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des GelverkschaftSberelnS und der sonstigen Instanzen der Mimcfisner Arbeiter- und Parteibewegung statt, uin Stellung zur Bierpreisfrage zu nehmen. Nach strenger Prüfung der vorgeschlagenen Maßnahmen wurde fast einstimmig folgender Beschluß gefaßt: 1. DieMünchener Post" soll darauf hinwirken, daß jeder organisierte Arbeiter seinen Bicrkonsum möglichst einschränkt; 2. der Wirteorganisation ist mitzuteilen, daß jene Lokale boykottiert sind, in denen mehr als 2 Pf. Aufschlag für den Liter Bier und namentlich 8 Pf. für ein Quart und 22 Pf. für drei Quart verlangt iverden. Die Vereinigung der Gastwirte Münchens   hat darauf ihren Bierpreiserhöhungsbeschluß aufgehoben und eine neue Sitzung der VereinSinitglieder einberufen. Die dänlfchen Vahle». Kopenhagen  , 21. Mai.  (Privatdepesche desVorwärts".) Die Neuwahl des Folkethings hat nicht das ergeben, was alle Freunde einer demokratischen Entwicklung wünschten und zum Teil auch erwarteten. Es ist weder den Radikalen noch unfern Parteigenossen gelungen, die Zahl ihrer Mandate auch nur um eines zu erhöhen. Die Radikalen haben von ihren alten Maudaten fünf verloren und dafür fünf neue ge- Wonnen, die Sozialdemokraten haben sechs verloren und ebensoviel gewonnen. Es bleiben also wie bisher 20 radikale und 24 sozialdemokratische F o lk e° t h i n g s m ä n n e r. Einen Zuwachs an Mandaten haben nur die sogenannten D e l e g a t i o n s p a r t e i c n, die Reste der alten Linken unter Ech r i ste n s e n s Mhrung und die Gemäßigten, zu verzeichnen. Sie haben fünf Sitze ver­loren, aber dafür 13 gewonnen, womit die Zahl ihrer Abge- ordneten von 49 auf 57 gestiegen ist, also genau auf die Hälfte der 114 Folkethingsmandate. Für den Erfolg dieser Parteien mußten die Konservativen mit dem Verlust von neun Mandaten büßen, dem nur der Gewinn eines Sitzes gegenübersteht. Die Zahl ihrer Mandate ist von 21 auf 13 herabgegangen. Sie hatten in nicht weniger als 60 Wahl­kreisen Wahlbündnisse mit den Delegationspartcien ge- schlössen und haben dabei den kürzeren gezogen. Das Wahlergebnis ist eine Niederlage für die radikale Regierung, die nun zurücktreten wird. Um sie am Ruder zu erhalten und ihr die Durchführung ihrer demokratischen und antimilitaristischen Politik möglich zu machen, hätten die Radikalen und Sozialdemokraten zu- sammen mindestens 14 Mandate mehr gewinnen müssen. Wäre seinerzeit der Vorschlag der Regierung zu einer ge- rechten und verfassungsmäßigen Wahlkreiseinteilung Gesetz geworden, so hätte das wohl erreicht werden können. Aber das wußten die Reaktionsparteien und deshalb sorgten sie dafür, daß die alte Ungerechtigkeit bestehen blieb. Der wegen seines Verhaltens in der Alberti-Affäre vor dem Reichsgericht angeklagte ehemalige Minister Christ ensen ist wiedergewählt, sein Kollege und.Mit- angeklagter Berg jedoch nicht. Christensen und dem Führer der Gemäßigten Neergaard wird nun wohl die Auf- gäbe zufallen, das neue Ministerium zu bilden. Erfreulich ist es, daß es gelang, den ehemaligen Kriegs- minister und fanatischen Militaristen General Madsen aus dem 7. Kopenhagener Wahlkreis durch unfern Genossen Schmidt zu verdrängen. Ter Wahlkampf ist diesmal energischer als je zuvor ge- führt worden. Die Reaktionsparteien scheuten kein Mittel. um den Wähler» vor den Radikalen und natürlich besonders vor deil Sozialdemokraten graulich zu machen, und die radikalen Regierungsmänner anzuschwärzen. Die mords- patriotische Phrase, das Bangemachen vor einem eingebilde- ten Feind, spielte dabei natürlich auch eine große Rolle. Andererseits haben natürlich die Radikalen und vor allem . unsere Parteigenossen alles getan, um die Masse des Volkes aufzuklären und einer demokratischen Entwicklung die Wege zu ebnen. Unsere Genossen in Kopenhagen   haben sogar den Phonographen im Dienste der Wahlagitation verwandt und auf diese Weise in mehr als hundert Höfen und Torwegen eine Wahlrede Borgbjergs zu Gehör gebracht. Die Kahle» in Ilioznien. Sarajewo  , 19 Mai.(Eigenbericht.) Gestern haben in BoS- Uien und in der Herzegowina die Landtagswahlen begonnen. Der erste Waltag gehörte den Landgemeinden. Es war der für die Zusammensetzung deS Landtages entscheidendste Tag, denn von seinen 74 gewählten Abgeordneten kommen 34, nahezu die Hälfte. den Landgemeinden zu. Die Bosnier sind Neulinge de» parla- mentarischen LebcnS, aber man hat es ihnen nicht leicht gemacht, sich auf dem ihnen fremden Boden zurecht zu finden. Eine kam- pliziertere Wahlordnung als die des annettierten Gebietes ist kaum denkbar. Nach Kurien und Konfessionen scheidet sich hier die Bevölkerung in nicht weniger als neun Wahlkörper oder vielmehr zehn, da ja ein Mandat auch noch den Juden zugedacht ist. Die Zahl der zugeteilten Mandate sucht sich dem Stärkeverhältnis der Konfessionen anzupassen, doch die Uebereinanderordnung der Kurien fälscht wiederum dieses Prinzip der Gerechtigkeit. Sie fälscht damit auch das grundlegende Recht des ganzen Wahlsystems, denn das Wahlrecht an sich ist allgemein und wird direkt ausgeübt. Jeder Landesangehörige, der vierund- zwanzig Jahre alt und ein Jahr ansässig ist, ist Wähler. In der ersten mohammedanischen Wählerklasse der ersten Kurie können auch F r a u e n das Wahlrecht ausüben, allerding« nur durch Bevollmächtigte. Was nun die Einteilung der Wahlen anlangt, so zerfallen sie zunächst in drei Kurien und jede dieser Kurien wieder in konfessioneple Wäh le r k lja s s e n. In diesen letzteren steht die Zahl der Wähler zu den Gewählten in einem wohl abge- messenen Verhältnis. Ganz anders stellt sich die Sache, wenn wir die Kurien betrachten, die dem sozialen Aufbau folgen. Die erste Kurie wird vom Großgrundbesitz, die zweite von den Ctädtern, die dritte von den Landgemeinden gebildet. In der ersten Kurie der Mohammedaner kommt ein Gewählter auf achtzig Wähler, in der dritten Kurie schwankt die Wählerzahl eines Abgeordneten zwischen 11 648 und 9055. Aber auch innerhalb der Kurien ist die Aufteilung der Mandate auf die einzelnen Kon. fessionen durchaus willkürlich. Stellen zum Beispiel in der ersten Kurie die mohammedanischen Grundbesitzer die weitaus begünstig. teste Klasse dar, so haben sie in der städtischen Kurie das schlechteste Wahlrecht, da hier auf 3234 Mohammedaner ein Abgeordneter entfällt, gegen 1775 Orthodoxe und 1517 Katholiken. Eines ist allerdings mit dieser künstlichen Einteilung gewon» nen: der konfessionelle Gegensatz kann bei den Wahlen nicht zum konfessionellen Kampfe ausarten und die Nebcnwir. kung, die vielleicht im Sinne der Regierung die Hauptwirkung ist. daß ein durchaus zersplittertes Parteiwesen entsteht, eine Partei. spaltung innerhalb jeder.Glapbenszemeinschaft, wodurch die Her- äuSbildung großer Parteien die ZusäÄAtenfassung oller oppositio- nellen Elemente unmöglich wird. Was nun freilich die Parteiungen innerhalb der einzelnen Konfessionen betrifft, so haben wir es durchwegs mit ersten Ansätzen zu tun. Die Serben stellen sich am einheitlichsten dar, man kann bei ihnen weniger von Parteigegen- sätzen als von Nuancen des natiopalen Radikalismus sprechen. Es sind die Alten unter der Führung des Großgrundbesitzers I e f t a- nowitsch und die Jungen, an deren Spitze mehrere jüngere Ädvokaten stehen. Indes haben sich beide Gruppen auf eine ge- mcinsame Kandidatenliste geeinigt, wobei die Jungen besonders reich bedacht wurden. Außerhalb steht nur die Bauernpartei des Dr. D i mi t r i j e w i t s ch, die aber schlecht organisiert ist und an der Indolenz der Bauern ein schwer zu überwindendes Hinder- nis hat. Schärfer tritt die Parteiung bei den M o h a m m e d a- n e r n hervor, zwei Strömungen wirken hier gegeneinander. Die eine betont die rein konfessionelle Politik, die andere sucht Anschluß an die nationalen Bestrebungen. Am schroffsten aber haben sich überraschenderweise die Kroaten gespalten und dies ist Wohl in erster Linie der Herrschsucht und konfessionellen Unduldsamkeit des Erzbischofs Stadler zuzuschreiben. Als dieser auf die ur- sprüngliche klerikale Organisation der Z a j e d n i k i, die Haupt- sächlich von den Franziskanern getragen wird, jeden Einfluß ver- lor, begründete er die U d r u g a, die ein eigenes Blatt herausgibt und für die Stadler die Autorität der Kurie in Bewegung setzt. Die einzige Partei, die über alle Scheidungen hinweggreift, ist die Sozialdemokratie. Sie hat freilich mit der Un- knltur des Landes, mit der wirtschaftlichen Rückständigkeit zu kämpfen. Sie nimmt deshalb auch nicht allerorts an den Wahlen teil. Im ganzen hat sie zwei Kandidaten aufgestellt, von denen jeder in drei städtischen und drei ländlichen Wahlkreisen kandidiert. Der Genosse Savo K a p o r ist in den orthodoxen Wahl- kreisen aufgestellt, und zwar sowohl in der zweiten und dritten Kurie, darunter in Sarajevo   und dessen bäuerlichem Gebiet, in den Städten und im Landgebiet des Mostarer Kreises. Genosse Iwan Salamuno witsch kandidiert in den katholischen   Wahlkreisen, darunter wieder in Sarajevo   und Mostar  . Einen Wahlsieg, den Gewinn eines Mandats darf man nicht erwarten. Die Zerstücke- lung der Wählerschaft, die die Arbeiter in drei Gruppen scheidet, verschärft noch die Folgen der geringen industriellen Entwicklung und darum wird hier auch in Zukunft die Arbeit sehr schtoer und mühsam sein. Doch darf man von den Wahlen eine große agita- torische Wirkung erhoffen._ Politische CUberficbt. Berlin  , den 21. Mai 1910. * Das Abgeordnetenhaus, da« am kommenden Dienstag seine Beratungen nach der Pfingst- pause wieder aufnimmt, wird sich zunächst mit dem Gesetzentwurf betreffend die Bewilligung weiterer Staatsmittel zur Ver- besserung der Wohnungsverhältnisse staatlicher Arbeiter beschäftigen und dann die sozialdemokratischen Anträge betreffend Aufhebung von Bestimmungen des preußische,« PreßgesctzeS, Aufhebung des BagabundenparagraphenS und betreffend die Behandlung aus- ländischer politischer Polizeibeamten, sowie den Antrag Hammer betreffend die Erhebung der kommunalen Umsatzsteuern in Beratung ziehen. Am Freitag nächster Woche soll dann die neuer- liche Beratung der vom Herrenhaus in abgeänderter Gestalt zurück- gelangten Wahlrechtsreformvorlag« beginnen, die vielleicht noch am Sonnabend fortdauem wird. Die Vorlage wird wohl neuerdmgS an die Wahlrechtskommission verwiesen werden, so daß die Abstimmung in den ersten Tagen des Monats Juni und die gesetzlich vorgeschriebene neuerliche Abstimmung um den 22. Juni herum stattfinden könnte. Bis dahin wird das Abgeordnetenhaus dann voraussichtlich mit nur wenigen Unterbrechungen Plenarsitzungen abhalten, da noch eine nicht unbeträchtliche Zahl unerledigter Vorlagen vorhanden ist. Zur Plenarberatung reif sind 18 Gesetzentwürfe und Denk- schriften, darunter der Gesetzentwurf betreffend die Abänderung deS preußischen Gerichtskostengesetzes, betr. die Abänderung der Gebühren- ordnung für Notare, betr. die Gewährung von Zwischenkredit der Rentengründungen, betr. die Reisekosten der Staatsbeamten, betr. die öffentlichen FeuerdersicherungSanstalten und betr. den Nogatabschluß, die voraussichtlich längere Beratungen der- Ursachen werden. Außerdem find 17 Anträge von Mitgliedern deS Abgeordnetenhauses zu erledigen, die seinerzeit aus der Etats- beratung ausgeschieden worden find. Daneben sind noch 33 selbst- ständige Anträge, S Wahlprüfungsberichte und SS PetitionSberichte unerledigt. Endlich befinden sich noch in den verschiedenen Kom« Missionen 7 Vorlagen, so daß alles in allem für die Sommertagung ein sehr reichliches Matertal vorhanden ist. Eine Wahlverwandtschaft schöner Seelen. Unter den verschiedenen schönen Gründen, welche die nattonalliberalen Reaktionäre für ihre Forderung anzuführen ivissen, daß die nationalliberale Fraktion des preußischen Ab- geordnetenhauses unbedingt für die Wahlrecktsvorlage in der HerrenhauSfassung stimmen müsse, figuriert auch die Be- hauptung. durch solche Zustimmung würde die Koalition zwischen Konservativen und Zentrum gesprengt. Die Germania  " beschäftigt sich in einem Leitartikel lang und breit mit dieser albernsten aller nattonalliberalen Illusionen und kommt zu dem Ergebnis, daß es ganz unmöglich sei. die Zentrumsparteiler und die Konservativen auseinander- zutreiben. .DaS Zusammengehen von Konservativen und Zentrum ist aber etwas ganz Natürliches, und darum haben diejenigen ohne Zweifel recht, die behaupten, beide Parteien würden sich doch wieder zusammenfinden, auch wenn sie bei der WahlrechtSvorlage auseinandergesprengt" würden. Sie haben sich deshalb zu- sammengesunden, weil sie in Grundanschauungen mit einander übereinstimmen. Beide Parteien stehen auf dem Boden der christlichen Weltanschauung, und trotz aller konfessionellen Hetze, die einen Keil zwischen sie zu treiben sucht, liegt zwischen Konservativen und Zentrum weitaus nicht eine so große Kluft wie zwischen Konservativen und Liberalen. Dazu kommt, daß auf fast allen Gebieten der praktischen Politik die Bestrebungen der Konservativen und deS Zentrums sich weit mehr berühren, als die der Konservativen und Liberalen, die oft einander geradezu unversöhnlich gegenüberstehen. Daß das Zentrum eine echte Mittelpartei ist, die sich von Extremen fern hält und ausgleichend zu wirken sucht, erleichtert daS Zusammenarbeiten mit den Konservativen. Somit war es nicht irgend eine nichtswürdige Intrige, nicht blinder Haß gegen den Fürsten Bülow und rücksichtsloser Eigen» nutz, der Koniervative und Zentrum bald nach der Jnaugurierung der Blockära wieder zusammenführte, sondern die Innere Natur der Dinge. Und so wird e§ auch i» Zukunft sein. Politische Quertreibereien und konfessionelle Voreingenommenheit mögen zeitweilig das Zusammengehen beider Parteien stören, die natürliche Parteikon st ellation wird immer wieder Platz greifen." Zum Schluß gibt dieGermama" den Nattonalliberalen den Rat, sich dem schwarz-blauen Block anzuschließen: Die Nattonalliberalen würden am klügsten tan. wenn sie, statt an der Sprengung deS imaginärenschwarz-blauen Blocks" wieder friedlich nnt Zentrum und Konservativen zusammen- arbeiteten, wie schon lange Jahre hindurch. In der Gemeinschaft mit der Linien werden sie ihr Heil doch nicht finden. Die alte Macht werden sie nicht wiedergewinnen. Zu trennen, was naturgemäß zusammengehört, wird auf die Dauer nicht gelingen... DieGermania" hat nicht unrecht. Konservative und Zentrum haben sich zusammengesimden, lvcil sie in vielen Grundanschauungen fast völlig übereinstimmen. Die so­genannten demokratischen Elemente spielen im heutigen Zen- trum keine in Betracht kommende Rolle mehr; maßgebend ist allein der hohe Klerus und das Agrariertum. Es ist deshalb ganz natürlich, daß sich beide Parteien zur Rettung des christlichen Geistes und des Agrarprofits zusammenfanden. Braunschweiger Justiz. In der gestrigen Nummer brachten wir bereits die kurze telegraphische Meldung, daß der Genosse Brenner in Braun- schioeig zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden ist. Ueber die eigenartige Gettchisverhandlung erhalten wir nachträglich folgenden Bericht: Am Freitag hatte sich vor der Strafkammer desunbefangenen" LandgerichtsdirektorS Roßmann auch Genoffe Brenner wegen eines Artikels im.Volksfreund'Die Wanzen am Eiermarkt und die Tintenpolizisten deS Reichswahl- Vereins" zu verantworten. In dem Artikel soll der Landtag beleidigt worden sein. Zum besseren Verständnis sei bemerkt, daß das Landtagsgebäude am Eiermarkt liegt und daß der Reichswahlverein eine Abart des ReichSverbandeS gegen die Sozialdemokratie ist. Der Artikel enthält eine Kritik des Land­tages, von dem gesagt wird, daß er sich anmaße, ohne Vollmacht vom Volke mit impertinenter Selbstgefälligkeit das Volk zu regieren. Der Landtag treibe Wanzentaktik, mißachte die Wahlrechtsforderung des Volkes usw. Der Staatsanwalt hatte sieben Sätze als be- teidigend für den Landtag herausgesucht und verlangte Bestrafung wegen Vergehens gegen die§§ 185, 186 und 187 des ReichS-Straf- gesetzbuchs. Vor der Verlesung des EröffuungSbeschluffeS beantragte der Verteidiger Genosse Dr. Jasper die Ablehnung der sämtlichen fünf Richter wegen Besorgnis der Befangenheit und begründete den An- trag mit dem Verhalten der Richter bei den Wahlrechtsprozessen des Genossen Wesenieier, bei dem die Richter, besonders der Vorsitzende, sich parteiisch benommen hätten. Zwei der Richter seien zudem Mitglieder deS Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozial­demokratie, der in dem Artikel ebenfalls angegriffen fei. Ueber diesen Antrag hatte die zweite Strafkammer zu befinden, die nach längerer Beratung den Antrag des Verteidigers ablehnte und die Richter für völlig unbefangen erklärte. Auch der Antrag der Verteidigung wurde abgelehnt, den Pro- feffor Delbrück  -Berlin   als Zeugen für die SteuerhinterziehungSgelüste der Agrarier und den Minister Wolf sowie den Landsyndikus Klaue und einige Landtagsabgeordnete als Zeugen dafür zu laden, daß die Schulverhältnisse im Herzogtum sehr schlecht seien, daß der Landtag über die monatelange Abwesenheit des Regenten im Auslände in geheimer vertraulicher Sitzung beraten habe, daß Anträge und Vitt» schriften des Volkes auf Wahlrechtsänderungen achtlos beiseite ge» worfen worden seien und daß der Abgeordnete Rieß in der Landtags- sttzung erllärt habe:Alles, was vonderSozialdemo» kratie kommt, lehne ich unbesehen ab," Aus den Aussagen dieser Zeugen sollte bewiesen werden, daß ein scharfes Vorgehen gegen diesen Landtag nötig gewesen sei. DaS Gericht stellte die schlechten Schulverhältniffe deS Herzogtums als gerichtSbekannt hin, ebenso daß die Zeugen im Sinne der Angaben der Verteidigung aussagen würden. Es lehnte aus diesem Grunde die Ladung ab. Der Staatsanwalt beantragte Bestrafung nach§ 186 de» R.-Str.-G.»B., weil dem Landtage pflichtwidriges Verhalten vor- geworfen worden sei. Sechs Monate Gefängnis hielt er für ganz angebracht. Das Urteil lautete wegen formaler Beleidigung auf fünf Monate Gefängnis mit den üblichen Neben- strafen._ Auch eine Vertreterin deswahren" Christentums. DieDeutsche Tageszeitung" ist mit dem Evangelisch-sozialen Kongreß sehr unzufrieden. Sie findet die Reden verschiedener Pastoren völlig sinnlos und blasphemifch. Nach ihrer Meinung müssen deshalb alle gutgesinnten, das heißt alle sich alS geistliche Staatsgendarmen betrachtenden Pastoren energisch gegen die Ver- mehrung des hehre» Idealismus des Christentums mit dem rohen Materialismus der Sozialdemokratie protestieren: Nun, wir bleiben in Deutschland   hoffentlich von Geistlichen verschont, die in völliger Unkenntnis unserer sozialen Zustände, die sich neben den Zürichern immer noch sehen lassen können, so unwahre Dreistigkeiten auszusprechen die Stirn haben. Aber wir meinen, die überwältigende Mehrheit der deutschen   Geistlichen müßte nicht nur gegen solche Aeußerungen pro- testieren, sondern sie müßte auch Protest erheben gegen die Art, wie auf dem Evangelischen Kon- g r e s s e das Christentum selbst von Geistlichen in die Niederungen deS sozialdemokratischen Materialismus hinabgezogen worden ist," Besonders hat nach der Meinung der ehrsamenTageszeitung" Professor Adolf Wagner, dem sie seit seinem Eintreten für die Erb- anfallsteucc gern einen Hieb versetzt, die Pflicht zu protestieren: Und schließlich noch eins: Adolf Wagner hat in der Liebster- Debatte geschwiegen; und es wurde nicht berichtet, daß er den Kongreß schon verlassen hätte. Wir können dies Schweigen verstehen. Aber unverständlich wäre es, wenn Adolf Wagner überhaupt keine Antwort geben w ü r d e." AuS der KultuSdebatte im bayerischen Landtag. München  , IS. Mai. Der ZentrumSführer Dr. P i ch l e r hat die schönen Pfingsttage dazu benutzt, eine scharfe Philippika gegen die Ausführungen der liberalen und sozialdemokratischen Redner vorzu- bereiten. Zum Ausgangspunkt seiner Rede nahm er die Be- merkungen, die der jetzige Rektor der Münchener   Universität beim Antritt seines Amtes über das Studium auf Mittelschulen und Uni- versitäten gemacht hat. ES ist selbstverständlich, daß gerade derjenige Teil der Au»- führungcn des Rektors, der nicht mit Unrecht eine tadelnde Kritik enthält, daS Wohlgefallen Pichlers erregt hat. So, daß die Leistungen der Universitäten keine hervorragende seien und vielewenig oder gar nichts ihren Uniberfitätsjahren zu verdanken haben"; daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Jugend für das akademische Studium ungenügend ausgerüstet sei; daß die Methode deS Hochschulunterrichts der Verbesserung sehr bedürfe usw. Dr. Pichler wendete sich besonders gegen die Zulassung der Frauen und der Volksschullehrer zum Uuiversitäts- stud'.um und äußerte schwere Bedenken gegen die immer größere Zunahme des gebildeten Proletariat«. Er will auch die Univerfi« täten neu organisiert wissen und für die Verwaltung derselben be« sondere Kuratorien ähnlich ivie in Preußen haben.