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Die Antwort erhielt Dr. Pichler von dem Freisinnigen Dr. Güntler und Genossen von Vollmar. Beide geden die Mängel in der Organisation und dem Lehrbetriebe der Universitäten zu, wollen ober nicht wie Dr. Pichlcr daS Kind mit dem Bade ausschütten. Hinsichtlich der Frage der Unterstellung der Universitäten unter ein Kuratorium bemerkt von Wollmar , daß diese preußische Einrichtung unsere Universitäten zum Nachteil gereichen müßte. Beide Redner be- tonen, daß es ja bedauerlich sei, wenn viele Studenten später nicht in Amt und Würden kommen könnten, daß eS aber kein Mittel gäbe, die Ueberproduktion auf den Universitäten zu verhüten. Für die Zulassung der Frauen und Volksschullehrer sprechen sich beide Redner als etwas ganz Selbstverständlichem ans. Die Ausführungen des Ministers zu diesen Punkten waren nichts- sagender Art. Er anerkennt die Leistungen der Universität, will aber doch die Frage erwägen, ob sich nicht eine Neuorganisation derselben empfehle._ Auch ein Arbeiterkandidat. Die Nationalliberalen des Wahlkreises Bochum hatten beschlossen, einen Arbeiterkandidatcn für die nächste ReichStagswahl aufzustelle». Ueber die Person dieses Kandidaten sollte Stillschweigen beobachtet werden, da sonst die gegnerische Presse voraussichtlich über ihn in ungebührlicher Weise herfallen würde. Nun ist der Name doch be- kannt geworden: der sogenannte Arbeiterkandidat ist der Schulrektor Tegender aus Herne , der zugleich Vorsitzender evangelischer Arbeiter- vereine sBochumer Richtung) ist. Die Opfer des Blutsonntags in Halle. In Ergänzang unserer telegraphischen Meldung im Sonnabend- blatt wird uns aus Halle geschrieben: Die preußische Wahlrechts- und Polizeijustiz offenbarte sich in ihrer Reinkultur bei einer Verhandlung, die am Freitag vor der Schubertkammer in Halle stattfand. Es waren drei Personen angellagt, die bei den blutigen Vorgängen am Sonntag, den 13. Februar, am schwersten verletzt worden waren und lange Wochen in Krankenhäusern zubringen mußten. Einervon ihnen, der Arbeiter A eh l e, ist infolge eines scharfen Säbelhiebes quer über das Gesicht auf Lebenszeit schwer entstellt. Der zweite, Kutscher R a p z i k a, hatte schwere Schädel- Verletzungen erlitten, die jetzt noch Beschwerden verursachen. Dem dritten, Arbeiter Richter, ist der linke Arm lahm geschlagen worden. Angeklagt waren sie wegen Widerstandes gegen die Staats- gewalt und Auflauf. Als Verteidiger wirkten Rechtsanwalt Dr. Liebknecht- Berlin und Dr. Müller- Halle. Die Verhandlung gestaltete sich zu einer vernichtenden Bloß- stellung der Halleschen Polizei. Mehr als 30 Zeugen, darunter an- gesehene Bürger, bekundeten ihre Empörung über die von der Polizei begangenen Bluttaten. Samt und sonders sagten sie aus. daß die P o l i z i st e n. vor allem auch Kommissare, von hinten in die fliehende Menge mit scharfer Klinge eingeschlagen hatten. Die drei Schwer- verletzten, die angeklagt waren, sind ebenfalls von hinten her verletzt worden. Rapzike erhielt zwei Schläge von einem Kom- miffar und als er blutend niedersank, noch einen dazu von einem rasenden Polizisten. Richter erhi:lt einen Schlag in den Rücken und als er flüchtend den Arm zum Schutze des Kopfes erhob, wurde ihm dieser von demselben Kommissar fast durchgeschlagen. Auch der Arbeiter Achle erhielt den Hieb inS Gesicht von diesem Kommissar (M i e t h k e ist dessen Name). Um besser schlagen zu können, hatte der Beamte seinen Mantel abgeworfen. Im Kreuzverhör durch die Verteidigung mutzte er zugeben, daß er in der Zeit, wo er die folgenschweren Säbelhiebe austeilte, die. U eb er si ch t das heißt de» Kopf verloren hatte. Gegen ihn ist übrigens auch Anzeige wegen Körperverletzung erstattet worden. Angesehene Kaufleute sagten aus, daß beim Geschäftsschluß, wo kaum noch ein Mensch aus der Straße war, sofort Polizei auf sie zugerannt kam und zuschlug. In mehreren Fällen hat die Polizei auch bereits zerrissene Kleidung usw. voll ersetzen müssen. Um eine lweitere Bloßstellung der Polizei zu verhüten, verhinderte der Vorsitzende Schubert die Aussage aller Zeugen, die nicht direkt ans dem Markt, sondern beim Abdrängen geschlagen und verletzt worden waren. Mehrfach kam es zwischen ihm und der Verteidigung zu Konflikten. Die Zeugen, die gegen die Polizei aussagten, blieben mit wenigen Ausnahmen un- vereidigt. Den Angeklagten wurde somit jeder Beweis aus der Hand geschlagen. Die alte Taktik der Schubertkammer. Eme sehr interessante Feststellung zu den Motiven, aus welchen heraus die Anklage gegen die drei Opfer der Säbclarbeit erfolgt sein kann, wurde noch am Schluß der Beweisaufnahme, sehr gegen den Willen des Vorsitzenden gemacht. Ein am gleichen Tage Verletzter hatte gegen die Stadt Schadenersatzansprüche geltend gemacht. Als die Polizei hiervon erfuhr, ließ sie den Mann kommen und drohte ihm mit Erhebung einer Anklage, wenn er seinen Schadenersatzanspruch nicht zurückziehe. Als der Mann auf diese« hübsche Angebot nicht einging, erhielt er wirklich eine Auflage wegen groben Unfug«(er hatte nämlich unter den Säbelhieben um Hilfe gerufen l). Seine Freisprechung kam der Polizei sehr ungelegen. Eine Frau, die ebenfalls geschlagen worden war und auch Ersatzansprüche gestellt hatte, ließ sich auf das Angebot der Polizei ein. Sie erhielt weder Strafmandat noch Anklage! Um nun den drei Schwerverletzten Ersatzansprüche unmöglich zu machen, ist jedenfalls Anklage erhoben worden. Trotzdem so die Polizei in jeder Beziehung gestäupt auS der Verhandlung hervorging, wurde daS Zeugnis der wenigen Polizei- beamten allen übrigen Bekundungen gegenüber für glaubwürdig befunden. Zwei der Angeklagten, der Arbeiter Aehle und der Arbeiter Richter, wurden unter oberflächlicher Begründung zu je 3 Monaten 2 Wochen, zusammengezogen in 3 Monate 3 Tage Gefängnis venirteilt. R a p z i k a wurde freigesprochen. Für ihn hatten zu viele bürgerliche Zeugen ausgesagt. Zu ihrem Blute sollen die von der WahlrechtSjustiz Verurteilten auch noch das Opfer ihrer Freiheit bringen. Immer weiter entfernt sich das Schalten dieser Justiz vom Rechtsempfinden der Gesamtheit deS Volkes. Sie trägt die Schuld, wenn die Erbtttening der Massen gegen das herrschende System zu immer schärferen Formen des Kampfes zwingt._ Zur Hellfeld-Affäre._ In der Klage des Herrn v. Hellfeld gegen daS Bankhaus Mendelssohn u. Eo. ist deute vom Landgericht Berlin I Beschluß dahin verkündigt worden, daß die Klage wegen Ruhens des Ber » fahren? unwirksam sei. In der Begründung ivird gesagt, daß erst dann ein Urteil ergehen könne, wenn der Kompetenzkonflikt ent­schieden sei._ Gngland. Sozialismus und LiberaliSmu« i« Wales . London , IS. Mai.(Eig. Ber.) Seit der Wahl in Mid-Glamor- gan ist der Kampf zwischen Liberalismus und Sozialismus in Wales auf der ganzen Linie entbrannt. Die Bergarb.iterfedcration in Südwales hat kürzlich durch Abstimmung beschlossen, bei der nächsten Wahl dem Genossen S t a n t o n. einem jungen und tat- kräftigen Bergarbeiterführer in Ost-Glamorgan, einem alten libe- ralen Kreise, aufzustellen. Die Liberalen drohen mit Gegenangriffen. Sie geben kund, daß sie des PiMpäMotW dez MlisiMn Bepg- 1 arbeiterfederaiion, W. Brace, aus feinem Wahlkreise Süd-Glamor- s gan verdrängen und daß sie einen entschlossenen Versuch machen werden, den Genossen KeirHardieaus Rerthyr Tydvil zu ver- treiben. Die bisherigen Kämpfe zwischen dem Liberalismus und der organisierten Arbeiterschaft in Südwales sind von großem Jnter- esse. Es hat schwere Kämpfe gekostet, bevor eS den Arbeitern gelang, von der liberalen Bourgeoisie das Zugeständnis zu erringen, einige ihrer Kameraden als Parlamentskandidaten aufzustellen. In Süd- Glamorgan intrigieren die Liberalen noch heute gegen den Berg- arbeiterführer Brace. In Wcst-Monmouth suchten sie die Wahl des Bergarbeiterführers Thomas Richards zu vereiteln und in Gower stellten sie gar einen Kandidaten gegen den Führer der Bergarbeiter Williams auf. Selbst gegen den ungemein popu- lären Vorsitzenden der südwalischen Bcrgarbeiterfederation William Abraham, den man gewöhnlich bei seinem Bardennamcn Mabon" nennt, richteten sich dieAngriffe derLiberalen inSüdivales. Dabei segelten diese Parlamentsmitglieder früher unter der Flagge des Liberalismus. Das nonkonformistische Bürgertum stand der Idee der Arbeitervertretung mit großem Mißtrauen gegenüber und ließ sich nur zu Konzessionen herbei, wenn es keinen anderen Aus- weg mehr gab. Die Wahl in Mid-Glamorgan gab den Liberalen eine will- kommene Gelegenheit zu einem weiteren Angriff auf die Arbeiter- schaft. Man bekämpfte den Genossen HartShorn.der fein fozia- listisches Licht nicht unter den Scheffel stellte, indem man den Sozialismus mit dem Atheismus gleichstellte und an die religiösen Gefühle der walisischen Arbeiter appellierte. Die von jeder non° konformistischen Kanzel aus verbreiteten Lügen hatten denn auch Erfolg. Wenn die Liberalen in Südwales glaubten, daß der Kampf zwischen Liberalismus und Arbeiterschaft mit dem Kampfe in Mid- Glamorgan erledigt sei, so irrten sie sich. Der Kampf in Mid- Glamorgan ivar das Signal zum Ansturm auf die Festung des Liberalismus in Wales , nämlich die nonkonformistischenKapellen. Mit dem Gelde der Arbeiter erbaut, werden sie meist von dem liberalen Krämertum beherrscht, das dem Pastor die Melodie angibt, die er zu pfeifen hat. Die nonkonformistischen Kapellen bilden die geistige Zentrale des walisischen Liberalismus und von ihnen aus ergießt sich der Strom der Verleumdungen über uns. Augenblicklich ist eine Bewegung in Fluß, diese Kapellen für den Sozialismus zu erobern, dadurch, daß sich die Arbeiter rege an dem Leben der Gemeinde be- teiligen. Etwas Aehnliches ist in Schottland wahrzunehmen. Dort ist der größte Feind unserer Genossen der katholische Priester, der die Geister der zahlreichen irischen Einwanderer beherrscht. Es haben sich dort sozialistische Vereine für Katholiken gebildet, die den Feind im eigenen Lager zu bekätnpfen suchen. Diese Vereine haben schon bedeutende Erfolge zu verzeichnen. Holland. Die KorruptionSaffäre Kuyper. Haag, 20. Mai. Die Zweite Kammer setzte heute die Ver- Handlung über den Antrag des Sozialisten Troelstra fort, wo- nach in der Angelegenheit der Ordensverleihungen des früheren Ministers Kuyper eine Untersuchung anzustellen sei. Troelstra belämpfte die Meinung deS Altliberalen de Beaufort, daß die Untersuchung dem Prestige Hollands im Auslände schaden könne, wenn neue kompromittierende Tatsachen an den Tag gebracht würden. Der Redner zitierte Artikel ausländischer Zeitungen, um darzutun, daß daS Ausland im Gegen- teil eine strenge Untersuchung zur Wahrung der nationalen Ehre für wünschenswert halte und daß die holländische Kammer ebenso handeln müsse, wie das dänische Parlament im Falle deS Ministers C h r i st e n s e n. In einem leidenschaftlichen Schlußwort erflärte Troelstra, daß die Ablehnung seines Antrages einen S ch a n d- s l e ck in der Geschichte der antirevolutionärcn Partei bilden würde. Cürhei Die Erregung gegen Kreta . Koustantinopel, 21. Mai. Die türkische Presse äußert sich über die Erklärungen des Chefs der provisorischen Regierung V e n i z e l o S in der Nationalversammlung sowie über die Ausschließung der Mohammedaner von der National- Versammlung sehr erregt. Tanin betont, nunmehr sei der Moment gekommen, wo die Ottomanen sich selbst i h r Recht verschaffen müßten. Die türkische Flotte müsse sofort in der Sudabai anlaufen und den Kretern ein Ultt- matum stellen. Der nach Smyrna geflohene Mufti von Kandia bat den Sultan telegraphisch, die Souveränitätsrechte der Türkei zu wahren. Der Mufti richtete ferner im Namen der Mohammedanischen Union Kretas an die A l b a n e s e n einen Appell, in welchem er diese auffordert, ihren kretischen Glaubensbrüdern zu Hilfe zu eilen. Einen ähnlichen Appell richtete der Mufti an alle türkischen Wilajets. Auf der Insel Rhodos fing man an, die griechischen Waren zu boykottieren. Svdafrfka. Da« neue Ministerium. Kapstadt , 21. Mai. Louis Botha , bisher Premierminister der TranSvaal -Kolonte. hat den Auftrag, daS erste Ministerium der Süd- aftilanifchen Union zu bilden, angenommen. Hub der Partei. Der Tod eine» Braven. Die österreichische Arbeiterpartei ist von einem schmerzlichen Verlust betroffen worden. Am Donnerstagnachmittag starb in Gablonz im Alter von 3g Jahren der Reichsrat«. abgeordnete Joseph Barth . Mit Barth ist ein echte« Kind des nordböhmischen GlasschleiferlandeS dahingegangen. In Neuwelt im Jahre 1339 geboren, hat er sein ganze« Leben unter den Proletariern des JsergcbirgcS verbracht. Von Beruf Glas- schleifer, stellte ihn da« Vertrauen der Genossen bald in die vordersten Kampfreihen. Genosse Barth hat sein ganzes Streben daran gesetzt, aus dürftigen Anfängen im Bezirk Gablonz eine achtunggebietende Organisation zu schaffen. Bei den Reich«ratS° Wahlen im Jahre 1607 wurde er von den Arbeitern de« Land- bezirke« Gablonz in den ReichSrat gewählt. Aber nur einmal war es ihm vergönnt, in wirkungsvoller Rede die Interessen deS Prole- tariats wahrzunehmen. Bald machte eine immer weiter fort- schreitende Lungenerkrankung die parlamentarische Arbeit zur Unmöglichkeit. Trotzdem hat der verstorbene Genosse nicht ver» säumt, im engeren Kreise bis zum letzten Augenblick feine volle Schuldigkeit zu tun. Am Sonntag werden ihn die Arbeiter, denen fein Leben gehört hat. in der heimischen Erde bestatten. Der preußische Wahlrechtskampf und feine Lehren. Vortrag von Dr. Rosa Luxemburg. Preis 10 Pf. Verlag der Buch. Handlung Volksslimme in Frankfurt a. M. Der Frankfurter Verlag hat den stenographischen Bericht der Rede, die Genossin Luxemburg Mitte April anläßlich deS preuhi. schen WahlrechtSkampfeS in Frankfurt gehalten hat, in Broschüren- form herausgegeben. Und mit Recht! Der Bortrag gibt eine vorzügliche Bereicherung unserer Argumente für den Wahl- ! rechtslarcpf; iy klgrxr' ynd eindringlicher Weife deckt die Nor- tragende die noch zu übertvindenden Hindernisse auf. Die letzten Kämpfe um das gleiche Wahlrecht werden nicht im Parlament, sondern durch die Macht des Proletariats entschieden Iverden. Die Broschüre, die auch trefflich die Stellung der bürgerlichen Parteien zum Wahlrechtskampfe darlegt, verdient weiteste Ver- breitung. Personalien. Als zweiter Parteisekretär wurde in H a n n o v e r an Stelle des ausscheidenden Genossen Gustav Fischer der Gc- nosse Johannes Lau. bisher Beamter des Holzarbeiterverbandcs in Lauterberg i. H., gewählt. polireilickes, OerlcbtKcbca ufw. WaS man nicht definieren kann, Sicht man als groben Nnfng an. Der Verleger und ein Redakteur unseres Frankfurter Partei- organs erhielten am Sonnabend jeder ein Strafmandat von 30 M. Siesollen groben Unfug verübt haben, weil sie eine blutige Hose, eine Trophäe der Polizeimassakers anläßlich einer Wahlrechts- demonstration. im Schaufenster der Expedition des Blattes aus- gestellt hatten._ Soziales. Mit der Neichsversicherungsordnung beschäftigte sich am Freitag eine von der Zentralkommission ein- berufene Versammlung der Krankenlassenvorstände. 102 Kranken- lassen in Berlin und den Vororten waren in der Versammlung vertreten. Der Referent Albert Kohn beleuchtete die Bestimmungen der Neichsversicherungsordnung, soweit sie sich auf die Kranken-. Versicherung beziehen. Er kam zu dem Schluß, daß die Vorlage in ihrer gegenwärtigen Form die Zustimmung der Versicherten nicht finden könne, denn selbst die bescheidensten Erwartungen, welche vom Standpunkt der Versicherten an die Neichsversicherungs- ordnung gestellt werden, entspricht die Vorlage nicht. Durch lebhaften Beifall bewies die Versammlung, daß sie mit der vom Referenten vertretenen Ansicht vollkommen einverstanden war. In der Diskussion wurden noch einzelne Bestimmungen de« Entwurfes einer besonderen Kritik unterzogen. Auch wurde gegen einen Beschluß des Handwerkskammertages protestiert, welcher verlangt, daß der Vorsitzende jeder Ortskrankenkasse immer ein Arbeitgeber �ein müsse. Ferner wurde darauf verwiesen, daß die Arbeitgebervertretcr verschiedener Ortskrankenkassen einen anderen Standpunkt eingenommen haben wie der Handwerkskammertag. So hat eine Versammlung der Arbeitgeber der Gemeinsamen Orts- krankenkasse für Handwerk und Gewerbe zu Biagdeburg-Neustadt eine Resolution angenommen, worin gesagt wird:Die Versamm- lung verwahrt sich ganz entschieden gegen die Zerstiirung der seit ihrem Bestehen gut und billig arbeitenden Selbstverwaltung der Ortskrankcnkassen, wie auch gegen die Halbierung der Beiträge. Wir wolle» leine paritätische Zusammeusehung der General- Versammlung, sondern dir Selbstverwaltung, wie wir sie jetzt haben." Der Vorsitzende Simanowski teilte mit, daß die auf dem vor» jährigen Krankenkassenkongreß eingesetzte Kommission eine Petition an den Reichstag ausgearbeitet habe, welche den Vorständen der einzelnen Kassen zugegangen sei. Simanowski schlug vor, daß der Vorstand jeder Krankenkasse die ihm zugegangene Petition unterzeichne und in der Zeit vom 24. bis 26. d. M. dem Reichstage einsende, und daß ein zweites Exemplar der Petition dem Reichs- tagsabgeordneten des Kreises, in dem die betreffende Kasse domiziliert, überreicht werde. So sollen die Krankenkassen durch einen Petitionssturm versuchen, ihren Forderungen bezüglich der Gestaltung der Reichsversicherungsordnung Geltung zu verschaffen. Die Versammlung erklärte sich mit diesem Vorschlage ein- verstanden. Unter anderem teilte Simanowski noch mit, daß der Magistrats- kommissar den Kassenvorständen ein Zirkular zugestellt habe, worin hingewiesen wird auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1910, welches anläßlich eines Breslauer Falles den Grundsatz ausspricht, daß aus Mitteln der Krankenkassen keine Beiträge zu den Zentralkommissionen geleistet werden dürfen. Auch den Vorortkassen ist ein solches Zirkular zugegangen. ES ist, wie Simanowski bemerkte, hier gegenstandslos, da die Kranken- lassen in Berlin und den Vororten keine Beiträge zur Zentral» kommisston leisten und auch in Zukunft nicht leisten werden. Kein Betriebsunfall. Der Steiger G. in Dorsten hatte gegen die Aktiengesellschaft Friedrich Krupp zu Essen auS einem Unfall auf dem Heimwege von der Arbeitsstätte Ansprüche geltend gemacht. G. hatte am 0. März ISO? NachmittagSschicht. Er verließ mit den anderen die Arbeitsstätte, suchte aber zuvor eine Wirtschaft auf. Nachdem er diese gegen 12H Uhr verlassen hatte, kam er nochmals auf den Weg zur Markenkontrolle, der jetzt finster war. Als er nun von der Markenkontrolle nach Hause wollte und den Fußweg der der Firma Krupp gehörigen Gartenstraße in Günnigfeld durchschritt fiel er über einen von der Eigentümerin dort abgelagerten um. unbeleuchtet gelassenen Haufen von Eisenschienen. Wegen des dabei erlittenen Schadens macht er die beklagte Firma Krupp Haft- pflichtig? denn seine Ansprüche sind von der Knappschaftsberufs- genossenschaft zu Bochum abgewiesen worden, weil kein Betriebs- Unfall vorliege. Das Landgericht Bochum erkannte im selben Sinne und der- urteilte die Beklagte unter Verneinung eines Mitverschuldens de« Klägers. Dagegen hat auf die Berufung der Beklagten das Oberlandesgericht Hamm das Urteil deS Landgerichts Bochum abgeändert und den Kläger abgewiesen. Es erklärt entgegen der Rechtsprechung des Reichsgerichts, daß es an die Entscheidung der Berufsgenosscnschaft nicht gebunden sei, daß vielmehr ein Be» triebSunfall vorliege und deshalb die Klage deS G. gegen die Be- klagte nicht berechtigt fei. Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Hamm ist nunmehr vom Reichsgericht aufgehoben und die Sache zur anderweiten Ver» Handlung und Entscheidung an daS OberlandcSgericht zurück- verwiesen worden. Zunächst legt der erkennende 6. Zivilsenat de» höchsten Gerichtshofes dar, daß das ordentliche Gericht nicht nur an solche Bescheide der Berufsgenossenschaft gebunden sei, die sich auf§ 135 Absatz 2 deS Gcwerbeunfallversicherungsgesctzes beziehen, sondern auch an alle in bezug auf die ZZ 1, 135 Absatz 1 sich er» gebenden Entscheidungen. Weiterhin aber erklärt daS Reichsgericht noch, daß in Wirk- lichkcit et» Betriebsunfall nicht vorliege. Zunächst sei nicht fest- gestellt, daß die Markcnkontrolle noch nachts 1 Uhr im Betriebe 'war; der Kläger gebe selbst an, daß er dort nur vorübergehend eine Meldung angebracht habe. War die Markenkontrolle mitter- nachts außer Betrieb, so habe der Kläger seine Meldung dort auch nicht beim Betriebe angebracht, wenn auch im dienstlichen Interesse. Gewiß könne ein Betriebsunfall sich auch quf dem vom Betriebe führenden Heimweg ereignen, wenn nur zwischen Unfall und Betrieb wenigstens mittelbar ursächlicher Zusammen» hang bestehe. Diese Voraussetzung fehle hier. Der Kläger , der nach einem WirtShauSaufentyalt von mehr als einer Stunde den Weg im Dunkeln fand, könne nicht sagen, daß er den Unfall noch auf dem Rückwege vom Betriebe erlitten habe. Der Weg diente also damals wesentlich nur als Heimweg nach verrichteter Arbeit und daneben nur gelegentlich, zufällig als Weg zur Marken- lontrolle» die der Kläger nachts 1 Uhr sicherlich nicht betreten haben würde, wenn er nicht gelegentlich, zufällig so spät noch vorüber- gekommen wäre. Da ein Betriebsunfall demnach nicht vorliegt, wurde die Sache zur Prüfung über den Tatbestand des Z 823 des Bürgerlichen Gefetzbuches sn dss Lberlandesgericht zurück» vLrtvi.eleu,- v