reife 17 Pf.; dagegen find in allen süddeutschen Städten, wo eineKonkurrenz des österreichischen Petroleums nicht vorhanden ist, diePreise durchschnittlich bis auf 20 Pf. hinaufgegangen. Wenn dieOil Co. erst ihre Konkurrenten bezwungen oder mit ihnen sich ver>ständigt hat, dann ist es mit den niedrigen Preisen vorbei. Schonaus diesem Grunde sollte man den Bestrebungen der Amerikanernach Möglichkeit Hindernisie bereiten.Die große wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit kannman schon daraus ermessen, daß jede Mark Preissteigerung pro Doppel-zentner für Deutschland eine Mehrausgabe von zirka 10 MillionenMark jährlich ausmacht. Und da die Standard Oil Co. mit ihrerbis an die Konsumenten heranreichenden Organisation diese nachhervollständig in Händen hat, kann sie die Preise ganz willkürlichdiktieren. Allerdings, auch die Allmacht eines Petroleummonopolskönnte schließlich gebrochen werden I Zum Teil ist das ein Problemder Elektrotechnik. Vorläufig kann die Elektrizität als Lichtquelle fürden kleinen Haushalt mit dem Petroleum noch nicht konkurrieren,aber eS dürfte doch nur eine Frage der Zeit sein, wann auch aufdiesem Gebiete die Elektrizitätsindustrie Siegerin sein wird. Undlassen sich die Amerikaner zu rücksichtslosen Preistreibereien verleiten,dann könnte sehr leicht der Gedanke, durch zollpolitische Maßnahmenden Sieg der Elektrizität zu beschleunigen, einen für die Petroleum-könige unliebsamen breiten Resonanzboden finden.Politik der Bauke«.Die Banken begnügen sich nicht damit, Einfluß auf die Groß-industrie zu gewinnen, nutzen ihn für ihre Jnteresien aus. EinInstrument dazu ist d� Dividendenpolitik, als ein Mittel der Kurs»beeinflussung. Die Berliner Handelsgesellschaft, die viele Be-ziehungen zur Montanindustrie unterhält, läßt der Oeffentlichkeitfolgende»Dividendenschätzungen"' mitteilen:Angeblich entsprechen die.Schätzungen� nicht den an der Börsegehegten Erwartungen. Vielleicht haben die Banken ihre Beständeerleichtert; klappt die Geschichte, werden sie bis zu den General-Versammlungen wieder gehörig erstarkt sein.Die Lebensmittelpreise im Kleinhandel.»Während im Großhandel die Lebensmittelpreise schon seitlängerer Zeit eine weichende Richtung aufwiesen und niedrigerstehen als im Vorjahre, behielten die Detailpreise noch immer ihrenhohen Stand, und erst im April machte sich, so schreibt die.Arbeitsmarkt- Korrespondenz', eine geringe Senkung be-merkbar. Im Durchschnitt von 6b Städten stellte sich nämlich derwöchentliche Kostenaufwand für die Ernährung einer vier«köpfigen Fanrilie, berechnet auf Grund der Nahrungsmittel-ration eines deutschen Marinesoldaten, auf 23,64 M. ImMärz hatte die entsprechende Standardziffer 23,70 betragen,im August 1003, dem Monat mit dem höchsten Stand23,70. Im Gegensatz zu den Großhandelspreisen stehen aber dieDetailpreise noch immer merklich über dem Niveau des Vorjahres.Für den Monat April beträgt der Vorsprung gegen 1000 noch immer1,05 M. pro Haushalt und Woche; im März hatte er 1,23, imFebruar 1,32 betragen. Bewirkt wurde die Ermäßigung desNahrungsmittelaufwandes von März auf April durch die Ver-billigung von Schweinefleisch, Butter und Kartoffeln.Im Mai sind nun aber die Fleischpreise fast durchweg wiederin die Höhe gegangen. Nach den Zusammenstellungen der.StatistischenKorrespondenz" über die Fleischpreise an 50 Marktorten in Preußenergeben sich folgende Durchschnitte. Es kostete ein Kilogramm inPfennig: 1. Hälfte Mai1000 1910Rindfleisch.... 164 166Kalbfleisch.... 176 177Hammelfleisch... 163 17»Schweinefleisch... 166 16»Roßfleisch..... 74 76Schweinespeck, geräuch. 177 187Wie die Aufstellung zeigt, sind besonder? die Preise für Hammel-fleisch, Schweinefleisch und für geräucherten Speck gegen das Vorjahrbedeutend hinaufgegangen. Die neuerlichen Preiserhöhungen fürFleisch dürften die kleine Abschwächung. die für den April berechnetworden ist. wohl wieder ausgeglichen haben.Der patriotische Trotztrust. Die steuerscheuen Agrarier könnenschmunzeln; um an Steuern zu sparen, hat der Hibernia-Trotztrustseinen Sitz nach Güstrow(Mecklenburg-Schwerin) verlegt. Von dortaus will er, auch vielleicht nach dem Muster des Gründer» SchlutiuS,Spekulationsgeschäfte machen.21/'> Millionen Mark soll nach einer Mitteilung der„BreSl. Ztg."der Kaufpreis sein, den die Schultheiß-Brauerei für die BrauereiPfeifferhof gezahlt hat._Gute Gewiunkonjnnktnr.Die Aktiengesellschaft Phönix für Bergbau und Hüttenbetrieb inRuhr ort erzielte in den ersten neun Monaten deS laufenden Geschäftsjahres einen Mehrgewinn von 6'/« Millionen Mark. Man er-wartet für da« gesamte Geschäftsjahr 7 Millionen MarkMehrgewinn.— Die Rheinisch-westfälischen Kalkwerke inDornap(Rheinlands weisen für die ersten drei Quartale deslausenden Geschäftsjahres stark 300 000 M. Mehrgewinn auf.— DieKo lnis che Unsall-VersicherungS-Aktien-Gesell-s ch a f t verteilt pro 1000 nicht weniger als 64 Proz. Dividendegegen 66 Pioz. im Vorjahre. Der Reingewinn betrug 1660 384 M.,131 360 M. davon sollen als Gewinnanteil der Generaldirektor unddie AufsicktSratsmitglieder erhalten. Zur Dividendenzahlung benötigtman 800 000 M.40 Proz. Dividende zahlt die„Rhenania', Versiche«rungS-Aktien-Gesellschaft in Köln. Der Reingewinnbetrug hier 606 402 M., davon werden 240000 M. zur Dividendenzahlung verteilt._Die Krise fn der Banmwolliudustrie.Man schreibt unS aus London unterm 21. Mai cr.:Die wirtschaftliche Krise machte sich in der englischen Baum-Wollindustrie, deren Geschicke sehr eng mit denen Nordamerikas, demAusgangspunkt des letzten wirtschaftlichen Niedergangs, verbundenfind, am frühesten bemerkbar und eS besteht sogar jetzt, da sich vieleIndustrien wieder langsam von der Krise erholen, noch keine Aus-ficht, daß sich die schlechten Verhältnisse in der HauptindustrieLancashires bessern werden. Nun kommen die Arbeitgeber und ver-langen von den Spinnern, die ihnen während des schlechten Ge-schäftsganges der verflossenen zwei Jahre in jeder Weise entgegen«gekommen sind, die Zustimmung zu einer Lohnreduktion von6 Proz. Schon am 1. März des vergangenen Jahre» ließen sich dieArbeiter eine fünfprozentige Lohnverkürzung gefallen. Diese Re«duktion in den Löhnen war die Folge der Aussperrung des Jahres1008, die sieben Wochen dauerte und die dadurch beendet wurde,daß sich die Arbeitgeber bereit erklärten, die für den 1. Januar 1909geplante Lohnreduttion bis zum 1. März des Jahres zu verschieben.Seit vielen Monaten werden nun schon Feierschichten eingelegt, diedirekt den Zweck befolgen, durch eine Einschränkung der Nachfragenach Rohbaumwolle die Pläne der amerikanischen Spekulanten zudurchkreuzen. Die Arbeiter haben diesen Abwehrkrieg gegen dieUebermacht der Patten und Sullh in selbstloser Weise mitgemacht.Aber nicht allein, daß sie ruhig mit angesehen haben, wie ihre Löhnedurch Reduktionen und Feierschichten verkürzt wurden, sie haben sichauch mit Eifer an der Bewegung beteiligt, die danach strebt, durchden Anbau von Baumwolle in den britischen Kolonien ihre Industrievon Nordamerika unabhängig zu machen. Die Arbeiter selber er-standen vor zwei Jahren Aktien in der„British Cotton-GrowingAssociation", und augenblicklich soll wieder zu dem gleichen Zweckeein monatlicher Beitrag von einem Penny auf 16 Monate erhobenwerden. Viele der Textilarbeiter Lancashires. die von den Baumwoll-Pflanzungen in den Kolonien Großes hofften, sind arg enttäuschtworden. Solche Unternehmungen lassen sich nicht aus demBoden stampfen und werden meist erst nach langenVersuchen mit verschiedenen Baumarten und unter verschiedenenVerhältnissen ertragsfähig. Unterdessen aber leidet der Arbeiterunter dem Druck der andauernd verschlechterten Lebenshaltung, undman wird die Stimmung verstehen können, in der die ArbeiterLancashires das Verlangen der Unternehmer nach einer weiterenLohnreduktion aufgenommen haben.Verschärft wird die Krise ohne Zweifel durch die Machi-Nationen der amerikanischen Spekulanten; denn den weitausgrößten Teil ihrer Rohstoffe bezieht die BaumwollindusttieLancashires aus den Vereinigten Staaten Nordamerikas. Kann manmit den Arbeitergroschen und einer skeptischen Fabrikantenschaft dasProblem der Nohstoffzufllhrung für eine folch gewaltige Industriewie die Textilindustrie Lancashires lösen? Die bestehenden Zuständeoffenbaren jedem denkenden Menschen die heillose Verwirrung, indie das kapitalistische Produktionssystem das Erwerbsleben einesgroßen Teiles deS englischen Volkes gebracht hat. Diese Ver-wirrung kann nur durch ein entschiedenes Eingreifen deS Staatesin den Produktionsprozeß beseitigt werden. Darüber find sichheute alle Parteien klar. Sowohl die Konservativen wie dieLiberalen haben eine kräftige Unterstützung der Versuche, in denbritischen Kolonien Baumivollpflanzungen anzulegen, versprochen.Man darf sich aber nicht verhehlen, daß sich einer wirksamen LösungdeS Problems manche Schwierigkeiten in den Weg stellen. Kon-servative wie Liberale sind offenbar auf den Stimmenfang aus undwerden den Kapitalisten, die jedem Eingreifen der Gesellschaft in denProduktionsprozeß mit großem Mißtrauen gegenüberstehen, mancheKonzessionen machen müssen. Soviel steht jedoch fest, daß die großeTextilindustrie Lancashires, deren Produktion jetzt fast die Hälfte derProduktion der Textilindustrie in der ganzen Welt ausmacht, nurdurch das Eingreifen des Staates vor dauernder Schädigung odergar dem Ruin gerettet werden kann.Hua der frauenbewegiing.Eine dankenswerte Neuerung.Der Wert der.Gleichheit" als LufklärungS-, BildungS« undErziehungöorgan braucht an dieser Stelle nicht besonders hervor-gehoben zu werden. Wer dieses Organ kennt, das hauptsächlich derAgitation unter dem weiblichen Proletariat dient, der weiß es zuschätzen. Ihres Inhalts wegen hat wohl schon jede Leserin undjeder Leser der„Gleichheit" bedauert, die Blätter nicht zu Jahres-bänden vereinigt zu besitzen. Aus diesem Grunde ist denn auchschon öfter der Wunsch laut geworden, der Verlag möge zweck-dienliche Einbanddecken herstellen lassen. Diesem Verlangen hat derVerlag jetzt in dankenswerter Weise entsprochen. Für den Jahr«gang 1008/9 sind nun für die„Gleichheit", Hauptblatt mit Beilage„Für unsere Hausfrauen und Mütter" und für die Kinderbeilageeinfache aber gut ausgestattete und vor allem billige Einbanddeckenvon dem Verlage— Stuttgart, Furtbachstt. 12— zu beziehen. Diebeiden Decken kosten zusammen nur 1 Mark. Bei Einzelbestellungen30 Pf. mehr für Porto. Jeder Decke wird Titelblatt und Inhalts-Verzeichnis gratis beigegeben. Da sicherlich viele Abonnenten der„Gleichheit" die Nummern gesammelt haben, wird die Neuerunghoffentlich vielen Zuspruch finden. ES empfiehlt fich daher, Be«stellungen umgehend an den Verlag gelangen zu lassen. Ein Bandder„Gleichheit" ist zweifellos für jede Bibliothek ein wertvollerBesitz._Frauen an preußischen Universitäten. DaS Frauenstudium hatim letzten Semester wieder eine Zunahme erfahren. Nach einer Zu«sammenstellung des Geh. Oberregierungsrats Tilmann studierten imWintersemester 1009/10 an preußischen Universitäten 2324 Frauengegen 1680 im Jahre vorher. Davon halten sich 2004(1463 imVorjahre) der Philologie zugewandt; 266(188) studierten Medizin,39(22) Theologie und 16(17) Jura. Die Folge der neuenJmmatrikulationsbedingungen war. daß die Zahl der immatrikuliertenHörerinnen gegenüber der Gastzuhörerinnen gewachsen ist. Währendim Wintersemester 1008/09 die Zahl der letzteren noch größer warals die der ersteren, kommen diesmal auf 1260 immatrikulierte nurnoch 1074 Gajtzuhörerinnen._Öenebtö- Zeitung.Gefängnisstrafe für einen Ruf der Entrüstung.Am Demonstrationssonntage, dem 6. März, abends gegen7 Uhr, soll der Zuschneider Jahnke durch den Ruf:»Pfui, Blut-Hunde!" mehrere Polizeibeamten beleidigt haben. Gestützt aufdie bestimmte Aussage eines einzigen Zeugen, Schutzmann Winter-feld, hat das Schöffengericht eine Gefängnisstrafe von einer Wochegegen Jahnke verhängt, wogegen er Berufung einlegte. Gesternkam die Sache vor der Strafkammer zur Verhandlung. Auch hiererklärte der Schutzmann Winterfeld, jeder Irrtum darüber, daßneben vielen anderen auch Jahnke den Ruf ausgestoßen habe, seiausgeschlossen.— Nach den glaubhaften, durch einen Zeugen,Schankwirt Seidler, unterstützten Angaben Jahnkes erscheint eSjedoch sehr unwahrscheinlich, daß gerade er geneigt sein sollte,Schutzleute zu beleidigen. Jahnke, der früher ein Schanklokalhatte, ist mit vielen Schndleuten befreundet; er hat auch keineAbneigung gegen die Polizei und ist an dem fraglichen Tage reindurch Zufall unter die demonstrierende Menge geraten. Er warwährend des Tages auf seinem Laubenland, hat am Nachmittagebei �einem befreundeten Schankwirt in der Kiefholzstraße Gäste,meistenteils Schuhleute, bedient, und als er abends nach Hauseging, ist er in der Falckensteinstraße in die Menschenmenge ge-raten. Aus ihr erscholl der Ruf„Bluthunde!". Jahnke bestreitetganz entschieden, daß er sich an den Rufen beteiligt habe. Zuseiner großen Ueberraschung sei er von dem Schutzmann Winter-feld gepackt und zur Wache gebracht worden. Auf dem Wege dahinhabe ihm ein ihm befreundeter Schutzmann zugerufen:«Franz,waS machen Sie denn mit Dir?"Nach alledem ist wohl anzunehmen, daß, wenn ein politisch souninteressierter und mit Schutzleuten befreundeter Mann, wieJahnke, wirklich einen Ruf der Empörung ausgestoßen habensollte, das Verhalten der Beamten geeignet gewesen sein muß.selbst die ruhigsten und indifferentesten Leute aus, der Fassungzu bringen.Der Verteidiger, Rechtsanwalt Kurt Rosenfeld, suchte demGericht begreiflich zu machen, daß eine Freiheitsstrafe, falls manden Angeklagten verurteilen wolle, in diesem Falle in keiner Weisegerechtfertigt wäre.Das Gericht ließ sich jedoch nicht zu dieser Ansicht bewegen,sondern erkannte, dem Antrage des Staatsanwalts gemäß, aufVerwerfung der Berufung! Es bleibt also dabei, daß der An-geklagte einen Ausruf der Entrüstung, der juristisch als Be-leidigung aller an der Absperrung beteiligt gewesener Schutz.leute zualijiziert wird, mit einer Woche Gefängnis büßen soll.Eine so hohe Strafe hält da? Gericht— wie in Vit Urteilsbegründung gesagt wurde— für notwendig, um-ie Beamtei�frozu schützen, die durch die betreffende Aeußerung schwer gekranktworden sei.Die durch Schläge mit Schutzmannsfäusten und Schutzmanns«säbeln gekränkte Ehre von Teilnehmern an den Demonstrationenist noch nicht gesühnt worden._Schutz gegen Schutzleute!Vor der Strafkammer des Landgerichts Duisburg gelangte amFreitag wieder einer der üblichen SchutzmannSprozesse zur Ve»Handlung, wie sie in der Jndustriegeaend am Niederrhein baldzu den alltäglichen Erscheinungen gehören. Der„Schutzmann"Wilhelm Weiß aus dem Polizeidistrikt Hamborn hatte sich de?Mißbrauchs der Amtsgewalt und der Mißhandlung im Diensteschuldig gemacht. Die Verhandlung förderte folgenden Tatbestandzutage: In der Nacht zum 16. Oktober v. Js. kam in Hamborneine kleine Gesellschaft von Zechenbeamten, bei der sich auch nochein Kaufmann, ein Lehrer und ein Metzgermeister befanden, dieProvinzialstraße entlang. Die Herren waren auf einer Vereins-festlichkeit gewesen und war es vielleicht hierauf zurückzuführen,daß der Zechenbeamte Poot und der Metzgermeister Küppers einwenig saugen. Das hatte der in der Nähe befindliche„Hüter derOrdnung" Weiß gehört, der nun natürlich kraft seines Amtes gegenden„Unfug" einschreiten mußte. Ein Zechenbeamter Becker, derden Weiß herankommen sah, sagte zu den beiden Sängern:„Seidruhig, da kommt ein Beamter." Als Quittung für diese Warnungwurde Becker, als der Uniformierte herangekommen war. beimGenick gefaßt und mit Ohrfeigen traktiert. Auch sprang der Hunddes Polizisten dem Becker cm die Waden und brachte ihm einigeBißwunden bei. Nur wer die Handflächen des Weiß in nächsterNähe gesehen, kann sich die volle Wirkung einer Ohrfeige vondiesen Händen ausmalen. Die ganze Gesellschaft benahm sich sopolizeifromm, daß sie nicht wagte, die Brutalitäten zu verhindern.Der Herr Metzgermeister machte sogar i>en— Hasen, indem ervon der Bildfläche verschwand. Auf dem Wege zur Polizeiwacheerhielt dann Becker, der mit Poot zusammen für verhaftet erklärtworden war, noch einige Schläge ins Genick, als er zu bemerkenwagte, er habe doch gar nicht gesungen. Obwohl nun Becker fort-während seinen Namen nannte, Poot sowie Nosenlaum, die beideauch noch persönlich mit dem„Schutzmann" bekannt waren, ihnlegitimierten und Becker außerdem noch seine Vereinsmitglieds-karte und einige bei sich führende Briefe als Legitimation vor»legte, ließ dennoch der Herr Schutzmann nichts von alledem gelten.Der Herr der Straße sperrte den Becker ein; vergeblich war da»Verlangen Beckers nach dem vorgesetzten Kommissar.Und die Sühne für diese Polizeitaten?— StaatsanwaltDr. Schmidt beantragte 4 Monate Gefängnis, weil der„Schutz-mann" seine Pflicht als Beamter schwer verletzt habe. Doch dasGericht hatte ein Einsehen mit dem„Hüter der Ordnung", esverurteilte ihn zu— 150 Mark Geldstrafe! Das Gericht schloßsich vorwiegend der Argumentation des Verteidigers, Dr. Wallach-Essen, an, der in seiner„Verteidigungsrede" bemerkte:„Die Verfehlungen des Angeklagten erschienen immerhinnoch im milden Lichte angesichts der leider so häufigen Ueber-griffe von Beamten der Sicherheitsorgane, die bei Mißbrauchder Amtsgewalt sich der Waffe bedienten. Das habe Weiß dochnicht getan! Der Angeklagte habe auch wohl im jugendlichenFeuereifer gehandelt(Weiß trägt erst zwei Jahre den Polizei»rock), habe auch wohl kaum die Instruktionen alle verstanden.Für die widerrechtliche Inhaftierung könne Weiß nicht ver-antwortlich gemacht werden, da er sich in der Handhabung derGesetze nur„geirrt" habe usw.Diese Begründung, die gewollt oder ungewollt, eine blutigeIronie auf unsere' Polizeiwirtschaft darstellt, und daS Urteil beleuchten in denkbarster Grelle das gottgewollte Abhängigkeitsverhältnis des Publikums von Sr. Majestät dem Schutzmann!Ungültige KreiS-P-llzeiverordnnng.Der Landrat zu Licbenwerda hat unter dem 19. November1880 eine Polizeiverordnung erlassen, durch die er verbot, an nichtortSangehörige Bettler Almosen zu geben. Die Verordnung sollteThieme übertreten haben. Der Angeklagte bestritt die Gültigkeitder Verordnung. Die Strafkammer in Torgau als BerufungS-gericht sprach den Angeklagten auch frei, indem es die Ungültigkeitder Verordnung des Landrats annahm, weil die Materie de»BettelnS durch das Strafgesetzbuch erschöpfend geregelt sei. DieStaatsanwaltschaft legte Revision ein.Das Kammergericht wies aber die Revision ab. ES ging jedochauf die Frage der materiellen Gültigkeit der Verordnung nichtein, da sie schon aus einem formellen Grunde für ungültig er-achtet werden müsse. Der Regierungspräsident zu Merseburg hatnämlich unter dem 13. Mai 1884 gemäß Z 144 deS Laudes-Ver»waltungsgesetzcs Vorschriften erlassen, von deren Beachtung dieGültigkeit von Kreis-Polizeiverordnungen abhängig ist. Darinwird bestimmt, daß solch« Polizewerordnungen in den einleitendenWorten Bezug nehmen müssen auf den 8 142 deS LandeS-Ver»waltungsgesetzcs und aus die 8§ 0 und 16 des Polizei-Verwaltungs-gesetzes. Die Polizeiverordnung deS Landrats erwähnt aber außerdem Z 142 deS Landes-Verwaltungsgesetzes das Polizei-Verwal-tungsgcsetz nur allgemein, also ohne Nennung der 88 6 und 15.Aus diesem Grunde sei wegen Nichtbeachtung der Vorschriften de»Regierungspräsidenten die Verordnung ungültig. Sei die Polizei-Verordnung des Landrats schon aus diesem Grunde ungültig, sobrauche auf die Frage der materiellen Gültigkeit nicht eingegangenwerden.__Vermischtes.Der flotten verein an der„Arbeit".AIS der sächsische Landtag kürzlich geschlossen wurde, ver-sammelten sich die konservativen und nationalliberalen Ab-geordneten in der Frauenkirche zu einem feierlichen Gottesdienst,bei dem Oberhofprediger D. Ackermann über das Bibelwortim 14. Kapitel des Römerbriefes predigte:„Das Reich Gottes istnicht essen und trinken." Nachdem die Abgeordneten diesePredigt hatten über sich ergehen lassen, begaben sie sich ins Schloß,um dort mit 180 Gedecken das Reich Gottes unter Cham»pagner zu setzen. In derselben angenehmen Weise befolgt derDeutsche Flottenverein, der in diesen Tagen in Berlin seine10. Hauptversammlung abhält, das oben zitierte Bi�elwort. SeineVerhandlungen gehen vollständig im Essen und Trinkenunter. Zwar beschäftigte man sich in einem kurzen Vortrag auchmit der Erweiterung der Deplacements der Kriegsschiffe. Inder Hauptsache aber sorgen die Delegierten durch Diners, ge»m e i n sch a f t l i ch e Essen. Empfänge, warme Früh.st ü ck e und ähnliche schöne Dinge mehr für die Erweiterung ihrereigenen Deplacements. Die anstrengenden Tage nahmen bereit»am Donnerstag voriger Woche ihren Anfang, wo man fich aufKosten deS Steuersäckels der Berliner Bevölkerung gütlich tat.Der Freitag war für die Delegierten besonders sorgenvoll. Siemußten sich schon früh erheben, um pünktlich 8,30 Uhr den Sonder»dampfer nach dem Kabelwerk der A. E. G. in Ober-Schöneweidezu erreichen. Dort besichtigte man zwar auch die Metallgießereiund das Kupferwalzwerk, aber die Hauptsache war doch wiederumdas auf 12 Uhr festgesetzte, von der A. E. G. dargebotene Essen.Hier kostete es also wieder nichts, und man mußte sich sehr beeilen.um ja um 4 Uhr pünktlich im Zoologischen Garten sein zu können,wo nicht weniger als fünf Regimentskapellen des Gardekorpskopzertiersen. So etwas strengt natürlich an und deshalb hattedie fürsorgliche Kongreßleitung schon um �7 Uhr im Haupt-restaurant deS Zoologischen Gartens ein warmes Abend«essen, daS Gedxck zu 3 M., bereit gehalten. Auf Sonnabend,