man voraussehen kann, wird Zar Nikolaus wohl nicht gleich den Landtag auf- lösen, weil es erstens die öffentliche Meinung zu sehr erregen würde, und weil zweitens Finnlands staatliche Autonomie auf Jon- stitutionellem" Wege erwürgt werden soll. Dieses schändliche Werk soll der R e i ch s r a t und die russische Duma übernehmen, und Stolhpin wendet jetzt alles auf. um die Unterdrückung Finn- lands noch in dieser Session durchzuführen. Ob ihm aber das ge-> lingen wird, ist qine andere Frage. Cürhd. Steuerverwcigcruug. Konfiautinopel, 12. Mai. Da die orthodoxen Alvnnesen von Himara, Wilajet Janina, trotz Entsendung zweier Bataillone auf Grund alter Privilegien die Steuerzahlung der» weigern, wurde ein Torpedoboot abgeschickt, baS, falls sie binnen 30 Stunden nicht nachgeben, ihre Dörfer bom» barbieren soll._ Huö der Partei. Partkiliterutur. Im Verlage der Buchhandlung deS Arbeiter- AbstinentenbundeS(I. Michaelis), Berlin SO. 16, Engelufer 19, ist erschienen: Eine SchnapSflasche(in Plakatform), die in farbiger Darstellung zeigt, waS man für 1 M. in 1 Liter SS'/a proz. Branntwein zahlt. Kartongröße 45X62 Zentimeter. Preis 40 Pf. inkl. Porto und Wer- Packung, in Partien billiger. ES ist die Abbildung einer Literflasche, die mit Schnaps zu 33 Proz. Alkoholgehalt gefüllt im Kleinhandel 1 M. kosten wird. In vier Farben ist dargestellt, daß diese 1 M. sich zusammensetzt aus 8 Pf.(1) Herstellungskosten, 5,3 Pf. Verdienst des Brenners, 86,7 Pf.(!) Steuer inklusive der Neuerhebungskosten 12 Pf.(!) Liebesgabe und 33 Pf. Verdienste ber Händler, Wirte usw. DaS Plakat ist ein packendes Anschauungsmittel. Fast die Hälfte deS Preises des Branntweins ist ein Tribut an Klassenstaat und Junkertum! Der SchnapSbohkott als eine Verweigerung dieses Tributs erfährt so seine bildliche Begründung. Zu beiden Seiten der Flasche ist in Zahlen und farbigen Säulen gezeigt, daß die 1 M. in Schnaps dem Käufer nichts als Spiritus und Wasser, in etwa 6 Liter Milch aber große Mengen an Eiweiß, Fett nnd Kohlenhydraten verschafft. Eine verkleinerte Abbildung beS PlakatS söhne die seitlichen Nachweise des NahrungSwerteS von Schnaps und Milch) geben wir heute in der 1. Beilagr._ Personalien. Auf einer außerordentlichen Konferenz des Wahl- kreiseS Mülheim- Wipperfürth- Gummersbach wurde Genosse Konrad M i h zum Parteisekretär gewählt. poUeeillches»©crichtUcfuo ufw. Eine Korrektur. In einem im vorigen Herbst verhandelten Prozeß des Ober- amtmannS Dr. Thal in Ettlingen gegen den Karlsruher „Volks- freund" entstanden durch die dreitägige Dauer der Verhandlungen und die Ladung von fast 100 Zeugen rund 600 M. Kosten. Da Genosse Kadel vom„BolkSfreund" zu 100 M. Geldstrafe verurteilt wurde, fielen ihm die Kosten zur Last. Jetzt hat ihm das badische Kultusministerium mitgeteilt, daß zwei Drittel der Kosten, also 400 M., nicht entrichtet zu werden brauchen. Diese außergewöhnliche Handlung ist das Eingeständnis, daß Genosse Kadel zwar nach der engherzigen Rechtsauslegung der deutschen Justiz verurteilt werden mußte, daß aber der eigentlich Verurteilte der Kläger ist. Die Strafe und die Kostenaufbürdung bestehen so zwar vor dem formalen Recht, sind aber nach dem ge- sunden Rechtsempfinden des Volkes tatsächlich ein Unrecht. DaS muß wohl auch oas badische Kultusministerium empfunden haben, so daß eS sich entschloß, dem Verurteilten wenigstens einen Teil der Kosten abzunehmen. In Preußen wäre dergleichen natürlich ganz undenkbar._ Strafkonto der Presse. Genosse Darf von der Breslauer. Volkswach wurde zu 100 M. Geldstrafe verurteilt, weil er der Freiburger Polizei, die einen Maurer zu Unrecht verhaftete, nachgesagt hatte, sie habe einen Bock geschossen. Genosse Schiller von demselben Parteivlatt erhielt wegen Beleidigung eines Winkelkonsulenten 50 M. Strafe. Der Mann hatte eine arme alte Fran wegen seiner Forderung besonder» hart bedrückt, und daS war tritistert worden. Soziales. Ein seltener Fall von Bleivergiftung. Den seltenen Fall einer tödlichen Bleivergiftung eines zwei- jährigen Kindes durch gewohnheitsmäßiges Lecken an der Bettlade konnte Dr. Hirsch in Wiesbaden beobachten. Er berichtet darüber im„Verein der Aerzte Wiesbadens": Das Kind war zuerst, da Er- brechen und Husten die einzigen Symptome waren, wegen Keuch- husten bei einem anderen Arzte in Behandlung. Das Kind er- brach sechs Wochen zwei- bis dreimal täglich und verfiel stark, magerte ab. der Leib war eingezogen, der Gesichtsausdruck äugst» lich. Ein Vleisaum war nicht wahrnehmbar. Nach längerem Be- fragen gab die Mutter au, daß das Kind stundenlang gcwohnhcits» mäßig an der weißgestrichcnen eisernen Bettlake geleckt habe. An der betreffenden Stelle fand sich eine zirka 30 Zentimeter lange abgenagte Stelle. Die Diagnose wurde sicher gestellt durch die Anstrichfarbe und durch die Darmentlcerungcn, in denen eine er- hebliche Menge Blei nachgewiesen wurde. Nach fünf Tagen starb das Kind an hinzugetretener Lungenentzündung. Der Vortragende regte an, daS Reichsgesundheitsaint zu veranlassen, eine Abände- rung deS Ncichsgesetzes, betreffend den Verkehr mit blci- und zinkhaltigen Gegenständen, oder des Gesetzes vom 5. Juli 1887, be- treffend die Verlveudung gesundheitsschädlicher Farben bei der Herstellung von Gebrauchsgegenständen, in Erwägung zu ziehen. wonach ein Acrbot z# ergchen hätte, Kiaderbettstelle» Mit Blei- fqpbe st, strichen.